Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 R 1087/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Der Bescheid vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von Erwerbsminderungsrente, die dem Kläger in den Jahren 2005 bis 2006 gewährt worden war, streitig.
Der am XX.XX.1952 geborene Kläger war seit dem Jahr 2000 als Holzbe- und -verarbeiter selbständig tätig. Für diese selbständige Tätigkeit zahlte er freiwillige Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte.
Im Juni 2004 wurde der Kläger berufsunfähig. Mit Bescheid vom 29.08.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.01.2005, zunächst befristet bis 30.06.2006. Im Rahmen der Einkommensanrechnung wurde dabei ein vom Kläger prognostiziertes, geringes Einkommen aus selbständigem Gewerbebetrieb berücksichtigt, das die Hinzuverdienstgrenze nicht überstieg, weshalb die Erwerbsminderungsrente in voller Höhe bewilligt worden war.
Mit Bescheid vom 03.04.2006 wurde die zunächst nur befristet gewährte Rente auf Dauer bewilligt.
Am 03.04.2008 ging bei der Beklagten der Einkommensteuerbescheid für den Kläger bezüglich des Jahres 2005 ein. Im Einkommensteuerbescheid wurde ein höherer Gewinn festgestellt, als der bisherigen Rentenberechnung zu Grunde gelegt: laut Steuerbescheid betrug der Gewinn in 2005 EUR 23.118,- , wobei davon EUR 21.730,- auf die Auflösung einer im Jahr 2000 gebildeten Ansparrücklage gem. § 7 g Einkommensteuergesetz (EStG) entfielen und nur die restlichen EUR 1.388,- durch selbständige Tätigkeit im Jahr 2005 erwirtschaftet worden waren. Am 22.09.2008 ging bei der Beklagten der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 ein, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 12.321,- EUR ausweist, worin die Auflösung einer Ansparrücklage aus den Jahren 2001 und 2002 in Höhe von 17.799,- EUR enthalten waren; im Jahr 2006 wurde folglich kein Gewinn auf Grund selbständiger Tätigkeit im Jahr 2006 ausgewiesen.
Mit Schreiben vom 24.11.2008 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung des Rentenbescheides vom 29.08.2005 und des Rentenbescheides vom 03.04.2006 sowie zur Rückforderung der in 2005 und 2006 geleisteten Rentenzahlungen i.H.v. EUR 15.744,73 an. Der Kläger habe in den Jahren 2005 und 2006 die Hinzuverdienstgrenze für eine teilweise Erwerbsminderungsrente überschritten, weshalb von Januar 2005 bis Dezember 2006 kein Rentenanspruch bestanden habe. Die Beklagte legt als anzurechnendes Einkommen in den Jahren 2005 und 2006 dabei vollumfänglich auch die aufgelösten Ansparrücklagen zugrunde.
Der Kläger nahm hierzu dahingehend Stellung, dass seiner Auffassung nach nur das im relevanten Jahr erarbeitete Arbeitseinkommen zu berücksichtigen sei, die aufgelösten Ansparrücklagen also nicht als Einkommen der Jahre 2005 und 2006 angerechnet werden dürften.
Die Beklagte erließ gleichwohl den streitgegenständlichen Bescheid vom 19.01.2009, mit dem sie die Rentenbescheide vom 29.08.2005 und vom 03.04.2006 hinsichtlich der Rentenhöhe aufhob und die von Januar 2005 bis Dezember 2006 entstandene Überzahlung hälftig, also in Höhe von EUR 7.983,15, zurückforderte. Die Rückforderung wurde auf die Hälfte der überzahlten Rente beschränkt, weil die Beklagte davon ausgeht, dass sie ein Mitverschulden an dem langen Zeitraum der Überzahlung treffe; schließlich hätte sie - die Beklagte -, als sie sich mit Schreiben vom 04.09.2007 an den Kläger wandte, bereits Kenntnis von der Auflösung von Ansparrücklagen gehabt, den Kläger im nämlichen Schreiben aber gleichwohl nicht darauf hingewiesen, dass der Gewinn aus aufgelösten Ansparrücklagen im Jahr der Auflösung als Einkommen auf die Rente anzurechnen sei.
