Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1770/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2925/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts K. vom 23. Juni 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1964 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin absolviert und zuletzt in einer Großküche gearbeitet. Seit 2011 bezog sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 15. März 2012 beantragte die Klägerin erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Begutachtung durch den Nervenfacharzt Dr. B., der die Klägerin am 16. April 2012 untersuchte. In seinem Gutachten vom 26. April 2012 nannte Dr. B. als Diagnosen eine Somatisierungsneigung bei vorbestehender Persönlichkeitsstörung mit unreifen, eher einfach strukturierten, auch dependenten, im Kommunikationsmuster gleichzeitig auch leicht histrionischen Zügen und sicherlich nur begrenzter Konfliktfähigkeit sowie gleichzeitig erheblichen Konflikten im beruflichen wie privaten Hintergrund, ein latentes Carpaltunnel-Syndrom bds. sowie Adipositas. Objektiv sei eine richtungsweisende depressive Symptomatik weder im psychopathologischen Querschnitt noch aus der Verhaltensbeobachtung noch aus dem jüngeren außerberuflichen Alltag herleitbar, eine antidepressive Behandlung finde nicht statt. Die Klägerin sei in der Lage, eine bis mittelschwere Tätigkeit nur zu ebener Erde, ohne ständigen Zeitdruck und ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen vollschichtig zu verrichten. Mit Bescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Vom 19. Juni bis 17. Juli 2013 nahm die Klägerin an einer Eignungsabklärung im Rahmen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im beruflichen Rehabilitationszentrum SRH K.-L. teil. Nach Einschätzung der dort behandelnden Ärzte (vgl. ärztlicher Bericht vom 16. September 2013) habe sie eine Leistungsfähigkeit gezeigt, die maximal an eine gut strukturierte Teilzeittätigkeit ohne hohe körperliche, geistige und psychische Anforderungen denken lasse. Am 17. Dezember 2013 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 14. Januar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, die im Bescheid vom 17. Dezember 2013 angeführten Krankheiten und Behinderungen seien nicht vollständig. Sie stimmten beispielsweise nicht mit den Feststellungen der fachärztlichen arbeitsmedizinischen Bescheinigung vom 5. Dezember 2013 überein. Unberücksichtigt blieben die rezidivierenden depressiven Episoden, die Neurasthenie, die Panikstörung und die Anpassungsstörung. Der ärztliche Dienst der Stadt K. gehe dabei ebenfalls von einem vollständig aufgehobenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Diese Einschätzung werde auch von Dr. K.-O. in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 10. Dezember 2013 geteilt. Dieser erachte eine Integrationsfähigkeit über HWK hinaus nicht mehr realistisch. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich hieraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ihr seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen oder ständig im Sitzen, in Tagesschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere Anforderungen an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen, ohne längere Wirbelsäulenzwangshaltungen, inhalative Reize, ohne häufiges Knien/Hocken, ohne häufiges Klettern und Steigen, ohne häufiges Heben, Tragen von schweren Lasten, ohne besondere Belastung durch Kälte, Nässe, Zugluft und Lärm, zu ebener Erde sowie ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Dagegen hat die Klägerin am 23. Mai 2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie leide unter einem metabolischen Syndrom, Adipositas permagna, Bluthochdruck, einem Leberschaden, Migräne, einem Fibromyalgiesyndrom, einer Entleerungsstörung der Harnblase, Diabetes mellitus Typ 2, chronischer Magenschleimhautentzündung, Schwindel, einer Schilddrüsenvergrößerung, Ödemen in den Beinen, einem erhöhten Cholesterinspiegel, einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom, einer Depression und einer Persönlichkeitsstörung. Aufgrund dieser vielseitigen Erkrankungen auf mehreren Gebieten, die sich gegenseitig negativ beeinflussten, sei von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen. Sie sei insbesondere auf psychischem Gebiet nicht mehr in der Lage, den Anforderungen, welche durch eine Teilhabe am Arbeitsmarkt an ihr Leistungsvermögen gestellt würden, nachzukommen. Auch die Migräne-Erkrankung habe sich in letzter Zeit erheblich verschlimmert. So träten die Anfälle immer häufiger auf und führten zu Sprachstörungen bis hin zum Wegfall der Sprechfähigkeit für bis zu einen ganzen Tag. Hinsichtlich der Wirbelsäulenerkrankung sei sie nicht in der Lage, längere Zeit im Stehen oder Sitzen zu arbeiten. Ein Wiedereingliederungsversuch bei ihrem Arbeitgeber sei im November 2013 aufgrund des eingeschränkten Leistungsvermögens gescheitert. Auch die fachärztliche arbeitsmedizinische Bescheinigung der Stadt K. (vom 5. Dezember 2013) gehe von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Diese Einschätzung werde ebenfalls von Dr. K.-O. aus nervenärztlicher Sicht geteilt. Dieser sehe aufgrund der mangelnden sozialen Kompetenzen und starken Kritikminderung eine Integrationsfähigkeit über HWK hinaus als nicht mehr realistisch an, so dass auch in seiner ärztlichen Bescheinigung die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente dringend unterstützt werde. Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, den HNO-Arzt Dr. B., den Neurologen und Psychiater Dr. K.-O., den Allgemeinarzt Dr. J., den Orthopäden Dr. T. und den Chirurgen Dr. K., schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der HNO-Arzt Dr. B. teilte am 24. Juni 2014 mit, es liege eine Globussyndrom und Pharyngitis bei V.a. Reflux-Ösophagitis vor. Die Klägerin habe über Schluck- und Räusperzwang mit Kloßgefühl geklagt. Aus hno-ärztlicher Sicht sei die Klägerin in der Lage, sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dr. K.-O. hat in seinem Bericht vom 26. Juni 2014 mitgeteilt, die Klägerin sei seit Juli 2012 regelmäßig in seiner Behandlung. Sie habe die immer gleichen Beschwerden wiederholt, nämlich eingeschränkte Belastbarkeit, Irritierbarkeit, verschiedenste Schmerzen, dies formelhaft und schematisch vorgebracht und nicht weiter differenzierbar. Er stimme den Diagnosen des SRH-Klinikums K.-L. zu, nämlich kombinierte Persönlichkeitsstörung mit unreifen, dependenten und neurasthenischen Zügen, undifferenzierte Somatisierungsstörung; seines Erachtens liege aber zusätzlich eine Störung der Intelligenz mit ausgeprägter Kritikminderung, aber hoher Kritikanfälligkeit und geringen sozialen Fähigkeiten vor. Bezüglich der Leistungseinschätzung hat sich Dr. K.