Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 100/13 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 34/16 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der Frage, ob arzneimittelähnliche Medizinprodukte ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung der GKV einbezogen werden, ist keine stoffbezogene, sondern eine präparatebezogene Prüfung vorzunehmen.
2. Der Gemeinsame Bundesausschuss darf arzneimittelähnliche Medizinprodukte nicht rückwirkend aus der Arzneimittel-Richtlinie streichen.
2. Der Gemeinsame Bundesausschuss darf arzneimittelähnliche Medizinprodukte nicht rückwirkend aus der Arzneimittel-Richtlinie streichen.
Bemerkung
BSG: Revision
Der Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2013 wird aufgehoben, soweit der Beklagte die Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¾ und der Beklagte zu ¼. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung des beklagten Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Laxatan M aus dem Kreis der in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähigen Medizinprodukte auszuschließen.
Die Klägerin stellt u.a. das Medizinprodukt Laxatan M her, welches zur symptomatischen Behandlung bei (chronischer) Verstopfung (Obstipation) eingesetzt wird. Jeder Beutel Laxatan M enthält 15,35 g eines in Wasser aufzulösenden Granulats, welches sich wie folgt zusammensetzt: Macrogol 13,125 g Magnesiumcitrat 0,250 g Calciumcitrat 0,125 g Kaliumchlorid 0,015 g Inulin 1,000 g
Die Wirkung von Laxatan M beruht nach den Angaben der Klägerin auf dem Wirkstoff Macrogol (Polyethylenglycol - PEG -). Dieser Wirkstoff erhöht aufgrund des osmotischen Drucks und über Wasserstoffbrückenbildung den Wasseranteil im Darm. Dadurch wird der dort vorhandene (verhärtete) Stuhl hydratisiert und nimmt an Volumen zu, die Volumenzunahme bewirkt einen Druck auf die Darmwand und diese reagiert hierauf mit dem Defäkationsreflex (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 189/07 -, juris) Die in Laxatan M darüber hinaus enthaltenen Elektrolyte (Magnesiumcitrat, Calciumcitrat, und Kaliumchlorid) haben – so die Klägerin weiter – für das Erreichen der Zweckbestimmung ebenso wenig Bedeutung wie Inulin, welches allein und spezifisch die Darmflora unterstützt.
Im März 2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten, das ebenfalls von ihr hergestellte Medizinprodukt Laxatan in die damalige Anlage 12 ("Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte", heute Anlage V) der vom Beklagten erlassenen Arzneimittel-Richtlinie (AM RL) aufzunehmen. Laxatan wird für denselben medizinischen Zweck eingesetzt wie Laxatan M und weist auch dieselbe – im o.g. Antrag vollständig wiedergegebene – Zusammensetzung auf. Mit klägerseitig nicht angefochtenem Bescheid vom 18. September 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil zwar die medizinische Notwendigkeit und der therapeutische Nutzen für PEG haltige Abführmittel belegt sei, ein entsprechender Nachweis für den Bestandteil Inulin allerdings nicht erbracht worden sei, sodass zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeiten ohne den Zusatz Inulin zur Verfügung stünden.
Im Rahmen ihres Anfang März 2009 gestellten Antrags auf Aufnahme von Laxatan M in die Anlage 12 zur AM RL gab die Klägerin unter Ziffer 2 ("Wirkstoff / Zusammensetzung") des Antragsbogens nur die Inhaltsstoffe Macrogol, Magnesiumcitrat, Calciumcitrat und Kaliumchlorid, nicht aber Inulin an. Der Beklagte wies die Klägerin auf die Unvollständigkeit des Antrags hin und bat um weitere Unterlagen bzw. Stellungnahmen (Schreiben vom 2. April 2009). Daraufhin teilte die Klägerin mit, dass die Anwendungsbeobachtung zu Laxatan "in Analogie zur Wirkung und Verträglichkeit des Medizinproduktes Laxatan M herangezogen werden" könne (Schreiben vom 7. April 2009). Mit Bescheid vom 16. Juli 2009 nahm der Beklagte entsprechend eines am gleichen Tage gefassten Beschlusses Laxatan M in die AM RL, zunächst befristet bis zum 7. April 2010, auf. Die Aufnahme wurde wiederholt verlängert, zuletzt bis zum 6. Oktober 2016.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zur Behandlung der Obstipation Macrogol-haltige Produkte mit identischer Zusammensetzung sowohl als Arzneimittel zugelassen als auch als Medizinprodukte zertifiziert sind, sowie aufgrund einer Auskunft der Bezirksregierung K vom 5. Dezember 2011, wonach Laxatan M keiner Arzneimittelzulassung bedürfe, überprüfte der Beklagte erneut die Aufnahme dieses Medizinprodukts in die AM RL. Mit Bescheid vom 17. Januar 2013 teilte er der Klägerin aufgrund eines am selben Tage gefassten Beschlusses mit, dass der Bescheid vom 16. Juli 2009 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werde, die Befristungsverlängerungen vom 17. Dezember 2009 und 20. Oktober 2001 aufgehoben werden und Laxatan M aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte (Anlage V der AM RL) zu streichen sei. Der Bescheid vom 16. Juli 2009 sei rechtswidrig, da nach den klägerseitig eingereichten Unterlagen ein therapeutischer Nutzen nur für PEG haltige Präparate mit Elektrolyten zur Behandlung der Obstipation belegt sei, nicht aber für ein zusätzlich Inulin beinhaltendes Medizinprodukt. Der therapeutische Nutzen nach § 29 Nr. 3 AM RL sei jedoch für das konkrete Medizinprodukt unter Berücksichtigung aller seiner Bestandteile nach Art und Menge zu beurteilen, weil Medizinprodukten grundsätzlich nur ein Gesamtwirkmechanismus zugeschrieben werde. Da die Rechtswidrigkeit des Bescheides auf unrichtige bzw. unvollständige Angaben der Klägerin zurückzuführen sei und sie daher keinen Vertrauensschutz beanspruchen könne, sei es unter Berücksichtigung aller Umstände sachgerecht, den Bescheid in vollem Umfang zurückzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 17. Januar 2013 erlassenen Streichung von Laxatan M aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte an.
Die Klägerin betrieb im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung kein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Beschluss des Beklagten vom 20. Juni 2013 wurde am 11. Juli 2013 im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Nach Ziffer II der Bekanntmachung tritt die Änderung der Richtlinie "am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft" Seit dem 12. Juli 2013 enthält die Anlage V der AM RL Laxatan nicht mehr.
Mit ihrer am 19. Juli 2013 erhobenen Klage bringt die Klägerin vor: Innerhalb des Sozialgesetzbuches/Fünftes Buch (SGB V) sei sowohl bei Arzneimitteln als auch bei Medizinprodukten eine stoffbezogene Betrachtung vorzunehmen. Sie habe die Zusammensetzung von Laxatan M in der Anwendungsbeobachtung (AWB) vollständig offenbart und daher auch vollständige Angaben gemacht. Unvollständige Angaben im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X habe sie aber auch deshalb nicht gemacht, weil sie nach dem bei Antragstellung geltenden Verfahrensregime nicht verpflichtet gewesen sei, die Zusammensetzung von Laxatan M vollständig nach Art und Menge anzugeben. Im Übrigen agiere der Beklagte willkürlich und unter Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot. Wäre seine Argumentation zutreffend, müssten sämtliche Macrogol-haltigen Produkte wegen einer Überschreitung des Maßes des Notwendigen aus Anlage V der AM RL gestrichen werden, weil die stets enthaltenen Elektrolyte – genau wie Inulin – für das Erreichen der jeweiligen Zweckbestimmung keine Funktion hätten. Es existierten keine Gründe dafür, Inulin abweichend von den Elektrolyten zu behandeln und sie – die Klägerin – damit im Vergleich zu ihren Wettbewerbern, die ebenfalls Macrogol-haltige Laxantien auf den Markt brächten, zu benachteiligen. Der Einwand des Beklagten, ein Nutzenbeleg für den Inhaltsstoff Inulin sei nicht erbracht worden, sei unzulässig, da eine Wirksamkeit von Inulin zur Behandlung der Obstipation von ihr auch nie in Anspruch genommen worden sei. Andererseits stelle Inulin den bereits belegten Nutzen von Macrogol auch nicht in Frage. Dies gelte umso mehr, als Inulin in der täglichen Ernährung über normale Lebensmittel wie z.B. Weizen, Zwiebeln, Porree, Spargel und viele andere in Mengen von 3 bis 11 g aufgenommen werde. Laxantien mit dem Wirkstoff Macrogol und dem Bestandteil Inulin würden beispielsweise von unabhängigen Organisationen wir der Deutschen Gesundheitshilfe empfohlen. Studien höchstmöglicher Evidenz dürfe der Beklagte nur verlangen, wenn die vorgelegten Belege niedriger Evidenz im konkreten Fall unter Beweisgesichtspunkten nicht ausreichend seien. Ein solcher Fall liege aber nicht vor. Auch wenn nach dem Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V Medizinprodukte nur ausnahmsweise erstattungsfähig seien, sei doch eindeutig, dass hinsichtlich der arzneimittelähnlichen Medizinprodukte ein Anspruch auf Erstattung bestehe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend und trägt ergänzend vor: Er sei im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 16. Juli 2009 auf der Grundlage der klägerischen Angaben davon ausgegangen, dass es sich bei Laxatan M lediglich um ein PEG-haltiges Präparat mit Elektrolyten handele. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei für das Medizinprodukt zu Recht der Stoffbegriff des Arzneimittelgesetzes (AMG) erläuternd heranzuziehen. Hieran orientierten sich letztlich auch die Informationspflichten des Medizinprodukteherstellers nach Anlage 1 Teil II Abschnitt 13.3 lit. b) der Richtlinie 93/42/EWG. Die medizinprodukterechtlichen Vorschriften träfen für stoffliche Medizinprodukte keine Sonderregelungen, die die im Arzneimittelrecht geltenden Differenzierungen nach Wirkstoffen und (Hilfs )Stoffen stützen könnten. Ein Medizinprodukt setze sich daher aus Bestandteilen zusammen, die nicht in solche wesentlicher und unwesentlicher Art unterschieden werden könnten. Das SGB V sehe nur für Arzneimittel die Möglichkeit einer wirkstoffbezogenen Listung vor, während die Aufnahme von Medizinprodukten produktbezogen erfolge. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Gerichts (Urteil vom 25. Januar 2013 - L 24 KA 43/10 KL -). Ginge man mit der Klägerin davon aus, dass Macrogol der einzige in Laxatan M enthaltene relevante (Wirk )Stoff für das Erreichen der Zweckbestimmung sei, sei der Zusatz von weiteren Stoffen, wie z.B. Inulin, als unzweckmäßig zu beurteilen, da das Maß des Notwendigen überschritten wäre. Die Klägerin habe bestätigt, dass Inulin, ein Speicherkohlenhydrat, als sogenanntes Präbiotikum ein Nahrungsbestandteil sei. Die Versorgung mit Lebensmitteln gehöre allerdings grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse, das es rechtfertige, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs hinter die öffentlichen Belange zurücktreten zu lassen, begründe sich darin, dass das öffentliche Interesse vorliegend auch an der Gewährleistungsfunktion der AM RL auszurichten sei und damit die Belange der Versichertengemeinschaft in die Interessenabwägung einzustellen seien. Medizinprodukte, für die nicht nachgewiesen sei, dass ihr therapeutischer Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, seien als unwirtschaftlich anzusehen. Es entspreche nicht dem Sinn und Zweck des Rechtsschutzanspruchs nach § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), eine durch unrichtige Angaben angemaßte Rechtsposition zu erhalten und vor behördlichen Gegenmaßnahmen abzuschirmen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ablehnung der Verordnungsfähigkeit von Laxatan bereits in Bestandskraft erwachsen sei, während sich der hiesige Rechtsstreit mit Rechts- und Tatsachenfragen befasse, die Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Bescheid vom 18. September 2008 hätten sein müssen. Zum Erhalt und zur Leistungsfähigkeit der GKV trage letztlich nicht primär die finanzielle Be- oder Entlastung bei, vielmehr sei auch hier Maßstab die Gewährleistungsfunktion, orientiert an den Systementscheidungen, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der beitragsfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung getroffen habe. Hierzu zähle insbesondere, dass Leistungen, auf die kein Anspruch bestehe, auch nicht erbracht würden. Durch die sofortige Vollziehung der Aufhebung der Verordnungsfähigkeit für die Zukunft werde der ursprüngliche, von Gesetzes wegen vorgesehene Rechtszustand über die Erstattungsfähigkeit von Medizinprodukten im Allgemeinen wieder hergestellt, während über die mangelnde Erstattungsfähigkeit zu Lasten der GKV hinaus keine irreparablen Folgen für die Klägerin aus der Anordnung der sofortigen Vollziehung resultierten. Die "Revision der Erstattungsfähigkeit für die Vergangenheit" bleibe dem Rechtsbehelfsverfahren vorbehalten und sei in die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin eingestellt worden. Er – der Beklagte – sei zur Feststellung berechtigt, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Medizinprodukts in die AM-RL nicht vorgelegen hätten. Das BSG hat eine Rückabwicklung bei Falschangaben für möglich gehalten.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Zu Recht hat der Beklagte entschieden, dass Laxatan M nicht die Voraussetzungen erfüllt, um als (arzneimittelähnliches) Medizinprodukt ausnahmsweise in der GKV verordnet werden zu können. Die Streichung eines bereits in Anlage V der AM-RL aufgenommenen Medizinprodukts kann allerdings nicht rückwirkend erfolgen.
A. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage zulässig. Zwar würde allein die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide vom 17. Januar 2013 und 20. Juni 2013 noch nicht dazu führen, dass Laxatan M in der GKV wieder verordnungsfähig wäre. Hierzu müsste auch Anlage V der AM-RL im Sinne der Klägerin geändert werden. Eines zusätzlichen Feststellungsantrags, dass Anlage V der AM-RL rechtswidrig ist, soweit darin die Erstattungsfähigkeit von Laxatan M in der GKV nicht vorgesehen ist, bedarf es jedoch nicht, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Protokoll erklärt hat, er werde die beanstandete Normänderung wieder rückgängig machen, wenn die o.g. Bescheide bestandskräftig aufgehoben würden.
B. Die Klage ist indes nur zum Teil begründet.
I. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig, soweit sie die Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL verfügten (hierzu 3.). Hierfür musste der Beklagte jedoch nicht den (Aufnahme-)Bescheid vom 16. Juli 2009 und die nachfolgenden Verlängerungsbescheide aufheben (hierzu 2.). Eine rückwirkende Streichung kommt hingegen grundsätzlich nicht in Betracht (hierzu 4.).
1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 6 und § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V hat der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V – also der AM-RL – festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 Medizinproduktegesetz (MPG) zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ordnet § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V die entsprechende Geltung von § 34 Abs. 6 SGB V an. Diese Vorschrift sieht die Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens für die Aufnahme von Arzneimitteln in die "Zusammenstellung" nach § 34 Abs. 1 Satz 2 und 4 SGB V vor. Dieses Verfahren wird durch einen entsprechenden Antrag des pharmazeutischen Unternehmers in Gang gesetzt (Satz 1 a.a.O.) und endet mit der Bescheidung ausreichend begründeter Anträge (Satz 4 a.a.O.); mit der Bescheidung ist der Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren (a.a.O.). Ergänzend bestimmt Satz 5 a.a.O., dass eine ablehnende Entscheidung eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten muss. Diese Vorgaben gelten mithin auch für die Aufnahme von Medizinprodukten in die gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu erstellende Übersicht verordnungsfähiger Medizinprodukte. Auch wenn § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V ausdrücklich nur die Bescheidung eines "Antrags" regelt, gebieten Systematik und Zweck der Regelung die entsprechende Anwendung der Norm und damit eine Bescheidung auch in der Konstellation, dass der GBA ein bereits in die Übersicht aufgenommenes Medizinprodukt aus dieser entfernen will (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R ("Jacutin Pedicul Fluid") –, juris)
2. Bescheide des Beklagten, durch die dieser gegenüber dem Antragsteller erklärt, ein Medizinprodukt in Anlage V der AM-RL aufzunehmen – wie die beiden o.g. Bescheide –, sind keiner Aufhebung nach § 44ff. SGB X zugänglich, weil sie sich durch den Normsetzungsakt der Aufnahme erledigen und es damit keinen Verwaltungsakt (mehr) gibt, der aufgehoben werden müsste (BSG, a.a.O.). Zwar sind Entscheidungen über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL – ebenso wie über deren Herausnahme aus der Übersicht – (auch) in der Form eines Verwaltungsaktes zu treffen, sodass auf das Antragsverfahren die allgemeinen Vorschriften für Sozialverwaltungsverfahren Anwendung finden. Jedoch erfordert die Herausnahme eines bereits gelisteten Medizinprodukts aus der Übersicht nicht die Aufhebung des Bescheides, mit dem seine Aufnahme in die Übersicht verfügt wurde.
a. Auch wenn § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V ausdrücklich nur die Bescheidung eines "Antrags" regelt, gebieten Systematik und Zweck der Regelung die entsprechende Anwendung der Norm und damit eine Bescheidung auch in der Konstellation, dass der GBA ein bereits in die Übersicht aufgenommenes Medizinprodukt aus dieser entfernen will. Folge des durch § 34 Abs. 6 SGB V vorgeschriebenen Verfahrens ist, dass grundsätzlich die Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrensrechts Geltung beanspruchen (BSG a.a.O.).
b. Im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 6 SGB V jedoch besteht die Besonderheit, dass ein Normsetzungsverfahren durch den Antrag eines Normunterworfenen in Gang gesetzt wird und eine Bescheidungspflicht des Normgebers besteht. Durch die Vorgabe des § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V, den Antrag auf Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL (bzw. dessen Herausnahme aus der Anlage) zu bescheiden, erfolgt eine Verzahnung von Normsetzung durch den GBA bei der Gestaltung der AM-RL mit dem Verwaltungsverfahren gegenüber dem Hersteller. Diese Verzahnung von Verwaltungsverfahren und Normsetzung erfordert es, die teils gegenläufigen Prinzipien beider Regelungsformen – insbesondere in Bezug auf den Rechtsschutz – zum Ausgleich zu bringen. Sicherzustellen ist dabei einerseits, dass der nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Bescheid nicht dadurch zur "leeren Hülle" wird, dass der GBA unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit oder Bestandskraft zu Änderungen der AM-RL berechtigt wäre, andererseits, dass die Normsetzung nicht dadurch übermäßig beschränkt wird, dass eine Normänderung nur bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 44ff. SGB X möglich wäre. Dieses Spannungsverhältnis ist dahingehend aufzulösen, dass die Durchführung des Verwaltungsverfahrens gegenüber dem Unternehmer zwar – einerseits – für die Normsetzung vorgreiflich ist, sich aber – andererseits – auch in dieser Funktion erschöpft. Daher besteht der Regelungsgehalt des durch § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V vorgeschriebenen Verwaltungsaktes allein in der Zusage des den Bescheid erlassenden Normgebers, dem Antrag des Unternehmers auf Aufnahme eines Medizinprodukts (bzw. Arzneimittels) in die Übersicht in dem Sinne zu entsprechen, dass dieses Begehren durch eine entsprechende Änderung der AM-RL erfüllt wird. Für den Fall einer Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht gilt im Grundsatz nichts anderes, nur dass hier der Bescheid die Selbstverpflichtung des Normgebers enthält, das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen. In beiden Fällen ist die Bescheidung notwendige (rechtliche) Voraussetzung für die nachfolgende Normsetzung, erschöpft sich aber auch hierin. In dem Moment, in dem der Normgeber diese Zusage bzw. Selbstverpflichtung durch entsprechende Normänderung erfüllt, ist der nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Verwaltungsakt umgesetzt und hat sich damit erledigt i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X. Eines Aufrechterhaltens der Rechtswirkungen dieses Verwaltungsaktes zum Schutze des Bescheidadressaten bedarf es nicht, weil sich die vom Antragsteller begehrten (fortdauernden) Rechtswirkungen aus der Richtlinie selbst ergeben (BSG a.a.O.). Rechtliche Folge der Erledigung des die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht zusagenden VAs ist es, dass bei einer beabsichtigten Streichung des Medizinprodukts aus der Übersicht nicht zugleich auch der "Aufnahmebescheid" aufgehoben werden muss, sondern der nunmehr in entsprechender Anwendung des § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Bescheid lediglich die Verfügung zu enthalten hat, dass das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen ist. Auf der Normebene hat der GBA dann die durch Bescheid vorgegebene Herausnahme des Medizinprodukts durch entsprechende Änderung der AM-RL umzusetzen. Etwaiger Vertrauensschutz ergibt sich damit allein aus der Normsetzung.