Gegen den Bescheid vom 19.01.2009 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass die Auflösung von Ansparrücklagen bei ihm keinen Geldzufluss bewirkt hätte, die Rente im Übrigen verbraucht sei und er sich die Rückzahlung finanziell nicht leisten könne.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2010 zurück. Sie geht davon aus, dass dem Kläger grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligungsbescheide vorzuwerfen sei, nachdem er in den Rentenbescheiden über die Einkommensanrechnung und die Hinzuverdienstgrenzen belehrt worden war. Auch sei er darauf hingewiesen worden, dass zu Unrecht gezahlte Beträge zu erstatten seien, wenn das tatsächliche Einkommen nicht dem prognostizierten entspreche. Im Wege der Ermessensausübung billigte die Beklagte dem Kläger - neben der Reduzierung der Rückforderung auf die Hälfte des überzahlten Betrages - ratenweise Rückzahlung zu.
Der Kläger erhob Klage und bezog sich zur Begründung auf seine bisherigen Ausführungen. Weiterhin trug er vor, dass er weder bösgläubig noch fahrlässig gehandelt habe, sich vielmehr auf Auskünfte der Beklagten verlassen habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass zwischen dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff und dem sozialversicherungsrechtlichen Einkommensbegriff Einklang bestehe, weshalb die Auflösung der Ansparrücklagen nicht nur zur Steuerpflichtigkeit dieser Beträge im jeweiligen Jahr der Auflösung führe, sondern auch bei der Rentengewährung als Einkommen anzurechnen sei. Vertrauensschutz des Klägers käme nicht in Betracht wegen des ausdrücklichen Hinweises im Bescheid vom 29.08.2005, dass die Einkommensanrechnung vorläufig erfolge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sozialgerichtsakte und der Rentenakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 ist rechtswidrig und daher aufzuheben, § 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Mit Aufhebung dieses Bescheides hat der Kläger sein Rechtsschutzziel, nämlich die Rentengewährung in den Jahren 2005 und 2006 ohne Berücksichtigung der aufgelösten Ansparrücklagen, vollumfänglich erreicht. Soweit der Kläger in seiner Klageschrift weiterhin beantragt hat, die Rückforderung der Rente für nicht rechtmäßig zu erklären und die Rente so zu belassen, wie sie im Rentenbescheid vom 29.08.2005 berechnet wurde, so handelt es sich nach Auslegung des Klageantrags nicht um eigenständige Anträge. Dem - nicht durch einen Rechtsbeistand vertretenen - Kläger geht es letztlich darum, dass die Beklagte von der Rückforderung Abstand nimmt. Dieses Klageziel wird bereits durch Aufhebung des Rückforderungsbescheides vollumfänglich erreicht.
Der Bescheid vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 ist rechtswidrig, da der Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unverändert so fortbesteht, wie mit Rentenbescheiden vom 29.08.2005 und vom 03.04.2006 bewilligt. Der Kläger hat die Hinzuverdienstgrenze des § 96a Sozialgesetzbuch, 6. Buch (SGB VI) nicht überschritten, weshalb er weiterhin in voller Höhe Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat, § 96a Abs. 1a, Nr. 1 SGB VI. Die Auflösung von Ansparrücklagen ist bei der Einkommensanrechnung nicht im Jahr der Auflösung als Einkommen im Sinne von § 15 SGB IV zu berücksichtigen.
§ 7g Abs. 3 EStG regelt in den hier maßgeblichen Fassungen von 2000 bis 2006 im Wesentlichen unverändert die sogenannte Ansparabschreibung. Demnach darf ein Unternehmer einen Teil seines Gewinns von der Besteuerung ausnehmen im Hinblick auf die künftige Anschaffung eines Wirtschaftsgutes. Sobald die Investition getätigt wird, ist die Rücklage aufzulösen und der zurückgelegte Gewinn nunmehr zu versteuern. Gleiches gilt, wenn die Investition nicht innerhalb einer bestimmten, gesetzlich vorgegebenen Frist getätigt wird, § 7g Abs. 4 EStG.
Damit weisen die vom Kläger vorgelegten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006 zu Recht ein steuerrechtliches Einkommen aus, das erheblich über dem vom Kläger in den betreffenden Jahren aufgrund von Arbeitsleistung erzielten Einkommen liegt. Dieses Einkommen ist jedoch nicht maßgeblich für die Einkommensanrechnung gemäß § 96a SGB VI.