-O. ebenfalls der im Bericht der SRH-Klinik vertretenen Einschätzung angeschlossen, dass maximal an eine gut strukturierte Teilzeittätigkeit ohne hohe körperliche, geistige oder psychische Beanspruchung zu denken sei, primär beim bestehenden Arbeitgeber. Der Orthopäde Dr. T. hat in seinem Bericht vom 9. Juli 2014 bezüglich der Diagnosen auf den Ausdruck der Krankenakte verwiesen. Die Klägerin sei in der Lage, im Rahmen einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit im Rahmen einer 5-Tage-Woche mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten. Der Chirurg Dr. K. hat in seinem Bericht vom 25. August 2014 als Diagnosen ein I.- bis II° Hämorrhoidalleiden bei 11 Uhr in Steinschnittlage mitgeteilt. Eine leichte körperliche Arbeit sei sechs Stunden täglich möglich. Der Allgemeinarzt Dr. J. hat in seinem Bericht vom 30. Juni 2014 die von ihm bei den einzelnen Vorstellungen erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt und angegeben, die Klägerin sei dauerhaft nicht in der Lage, bei einer 5-Tage-Woche täglich sechs Stunden einer körperlich leichten und nervlich gering belastenden Tätigkeit nachzugehen. Das SG hat ferner von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 30. März 2015 eingeholt. Dieser hat als Diagnosen eine leichtgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dependenten und histrionischen Merkmalen, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Migräne mit Aura und Kopfschmerz vom Spannungstyp sowie ein vorbeschriebenes Karpaltunnel-Syndrom bds. mitgeteilt und die Einschätzung geäußert, dass leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung der genannten qualitativen Einschränkungen aktuell nur vier Stunden pro Arbeitstag im Rahmen einer 5-Tage-Woche möglich seien. Es komme im Hinblick auf die mehrfachen Komorbiditäten der psychischen und somatischen Gesundheitsstörungen auch zu einer wechselseitigen Wirkungsverstärkung und es liege zudem mittlerweile ein erheblicher Chronifizierungsgrad vor. Auch sei bei der kombinierten Persönlichkeitsstörung von einem erheblichen Ausprägungsgrad auszugehen und es bestehe trotz zweimaliger stationärer Rehabilitation und ambulanter psychiatrischer Behandlung ein chronischer Verlauf, so dass erhebliche Zweifel bestünden, dass die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge. Die Beklagte hat dazu die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. N. vom 10. April 2015 vorgelegt. Die Leistungsbeurteilung des Dr. N. lasse sich aus sozialmedizinischer Sicht nicht nachvollziehen und zweifelsfreie Hinweise für eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens lägen nicht vor. Es bestehe eine hinreichende Tagesstruktur mit Übernahme von Haushaltsverpflichtungen seitens der Klägerin. Die aktuellen Beschwerden könnten zu einem leichten depressiven Syndrom passen; ein quantitativ leistungsminderndes Krankheitsbild bilde sich in der Anamnese allerdings nicht ab. Auffällig sei der völlige Verzicht auf eine entsprechende Pharmakotherapie. Andere therapeutische Anstrengungen gingen aus dem Gutachten nicht hervor. Der Untersuchungsbefund erbringe, dass die Klägerin in der Untersuchung recht angespannt gewesen sei; dies habe sich allerdings im Folgenden normalisiert. Kognitiv hätten sich "leichtgradige Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Auffassungsstörungen" gefunden, der Gedankengang sei "teilweise etwas umständlich" gewesen, es habe Affektlabilität bestanden mit eingeengter Mitschwingungsfähigkeit und es habe eine verbittert resignative Grundstimmung mit Selbstwertstörung bestanden. Ansonsten werde ein völlig unauffälliger psychopathologischer Befund geschildert. Mit Urteil vom 23. Juni 2015 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2014 verurteilt, der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016 zu gewähren. Das SG hat sich dabei auf die Einschätzung des Dr. N., des Dr. K.-O. und des Dr. J. gestützt und ist von einem auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschränkten Leistungsvermögen der Klägerin ausgegangen. Gegen das ihr am 30. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Juli 2015 eingelegte Berufung der Beklagten. Zunächst entspreche der Rentenbeginn nicht den gesetzlichen Vorschriften. Darüber hinaus stehe der Klägerin keine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit zu, da die Beurteilung des Dr. N. nicht nachzuvollziehen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das erstinstanzliche Gericht habe rechtsfehlerfrei entschieden, dass ihr eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit zustehe. Das Gutachten des Dr. N. sei in sich schlüssig und stimme mit den Auffassungen ihrer behandelnden Ärzte überein. Seit ungefähr Juni 2015 befinde sie sich in psychotherapeutischer Behandlung bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie W ...
Der Senat hat die sachverständige Zeugenauskunft des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie J. W. vom 19. September 2015 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass sich die Klägerin erstmals am 1. Juni 2015 bei ihm vorgestellt habe und seitdem fünf Sitzungen stattgefunden hätten. Als Diagnosen hat er eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode, Neurasthenie, chronische Schmerzstörung, V.a. dissoziative Störung, V.a. Panikstörung und V.a. kombinierte Persönlichkeitsstörung angegeben. Die Fragen zur Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten nur ausreichend im Rahmen eines ausführlichen Gutachtens beantwortet werden. Er habe die Klägerin dahingehend nicht untersucht. Aufgrund seiner Kenntnis der Klägerin würde er aber davon ausgehen, dass selbst unter Berücksichtigung aller möglichen qualitativen Einschränkungen der entscheidende Faktor in der quantitativen Leistungsfähigkeit liege. Seiner Ansicht nach werde die Klägerin in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, sechs Stunden und mehr täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Selbst wenn es sich dabei um leichte und einfache Tätigkeiten handele, werde sie aufgrund ihrer vielschichtigen Erkrankungen und deren Wechselwirkungen die erforderliche Leistungskontinuität nicht aufrecht erhalten können.
Der Senat hat daraufhin das nervenärztliche (neurologisch-psychiatrische) Gutachten des Prof. Dr. B. vom 21. Oktober 2015 eingeholt. Dieser hat als Diagnosen ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulen-Syndrom ohne aktuelle Nervenwurzelreizsymptome und ohne auf die Wirbelsäule beziehbare segmentale sensible oder motorische neurologische Defizite und eine Dysthmie genannt, insgesamt jedoch eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn, insbesondere auch ein klinisch-relevantes depressives Syndrom jedweder Genese bzw. ein chronisches klinisch-relevantes, medizinisch nicht kupierbares Schmerz-Syndrom jedweder Genese und ein sog. Fibromyalgie-Syndrom ausgeschlossen und partiell Simulationstendenzen als Ausdruck einer bewusstseinsnahen Zweckreaktion bzw. Tendenzreaktion der Klägerin mitgeteilt. Unter Berücksichtigung der mitgeteilten qualitativen Einschränkungen hat Prof. Dr. B. ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin angegeben.
