S 31 R 987/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 R 987/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anrechnung einer schulischen Ausbildungszeit für ein Fernstudium an der Anadolu- Universität streitig.

Die Klägerin ist am XX.XX.1962 geboren und hat in der Türkei bis 1982 das Gymnasium besucht. Ab 1986 war sie in der Türkei voll berufstätig. Ferner war sie seit dem Studienjahr 1989 an der Anadolu- Universität immatrikuliert, und zwar bis zum Jahr 1998. Sie hatte im Studienjahr 1989/1990 sechs Fächer belegt und in allen sechs Fächern die Prüfungen bestanden. Im Studienjahr 1990/1991 hatte sie sieben Fächer belegt und in drei davon die Prüfung bestanden. In den Studienjahren 1991/1992 und 1992/1993 hatte sie jeweils ein Fach belegt und die Prüfung bestanden. In den weiteren Studienjahren bis 1998 war die Klägerin noch immatrikuliert, hatte jedoch keine Studienfächer belegt. Einen Studienabschluss machte sie nicht.

Im Jahr 1992 übersiedelte die Klägerin nach Deutschland.

Mit Feststellungsbescheid vom 10.03.2014 stellte die Beklagte die rentenversicherungsrechtlichen Zeiten der Klägerin fest. Dabei lehnt sie unter anderem die Berücksichtigung der Studienzeiten an der Anadolu- Universität als schulische Ausbildungszeit ab.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, das Fernstudium an der Anadolu- Universität stelle durchaus ein Studium im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) dar.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bayerischen LSG (Urteil vom 31.03.1992, Az.: L 6 Ar 246/90), wonach eine Anrechnungszeit nicht in Betracht kommt, wenn die Stetigkeit und Regelmäßigkeit eines Studiums allein dem Belieben des Studenten liegt, wie dies an der Anadolu- Universität der Fall sei. Im Übrigen ist die Beklagte der Auffassung, es sei nicht erwiesen, dass die Klägerin zeitlich durch ihr Studium überwiegend in Anspruch genommen war.

Die Klägerin erhob Klage zum Sozialgericht München, eingegangen am 12.05.2015.

Auf schriftliche Nachfrage des Gerichts legte die Klägerin dar, sie wisse nicht mehr genau, wie viele Fächer sie pro Studienjahr belegt hatte. Es habe Unterricht gegeben, die Teilnahme sei jedoch nicht verpflichtend gewesen, vielmehr habe sie viel im Selbststudium gelernt. Sie könne nicht mehr sagen, an wie vielen Prüfungen sie teilgenommen habe, oder ob sie ein Vordiplom erreicht habe. In den Jahren 1989 bis ca. 1992 habe sie neben dem Studium in der Türkei jedenfalls Vollzeit gearbeitet.

Das Gericht erhielt ferner Auskunft der Anadolu- Universität, wonach es im Rahmen des Fernstudiums an dieser Universität keine theoretischen Unterrichtsstunden gab, sondern lediglich gedruckte und elektronische Lernmittel zur Prüfungsvorbereitung zu Hause zur Verfügung gestellt wurden. Die Universität geht davon aus, dass in der Regel ca. 30 Wochenstunden nötig seien, um sich erfolgreich auf die Prüfungen vorzubereiten. Die Klägerin habe im ersten Studienjahr sechs Fächer belegt und bestanden, im zweiten sieben Fächer belegt und davon drei bestanden, im dritten und vierten jeweils ein Fach belegt und bestanden. In den weiteren Jahren seien keine Fächer belegt worden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.03.2014 in Gestalt des Wi- derspruchsbescheides vom 21.04.2015 zu verurteilen, die Zeit ihres Fernstudiums an der Anadolu- Universität von 1987 bis 1993 als schulische Ausbildungszeit anzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Rentenversicherungsakte sowie der Akte des Sozialgerichts München Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Anrechnungszeiten unter anderem solche Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung).

Die Klägerin hat hinsichtlich ihres Fernstudiums an der Anadolu- Universität keinen Anspruch auf Feststellung einer solchen schulischen Ausbildungszeit.

Wie das Bayerische LSG in einem Urteil vom 31.03.1992 (Az.: L 6 Ar 246/90) nach umfangreichen Ermittlungen bei der Anadolu-Universität bereits entschieden hat, erfüllt die Anadolu- Universität nicht die von der Rechtsprechung (vgl. Urteil des BSG vom 25.11.1976, SozR 2002, § 1262 Nr. 9) gestellten Anforderungen an die Anerkennung als Hochschule im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass Gewähr für eine Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gegeben und die Dauer nicht allein der Verantwortung des Schülers überlassen ist. Dies ist laut BayLSG im Hinblick auf die Ausbildungsordnung der Anadolu- Universität nicht der Fall, nachdem dort ein Studium, das regelmäßig 3 Jahre dauert, auch über einen Zeitraum von 7 Jahren gestreckt werden kann. Schon aus diesem Grunde besteht also kein Anspruch auf Anrechnung einer schulischen Ausbildungszeit für das Fernstudium der Klägerin an der Anadolu-Universität.

Darüber hinaus kann eine Anrechnungszeit auch deshalb nicht zuerkannt werden, weil die Klägerin nicht nachweisen kann, durch das Fernstudium zeitlich überwiegend, also mindestens 20 Stunden pro Woche, in Anspruch genommen worden zu sein. Dieser Nachweis wäre ebenfalls Voraussetzung einer Anerkennung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI (vgl. Kreikebohm, beckOK SGB VI § 58, Rn 17a; Gürtner in Kasseler Kommentar, § 58 SGB VI, Rn 36). Die Klägerin hat selbst angegeben, in den Jahren 1989 bis 1991 einer Vollzeit- Berufstätigkeit in der Türkei nachgegangen zu sein, weshalb ausgeschlossen werden kann, dass die Klägerin in dieser Zeit überwiegend durch ihr Fernstudium in Anspruch genommen war. Ab 1993 hatte die Klägerin keinerlei Fächer mehr belegt und war lediglich noch immatrikuliert, woraus ersichtlich ist, dass sie auch in diesem Zeitraum nicht überwiegend durch ein Studium in Anspruch genommen war. Auch im Hinblick auf das Studienjahr 1992 ist dies nicht der Fall, da die Klägerin hier lediglich ein Fach belegt hatte (also vom Umfang her nur 1/6 bzw. 1/7 desjenigen Pensums, das sie 1989/1990 neben ihrer Vollzeit- Berufstätigkeit absolviert hatte), weshalb nicht davon auszugehen ist, dass sie im Jahr 1992 mehr als 20 Wochenstunden durch das Studium in Anspruch genommen war.

Eine Anerkennung der Jahre von 1989 bis 1993 als schulische Ausbildungszeit kommt daher nicht in Betracht. Soweit die Klägerin die Anerkennung auch noch für die Jahre 1987 und 1988 beantragt hat, kommt eine solche Anerkennung erst recht nicht in Betracht, da sie in diesen Jahren laut Auskunft der Anadolu- Universität nicht einmal immatrikuliert war.

Nach allem hat die Beklagte die Anrechnung einer schulischen Ausbildungszeit zu Recht abgelehnt, die Klage war vollumfänglich abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt die Tatsache, dass die Klägerin mit ihrem Begehren vollumfänglich unterlegen ist.
Rechtskraft
Aus
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