c. Damit bleibt auch der Rechtsschutz des Unternehmers bei einer Herausnahme des von ihm hergestellten Medizinprodukts aus der Übersicht im Wege einer Änderung der AM-RL gewährleistet, weil der GBA auch hier die Vorgaben des § 34 Abs. 6 SGB V sinngemäß beachten muss. Das Inkrafttreten der Richtlinie (bzw. ihrer Änderung) steht unter einem doppelten Vorbehalt: Zum einen sind die vom GBA beschlossenen Richtlinien gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorzulegen, welches sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden kann (Satz 2 aaO). Die Beanstandung ist als bindende Anordnung zu verstehen, die Richtlinie nicht in Kraft zu setzen. Zum anderen ist der Verwaltungsakt nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V der Normsetzung in dem Sinne vorgeschaltet, dass der GBA die AM-RL erst dann rechtswirksam ändern darf, wenn der gegenüber dem Unternehmer erlassene Bescheid über die Herausnahme bestandskräftig geworden ist. Mithin darf eine Veröffentlichung der Richtlinie im Bundesanzeiger (§ 94 Abs. 2 Satz 1 SGB V), mit der sie ihre rechtliche Wirkung entfaltet, erst nach Bestandkraft des Verwaltungsaktes erfolgen. Nur so wird dem mit der Einfügung des § 34 Abs. 6 SGB V letztlich verfolgten Ziels, den Rechtsschutz des betroffenen Unternehmers zu erhöhen, ausreichend Rechnung getragen. Deutlich wird dies gerade im Falle einer Herausnahme eines Medizinprodukts aus der Übersicht: Der Rechtsschutzgewinn durch § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V besteht allein darin, das Wirksamwerden einer Richtlinienänderung hinauszuschieben bzw. zu verhindern mit der Folge, dass das Medizinprodukt jedenfalls bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens verordnungsfähig bleibt. Da es für den Rechtsschutz des Unternehmers entscheidend darauf ankommt, das Inkrafttreten der Richtlinienänderung und damit deren Wirksamkeit zu verhindern, können der Erlass des Bescheides über die beabsichtigte Änderung der Übersicht und die entsprechende Beschlussfassung des GBA zeitgleich erfolgen; mit Zustellung des Bescheides läuft die Rechtsmittelfrist für den betroffenen Unternehmer, welcher den Bescheid anfechten kann, sowie – mit Vorlage des Beschlusses an das BMG – die Beanstandungsfrist nach § 94 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die gegen einen nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V ergangenen Bescheid erhobene Anfechtungsklage hat nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung, sofern nicht der GBA (oder das LSG) den Sofortvollzug anordnet. Nach Bestandskraft dieses Bescheides – sowie vorbehaltlich einer Nichtbeanstandung durch das BMG – setzt der GBA die Änderung der AM-RL durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft (BSG a.a.O.).
3. Zu Recht hat der Beklagte in den Bescheiden vom 17. Januar und 20. Juni 2013 verfügt, dass Laxatan M aus der Anlage V der AM-RL zu streichen sei. Denn für dieses Medizinprodukt liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht vor.
a. Die o.g. Wechselbeziehungen zwischen der Entscheidung durch Verwaltungsakt und der Normsetzung sind auch bei den Maßstäben zu berücksichtigen, die an die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide anzulegen sind. Gefordert ist eine (inzidente) Überprüfung der Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheiderlass intendierten, im Wege der Normänderung umzusetzenden Herausnahme von Laxatan M aus der Anlage V der AM-RL, weil sich der GBA durch den Bescheid nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V nur dann (und insoweit) selbst binden darf, wenn die Normänderung ihrerseits rechtmäßig ist. Dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen für eine Aufnahme des Medizinprodukts in die Übersicht nicht mehr erfüllt werden oder von vornherein nicht gegeben waren. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze für die Änderung von Normen, die sich belastend auf Leistungserbringer auswirken können; so müssen die gesetzlichen Vorgaben beachtet und das Gleichbehandlungsgebot berücksichtigt sein.
Bei der Prüfung ist der für jeden Normgeber kennzeichnende Gestaltungsspielraum des GBA beim Erlass von Richtlinien zu respektieren. Daher beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle untergesetzlicher Normen regelmäßig darauf, ob die Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden; dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber ggf. zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (BSG a.a.O. m.w.N.).
b. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Verbleib von Laxatan M in der Übersicht, weil das Medizinprodukt nicht den Anforderungen entspricht, die für eine Aufnahme in die Übersicht zu erfüllen sind. Die hierfür aufgestellten und vom Beklagten beachteten Anforderungen unterliegen keinen rechtlichen Bedenken (aa.). Der Beklagte durfte auch die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht davon abhängig machen, dass keine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit verfügbar ist (bb.).
aa. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V hat der GBA (durch Aufnahme in die Übersicht) festzulegen, in welchen "medizinisch notwendigen Fällen" Medizinprodukte ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Der GBA hat den Begriff zum einen in § 29 AM-RL ("Medizinisch notwendige Fälle") und zum anderen in Kapitel 4 § 39 ("Bewertungskriterien") Abs. 1 seiner Verfahrensordnung (VerfO) – gleichlautend – wie folgt konkretisiert: Danach ist ein Medizinprodukt medizinisch notwendig im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wenn 1. es entsprechend seiner Zweckbestimmung nach Art und Ausmaß der Zweckerzielung zur Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 28 AM-RL geeignet ist, 2. eine diagnostische oder therapeutische Interventionsbedürftigkeit besteht, 3. der diagnostische oder therapeutische Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und 4. eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar ist.
Der GBA hat die genannten Kriterien für die Aufnahme in die Übersicht der ausnahmsweise verordnungsfähigen Medizinprodukte in der AM-RL unter Berücksichtigung des gesetzlich festgelegten Regel-Ausnahmeverhältnisses (§ 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V) formell und inhaltlich rechtmäßig festgelegt (BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 23/11 R - "Gepan instill", juris). Die in Kapitel 4 Abschnitt 5 VerfO festgelegten Anforderungen an die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Verordnungsfähigkeit des Medizinprodukts (Kapitel 4 § 38 VerfO), die Bewertungskriterien zur Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 39 VerfO) sowie den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 40 VerfO) harmonisieren durch die dort niedergelegten Erfordernisse der Verkehrsfähigkeit der Medizinprodukte, ihrer medizinischen Notwendigkeit nach Eignung, Interventionsbedürftigkeit, allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie fehlender Verfügbarkeit anderer, zweckmäßigerer Behandlungsmöglichkeiten sowie ferner deren Nachweis anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf. weiterer Literatur mit dem gesetzlichen Regelungskonzept (§ 27, § 31, § 34 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V). Gleiches gilt für die ergänzenden Konkretisierungen in §§ 27ff. AM-RL zum Umfang des Anspruchs unter näherer Berücksichtigung der Verordnungsausschlüsse nach § 31, § 34 SGB V, zur zusätzlichen Bewertung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Falle der Anwendung einer ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sowie zur näheren Eingrenzung der arzneimittelähnlichen Medizinprodukte und der Notwendigkeit ihrer medizinischen Intervention unter Berücksichtigung von Spontanverläufen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R –, juris).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die dort normierten Anforderungen unmittelbar aus dem Begriff der "medizinischen Notwendigkeit" im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V hergeleitet werden können, weil sich die Berechtigung des GBA, die Anforderungen an die "medizinisch notwendigen Fälle" zu konkretisieren, jedenfalls aus § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 SGB V ergibt. § 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V bestimmt als allgemeinen Gegenstand dieser Richtlinien – und damit auch der AM-RL –, dass diese eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewähren sollen; damit dienen sie insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Ergänzend ermächtigt § 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGB V den GBA, "dabei" die Erbringung oder Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R –, juris).
Zu berücksichtigen ist weiter, dass dem GBA auch bei der Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben ein Gestaltungsspielraum zusteht. In der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 14. Mai 2014 - B 6 KA 21/13 R - "Buscopan", und 2. Oktober 2014 - B 6 KA 34/13 R - "Vertigoheel" , jeweils juris und m.w.N.) ist bezüglich der Aufnahme eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Anlage I der AM-RL (OTC-Liste) geklärt, dass zwar die Auslegung der gesetzlichen Vorgaben gerichtlich voll überprüfbar ist, ebenso die Entscheidung, ob der GBA die für seine Fragestellung maßgebliche Studienlage in der medizinischen und/oder pharmakologischen Wissenschaft vollständig berücksichtigt hat und wie sich der Stand dieser Wissenschaften insoweit zusammenfassen lässt. Bei der weitergehenden Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben, wie sie durch die Regelungen in § 29 AM-RL bzw in Kapitel 4 § 39 VerfO erfolgt ist, bzw. der Bewertung des korrekt ermittelten Standes der medizinisch-pharmakologischen Wissenschaft besteht indes der für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsspielraum, den auch der GBA für sich in Anspruch nehmen kann. Insoweit beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung darauf, ob die Bewertung nachvollziehbar ist und den gesetzlich vorgegebenen Maßstäben entspricht. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ergeben sich keine rechtlichen Bedenken gegen die vom GBA aufgestellten Vorgaben (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R –, juris).
bb. Zutreffend hat der Beklagte angenommen, dass der therapeutische Nutzen von Laxatan M nicht nachgewiesen sei.
(1) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 5 AM-RL besteht der therapeutische Nutzen im Sinne dieser Richtlinie in einem nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse relevanten Ausmaß der Wirksamkeit bei einer definierten Indikation. Im Kapitel 4 der VerfO ("Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten") ist das Verfahren zur Bewertung des therapeutischen Nutzens beschrieben. Nach Kapitel 4 § 6 Abs. 1 VerfO ("Therapeutischer Nutzen") erfolgt die Bewertung des therapeutischen Nutzens eines Arzneimittels auf der Grundlage von Unterlagen entweder zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens des Arzneimittels bei einer bestimmten Indikation oder durch Vergleich mit anderen Arzneimitteln oder Behandlungsformen unter Berücksichtigung des therapeutischen Zusatznutzens für die Patientinnen oder Patienten. Maßgeblich für die Beurteilung des therapeutischen Nutzens ist nach Abs. 2 der Vorschrift das Ausmaß der Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte, insbesondere Morbidität, Mortalität und Lebensqualität.
(2) Nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse ist die Wirksamkeit eines neben Macrogol auch Inulin enthaltenden Laxans (Abführmittels) nicht erwiesen. Denn es existieren – was die Klägerin nicht bestreitet – lediglich wissenschaftliche Veröffentlichungen, die die Wirksamkeit von PEG-haltigen Medizinprodukten mit Elektrolyten zur Behandlung der Verstopfung belegen.