Die Klägerin hat dazu die Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 18. Dezember 2015 vorgelegt, in der sich dieser kritisch mit dem Gutachten des Prof. Dr. B. auseinandergesetzt hat. Bezüglich der von der Klägerin geklagten Schmerzen seien die Ausführungen des Prof. Dr. B. nicht nachvollziehbar. Das Verhalten der Klägerin während der neurologischen Untersuchung sei völlig vereinbar mit der Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, so dass es nicht gerechtfertigt erscheine, daraus partielle Simulationstendenzen abzuleiten. Die Einschätzung des Dr. N. zur Frage der Simulation sei plausibler begründet. Darüber hinaus verlasse sich Prof. Dr. B. völlig auf seinen Querschnittsbefund am Tag der Untersuchung und lehne alle bisherigen Diagnosen und Befunde ab. Bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin verlasse er sich dagegen fast schon unkritisch auf die Angaben der Klägerin und entsprechende Dokumentationen aus der SG-Akte. Es bleibe auch unklar und damit nicht nachvollziehbar, wie Prof. Dr. B. aufgrund der Angaben der Klägerin und ihrem sozialen Interessenspektrum zu dem Schluss komme, sie könne vollschichtig arbeiten. Im Gegenteil weise vieles an den Beschreibungen der Klägerin darauf hin, dass sie einen stark eingeschränkten Aktivitätsbereich habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die subjektiven Einschränkungen der Klägerin nicht mit objektiven Leistungseinbußen einhergingen, nachdem es in der Vergangenheit Zeiten der erwerbsbezogenen Leistungsminderung gegeben habe (Arbeitsunfähigkeitszeiten, Krankenhausaufenthalte, Rehabilitationen).
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist begründet.
Da lediglich die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG vom 23. Juni 2015 eingelegt hat, ist ausschließlich streitgegenständlich der Zeitraum vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016, für den das SG die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Klägerin hat in dieser Zeit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Rechtsgrundlagen für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung sind §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.
Gemessen hieran hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Der Senat stützt sich bei dieser Einschätzung auf das Gutachten des Prof. Dr. B. vom 21. Oktober 2015. Dieser hat sich sehr ausführlich mit der Aktenlage sowie den von der Klägerin in der Anamnese geschilderten Beschwerden beschäftigt und umfangreiche eigene Untersuchungsbefunde erhoben. Darüber hinaus hat Prof. Dr. B. auch die Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesablauf und ihren Interessen in die Beurteilung mit einbezogen. Der Sachverständige hat eine psychiatrische Krankheit klinisch relevanten Ausmaßes (sowohl ein depressives Syndrom jedweder Genese [mit Ausnahme der o.g. Dysthmie] als auch ein chronisches Schmerzsyndrom, ein psychosomatisches Syndrom anderer Prägung, ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom [Synonym neurasthenisches Syndrom], ein organisches Psychosyndrom [Synonym Demenz-Syndrom] und einen anderen Prägnanztyp einer psychiatrischen Krankheit ausgeschlossen und ist dementsprechend für den Senat überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass bei der Klägerin keine seelischen bzw. seelisch bedingten Störungen bzw. Hemmungen klinisch-relevanten Ausmaßes (sog. unüberwindbare psychische Hemmungen) vorliegen, sondern die Einschränkungen im Sinne einer Dysthmie allein im subjektiven Bereich bleiben und zu keinen objektivierbaren Leistungseinbußen führen. Zum psychischen Befund hat Prof. Dr. B. mitgeteilt, die Klägerin sei während der insgesamt ca. 2-stündigen Explorationssituation einschließlich anschließender ausführlicher körperlicher Untersuchung stets bewusstseinsklar und hinsichtlich Ort, Zeit, Person und Situation voll orientiert gewesen. Wahrnehmung und Auffassung sowie die Gedächtnisleistungen im Langzeit- und Kurzzeitbereich seien ungestört und auch Merkfähigkeitsstörungen auszuschließen gewesen. Die Antriebssituation sei ebenfalls ungestört gewesen; es habe keine Antriebshemmung und keine Antriebsreduktion bestanden, vielmehr habe die Klägerin ein adäquates psychomotorisches Tempo, ausreichend lebhafte Gestik und Mimik, eine regelrechte Sprechgeschwindigkeit und eine gute Stimmmodulation gezeigt. Insbesondere sei die Klägerin auch häufig in der Lage gewesen, die Initiative in der Explorationssituation zu ergreifen. Es habe auch keine Antriebssteigerung vorgelegen. Aufgrund der exakten Auffassungsgabe der Klägerin, ihrer guten Verbalisationsfähigkeit und ihres erhaltenen Abstraktionsvermögens hätten sich unter klinischen Gesichtspunkten keine Hinweise auf eine globale intellektuelle Beeinträchtigung ergeben. Das Denkvermögen der Klägerin sei unter formalen Gesichtspunkten gesehen in sich zusammenhängend, logisch aufgebaut, vom Hörer nachvollziehbar, ohne Gedankenabreißen oder Gedankenspringen, ohne Neigung zum Haften am Thema und ohne Wiederholungsneigung bei regelrechter Denkgeschwindigkeit ohne Denkverlangsamung und ohne Denkbeschleunigung gewesen. Es habe auch keine Hinweise auf überwertige Ideen, Zwangsgedanken oder gar Wahngedanken gegeben. Auch produktive Wahrnehmungsstörungen wie Halluzinationen und sog. Ich-Störungen wie Fremdbeeinflussungserlebnisse seien nicht zu eruieren gewesen. In affektiver Hinsicht sei ein guter Rapport zur Klägerin herstellbar gewesen. Es habe keine durchgängige Verschiebung ihrer Grundstimmung in einen deprimiert-gehemmten oder ängstlichen Modus, jedoch auch keine dysphorisch-gereizte oder für die Situation inadäquat euphorische Stimmung gegeben. Auch freudige Affekte mit Lachen und Schmunzeln seien in der Untersuchungssituation nicht ausgespart und insbesondere während der körperlich-neurologischen Untersuchung erkennbar gewesen. Somit sei die affektive Modulationsfähigkeit (emotionale Schwingungsfähigkeit) insgesamt voll erhalten gewesen. Prof. Dr. B. hat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass sich aus dem Querschnittsbefund nicht in relevantem Umfang typische depressive Symptome wie gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Unfähigkeit, sich freuen zu können, Verminderung des Antriebs sowie erhöhte Ermüdbarkeit schon nach nur kleinen Anstrengungen und Aktivitätseinschränkung sowie vermindertes Konzentrations- und