Gemäß § 15 Abs. 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Der Gesetzgeber hat also grundsätzlich eine Parallelität von Einkommenssteuerrecht und Sozialrecht normiert, was nicht zuletzt der Verwaltungsvereinfachung dient. Im Falle der Einkommensanrechnung auf Sozialleistungen, wie sie hier in Frage steht, muss von diesem Grundsatz allerdings eine Ausnahme gemacht werden, soweit das steuerrechtlich ermittelte Einkommen nicht auf Arbeitsleistung während des Sozialleistungsbezuges beruht. Insoweit ist nur dasjenige Einkommen anzurechnen, das während des Leistungsbezugs erarbeitet wurde (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.09.2006, Az. B 7a AL 38/05 R zur Frage der Einkommensanrechnung bei Arbeitslosengeldbezug gem. § 141 SGB III). Demnach setzt die Anrechnung von Einkommen zwingend voraus, dass das Arbeitseinkommen während des Leistungsbezuges (dort: von Arbeitslosengeld) erarbeitet wurde, sogenannte zeitliche Kongruenz. Zeitliche Kongruenz besteht laut BSG a.a.O. nicht für einen im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinn, der auf der Auflösung einer Ansparrücklage beruht, da dieser während des Bezuges der Sozialleistung nicht erarbeitet wurde, ja nicht einmal zugeflossen ist.
Die hier vorliegende Fallkonstellation ist derjenigen des oben genannten BSG-Urteils vergleichbar. Wie auch bei Einkommensanrechnung auf Arbeitslosengeld, so ist auch bei Einkommensanrechnung auf Erwerbsminderungsrente die sogenannte zeitliche Kongruenz entscheidend. Dahinter steht der Gedanke, dass eine Erwerbsminderungsrente, genauso wie Arbeitslosengeld, Ersatz für weggefallenes Einkommen darstellt. Der Wille des Gesetzgebers, der sich in § 96 SGB VI niedergeschlagen hat, geht dahin, dass ein Versicherter, der Erwerbsminderungsrente bezieht, weil er nicht mehr in der Lage ist, vollumfänglich erwerbstätig zu sein, den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nicht unvermindert weiter geltend machen kann, wenn er gleichwohl in der Lage ist, durch seine Arbeitskraft Einkommen zu erzielen. Soweit durch Arbeitskraft Einkommen erzielt wird, ist der Ersatz des Arbeitseinkommens durch die Erwerbsminderungsrente nicht, oder jedenfalls nicht in vollem Umfang, notwendig, was die Kürzung der Erwerbsminderungsrente oder deren Wegfall rechtfertigt. Anders ist jedoch die vorliegende Sachlage zu beurteilen, bei der das Einkommen, das die Hinzuverdienstgrenze überschreitet, gerade nicht durch Arbeitsleistung während des Bezugs von Erwerbsminderungsrente erzielt wurde, sondern auf einer Arbeitsleistung beruht, die der Kläger bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles - der Berufsunfähigkeit - erbracht hatte. Wie auch in oben angegebenem Urteil des BSG hat der Kläger in den Jahren 2005 und 2006 dieses "Einkommen" weder erwirtschaftet noch ist es ihm in dieser Zeit zugeflossen. Es wurde lediglich gem. § 7g EStG die Besteuerung dieses Einkommens verlagert.