(3) Entgegen der klägerischen Auffassung bedarf es zum Nachweis des therapeutischen Nutzens auch solcher Studien, die Inulin-haltige Präparate zum Gegenstand haben. Dass die Klägerin dem Bestandteil Inulin keinen Beitrag zur Erreichung des mit Laxatan M verfolgten medizinischen Zwecks (Behandlung der Verstopfung) beimisst, ist unerheblich. Denn Gegenstand der Prüfung, ob ein Medizinprodukt ausnahmsweise verordnungsfähig nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist, ist das Medizinprodukt als Einheit, nicht hingegen die aus Herstellersicht maßgeblichen Bestandteile.
(a) Allerdings scheint der Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V in eine andere Richtung zu weisen. Denn darin wird dem Beklagten aufgegeben festzulegen, unter welchen Voraussetzungen "Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen" in die Arzneimittelversorgung der GKV einbezogen sind. Dass es sich hierbei indes nur um eine sprachliche Unsauberkeit des Gesetzgebers handelt, offenbart sich bereits aus der Systematik des SGB V. Bereits der nachfolgende Satz 3 der Vorschrift erwähnt "Medizinprodukte nach Satz 2" und bringt hierdurch zum Ausdruck, dass der GBA nach Satz 2 eine präparatebezogene Prüfung und Entscheidung vorzunehmen hat. Entsprechendes gilt für § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB V ("Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind"). Auch § 31a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 63 Abs. 4 Satz 2, § 92 Abs. 7d Satz 1, § 137e Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 Satz 1, Abs. 8 Satz 1, § 137h, § 139 Abs. 5 SGB V belegen, dass das SGB V bereits nach seiner Wortwahl nur Medizinprodukte als Einheit, nicht aber hinsichtlich einzelner Bestandteile in die Versorgung gesetzlich Versicherter einbeziehen will.
(b) Systematische Gesichtspunkte unterstützen diese Sichtweise. Der Verweis in § 31 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V auf § 34 Abs. 6 dieses Gesetzes ist – hierauf hat der 24. Senat des Gerichts (Urteil vom 25. Januar 2013 – L 24 KA 43/10 KL –, juris) zu Recht hingewiesen – dahin zu verstehen, dass sich Anträge und Bescheide nach dieser Vorschrift ausschließlich auf Präparate ("Arzneimittel" bzw. aufgrund der Verweisung Medizinprodukte) beziehen können, nicht hingegen auf deren Bestandteile, seien es nun Wirkstoffe i.S.v. § 4 Abs. 19 i.V.m. § 3 AMG oder Stoffe i.S.v. § 3 Nr. 1 oder 2 MPG. Die im Arzneimittelrecht weithin verwendete Unterteilung der Bestandteile eines Präparates in Wirkstoffe – legal definiert in § 4 Abs. 19 i.V.m. § 3 AMG – einerseits und Hilfsstoffe andererseits (zu den begrifflichen Ungenauigkeiten im AMG vgl. aber Rehmann, AMG, 4.A., § 4 Rd. 21) kennt das Medizinprodukterecht demgegenüber nicht.
(c) Falls die Klägerin tatsächlich der Auffassung sein sollte, der Beklagte habe nur eine Entscheidung darüber zu treffen, ob Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen i.S.v. § 3 Nr. 1 oder 2 MPG ausnahmsweise zum Leistungskatalog der GKV zählen, bliebe ihre Klage erst recht erfolglos. Die Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL erwiese sich dann nämlich schon deshalb als rechtmäßig, weil nicht das Medizinprodukt, sondern nur sein aus Herstellersicht wirksamer Bestandteil Macrogol (ggf. in Kombination mit Elektrolyten) hätte aufgenommen werden dürfen.
4. Die rückwirkende Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL war rechtswidrig. a. Trotz scheinbar widersprüchlichen Verhaltens des Beklagten soll der Streichung Rückwirkung zukommen.
aa. Auch wenn die vom Beklagten vorgenommene Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL nicht auf § 45 SGB X gestützt werden musste, sind die angefochtenen Bescheide doch dahin auszulegen, dass die Streichung rückwirkend erfolgen sollte. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte infolge der Anwendung von § 45 SGB X davon ausging, dass der Aufnahmebescheid vom 16. Juli 2009 vollständig beseitigt werde, und keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass er ohne Anwendung von § 45 SGB X von einem anderen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Streichung ausgegangen wäre.
bb. Allerdings sollte der im Bundesanzeiger bekannt gemachte Beschluss vom 20. Juni 2013 nach seinem Wortlaut gerade nicht zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt in Kraft treten, sondern erst am Tag nach seiner Veröffentlichung in diesem Amtsblatt. Dies spricht indes nicht dagegen, dem Beschluss Rückwirkung beizumessen. Denn der Beklagte will ¬¬– wie von seiner Terminsvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt – die ins Jahr 2009 zurückwirkende Streichung erst nach der Bestandskraft der streitgegenständlichen Bescheide umsetzen, weil seiner Ansicht nach die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht rückwirkend erfolgen konnte und nur diese die sofortige Änderung der Anlage V der AM-RL erlaubte.
b. Die rückwirkende Streichung von Medizinprodukten aus Anlage V der AM-RL ist aus mehreren Gründen generell unzulässig. Diese Normänderung wäre eine verfassungswidrige Rückwirkung (hierzu aa.) und verstieße gegen Grundprinzipien des SGB V (hierzu bb.). Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob die streitgegenständlichen Bescheide, käme ihnen Rückwirkung zu, gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verstießen (hierzu cc.).
aa. Verfassungsrechtlich ist nach der Terminologie des BVerfG zu unterscheiden zwischen der echten Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar ist, und der grundsätzlich zulässigen unechten Rückwirkung (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 -, m.w.N.). Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift, eine unechte Rückwirkung dann, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfG a.a.O.; BVerfGE 132, 302; BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - B 6 KA 3/14 R -, juris; jeweils m.w.N.). Bei dieser Abgrenzung ist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe (Verkündung) der Norm abzustellen (BVerfGE 132, 302; BSG a.a.O.).
Die auf den Zeitpunkt des (Aufnahme-)Bescheids vom 16. Juli 2009 zurückwirkende Streichung griffe in eine Vielzahl bereits vollständiger abgewickelter Leistungsfälle, in denen Versicherte mit Laxatan M versorgt wurden, ein. Sie wäre daher unzulässig, nicht zuletzt weil die Versorgung Versicherter mit Laxatan M bis zur Veröffentlichung des Beschlusses vom 20. Juni 2013 im Bundesanzeiger am 11. Juli 2013 rechtmäßig war und nicht nachträglich rechtswidrig werden kann. bb. Darüber hinaus widerspräche die rückwirkende Streichung einer Leistung aus dem Leistungskatalog der GKV auch dem (im Zulassungsrecht entwickelten) Grundsatz, dass zum Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung bzw. der Leistungserbringung feststehen bzw. feststellbar sein muss, ob die Leistung innerhalb oder außerhalb der GKV erbracht wird.
Als Folge des Naturalleistungsprinzips (BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 12/93 -, juris) muss zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (BSG SozR 3-1500 § 97 Nr. 3; BSGE 83, 128; 99, 218). Dasselbe gilt für Verordnungen und Anordnungen des Arztes, soweit dadurch andere, nichtärztliche Leistungserbringer ihrerseits befugt werden, in Ausführung des gesetzlichen Auftrags der Krankenkassen gegenüber deren Versicherten spezifische Leistungen zu erbringen (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 6 KA 15/08 R –, juris). Nur dann hat der einzelne Versicherte die Gewähr, dass er bei Inanspruchnahme eines bestimmten Leistungserbringers auch wirklich den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält und nicht individuellen Zahlungsansprüchen des Leistungserbringers aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis (etwa Vertrag oder ungerechtfertigter Bereicherung) ausgesetzt ist. Andernfalls wäre die soziale Sicherung, die § 1 Satz 1 SGB V als Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung normiert, nicht in verlässlicher, vorhersehbarer und gleichförmiger Weise gewährleistet (BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 12/93 -, juris).
Die Vorwirkung der AM-RL auf die Entscheidungsprozesse, die Notwendigkeit, sich auf die Rechtmäßigkeit der AM-RL verlassen zu können und das äußerst umfangreiche betroffene Entscheidungsvolumen, insbesondere die (potentielle) Massenhaftigkeit der betroffenen Vorgänge schließen es aus, die erst durch die AM-RL begründete Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten rückwirkend zu ändern (BSG, Urteil vom 02. Juli 2013 - B 1 KR 18/12 R -, juris, zu fehlerhaften, Arzneimittel betreffende Preisinformationen zur Lauer-Taxe). Sie schließen Rückabwicklungen innerhalb der Leistungsbeziehungen des SGB V aus. So geht offenkundig auch der Beklagte davon aus, dass die rückwirkende Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL nicht zu Erstattungsansprüchen der Krankenkassen gegen ihre Versicherten (etwa wegen rechtswidriger Gewährung), gegen Vertragsärzte (im Rahmen eines Verordnungsregresses nach § 106 SGB V) oder gegen Apotheken als Leistungserbringer führen kann. Auf welcher konkreten Rechtsgrundlage die Krankenkassen Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche gegen die Klägerin haben könnten, vermochte der Beklagte nicht darzulegen.
cc. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz) gebietet der Vorbehalt des Gesetzes, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt (§ 31 Sozialgesetzbuch / Erstes Buch). Demnach müssen sich die Befugnisse der Behörden zum Erlass von Verwaltungsakten aus den für das jeweilige Sachgebiet einschlägigen Gesetzen ergeben, sei es ausdrücklich oder nach dem Sinn und Zweck (BSG, Urteile vom 28. August 1997 - 8 RKn 2/97 -, und vom 15. Dezember 1999 - B 9 V 26/98 R -, jeweils juris und m.w.N.; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A., § 31 Rd. 7 m.w.N.). Im vorliegenden Fall könnte fraglich sein, ob der Beklagte durch § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 6 SGB V auch zur rückwirkenden Streichung von Medizinprodukten aus Anlage V der AM-RL befugt ist. Mangels ausdrücklicher Ermächtigung könnte sich die Befugnis allenfalls aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des zwischen der Behörde und dem Einzelnen bestehenden Rechtsverhältnisses ergeben (Engelmann a.a.O. m.w.N.). Diese Frage muss der Senat jedoch nicht abschließend klären, weil die rückwirkende Änderung der AM-RL durch Streichung eines Medizinprodukts bereits aus anderen Gründen unzulässig ist.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung des beklagten Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Laxatan M aus dem Kreis der in der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähigen Medizinprodukte auszuschließen.