Aufmerksamkeitsvermögen, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit (schon bei leichten depressiven Episoden), negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Gedanken über tatsächlich erfolgte schwerwiegende Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit ableiten ließen und hat unter Berücksichtigung der weiteren eigenen anamnestischen Angaben der Klägerin in Form einer vorwiegend negativ getönten Befindlichkeit hinsichtlich der subjektiven Wahrnehmung ihrer aktuellen Situation lediglich noch Hinweise auf eine sog. Dysthmie gefunden, die jedoch nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden gegenwärtig noch nicht einmal die Kriterien auch nur für eine leichte oder gar mittelgradige rezidivierende depressive Störung erfüllten. Prof. Dr. B. hat jedoch die Einschätzung geäußert, dass in der Anamnese und insbesondere bei Beginn der Störung die Beschreibungen und Leitlinien einer leichten depressiven Episode erfüllt gewesen sein könnten. Wie Prof. Dr. B. überzeugend ausgeführt hat, resultieren aus dieser Dysthmie aktuell und auch für die rezente Vergangenheit keine sozialen Rückzugstendenzen, kein Verlust der allgemeinen Tagesstrukturierung und kein Verlust des allgemeinen Interessenspektrums der Klägerin, so dass daraus lediglich überwindbare und keinesfalls unüberwindbare psychische Hemmungen ableitbar seien. Hierzu hat Prof. Dr. B. auf die Tagesstrukturierung der Klägerin und ihre erhaltene haushaltliche und soziale Kompetenz (z.B. prinzipiell weiter erhaltene Fahrtüchtigkeit) sowie die anamnestischen Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesverlauf und ihrem allgemeinen Interessenspektrum verwiesen. Im Hinblick auf das aktenmäßig bekannte und röntgenologisch beschriebene leicht ausgeprägte Wirbelsäulensyndrom hat Prof. Dr. B. aktuell keine Pathologika feststellen können: Es haben sich weder sensible noch motorische neurologische Defizite feststellen lassen; ein Nervenwurzelreizsyndrom hat Prof. Dr. B. anhand der Befunde ausgeschlossen. Darüber hinaus haben sich weder aus den eigenen anamnestischen Angaben der Klägerin noch aus dem Untersuchungsbefund Hinweise auf Durchblutungsstörungen im Bereich des Rückenmarks ergeben und eine distal-symmetrische Polyneuropathie hat Prof. Dr. B. ebenfalls ausgeschlossen. Die freie Wegstrecke ist nach Einschätzung von Prof. Dr. B. nicht eingeschränkt. Der Senat schließt sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. an, da sich aus den von ihm erhobenen ausführlichen Befunden, bei denen keine typischen depressiven Symptome und auch keine sonstige psychiatrische Krankheit sowie kein klinisch relevantes Schmerzsyndrom feststellbar waren, nachvollziehbar ableiten lässt, dass die Beeinträchtigungen der Klägerin auf nervenärztlich/psychiatrischem Fachgebiet – auch unter Berücksichtigung der angegebenen Schmerzsymptomatik - nicht so stark ausgeprägt sind, dass daraus eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens resultiert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Dr. N. erhobenen psychisch-psychiatrischen Befund. Er hat nur leichtgradige Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Auffassungsstörungen, bzw. teilweise Gedächtnisstörungen erwähnt. Zwar hat er die Klägerin als ängstlich angespannt mit themenabhängiger Affektlabilität und Weinerlichkeit beschrieben, die Mitschwingungsfähigkeit als eingeengt bezeichnet und mitgeteilt, dass insgesamt eine verbittert resignative Grundstimmung mit Selbstwertstörung überwiege. Er hat daraus aber letztlich nur eine leichtgradige depressive Episode bei rezidivierender Depression mit somatischem Syndrom abgeleitet, so dass – unabhängig von der unterschiedlichen Bezeichnung der Diagnose als leichtgradige depressive Episode oder – wie von Prof. Dr. B. – als Dysthmia, jedenfalls nur leichtgradige Einschränkungen abgeleitet werden können, die sich auf das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin nicht auswirken. Diese Einschätzung wird zusätzlich gestützt durch die Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesablauf. Danach erledigt sie Arbeiten im Haushalt, geht (zusammen mit ihrem Partner) einkaufen und trifft sich mit Freundinnen, wobei sie z.B. Spaziergänge mit einer Freundin und deren Hund am Rheinufer unternimmt und eine Freundin am Bodensee besucht hat. An Pfingsten (2015) hat sie mit ihrem Partner eine dreitägige Urlaubsreise unternommen. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. N. hat sie einen ähnlichen Tagesablauf geschildert und auch gelegentliche Ausflüge am Wochenende erwähnt. Sie hat ferner angegeben, dass sie eine harmonische Beziehung mit ihrem Partner führe und einen Freundeskreis mit vier Freundinnen habe. Daraus lässt sich zur Überzeugung des Senats keine gravierende Einschränkung ableiten, die das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zeitlich einschränken könnte. Auch die fehlende antidepressive medikamentöse Behandlung spricht gegen eine besonders starke Ausprägung der Beschwerden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Leistungsvermögen der Klägerin daher auf nervenärztlich-psychiatrischem Fachgebiet – über die von Prof. Dr. B. genannten qualitativen Einschränkungen hinaus – zeitlich nicht eingeschränkt. Bezüglich des von Prof. Dr. B. darüber hinaus erwähnten leichten Wirbelsäulensyndroms sind ebenfalls nur die von ihm genannten qualitative Einschränkungen zu beachten. Soweit die Klägerin im Erörterungstermin am 25. Juli 2016 auf die seit 4. Juli 2016 stattfindende tagesklinische Behandlung hingewiesen hat, ergeben sich aus dieser aktuellen Entwicklung keine Anhaltspunkte für eine dauerhafte Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der Begutachtung durch Prof. Dr. B. mit Auswirkung auf die quantitative Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt innerhalb des im vorliegenden Berufungsverfahren ausschließlich streitgegenständlichen Zeitraums vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016.
Die Klägerin ist demnach bei Beachtung der angegebenen qualitativen Einschränkungen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016 noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein und hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI.
Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) scheidet von vornherein aus, weil die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.