Diese Konstellation ist nicht vergleichbar den von der Beklagten angeführten Urteilen des BSG vom 06.11.2008, Az. B 1 KR 28/07 R und vom 23.01.2008, Az. B 10 KR 1/07 R. Diesen Entscheidungen lag ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde: es ging nicht um eine Einkommensanrechnung während des Bezugs von Sozialleistungen, sondern es ging zum Einen um die Frage, aus welchem Einkommen eine Sozialleistung zu berechnen ist (B 1 KR 28/07 R, wonach Krankengeld aus demjenigen Einkommen zu berechnen ist, das um eine im maßgeblichen Zeitraum gebildete Ansparrücklage gemindert wurde; schließlich seien auch nur aus diesem verminderten Einkommen die Beiträge bezahlt worden). Im anderen Fall (B 10 KR 1/07 R) ging es um die Ermittlung des beitragspflichtigen Einkommens. In beiden Entscheidungen hat das BSG ausgeführt, es spreche für die konsequente Anbindung des Einkommensbegriffs im Sozialversicherungsrecht an das Steuerrecht, dass Willkür ausgeschlossen werde und eine bessere Verwaltungspraktikabilität bestehe, welche gefährdet sei, wenn einzelne Posten der Gewinnermittlung steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich unterschiedlich zu bewerten wären, "ohne dass die Grundsätze des Leistungsrechts dazu zwingen" (siehe Urteil vom 06.11.2008, B 1 KR 28/07 R, Rn. 25 im Juris-Dokument). Vorliegend allerdings zwingen die Grundsätze des Leistungsrechts dazu, eine Abweichung vom steuerrechtlichen Einkommensbegriff anzunehmen, nämlich die im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az. B 7a AL 38/05 R geforderte "zeitliche Kongruenz" (siehe oben).
Nach allem hat die Beklagte zu Unrecht die Erwerbsminderungsrente für die Jahre 2005 und 2006 wegen eines die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Einkommens zurückgefordert, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war. Auf Fragen des Verschuldens der Beteiligten oder Fragen der Ermessensausübung kam es dabei nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von Erwerbsminderungsrente, die dem Kläger in den Jahren 2005 bis 2006 gewährt worden war, streitig.
Der am XX.XX.1952 geborene Kläger war seit dem Jahr 2000 als Holzbe- und -verarbeiter selbständig tätig. Für diese selbständige Tätigkeit zahlte er freiwillige Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte.
Im Juni 2004 wurde der Kläger berufsunfähig. Mit Bescheid vom 29.08.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.01.2005, zunächst befristet bis 30.06.2006. Im Rahmen der Einkommensanrechnung wurde dabei ein vom Kläger prognostiziertes, geringes Einkommen aus selbständigem Gewerbebetrieb berücksichtigt, das die Hinzuverdienstgrenze nicht überstieg, weshalb die Erwerbsminderungsrente in voller Höhe bewilligt worden war.
Mit Bescheid vom 03.04.2006 wurde die zunächst nur befristet gewährte Rente auf Dauer bewilligt.
Am 03.04.2008 ging bei der Beklagten der Einkommensteuerbescheid für den Kläger bezüglich des Jahres 2005 ein. Im Einkommensteuerbescheid wurde ein höherer Gewinn festgestellt, als der bisherigen Rentenberechnung zu Grunde gelegt: laut Steuerbescheid betrug der Gewinn in 2005 EUR 23.118,- , wobei davon EUR 21.730,- auf die Auflösung einer im Jahr 2000 gebildeten Ansparrücklage gem. § 7 g Einkommensteuergesetz (EStG) entfielen und nur die restlichen EUR 1.388,- durch selbständige Tätigkeit im Jahr 2005 erwirtschaftet worden waren. Am 22.09.2008 ging bei der Beklagten der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 ein, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 12.321,- EUR ausweist, worin die Auflösung einer Ansparrücklage aus den Jahren 2001 und 2002 in Höhe von 17.799,- EUR enthalten waren; im Jahr 2006 wurde folglich kein Gewinn auf Grund selbständiger Tätigkeit im Jahr 2006 ausgewiesen.
Mit Schreiben vom 24.11.2008 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung des Rentenbescheides vom 29.08.2005 und des Rentenbescheides vom 03.04.2006 sowie zur Rückforderung der in 2005 und 2006 geleisteten Rentenzahlungen i.H.v. EUR 15.744,73 an. Der Kläger habe in den Jahren 2005 und 2006 die Hinzuverdienstgrenze für eine teilweise Erwerbsminderungsrente überschritten, weshalb von Januar 2005 bis Dezember 2006 kein Rentenanspruch bestanden habe. Die Beklagte legt als anzurechnendes Einkommen in den Jahren 2005 und 2006 dabei vollumfänglich auch die aufgelösten Ansparrücklagen zugrunde.