Die Klägerin stellt u.a. das Medizinprodukt Laxatan M her, welches zur symptomatischen Behandlung bei (chronischer) Verstopfung (Obstipation) eingesetzt wird. Jeder Beutel Laxatan M enthält 15,35 g eines in Wasser aufzulösenden Granulats, welches sich wie folgt zusammensetzt: Macrogol 13,125 g Magnesiumcitrat 0,250 g Calciumcitrat 0,125 g Kaliumchlorid 0,015 g Inulin 1,000 g
Die Wirkung von Laxatan M beruht nach den Angaben der Klägerin auf dem Wirkstoff Macrogol (Polyethylenglycol - PEG -). Dieser Wirkstoff erhöht aufgrund des osmotischen Drucks und über Wasserstoffbrückenbildung den Wasseranteil im Darm. Dadurch wird der dort vorhandene (verhärtete) Stuhl hydratisiert und nimmt an Volumen zu, die Volumenzunahme bewirkt einen Druck auf die Darmwand und diese reagiert hierauf mit dem Defäkationsreflex (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 189/07 -, juris) Die in Laxatan M darüber hinaus enthaltenen Elektrolyte (Magnesiumcitrat, Calciumcitrat, und Kaliumchlorid) haben – so die Klägerin weiter – für das Erreichen der Zweckbestimmung ebenso wenig Bedeutung wie Inulin, welches allein und spezifisch die Darmflora unterstützt.
Im März 2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten, das ebenfalls von ihr hergestellte Medizinprodukt Laxatan in die damalige Anlage 12 ("Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte", heute Anlage V) der vom Beklagten erlassenen Arzneimittel-Richtlinie (AM RL) aufzunehmen. Laxatan wird für denselben medizinischen Zweck eingesetzt wie Laxatan M und weist auch dieselbe – im o.g. Antrag vollständig wiedergegebene – Zusammensetzung auf. Mit klägerseitig nicht angefochtenem Bescheid vom 18. September 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil zwar die medizinische Notwendigkeit und der therapeutische Nutzen für PEG haltige Abführmittel belegt sei, ein entsprechender Nachweis für den Bestandteil Inulin allerdings nicht erbracht worden sei, sodass zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeiten ohne den Zusatz Inulin zur Verfügung stünden.
Im Rahmen ihres Anfang März 2009 gestellten Antrags auf Aufnahme von Laxatan M in die Anlage 12 zur AM RL gab die Klägerin unter Ziffer 2 ("Wirkstoff / Zusammensetzung") des Antragsbogens nur die Inhaltsstoffe Macrogol, Magnesiumcitrat, Calciumcitrat und Kaliumchlorid, nicht aber Inulin an. Der Beklagte wies die Klägerin auf die Unvollständigkeit des Antrags hin und bat um weitere Unterlagen bzw. Stellungnahmen (Schreiben vom 2. April 2009). Daraufhin teilte die Klägerin mit, dass die Anwendungsbeobachtung zu Laxatan "in Analogie zur Wirkung und Verträglichkeit des Medizinproduktes Laxatan M herangezogen werden" könne (Schreiben vom 7. April 2009). Mit Bescheid vom 16. Juli 2009 nahm der Beklagte entsprechend eines am gleichen Tage gefassten Beschlusses Laxatan M in die AM RL, zunächst befristet bis zum 7. April 2010, auf. Die Aufnahme wurde wiederholt verlängert, zuletzt bis zum 6. Oktober 2016.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zur Behandlung der Obstipation Macrogol-haltige Produkte mit identischer Zusammensetzung sowohl als Arzneimittel zugelassen als auch als Medizinprodukte zertifiziert sind, sowie aufgrund einer Auskunft der Bezirksregierung K vom 5. Dezember 2011, wonach Laxatan M keiner Arzneimittelzulassung bedürfe, überprüfte der Beklagte erneut die Aufnahme dieses Medizinprodukts in die AM RL. Mit Bescheid vom 17. Januar 2013 teilte er der Klägerin aufgrund eines am selben Tage gefassten Beschlusses mit, dass der Bescheid vom 16. Juli 2009 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werde, die Befristungsverlängerungen vom 17. Dezember 2009 und 20. Oktober 2001 aufgehoben werden und Laxatan M aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte (Anlage V der AM RL) zu streichen sei. Der Bescheid vom 16. Juli 2009 sei rechtswidrig, da nach den klägerseitig eingereichten Unterlagen ein therapeutischer Nutzen nur für PEG haltige Präparate mit Elektrolyten zur Behandlung der Obstipation belegt sei, nicht aber für ein zusätzlich Inulin beinhaltendes Medizinprodukt. Der therapeutische Nutzen nach § 29 Nr. 3 AM RL sei jedoch für das konkrete Medizinprodukt unter Berücksichtigung aller seiner Bestandteile nach Art und Menge zu beurteilen, weil Medizinprodukten grundsätzlich nur ein Gesamtwirkmechanismus zugeschrieben werde. Da die Rechtswidrigkeit des Bescheides auf unrichtige bzw. unvollständige Angaben der Klägerin zurückzuführen sei und sie daher keinen Vertrauensschutz beanspruchen könne, sei es unter Berücksichtigung aller Umstände sachgerecht, den Bescheid in vollem Umfang zurückzunehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 17. Januar 2013 erlassenen Streichung von Laxatan M aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte an.
Die Klägerin betrieb im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung kein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Beschluss des Beklagten vom 20. Juni 2013 wurde am 11. Juli 2013 im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Nach Ziffer II der Bekanntmachung tritt die Änderung der Richtlinie "am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft" Seit dem 12. Juli 2013 enthält die Anlage V der AM RL Laxatan nicht mehr.
Mit ihrer am 19. Juli 2013 erhobenen Klage bringt die Klägerin vor: Innerhalb des Sozialgesetzbuches/Fünftes Buch (SGB V) sei sowohl bei Arzneimitteln als auch bei Medizinprodukten eine stoffbezogene Betrachtung vorzunehmen. Sie habe die Zusammensetzung von Laxatan M in der Anwendungsbeobachtung (AWB) vollständig offenbart und daher auch vollständige Angaben gemacht. Unvollständige Angaben im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X habe sie aber auch deshalb nicht gemacht, weil sie nach dem bei Antragstellung geltenden Verfahrensregime nicht verpflichtet gewesen sei, die Zusammensetzung von Laxatan M vollständig nach Art und Menge anzugeben. Im Übrigen agiere der Beklagte willkürlich und unter Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot. Wäre seine Argumentation zutreffend, müssten sämtliche Macrogol-haltigen Produkte wegen einer Überschreitung des Maßes des Notwendigen aus Anlage V der AM RL gestrichen werden, weil die stets enthaltenen Elektrolyte – genau wie Inulin – für das Erreichen der jeweiligen Zweckbestimmung keine Funktion hätten. Es existierten keine Gründe dafür, Inulin abweichend von den Elektrolyten zu behandeln und sie – die Klägerin – damit im Vergleich zu ihren Wettbewerbern, die ebenfalls Macrogol-haltige Laxantien auf den Markt brächten, zu benachteiligen. Der Einwand des Beklagten, ein Nutzenbeleg für den Inhaltsstoff Inulin sei nicht erbracht worden, sei unzulässig, da eine Wirksamkeit von Inulin zur Behandlung der Obstipation von ihr auch nie in Anspruch genommen worden sei. Andererseits stelle Inulin den bereits belegten Nutzen von Macrogol auch nicht in Frage. Dies gelte umso mehr, als Inulin in der täglichen Ernährung über normale Lebensmittel wie z.B. Weizen, Zwiebeln, Porree, Spargel und viele andere in Mengen von 3 bis 11 g aufgenommen werde. Laxantien mit dem Wirkstoff Macrogol und dem Bestandteil Inulin würden beispielsweise von unabhängigen Organisationen wir der Deutschen Gesundheitshilfe empfohlen. Studien höchstmöglicher Evidenz dürfe der Beklagte nur verlangen, wenn die vorgelegten Belege niedriger Evidenz im konkreten Fall unter Beweisgesichtspunkten nicht ausreichend seien. Ein solcher Fall liege aber nicht vor. Auch wenn nach dem Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V Medizinprodukte nur ausnahmsweise erstattungsfähig seien, sei doch eindeutig, dass hinsichtlich der arzneimittelähnlichen Medizinprodukte ein Anspruch auf Erstattung bestehe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 17. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend und trägt ergänzend vor: Er sei im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 16. Juli 2009 auf der Grundlage der klägerischen Angaben davon ausgegangen, dass es sich bei Laxatan M lediglich um ein PEG-haltiges Präparat mit Elektrolyten handele. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei für das Medizinprodukt zu Recht der Stoffbegriff des Arzneimittelgesetzes (AMG) erläuternd heranzuziehen. Hieran orientierten sich letztlich auch die Informationspflichten des Medizinprodukteherstellers nach Anlage 1 Teil II Abschnitt 13.3 lit. b) der Richtlinie 93/42/EWG. Die medizinprodukterechtlichen Vorschriften träfen für stoffliche Medizinprodukte keine Sonderregelungen, die die im Arzneimittelrecht geltenden Differenzierungen nach Wirkstoffen und (Hilfs )Stoffen stützen könnten. Ein Medizinprodukt setze sich daher aus Bestandteilen zusammen, die nicht in solche wesentlicher und unwesentlicher Art unterschieden werden könnten. Das SGB V sehe nur für Arzneimittel die Möglichkeit einer wirkstoffbezogenen Listung vor, während die Aufnahme von Medizinprodukten produktbezogen erfolge. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Gerichts (Urteil vom 25. Januar 2013 - L 24 KA 43/10 KL -). Ginge man mit der Klägerin davon aus, dass Macrogol der einzige in Laxatan M enthaltene relevante (Wirk )Stoff für das Erreichen der Zweckbestimmung sei, sei der Zusatz von weiteren Stoffen, wie z.B. Inulin, als unzweckmäßig zu beurteilen, da das Maß des Notwendigen überschritten wäre. Die Klägerin habe bestätigt, dass Inulin, ein Speicherkohlenhydrat, als sogenanntes Präbiotikum ein Nahrungsbestandteil sei. Die Versorgung mit Lebensmitteln gehöre allerdings grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse, das es rechtfertige, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs hinter die öffentlichen Belange zurücktreten zu lassen, begründe sich darin, dass das öffentliche Interesse vorliegend auch an der Gewährleistungsfunktion der AM RL auszurichten sei und damit die Belange der Versichertengemeinschaft in die Interessenabwägung einzustellen seien. Medizinprodukte, für die nicht nachgewiesen sei, dass ihr therapeutischer Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche, seien als unwirtschaftlich anzusehen. Es entspreche nicht dem Sinn und Zweck des Rechtsschutzanspruchs nach § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), eine durch unrichtige Angaben angemaßte Rechtsposition zu erhalten und vor behördlichen Gegenmaßnahmen abzuschirmen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ablehnung der Verordnungsfähigkeit von Laxatan bereits in Bestandskraft erwachsen sei, während sich der hiesige Rechtsstreit mit Rechts- und Tatsachenfragen befasse, die Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Bescheid vom 18. September 2008 hätten sein müssen. Zum Erhalt und zur Leistungsfähigkeit der GKV trage letztlich nicht primär die finanzielle Be- oder Entlastung bei, vielmehr sei auch hier Maßstab die Gewährleistungsfunktion, orientiert an den Systementscheidungen, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der beitragsfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung getroffen habe. Hierzu zähle insbesondere, dass Leistungen, auf die kein Anspruch bestehe, auch nicht erbracht würden. Durch die sofortige Vollziehung der Aufhebung der Verordnungsfähigkeit für die Zukunft werde der ursprüngliche, von Gesetzes wegen vorgesehene Rechtszustand über die Erstattungsfähigkeit von Medizinprodukten im Allgemeinen wieder hergestellt, während über die mangelnde Erstattungsfähigkeit zu Lasten der GKV hinaus keine irreparablen Folgen für die Klägerin aus der Anordnung der sofortigen Vollziehung resultierten. Die "Revision der Erstattungsfähigkeit für die Vergangenheit" bleibe dem Rechtsbehelfsverfahren vorbehalten und sei in die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin eingestellt worden. Er – der Beklagte – sei zur Feststellung berechtigt, dass die Voraussetzungen für die Aufnahme eines Medizinprodukts in die AM-RL nicht vorgelegen hätten. Das BSG hat eine Rückabwicklung bei Falschangaben für möglich gehalten.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Zu Recht hat der Beklagte entschieden, dass Laxatan M nicht die Voraussetzungen erfüllt, um als (arzneimittelähnliches) Medizinprodukt ausnahmsweise in der GKV verordnet werden zu können. Die Streichung eines bereits in Anlage V der AM-RL aufgenommenen Medizinprodukts kann allerdings nicht rückwirkend erfolgen.
A. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage zulässig. Zwar würde allein die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide vom 17. Januar 2013 und 20. Juni 2013 noch nicht dazu führen, dass Laxatan M in der GKV wieder verordnungsfähig wäre. Hierzu müsste auch Anlage V der AM-RL im Sinne der Klägerin geändert werden. Eines zusätzlichen Feststellungsantrags, dass Anlage V der AM-RL rechtswidrig ist, soweit darin die Erstattungsfähigkeit von Laxatan M in der GKV nicht vorgesehen ist, bedarf es jedoch nicht, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Protokoll erklärt hat, er werde die beanstandete Normänderung wieder rückgängig machen, wenn die o.g. Bescheide bestandskräftig aufgehoben würden.
B. Die Klage ist indes nur zum Teil begründet.
I. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig, soweit sie die Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL verfügten (hierzu 3.). Hierfür musste der Beklagte jedoch nicht den (Aufnahme-)Bescheid vom 16. Juli 2009 und die nachfolgenden Verlängerungsbescheide aufheben (hierzu 2.). Eine rückwirkende Streichung kommt hingegen grundsätzlich nicht in Betracht (hierzu 4.).
1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 6 und § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V hat der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V – also der AM-RL – festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 Medizinproduktegesetz (MPG) zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ordnet § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V die entsprechende Geltung von § 34 Abs. 6 SGB V an. Diese Vorschrift sieht die Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens für die Aufnahme von Arzneimitteln in die "Zusammenstellung" nach § 34 Abs. 1 Satz 2 und 4 SGB V vor. Dieses Verfahren wird durch einen entsprechenden Antrag des pharmazeutischen Unternehmers in Gang gesetzt (Satz 1 a.a.O.) und endet mit der Bescheidung ausreichend begründeter Anträge (Satz 4 a.a.O.); mit der Bescheidung ist der Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren (a.a.O.). Ergänzend bestimmt Satz 5 a.a.O., dass eine ablehnende Entscheidung eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten muss. Diese Vorgaben gelten mithin auch für die Aufnahme von Medizinprodukten in die gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu erstellende Übersicht verordnungsfähiger Medizinprodukte. Auch wenn § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V ausdrücklich nur die Bescheidung eines "Antrags" regelt, gebieten Systematik und Zweck der Regelung die entsprechende Anwendung der Norm und damit eine Bescheidung auch in der Konstellation, dass der GBA ein bereits in die Übersicht aufgenommenes Medizinprodukt aus dieser entfernen will (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R ("Jacutin Pedicul Fluid") –, juris)
2. Bescheide des Beklagten, durch die dieser gegenüber dem Antragsteller erklärt, ein Medizinprodukt in Anlage V der AM-RL aufzunehmen – wie die beiden o.g. Bescheide –, sind keiner Aufhebung nach § 44ff. SGB X zugänglich, weil sie sich durch den Normsetzungsakt der Aufnahme erledigen und es damit keinen Verwaltungsakt (mehr) gibt, der aufgehoben werden müsste (BSG, a.a.O.). Zwar sind Entscheidungen über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL – ebenso wie über deren Herausnahme aus der Übersicht – (auch) in der Form eines Verwaltungsaktes zu treffen, sodass auf das Antragsverfahren die allgemeinen Vorschriften für Sozialverwaltungsverfahren Anwendung finden. Jedoch erfordert die Herausnahme eines bereits gelisteten Medizinprodukts aus der Übersicht nicht die Aufhebung des Bescheides, mit dem seine Aufnahme in die Übersicht verfügt wurde.
a. Auch wenn § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V ausdrücklich nur die Bescheidung eines "Antrags" regelt, gebieten Systematik und Zweck der Regelung die entsprechende Anwendung der Norm und damit eine Bescheidung auch in der Konstellation, dass der GBA ein bereits in die Übersicht aufgenommenes Medizinprodukt aus dieser entfernen will. Folge des durch § 34 Abs. 6 SGB V vorgeschriebenen Verfahrens ist, dass grundsätzlich die Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrensrechts Geltung beanspruchen (BSG a.a.O.).
b. Im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 6 SGB V jedoch besteht die Besonderheit, dass ein Normsetzungsverfahren durch den Antrag eines Normunterworfenen in Gang gesetzt wird und eine Bescheidungspflicht des Normgebers besteht. Durch die Vorgabe des § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V, den Antrag auf Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL (bzw. dessen Herausnahme aus der Anlage) zu bescheiden, erfolgt eine Verzahnung von Normsetzung durch den GBA bei der Gestaltung der AM-RL mit dem Verwaltungsverfahren gegenüber dem Hersteller. Diese Verzahnung von Verwaltungsverfahren und Normsetzung erfordert es, die teils gegenläufigen Prinzipien beider Regelungsformen – insbesondere in Bezug auf den Rechtsschutz – zum Ausgleich zu bringen. Sicherzustellen ist dabei einerseits, dass der nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Bescheid nicht dadurch zur "leeren Hülle" wird, dass der GBA unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit oder Bestandskraft zu Änderungen der AM-RL berechtigt wäre, andererseits, dass die Normsetzung nicht dadurch übermäßig beschränkt wird, dass eine Normänderung nur bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 44ff. SGB X möglich wäre. Dieses Spannungsverhältnis ist dahingehend aufzulösen, dass die Durchführung des Verwaltungsverfahrens gegenüber dem Unternehmer zwar – einerseits – für die Normsetzung vorgreiflich ist, sich aber – andererseits – auch in dieser Funktion erschöpft. Daher besteht der Regelungsgehalt des durch § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V vorgeschriebenen Verwaltungsaktes allein in der Zusage des den Bescheid erlassenden Normgebers, dem Antrag des Unternehmers auf Aufnahme eines Medizinprodukts (bzw. Arzneimittels) in die Übersicht in dem Sinne zu entsprechen, dass dieses Begehren durch eine entsprechende Änderung der AM-RL erfüllt wird. Für den Fall einer Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht gilt im Grundsatz nichts anderes, nur dass hier der Bescheid die Selbstverpflichtung des Normgebers enthält, das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen. In beiden Fällen ist die Bescheidung notwendige (rechtliche) Voraussetzung für die nachfolgende Normsetzung, erschöpft sich aber auch hierin. In dem Moment, in dem der Normgeber diese Zusage bzw. Selbstverpflichtung durch entsprechende Normänderung erfüllt, ist der nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Verwaltungsakt umgesetzt und hat sich damit erledigt i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X. Eines Aufrechterhaltens der Rechtswirkungen dieses Verwaltungsaktes zum Schutze des Bescheidadressaten bedarf es nicht, weil sich die vom Antragsteller begehrten (fortdauernden) Rechtswirkungen aus der Richtlinie selbst ergeben (BSG a.a.O.). Rechtliche Folge der Erledigung des die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht zusagenden VAs ist es, dass bei einer beabsichtigten Streichung des Medizinprodukts aus der Übersicht nicht zugleich auch der "Aufnahmebescheid" aufgehoben werden muss, sondern der nunmehr in entsprechender Anwendung des § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V zu erlassende Bescheid lediglich die Verfügung zu enthalten hat, dass das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen ist. Auf der Normebene hat der GBA dann die durch Bescheid vorgegebene Herausnahme des Medizinprodukts durch entsprechende Änderung der AM-RL umzusetzen. Etwaiger Vertrauensschutz ergibt sich damit allein aus der Normsetzung.