Da das SG die Beklagte demnach zu Unrecht verurteilt hat, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016 zu gewähren, war der Berufung der Beklagten stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Beklagte mit der Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren voll obsiegt hat.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1964 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin absolviert und zuletzt in einer Großküche gearbeitet. Seit 2011 bezog sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Am 15. März 2012 beantragte die Klägerin erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine sozialmedizinische Begutachtung durch den Nervenfacharzt Dr. B., der die Klägerin am 16. April 2012 untersuchte. In seinem Gutachten vom 26. April 2012 nannte Dr. B. als Diagnosen eine Somatisierungsneigung bei vorbestehender Persönlichkeitsstörung mit unreifen, eher einfach strukturierten, auch dependenten, im Kommunikationsmuster gleichzeitig auch leicht histrionischen Zügen und sicherlich nur begrenzter Konfliktfähigkeit sowie gleichzeitig erheblichen Konflikten im beruflichen wie privaten Hintergrund, ein latentes Carpaltunnel-Syndrom bds. sowie Adipositas. Objektiv sei eine richtungsweisende depressive Symptomatik weder im psychopathologischen Querschnitt noch aus der Verhaltensbeobachtung noch aus dem jüngeren außerberuflichen Alltag herleitbar, eine antidepressive Behandlung finde nicht statt. Die Klägerin sei in der Lage, eine bis mittelschwere Tätigkeit nur zu ebener Erde, ohne ständigen Zeitdruck und ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen vollschichtig zu verrichten. Mit Bescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Vom 19. Juni bis 17. Juli 2013 nahm die Klägerin an einer Eignungsabklärung im Rahmen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im beruflichen Rehabilitationszentrum SRH K.-L. teil. Nach Einschätzung der dort behandelnden Ärzte (vgl. ärztlicher Bericht vom 16. September 2013) habe sie eine Leistungsfähigkeit gezeigt, die maximal an eine gut strukturierte Teilzeittätigkeit ohne hohe körperliche, geistige und psychische Anforderungen denken lasse. Am 17. Dezember 2013 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 14. Januar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, die im Bescheid vom 17. Dezember 2013 angeführten Krankheiten und Behinderungen seien nicht vollständig. Sie stimmten beispielsweise nicht mit den Feststellungen der fachärztlichen arbeitsmedizinischen Bescheinigung vom 5. Dezember 2013 überein. Unberücksichtigt blieben die rezidivierenden depressiven Episoden, die Neurasthenie, die Panikstörung und die Anpassungsstörung. Der ärztliche Dienst der Stadt K. gehe dabei ebenfalls von einem vollständig aufgehobenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Diese Einschätzung werde auch von Dr. K.-O. in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 10. Dezember 2013 geteilt. Dieser erachte eine Integrationsfähigkeit über HWK hinaus nicht mehr realistisch. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich hieraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ihr seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen oder ständig im Sitzen, in Tagesschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere Anforderungen an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen, ohne längere Wirbelsäulenzwangshaltungen, inhalative Reize, ohne häufiges Knien/Hocken, ohne häufiges Klettern und Steigen, ohne häufiges Heben, Tragen von schweren Lasten, ohne besondere Belastung durch Kälte, Nässe, Zugluft und Lärm, zu ebener Erde sowie ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Dagegen hat die Klägerin am 23. Mai 2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie leide unter einem metabolischen Syndrom, Adipositas permagna, Bluthochdruck, einem Leberschaden, Migräne, einem Fibromyalgiesyndrom, einer Entleerungsstörung der Harnblase, Diabetes mellitus Typ 2, chronischer Magenschleimhautentzündung, Schwindel, einer Schilddrüsenvergrößerung, Ödemen in den Beinen, einem erhöhten Cholesterinspiegel, einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom, einer Depression und einer Persönlichkeitsstörung. Aufgrund dieser vielseitigen Erkrankungen auf mehreren Gebieten, die sich gegenseitig negativ beeinflussten, sei von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen. Sie sei insbesondere auf psychischem Gebiet nicht mehr in der Lage, den Anforderungen, welche durch eine Teilhabe am Arbeitsmarkt an ihr Leistungsvermögen gestellt würden, nachzukommen. Auch die Migräne-Erkrankung habe sich in letzter Zeit erheblich verschlimmert. So träten die Anfälle immer häufiger auf und führten zu Sprachstörungen bis hin zum Wegfall der Sprechfähigkeit für bis zu einen ganzen Tag. Hinsichtlich der Wirbelsäulenerkrankung sei sie nicht in der Lage, längere Zeit im Stehen oder Sitzen zu arbeiten. Ein Wiedereingliederungsversuch bei ihrem Arbeitgeber sei im November 2013 aufgrund des eingeschränkten Leistungsvermögens gescheitert. Auch die fachärztliche arbeitsmedizinische Bescheinigung der Stadt K. (vom 5. Dezember 2013) gehe von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Diese Einschätzung werde ebenfalls von Dr. K.-O. aus nervenärztlicher Sicht geteilt. Dieser sehe aufgrund der mangelnden sozialen Kompetenzen und starken Kritikminderung eine Integrationsfähigkeit über HWK hinaus als nicht mehr realistisch an, so dass auch in seiner ärztlichen Bescheinigung die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente dringend unterstützt werde. Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, den HNO-Arzt Dr. B., den Neurologen und Psychiater Dr. K.-O., den Allgemeinarzt Dr. J., den Orthopäden Dr. T. und den Chirurgen Dr. K., schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der HNO-Arzt Dr. B. teilte am 24. Juni 2014 mit, es liege eine Globussyndrom und Pharyngitis bei V.a. Reflux-Ösophagitis vor. Die Klägerin habe über Schluck- und Räusperzwang mit Kloßgefühl geklagt. Aus hno-ärztlicher Sicht sei die Klägerin in der Lage, sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Dr. K.-O. hat in seinem Bericht vom 26. Juni 2014 mitgeteilt, die Klägerin sei seit Juli 2012 regelmäßig in seiner Behandlung. Sie habe die immer gleichen Beschwerden wiederholt, nämlich eingeschränkte Belastbarkeit, Irritierbarkeit, verschiedenste Schmerzen, dies formelhaft und schematisch vorgebracht und nicht weiter differenzierbar. Er stimme den Diagnosen des SRH-Klinikums K.-L. zu, nämlich kombinierte Persönlichkeitsstörung mit unreifen, dependenten und neurasthenischen Zügen, undifferenzierte Somatisierungsstörung; seines Erachtens liege aber zusätzlich eine Störung der Intelligenz mit ausgeprägter Kritikminderung, aber hoher Kritikanfälligkeit und geringen sozialen Fähigkeiten vor. Bezüglich der Leistungseinschätzung hat sich Dr. K.