Der Kläger nahm hierzu dahingehend Stellung, dass seiner Auffassung nach nur das im relevanten Jahr erarbeitete Arbeitseinkommen zu berücksichtigen sei, die aufgelösten Ansparrücklagen also nicht als Einkommen der Jahre 2005 und 2006 angerechnet werden dürften.
Die Beklagte erließ gleichwohl den streitgegenständlichen Bescheid vom 19.01.2009, mit dem sie die Rentenbescheide vom 29.08.2005 und vom 03.04.2006 hinsichtlich der Rentenhöhe aufhob und die von Januar 2005 bis Dezember 2006 entstandene Überzahlung hälftig, also in Höhe von EUR 7.983,15, zurückforderte. Die Rückforderung wurde auf die Hälfte der überzahlten Rente beschränkt, weil die Beklagte davon ausgeht, dass sie ein Mitverschulden an dem langen Zeitraum der Überzahlung treffe; schließlich hätte sie - die Beklagte -, als sie sich mit Schreiben vom 04.09.2007 an den Kläger wandte, bereits Kenntnis von der Auflösung von Ansparrücklagen gehabt, den Kläger im nämlichen Schreiben aber gleichwohl nicht darauf hingewiesen, dass der Gewinn aus aufgelösten Ansparrücklagen im Jahr der Auflösung als Einkommen auf die Rente anzurechnen sei.
Gegen den Bescheid vom 19.01.2009 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass die Auflösung von Ansparrücklagen bei ihm keinen Geldzufluss bewirkt hätte, die Rente im Übrigen verbraucht sei und er sich die Rückzahlung finanziell nicht leisten könne.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2010 zurück. Sie geht davon aus, dass dem Kläger grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligungsbescheide vorzuwerfen sei, nachdem er in den Rentenbescheiden über die Einkommensanrechnung und die Hinzuverdienstgrenzen belehrt worden war. Auch sei er darauf hingewiesen worden, dass zu Unrecht gezahlte Beträge zu erstatten seien, wenn das tatsächliche Einkommen nicht dem prognostizierten entspreche. Im Wege der Ermessensausübung billigte die Beklagte dem Kläger - neben der Reduzierung der Rückforderung auf die Hälfte des überzahlten Betrages - ratenweise Rückzahlung zu.
Der Kläger erhob Klage und bezog sich zur Begründung auf seine bisherigen Ausführungen. Weiterhin trug er vor, dass er weder bösgläubig noch fahrlässig gehandelt habe, sich vielmehr auf Auskünfte der Beklagten verlassen habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass zwischen dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff und dem sozialversicherungsrechtlichen Einkommensbegriff Einklang bestehe, weshalb die Auflösung der Ansparrücklagen nicht nur zur Steuerpflichtigkeit dieser Beträge im jeweiligen Jahr der Auflösung führe, sondern auch bei der Rentengewährung als Einkommen anzurechnen sei. Vertrauensschutz des Klägers käme nicht in Betracht wegen des ausdrücklichen Hinweises im Bescheid vom 29.08.2005, dass die Einkommensanrechnung vorläufig erfolge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sozialgerichtsakte und der Rentenakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 ist rechtswidrig und daher aufzuheben, § 54 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Mit Aufhebung dieses Bescheides hat der Kläger sein Rechtsschutzziel, nämlich die Rentengewährung in den Jahren 2005 und 2006 ohne Berücksichtigung der aufgelösten Ansparrücklagen, vollumfänglich erreicht. Soweit der Kläger in seiner Klageschrift weiterhin beantragt hat, die Rückforderung der Rente für nicht rechtmäßig zu erklären und die Rente so zu belassen, wie sie im Rentenbescheid vom 29.08.2005 berechnet wurde, so handelt es sich nach Auslegung des Klageantrags nicht um eigenständige Anträge. Dem - nicht durch einen Rechtsbeistand vertretenen - Kläger geht es letztlich darum, dass die Beklagte von der Rückforderung Abstand nimmt. Dieses Klageziel wird bereits durch Aufhebung des Rückforderungsbescheides vollumfänglich erreicht.