c. Damit bleibt auch der Rechtsschutz des Unternehmers bei einer Herausnahme des von ihm hergestellten Medizinprodukts aus der Übersicht im Wege einer Änderung der AM-RL gewährleistet, weil der GBA auch hier die Vorgaben des § 34 Abs. 6 SGB V sinngemäß beachten muss. Das Inkrafttreten der Richtlinie (bzw. ihrer Änderung) steht unter einem doppelten Vorbehalt: Zum einen sind die vom GBA beschlossenen Richtlinien gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB V dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorzulegen, welches sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden kann (Satz 2 aaO). Die Beanstandung ist als bindende Anordnung zu verstehen, die Richtlinie nicht in Kraft zu setzen. Zum anderen ist der Verwaltungsakt nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V der Normsetzung in dem Sinne vorgeschaltet, dass der GBA die AM-RL erst dann rechtswirksam ändern darf, wenn der gegenüber dem Unternehmer erlassene Bescheid über die Herausnahme bestandskräftig geworden ist. Mithin darf eine Veröffentlichung der Richtlinie im Bundesanzeiger (§ 94 Abs. 2 Satz 1 SGB V), mit der sie ihre rechtliche Wirkung entfaltet, erst nach Bestandkraft des Verwaltungsaktes erfolgen. Nur so wird dem mit der Einfügung des § 34 Abs. 6 SGB V letztlich verfolgten Ziels, den Rechtsschutz des betroffenen Unternehmers zu erhöhen, ausreichend Rechnung getragen. Deutlich wird dies gerade im Falle einer Herausnahme eines Medizinprodukts aus der Übersicht: Der Rechtsschutzgewinn durch § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V besteht allein darin, das Wirksamwerden einer Richtlinienänderung hinauszuschieben bzw. zu verhindern mit der Folge, dass das Medizinprodukt jedenfalls bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens verordnungsfähig bleibt. Da es für den Rechtsschutz des Unternehmers entscheidend darauf ankommt, das Inkrafttreten der Richtlinienänderung und damit deren Wirksamkeit zu verhindern, können der Erlass des Bescheides über die beabsichtigte Änderung der Übersicht und die entsprechende Beschlussfassung des GBA zeitgleich erfolgen; mit Zustellung des Bescheides läuft die Rechtsmittelfrist für den betroffenen Unternehmer, welcher den Bescheid anfechten kann, sowie – mit Vorlage des Beschlusses an das BMG – die Beanstandungsfrist nach § 94 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Die gegen einen nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V ergangenen Bescheid erhobene Anfechtungsklage hat nach § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung, sofern nicht der GBA (oder das LSG) den Sofortvollzug anordnet. Nach Bestandskraft dieses Bescheides – sowie vorbehaltlich einer Nichtbeanstandung durch das BMG – setzt der GBA die Änderung der AM-RL durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft (BSG a.a.O.).
3. Zu Recht hat der Beklagte in den Bescheiden vom 17. Januar und 20. Juni 2013 verfügt, dass Laxatan M aus der Anlage V der AM-RL zu streichen sei. Denn für dieses Medizinprodukt liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht vor.
a. Die o.g. Wechselbeziehungen zwischen der Entscheidung durch Verwaltungsakt und der Normsetzung sind auch bei den Maßstäben zu berücksichtigen, die an die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide anzulegen sind. Gefordert ist eine (inzidente) Überprüfung der Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheiderlass intendierten, im Wege der Normänderung umzusetzenden Herausnahme von Laxatan M aus der Anlage V der AM-RL, weil sich der GBA durch den Bescheid nach § 34 Abs. 6 Satz 4 SGB V nur dann (und insoweit) selbst binden darf, wenn die Normänderung ihrerseits rechtmäßig ist. Dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen für eine Aufnahme des Medizinprodukts in die Übersicht nicht mehr erfüllt werden oder von vornherein nicht gegeben waren. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze für die Änderung von Normen, die sich belastend auf Leistungserbringer auswirken können; so müssen die gesetzlichen Vorgaben beachtet und das Gleichbehandlungsgebot berücksichtigt sein.
Bei der Prüfung ist der für jeden Normgeber kennzeichnende Gestaltungsspielraum des GBA beim Erlass von Richtlinien zu respektieren. Daher beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle untergesetzlicher Normen regelmäßig darauf, ob die Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden; dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber ggf. zukommenden Gestaltungsspielraums beachtet worden sind (BSG a.a.O. m.w.N.).
b. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Verbleib von Laxatan M in der Übersicht, weil das Medizinprodukt nicht den Anforderungen entspricht, die für eine Aufnahme in die Übersicht zu erfüllen sind. Die hierfür aufgestellten und vom Beklagten beachteten Anforderungen unterliegen keinen rechtlichen Bedenken (aa.). Der Beklagte durfte auch die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht davon abhängig machen, dass keine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit verfügbar ist (bb.).
aa. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V hat der GBA (durch Aufnahme in die Übersicht) festzulegen, in welchen "medizinisch notwendigen Fällen" Medizinprodukte ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Der GBA hat den Begriff zum einen in § 29 AM-RL ("Medizinisch notwendige Fälle") und zum anderen in Kapitel 4 § 39 ("Bewertungskriterien") Abs. 1 seiner Verfahrensordnung (VerfO) – gleichlautend – wie folgt konkretisiert: Danach ist ein Medizinprodukt medizinisch notwendig im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wenn 1. es entsprechend seiner Zweckbestimmung nach Art und Ausmaß der Zweckerzielung zur Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 28 AM-RL geeignet ist, 2. eine diagnostische oder therapeutische Interventionsbedürftigkeit besteht, 3. der diagnostische oder therapeutische Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und 4. eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar ist.
Der GBA hat die genannten Kriterien für die Aufnahme in die Übersicht der ausnahmsweise verordnungsfähigen Medizinprodukte in der AM-RL unter Berücksichtigung des gesetzlich festgelegten Regel-Ausnahmeverhältnisses (§ 31 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V) formell und inhaltlich rechtmäßig festgelegt (BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 - B 1 KR 23/11 R - "Gepan instill", juris). Die in Kapitel 4 Abschnitt 5 VerfO festgelegten Anforderungen an die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Verordnungsfähigkeit des Medizinprodukts (Kapitel 4 § 38 VerfO), die Bewertungskriterien zur Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 39 VerfO) sowie den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 40 VerfO) harmonisieren durch die dort niedergelegten Erfordernisse der Verkehrsfähigkeit der Medizinprodukte, ihrer medizinischen Notwendigkeit nach Eignung, Interventionsbedürftigkeit, allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse des diagnostischen und therapeutischen Nutzens sowie fehlender Verfügbarkeit anderer, zweckmäßigerer Behandlungsmöglichkeiten sowie ferner deren Nachweis anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf. weiterer Literatur mit dem gesetzlichen Regelungskonzept (§ 27, § 31, § 34 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V). Gleiches gilt für die ergänzenden Konkretisierungen in §§ 27ff. AM-RL zum Umfang des Anspruchs unter näherer Berücksichtigung der Verordnungsausschlüsse nach § 31, § 34 SGB V, zur zusätzlichen Bewertung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V im Falle der Anwendung einer ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sowie zur näheren Eingrenzung der arzneimittelähnlichen Medizinprodukte und der Notwendigkeit ihrer medizinischen Intervention unter Berücksichtigung von Spontanverläufen (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R –, juris).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die dort normierten Anforderungen unmittelbar aus dem Begriff der "medizinischen Notwendigkeit" im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V hergeleitet werden können, weil sich die Berechtigung des GBA, die Anforderungen an die "medizinisch notwendigen Fälle" zu konkretisieren, jedenfalls aus § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 SGB V ergibt. § 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V bestimmt als allgemeinen Gegenstand dieser Richtlinien – und damit auch der AM-RL –, dass diese eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewähren sollen; damit dienen sie insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Ergänzend ermächtigt § 92 Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGB V den GBA, "dabei" die Erbringung oder Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R –, juris).
Zu berücksichtigen ist weiter, dass dem GBA auch bei der Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben ein Gestaltungsspielraum zusteht. In der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 14. Mai 2014 - B 6 KA 21/13 R - "Buscopan", und 2. Oktober 2014 - B 6 KA 34/13 R - "Vertigoheel" , jeweils juris und m.w.N.) ist bezüglich der Aufnahme eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Anlage I der AM-RL (OTC-Liste) geklärt, dass zwar die Auslegung der gesetzlichen Vorgaben gerichtlich voll überprüfbar ist, ebenso die Entscheidung, ob der GBA die für seine Fragestellung maßgebliche Studienlage in der medizinischen und/oder pharmakologischen Wissenschaft vollständig berücksichtigt hat und wie sich der Stand dieser Wissenschaften insoweit zusammenfassen lässt. Bei der weitergehenden Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben, wie sie durch die Regelungen in § 29 AM-RL bzw in Kapitel 4 § 39 VerfO erfolgt ist, bzw. der Bewertung des korrekt ermittelten Standes der medizinisch-pharmakologischen Wissenschaft besteht indes der für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsspielraum, den auch der GBA für sich in Anspruch nehmen kann. Insoweit beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung darauf, ob die Bewertung nachvollziehbar ist und den gesetzlich vorgegebenen Maßstäben entspricht. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ergeben sich keine rechtlichen Bedenken gegen die vom GBA aufgestellten Vorgaben (BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 – B 6 KA 14/14 R –, juris).
bb. Zutreffend hat der Beklagte angenommen, dass der therapeutische Nutzen von Laxatan M nicht nachgewiesen sei.
(1) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 5 AM-RL besteht der therapeutische Nutzen im Sinne dieser Richtlinie in einem nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse relevanten Ausmaß der Wirksamkeit bei einer definierten Indikation. Im Kapitel 4 der VerfO ("Bewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten") ist das Verfahren zur Bewertung des therapeutischen Nutzens beschrieben. Nach Kapitel 4 § 6 Abs. 1 VerfO ("Therapeutischer Nutzen") erfolgt die Bewertung des therapeutischen Nutzens eines Arzneimittels auf der Grundlage von Unterlagen entweder zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens des Arzneimittels bei einer bestimmten Indikation oder durch Vergleich mit anderen Arzneimitteln oder Behandlungsformen unter Berücksichtigung des therapeutischen Zusatznutzens für die Patientinnen oder Patienten. Maßgeblich für die Beurteilung des therapeutischen Nutzens ist nach Abs. 2 der Vorschrift das Ausmaß der Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte, insbesondere Morbidität, Mortalität und Lebensqualität.
(2) Nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse ist die Wirksamkeit eines neben Macrogol auch Inulin enthaltenden Laxans (Abführmittels) nicht erwiesen. Denn es existieren – was die Klägerin nicht bestreitet – lediglich wissenschaftliche Veröffentlichungen, die die Wirksamkeit von PEG-haltigen Medizinprodukten mit Elektrolyten zur Behandlung der Verstopfung belegen.
(3) Entgegen der klägerischen Auffassung bedarf es zum Nachweis des therapeutischen Nutzens auch solcher Studien, die Inulin-haltige Präparate zum Gegenstand haben. Dass die Klägerin dem Bestandteil Inulin keinen Beitrag zur Erreichung des mit Laxatan M verfolgten medizinischen Zwecks (Behandlung der Verstopfung) beimisst, ist unerheblich. Denn Gegenstand der Prüfung, ob ein Medizinprodukt ausnahmsweise verordnungsfähig nach § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist, ist das Medizinprodukt als Einheit, nicht hingegen die aus Herstellersicht maßgeblichen Bestandteile.