-O. ebenfalls der im Bericht der SRH-Klinik vertretenen Einschätzung angeschlossen, dass maximal an eine gut strukturierte Teilzeittätigkeit ohne hohe körperliche, geistige oder psychische Beanspruchung zu denken sei, primär beim bestehenden Arbeitgeber. Der Orthopäde Dr. T. hat in seinem Bericht vom 9. Juli 2014 bezüglich der Diagnosen auf den Ausdruck der Krankenakte verwiesen. Die Klägerin sei in der Lage, im Rahmen einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit im Rahmen einer 5-Tage-Woche mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten. Der Chirurg Dr. K. hat in seinem Bericht vom 25. August 2014 als Diagnosen ein I.- bis II° Hämorrhoidalleiden bei 11 Uhr in Steinschnittlage mitgeteilt. Eine leichte körperliche Arbeit sei sechs Stunden täglich möglich. Der Allgemeinarzt Dr. J. hat in seinem Bericht vom 30. Juni 2014 die von ihm bei den einzelnen Vorstellungen erhobenen Befunde und Diagnosen mitgeteilt und angegeben, die Klägerin sei dauerhaft nicht in der Lage, bei einer 5-Tage-Woche täglich sechs Stunden einer körperlich leichten und nervlich gering belastenden Tätigkeit nachzugehen. Das SG hat ferner von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 30. März 2015 eingeholt. Dieser hat als Diagnosen eine leichtgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dependenten und histrionischen Merkmalen, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Migräne mit Aura und Kopfschmerz vom Spannungstyp sowie ein vorbeschriebenes Karpaltunnel-Syndrom bds. mitgeteilt und die Einschätzung geäußert, dass leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung der genannten qualitativen Einschränkungen aktuell nur vier Stunden pro Arbeitstag im Rahmen einer 5-Tage-Woche möglich seien. Es komme im Hinblick auf die mehrfachen Komorbiditäten der psychischen und somatischen Gesundheitsstörungen auch zu einer wechselseitigen Wirkungsverstärkung und es liege zudem mittlerweile ein erheblicher Chronifizierungsgrad vor. Auch sei bei der kombinierten Persönlichkeitsstörung von einem erheblichen Ausprägungsgrad auszugehen und es bestehe trotz zweimaliger stationärer Rehabilitation und ambulanter psychiatrischer Behandlung ein chronischer Verlauf, so dass erhebliche Zweifel bestünden, dass die Klägerin über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge. Die Beklagte hat dazu die sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. N. vom 10. April 2015 vorgelegt. Die Leistungsbeurteilung des Dr. N. lasse sich aus sozialmedizinischer Sicht nicht nachvollziehen und zweifelsfreie Hinweise für eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens lägen nicht vor. Es bestehe eine hinreichende Tagesstruktur mit Übernahme von Haushaltsverpflichtungen seitens der Klägerin. Die aktuellen Beschwerden könnten zu einem leichten depressiven Syndrom passen; ein quantitativ leistungsminderndes Krankheitsbild bilde sich in der Anamnese allerdings nicht ab. Auffällig sei der völlige Verzicht auf eine entsprechende Pharmakotherapie. Andere therapeutische Anstrengungen gingen aus dem Gutachten nicht hervor. Der Untersuchungsbefund erbringe, dass die Klägerin in der Untersuchung recht angespannt gewesen sei; dies habe sich allerdings im Folgenden normalisiert. Kognitiv hätten sich "leichtgradige Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Auffassungsstörungen" gefunden, der Gedankengang sei "teilweise etwas umständlich" gewesen, es habe Affektlabilität bestanden mit eingeengter Mitschwingungsfähigkeit und es habe eine verbittert resignative Grundstimmung mit Selbstwertstörung bestanden. Ansonsten werde ein völlig unauffälliger psychopathologischer Befund geschildert. Mit Urteil vom 23. Juni 2015 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2014 verurteilt, der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016 zu gewähren. Das SG hat sich dabei auf die Einschätzung des Dr. N., des Dr. K.-O. und des Dr. J. gestützt und ist von einem auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschränkten Leistungsvermögen der Klägerin ausgegangen. Gegen das ihr am 30. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 13. Juli 2015 eingelegte Berufung der Beklagten. Zunächst entspreche der Rentenbeginn nicht den gesetzlichen Vorschriften. Darüber hinaus stehe der Klägerin keine Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit zu, da die Beurteilung des Dr. N. nicht nachzuvollziehen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das erstinstanzliche Gericht habe rechtsfehlerfrei entschieden, dass ihr eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit zustehe. Das Gutachten des Dr. N. sei in sich schlüssig und stimme mit den Auffassungen ihrer behandelnden Ärzte überein. Seit ungefähr Juni 2015 befinde sie sich in psychotherapeutischer Behandlung bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie W ...
Der Senat hat die sachverständige Zeugenauskunft des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie J. W. vom 19. September 2015 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass sich die Klägerin erstmals am 1. Juni 2015 bei ihm vorgestellt habe und seitdem fünf Sitzungen stattgefunden hätten. Als Diagnosen hat er eine rezidivierende depressive Störung, mittelgradige Episode, Neurasthenie, chronische Schmerzstörung, V.a. dissoziative Störung, V.a. Panikstörung und V.a. kombinierte Persönlichkeitsstörung angegeben. Die Fragen zur Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten nur ausreichend im Rahmen eines ausführlichen Gutachtens beantwortet werden. Er habe die Klägerin dahingehend nicht untersucht. Aufgrund seiner Kenntnis der Klägerin würde er aber davon ausgehen, dass selbst unter Berücksichtigung aller möglichen qualitativen Einschränkungen der entscheidende Faktor in der quantitativen Leistungsfähigkeit liege. Seiner Ansicht nach werde die Klägerin in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, sechs Stunden und mehr täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Selbst wenn es sich dabei um leichte und einfache Tätigkeiten handele, werde sie aufgrund ihrer vielschichtigen Erkrankungen und deren Wechselwirkungen die erforderliche Leistungskontinuität nicht aufrecht erhalten können.
Der Senat hat daraufhin das nervenärztliche (neurologisch-psychiatrische) Gutachten des Prof. Dr. B. vom 21. Oktober 2015 eingeholt. Dieser hat als Diagnosen ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulen-Syndrom ohne aktuelle Nervenwurzelreizsymptome und ohne auf die Wirbelsäule beziehbare segmentale sensible oder motorische neurologische Defizite und eine Dysthmie genannt, insgesamt jedoch eine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinn, insbesondere auch ein klinisch-relevantes depressives Syndrom jedweder Genese bzw. ein chronisches klinisch-relevantes, medizinisch nicht kupierbares Schmerz-Syndrom jedweder Genese und ein sog. Fibromyalgie-Syndrom ausgeschlossen und partiell Simulationstendenzen als Ausdruck einer bewusstseinsnahen Zweckreaktion bzw. Tendenzreaktion der Klägerin mitgeteilt. Unter Berücksichtigung der mitgeteilten qualitativen Einschränkungen hat Prof. Dr. B. ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin angegeben.
Die Klägerin hat dazu die Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 18. Dezember 2015 vorgelegt, in der sich dieser kritisch mit dem Gutachten des Prof. Dr. B. auseinandergesetzt hat. Bezüglich der von der Klägerin geklagten Schmerzen seien die Ausführungen des Prof. Dr. B. nicht nachvollziehbar. Das Verhalten der Klägerin während der neurologischen Untersuchung sei völlig vereinbar mit der Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, so dass es nicht gerechtfertigt erscheine, daraus partielle Simulationstendenzen abzuleiten. Die Einschätzung des Dr. N. zur Frage der Simulation sei plausibler begründet. Darüber hinaus verlasse sich Prof. Dr. B. völlig auf seinen Querschnittsbefund am Tag der Untersuchung und lehne alle bisherigen Diagnosen und Befunde ab. Bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin verlasse er sich dagegen fast schon unkritisch auf die Angaben der Klägerin und entsprechende Dokumentationen aus der SG-Akte. Es bleibe auch unklar und damit nicht nachvollziehbar, wie Prof. Dr. B. aufgrund der Angaben der Klägerin und ihrem sozialen Interessenspektrum zu dem Schluss komme, sie könne vollschichtig arbeiten. Im Gegenteil weise vieles an den Beschreibungen der Klägerin darauf hin, dass sie einen stark eingeschränkten Aktivitätsbereich habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die subjektiven Einschränkungen der Klägerin nicht mit objektiven Leistungseinbußen einhergingen, nachdem es in der Vergangenheit Zeiten der erwerbsbezogenen Leistungsminderung gegeben habe (Arbeitsunfähigkeitszeiten, Krankenhausaufenthalte, Rehabilitationen).
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist begründet.
Da lediglich die Beklagte Berufung gegen das Urteil des SG vom 23. Juni 2015 eingelegt hat, ist ausschließlich streitgegenständlich der Zeitraum vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016, für den das SG die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Klägerin hat in dieser Zeit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Rechtsgrundlagen für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung sind §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.
Gemessen hieran hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Der Senat stützt sich bei dieser Einschätzung auf das Gutachten des Prof. Dr. B. vom 21. Oktober 2015. Dieser hat sich sehr ausführlich mit der Aktenlage sowie den von der Klägerin in der Anamnese geschilderten Beschwerden beschäftigt und umfangreiche eigene Untersuchungsbefunde erhoben. Darüber hinaus hat Prof. Dr. B. auch die Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesablauf und ihren Interessen in die Beurteilung mit einbezogen. Der Sachverständige hat eine psychiatrische Krankheit klinisch relevanten Ausmaßes (sowohl ein depressives Syndrom jedweder Genese [mit Ausnahme der o.g. Dysthmie] als auch ein chronisches Schmerzsyndrom, ein psychosomatisches Syndrom anderer Prägung, ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom [Synonym neurasthenisches Syndrom], ein organisches Psychosyndrom [Synonym Demenz-Syndrom] und einen anderen Prägnanztyp einer psychiatrischen Krankheit ausgeschlossen und ist dementsprechend für den Senat überzeugend zu der Einschätzung gelangt, dass bei der Klägerin keine seelischen bzw. seelisch bedingten Störungen bzw. Hemmungen klinisch-relevanten Ausmaßes (sog. unüberwindbare psychische Hemmungen) vorliegen, sondern die Einschränkungen im Sinne einer Dysthmie allein im subjektiven Bereich bleiben und zu keinen objektivierbaren Leistungseinbußen führen. Zum psychischen Befund hat Prof. Dr. B. mitgeteilt, die Klägerin sei während der insgesamt ca. 2-stündigen Explorationssituation einschließlich anschließender ausführlicher körperlicher Untersuchung stets bewusstseinsklar und hinsichtlich Ort, Zeit, Person und Situation voll orientiert gewesen. Wahrnehmung und Auffassung sowie die Gedächtnisleistungen im Langzeit- und Kurzzeitbereich seien ungestört und auch Merkfähigkeitsstörungen auszuschließen gewesen. Die Antriebssituation sei ebenfalls ungestört gewesen; es habe keine Antriebshemmung und keine Antriebsreduktion bestanden, vielmehr habe die Klägerin ein adäquates psychomotorisches Tempo, ausreichend lebhafte Gestik und Mimik, eine regelrechte Sprechgeschwindigkeit und eine gute Stimmmodulation gezeigt. Insbesondere sei die Klägerin auch häufig in der Lage gewesen, die Initiative in der Explorationssituation zu ergreifen. Es habe auch keine Antriebssteigerung vorgelegen. Aufgrund der exakten Auffassungsgabe der Klägerin, ihrer guten Verbalisationsfähigkeit und ihres erhaltenen Abstraktionsvermögens hätten sich unter klinischen Gesichtspunkten keine Hinweise auf eine globale intellektuelle Beeinträchtigung ergeben. Das Denkvermögen der Klägerin sei unter formalen Gesichtspunkten gesehen in sich zusammenhängend, logisch aufgebaut, vom Hörer nachvollziehbar, ohne Gedankenabreißen oder Gedankenspringen, ohne Neigung zum Haften am Thema und ohne Wiederholungsneigung bei regelrechter Denkgeschwindigkeit ohne Denkverlangsamung und ohne Denkbeschleunigung gewesen. Es habe auch keine Hinweise auf überwertige Ideen, Zwangsgedanken oder gar Wahngedanken gegeben. Auch produktive Wahrnehmungsstörungen wie Halluzinationen und sog. Ich-Störungen wie Fremdbeeinflussungserlebnisse seien nicht zu eruieren gewesen. In affektiver Hinsicht sei ein guter Rapport zur Klägerin herstellbar gewesen. Es habe keine durchgängige Verschiebung ihrer Grundstimmung in einen deprimiert-gehemmten oder ängstlichen Modus, jedoch auch keine dysphorisch-gereizte oder für die Situation inadäquat euphorische Stimmung gegeben. Auch freudige Affekte mit Lachen und Schmunzeln seien in der Untersuchungssituation nicht ausgespart und insbesondere während der körperlich-neurologischen Untersuchung erkennbar gewesen. Somit sei die affektive Modulationsfähigkeit (emotionale Schwingungsfähigkeit) insgesamt voll erhalten gewesen. Prof. Dr. B. hat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass sich aus dem Querschnittsbefund nicht in relevantem Umfang typische depressive Symptome wie gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Unfähigkeit, sich freuen zu können, Verminderung des Antriebs sowie erhöhte Ermüdbarkeit schon nach nur kleinen Anstrengungen und Aktivitätseinschränkung sowie vermindertes Konzentrations- und Aufmerksamkeitsvermögen, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit (schon bei leichten depressiven Episoden), negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Gedanken über tatsächlich erfolgte