(a) Allerdings scheint der Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V in eine andere Richtung zu weisen. Denn darin wird dem Beklagten aufgegeben festzulegen, unter welchen Voraussetzungen "Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen" in die Arzneimittelversorgung der GKV einbezogen sind. Dass es sich hierbei indes nur um eine sprachliche Unsauberkeit des Gesetzgebers handelt, offenbart sich bereits aus der Systematik des SGB V. Bereits der nachfolgende Satz 3 der Vorschrift erwähnt "Medizinprodukte nach Satz 2" und bringt hierdurch zum Ausdruck, dass der GBA nach Satz 2 eine präparatebezogene Prüfung und Entscheidung vorzunehmen hat. Entsprechendes gilt für § 31 Abs. 3 Satz 3 SGB V ("Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind"). Auch § 31a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 63 Abs. 4 Satz 2, § 92 Abs. 7d Satz 1, § 137e Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 Satz 1, Abs. 8 Satz 1, § 137h, § 139 Abs. 5 SGB V belegen, dass das SGB V bereits nach seiner Wortwahl nur Medizinprodukte als Einheit, nicht aber hinsichtlich einzelner Bestandteile in die Versorgung gesetzlich Versicherter einbeziehen will.
(b) Systematische Gesichtspunkte unterstützen diese Sichtweise. Der Verweis in § 31 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V auf § 34 Abs. 6 dieses Gesetzes ist – hierauf hat der 24. Senat des Gerichts (Urteil vom 25. Januar 2013 – L 24 KA 43/10 KL –, juris) zu Recht hingewiesen – dahin zu verstehen, dass sich Anträge und Bescheide nach dieser Vorschrift ausschließlich auf Präparate ("Arzneimittel" bzw. aufgrund der Verweisung Medizinprodukte) beziehen können, nicht hingegen auf deren Bestandteile, seien es nun Wirkstoffe i.S.v. § 4 Abs. 19 i.V.m. § 3 AMG oder Stoffe i.S.v. § 3 Nr. 1 oder 2 MPG. Die im Arzneimittelrecht weithin verwendete Unterteilung der Bestandteile eines Präparates in Wirkstoffe – legal definiert in § 4 Abs. 19 i.V.m. § 3 AMG – einerseits und Hilfsstoffe andererseits (zu den begrifflichen Ungenauigkeiten im AMG vgl. aber Rehmann, AMG, 4.A., § 4 Rd. 21) kennt das Medizinprodukterecht demgegenüber nicht.
(c) Falls die Klägerin tatsächlich der Auffassung sein sollte, der Beklagte habe nur eine Entscheidung darüber zu treffen, ob Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen i.S.v. § 3 Nr. 1 oder 2 MPG ausnahmsweise zum Leistungskatalog der GKV zählen, bliebe ihre Klage erst recht erfolglos. Die Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL erwiese sich dann nämlich schon deshalb als rechtmäßig, weil nicht das Medizinprodukt, sondern nur sein aus Herstellersicht wirksamer Bestandteil Macrogol (ggf. in Kombination mit Elektrolyten) hätte aufgenommen werden dürfen.
4. Die rückwirkende Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL war rechtswidrig. a. Trotz scheinbar widersprüchlichen Verhaltens des Beklagten soll der Streichung Rückwirkung zukommen.
aa. Auch wenn die vom Beklagten vorgenommene Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL nicht auf § 45 SGB X gestützt werden musste, sind die angefochtenen Bescheide doch dahin auszulegen, dass die Streichung rückwirkend erfolgen sollte. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte infolge der Anwendung von § 45 SGB X davon ausging, dass der Aufnahmebescheid vom 16. Juli 2009 vollständig beseitigt werde, und keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass er ohne Anwendung von § 45 SGB X von einem anderen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Streichung ausgegangen wäre.
bb. Allerdings sollte der im Bundesanzeiger bekannt gemachte Beschluss vom 20. Juni 2013 nach seinem Wortlaut gerade nicht zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt in Kraft treten, sondern erst am Tag nach seiner Veröffentlichung in diesem Amtsblatt. Dies spricht indes nicht dagegen, dem Beschluss Rückwirkung beizumessen. Denn der Beklagte will ¬¬– wie von seiner Terminsvertreterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt – die ins Jahr 2009 zurückwirkende Streichung erst nach der Bestandskraft der streitgegenständlichen Bescheide umsetzen, weil seiner Ansicht nach die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht rückwirkend erfolgen konnte und nur diese die sofortige Änderung der Anlage V der AM-RL erlaubte.
b. Die rückwirkende Streichung von Medizinprodukten aus Anlage V der AM-RL ist aus mehreren Gründen generell unzulässig. Diese Normänderung wäre eine verfassungswidrige Rückwirkung (hierzu aa.) und verstieße gegen Grundprinzipien des SGB V (hierzu bb.). Angesichts dessen kann der Senat offen lassen, ob die streitgegenständlichen Bescheide, käme ihnen Rückwirkung zu, gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verstießen (hierzu cc.).
aa. Verfassungsrechtlich ist nach der Terminologie des BVerfG zu unterscheiden zwischen der echten Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar ist, und der grundsätzlich zulässigen unechten Rückwirkung (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08 -, m.w.N.). Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift, eine unechte Rückwirkung dann, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfG a.a.O.; BVerfGE 132, 302; BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - B 6 KA 3/14 R -, juris; jeweils m.w.N.). Bei dieser Abgrenzung ist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe (Verkündung) der Norm abzustellen (BVerfGE 132, 302; BSG a.a.O.).
Die auf den Zeitpunkt des (Aufnahme-)Bescheids vom 16. Juli 2009 zurückwirkende Streichung griffe in eine Vielzahl bereits vollständiger abgewickelter Leistungsfälle, in denen Versicherte mit Laxatan M versorgt wurden, ein. Sie wäre daher unzulässig, nicht zuletzt weil die Versorgung Versicherter mit Laxatan M bis zur Veröffentlichung des Beschlusses vom 20. Juni 2013 im Bundesanzeiger am 11. Juli 2013 rechtmäßig war und nicht nachträglich rechtswidrig werden kann. bb. Darüber hinaus widerspräche die rückwirkende Streichung einer Leistung aus dem Leistungskatalog der GKV auch dem (im Zulassungsrecht entwickelten) Grundsatz, dass zum Zeitpunkt der ärztlichen Verordnung bzw. der Leistungserbringung feststehen bzw. feststellbar sein muss, ob die Leistung innerhalb oder außerhalb der GKV erbracht wird.
Als Folge des Naturalleistungsprinzips (BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 12/93 -, juris) muss zum Schutz aller zur Leistungserbringung Berechtigter und aus ihr Verpflichteter und insbesondere zum Schutz der Versicherten zu Beginn einer vertragsärztlichen Behandlung feststehen, ob die zu erbringenden Leistungen innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden oder als privatärztliche Leistungen anzusehen und zu vergüten sind (BSG SozR 3-1500 § 97 Nr. 3; BSGE 83, 128; 99, 218). Dasselbe gilt für Verordnungen und Anordnungen des Arztes, soweit dadurch andere, nichtärztliche Leistungserbringer ihrerseits befugt werden, in Ausführung des gesetzlichen Auftrags der Krankenkassen gegenüber deren Versicherten spezifische Leistungen zu erbringen (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 6 KA 15/08 R –, juris). Nur dann hat der einzelne Versicherte die Gewähr, dass er bei Inanspruchnahme eines bestimmten Leistungserbringers auch wirklich den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung erhält und nicht individuellen Zahlungsansprüchen des Leistungserbringers aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis (etwa Vertrag oder ungerechtfertigter Bereicherung) ausgesetzt ist. Andernfalls wäre die soziale Sicherung, die § 1 Satz 1 SGB V als Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung normiert, nicht in verlässlicher, vorhersehbarer und gleichförmiger Weise gewährleistet (BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 12/93 -, juris).
Die Vorwirkung der AM-RL auf die Entscheidungsprozesse, die Notwendigkeit, sich auf die Rechtmäßigkeit der AM-RL verlassen zu können und das äußerst umfangreiche betroffene Entscheidungsvolumen, insbesondere die (potentielle) Massenhaftigkeit der betroffenen Vorgänge schließen es aus, die erst durch die AM-RL begründete Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten rückwirkend zu ändern (BSG, Urteil vom 02. Juli 2013 - B 1 KR 18/12 R -, juris, zu fehlerhaften, Arzneimittel betreffende Preisinformationen zur Lauer-Taxe). Sie schließen Rückabwicklungen innerhalb der Leistungsbeziehungen des SGB V aus. So geht offenkundig auch der Beklagte davon aus, dass die rückwirkende Streichung von Laxatan M aus Anlage V der AM-RL nicht zu Erstattungsansprüchen der Krankenkassen gegen ihre Versicherten (etwa wegen rechtswidriger Gewährung), gegen Vertragsärzte (im Rahmen eines Verordnungsregresses nach § 106 SGB V) oder gegen Apotheken als Leistungserbringer führen kann. Auf welcher konkreten Rechtsgrundlage die Krankenkassen Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche gegen die Klägerin haben könnten, vermochte der Beklagte nicht darzulegen.
cc. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz) gebietet der Vorbehalt des Gesetzes, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt (§ 31 Sozialgesetzbuch / Erstes Buch). Demnach müssen sich die Befugnisse der Behörden zum Erlass von Verwaltungsakten aus den für das jeweilige Sachgebiet einschlägigen Gesetzen ergeben, sei es ausdrücklich oder nach dem Sinn und Zweck (BSG, Urteile vom 28. August 1997 - 8 RKn 2/97 -, und vom 15. Dezember 1999 - B 9 V 26/98 R -, jeweils juris und m.w.N.; Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A., § 31 Rd. 7 m.w.N.). Im vorliegenden Fall könnte fraglich sein, ob der Beklagte durch § 31 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 6 SGB V auch zur rückwirkenden Streichung von Medizinprodukten aus Anlage V der AM-RL befugt ist. Mangels ausdrücklicher Ermächtigung könnte sich die Befugnis allenfalls aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des zwischen der Behörde und dem Einzelnen bestehenden Rechtsverhältnisses ergeben (Engelmann a.a.O. m.w.N.). Diese Frage muss der Senat jedoch nicht abschließend klären, weil die rückwirkende Änderung der AM-RL durch Streichung eines Medizinprodukts bereits aus anderen Gründen unzulässig ist.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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