schwerwiegende Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit ableiten ließen und hat unter Berücksichtigung der weiteren eigenen anamnestischen Angaben der Klägerin in Form einer vorwiegend negativ getönten Befindlichkeit hinsichtlich der subjektiven Wahrnehmung ihrer aktuellen Situation lediglich noch Hinweise auf eine sog. Dysthmie gefunden, die jedoch nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden gegenwärtig noch nicht einmal die Kriterien auch nur für eine leichte oder gar mittelgradige rezidivierende depressive Störung erfüllten. Prof. Dr. B. hat jedoch die Einschätzung geäußert, dass in der Anamnese und insbesondere bei Beginn der Störung die Beschreibungen und Leitlinien einer leichten depressiven Episode erfüllt gewesen sein könnten. Wie Prof. Dr. B. überzeugend ausgeführt hat, resultieren aus dieser Dysthmie aktuell und auch für die rezente Vergangenheit keine sozialen Rückzugstendenzen, kein Verlust der allgemeinen Tagesstrukturierung und kein Verlust des allgemeinen Interessenspektrums der Klägerin, so dass daraus lediglich überwindbare und keinesfalls unüberwindbare psychische Hemmungen ableitbar seien. Hierzu hat Prof. Dr. B. auf die Tagesstrukturierung der Klägerin und ihre erhaltene haushaltliche und soziale Kompetenz (z.B. prinzipiell weiter erhaltene Fahrtüchtigkeit) sowie die anamnestischen Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesverlauf und ihrem allgemeinen Interessenspektrum verwiesen. Im Hinblick auf das aktenmäßig bekannte und röntgenologisch beschriebene leicht ausgeprägte Wirbelsäulensyndrom hat Prof. Dr. B. aktuell keine Pathologika feststellen können: Es haben sich weder sensible noch motorische neurologische Defizite feststellen lassen; ein Nervenwurzelreizsyndrom hat Prof. Dr. B. anhand der Befunde ausgeschlossen. Darüber hinaus haben sich weder aus den eigenen anamnestischen Angaben der Klägerin noch aus dem Untersuchungsbefund Hinweise auf Durchblutungsstörungen im Bereich des Rückenmarks ergeben und eine distal-symmetrische Polyneuropathie hat Prof. Dr. B. ebenfalls ausgeschlossen. Die freie Wegstrecke ist nach Einschätzung von Prof. Dr. B. nicht eingeschränkt. Der Senat schließt sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. an, da sich aus den von ihm erhobenen ausführlichen Befunden, bei denen keine typischen depressiven Symptome und auch keine sonstige psychiatrische Krankheit sowie kein klinisch relevantes Schmerzsyndrom feststellbar waren, nachvollziehbar ableiten lässt, dass die Beeinträchtigungen der Klägerin auf nervenärztlich/psychiatrischem Fachgebiet – auch unter Berücksichtigung der angegebenen Schmerzsymptomatik - nicht so stark ausgeprägt sind, dass daraus eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens resultiert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von Dr. N. erhobenen psychisch-psychiatrischen Befund. Er hat nur leichtgradige Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Auffassungsstörungen, bzw. teilweise Gedächtnisstörungen erwähnt. Zwar hat er die Klägerin als ängstlich angespannt mit themenabhängiger Affektlabilität und Weinerlichkeit beschrieben, die Mitschwingungsfähigkeit als eingeengt bezeichnet und mitgeteilt, dass insgesamt eine verbittert resignative Grundstimmung mit Selbstwertstörung überwiege. Er hat daraus aber letztlich nur eine leichtgradige depressive Episode bei rezidivierender Depression mit somatischem Syndrom abgeleitet, so dass – unabhängig von der unterschiedlichen Bezeichnung der Diagnose als leichtgradige depressive Episode oder – wie von Prof. Dr. B. – als Dysthmia, jedenfalls nur leichtgradige Einschränkungen abgeleitet werden können, die sich auf das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin nicht auswirken. Diese Einschätzung wird zusätzlich gestützt durch die Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesablauf. Danach erledigt sie Arbeiten im Haushalt, geht (zusammen mit ihrem Partner) einkaufen und trifft sich mit Freundinnen, wobei sie z.B. Spaziergänge mit einer Freundin und deren Hund am Rheinufer unternimmt und eine Freundin am Bodensee besucht hat. An Pfingsten (2015) hat sie mit ihrem Partner eine dreitägige Urlaubsreise unternommen. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. N. hat sie einen ähnlichen Tagesablauf geschildert und auch gelegentliche Ausflüge am Wochenende erwähnt. Sie hat ferner angegeben, dass sie eine harmonische Beziehung mit ihrem Partner führe und einen Freundeskreis mit vier Freundinnen habe. Daraus lässt sich zur Überzeugung des Senats keine gravierende Einschränkung ableiten, die das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zeitlich einschränken könnte. Auch die fehlende antidepressive medikamentöse Behandlung spricht gegen eine besonders starke Ausprägung der Beschwerden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Leistungsvermögen der Klägerin daher auf nervenärztlich-psychiatrischem Fachgebiet – über die von Prof. Dr. B. genannten qualitativen Einschränkungen hinaus – zeitlich nicht eingeschränkt. Bezüglich des von Prof. Dr. B. darüber hinaus erwähnten leichten Wirbelsäulensyndroms sind ebenfalls nur die von ihm genannten qualitative Einschränkungen zu beachten. Soweit die Klägerin im Erörterungstermin am 25. Juli 2016 auf die seit 4. Juli 2016 stattfindende tagesklinische Behandlung hingewiesen hat, ergeben sich aus dieser aktuellen Entwicklung keine Anhaltspunkte für eine dauerhafte Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der Begutachtung durch Prof. Dr. B. mit Auswirkung auf die quantitative Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt innerhalb des im vorliegenden Berufungsverfahren ausschließlich streitgegenständlichen Zeitraums vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016.
Die Klägerin ist demnach bei Beachtung der angegebenen qualitativen Einschränkungen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016 noch in der Lage gewesen, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein und hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI.
Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) scheidet von vornherein aus, weil die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist.
Da das SG die Beklagte demnach zu Unrecht verurteilt hat, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 17. Dezember 2013 bis 31. März 2016 zu gewähren, war der Berufung der Beklagten stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Beklagte mit der Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren voll obsiegt hat.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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