Der Bescheid vom 19.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2010 ist rechtswidrig, da der Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unverändert so fortbesteht, wie mit Rentenbescheiden vom 29.08.2005 und vom 03.04.2006 bewilligt. Der Kläger hat die Hinzuverdienstgrenze des § 96a Sozialgesetzbuch, 6. Buch (SGB VI) nicht überschritten, weshalb er weiterhin in voller Höhe Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat, § 96a Abs. 1a, Nr. 1 SGB VI. Die Auflösung von Ansparrücklagen ist bei der Einkommensanrechnung nicht im Jahr der Auflösung als Einkommen im Sinne von § 15 SGB IV zu berücksichtigen.
§ 7g Abs. 3 EStG regelt in den hier maßgeblichen Fassungen von 2000 bis 2006 im Wesentlichen unverändert die sogenannte Ansparabschreibung. Demnach darf ein Unternehmer einen Teil seines Gewinns von der Besteuerung ausnehmen im Hinblick auf die künftige Anschaffung eines Wirtschaftsgutes. Sobald die Investition getätigt wird, ist die Rücklage aufzulösen und der zurückgelegte Gewinn nunmehr zu versteuern. Gleiches gilt, wenn die Investition nicht innerhalb einer bestimmten, gesetzlich vorgegebenen Frist getätigt wird, § 7g Abs. 4 EStG.
Damit weisen die vom Kläger vorgelegten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006 zu Recht ein steuerrechtliches Einkommen aus, das erheblich über dem vom Kläger in den betreffenden Jahren aufgrund von Arbeitsleistung erzielten Einkommen liegt. Dieses Einkommen ist jedoch nicht maßgeblich für die Einkommensanrechnung gemäß § 96a SGB VI.
Gemäß § 15 Abs. 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Der Gesetzgeber hat also grundsätzlich eine Parallelität von Einkommenssteuerrecht und Sozialrecht normiert, was nicht zuletzt der Verwaltungsvereinfachung dient. Im Falle der Einkommensanrechnung auf Sozialleistungen, wie sie hier in Frage steht, muss von diesem Grundsatz allerdings eine Ausnahme gemacht werden, soweit das steuerrechtlich ermittelte Einkommen nicht auf Arbeitsleistung während des Sozialleistungsbezuges beruht. Insoweit ist nur dasjenige Einkommen anzurechnen, das während des Leistungsbezugs erarbeitet wurde (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.09.2006, Az. B 7a AL 38/05 R zur Frage der Einkommensanrechnung bei Arbeitslosengeldbezug gem. § 141 SGB III). Demnach setzt die Anrechnung von Einkommen zwingend voraus, dass das Arbeitseinkommen während des Leistungsbezuges (dort: von Arbeitslosengeld) erarbeitet wurde, sogenannte zeitliche Kongruenz. Zeitliche Kongruenz besteht laut BSG a.a.O. nicht für einen im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Gewinn, der auf der Auflösung einer Ansparrücklage beruht, da dieser während des Bezuges der Sozialleistung nicht erarbeitet wurde, ja nicht einmal zugeflossen ist.
Die hier vorliegende Fallkonstellation ist derjenigen des oben genannten BSG-Urteils vergleichbar. Wie auch bei Einkommensanrechnung auf Arbeitslosengeld, so ist auch bei Einkommensanrechnung auf Erwerbsminderungsrente die sogenannte zeitliche Kongruenz entscheidend. Dahinter steht der Gedanke, dass eine Erwerbsminderungsrente, genauso wie Arbeitslosengeld, Ersatz für weggefallenes Einkommen darstellt. Der Wille des Gesetzgebers, der sich in § 96 SGB VI niedergeschlagen hat, geht dahin, dass ein Versicherter, der Erwerbsminderungsrente bezieht, weil er nicht mehr in der Lage ist, vollumfänglich erwerbstätig zu sein, den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nicht unvermindert weiter geltend machen kann, wenn er gleichwohl in der Lage ist, durch seine Arbeitskraft Einkommen zu erzielen. Soweit durch Arbeitskraft Einkommen erzielt wird, ist der Ersatz des Arbeitseinkommens durch die Erwerbsminderungsrente nicht, oder jedenfalls nicht in vollem Umfang, notwendig, was die Kürzung der Erwerbsminderungsrente oder deren Wegfall rechtfertigt. Anders ist jedoch die vorliegende Sachlage zu beurteilen, bei der das Einkommen, das die Hinzuverdienstgrenze überschreitet, gerade nicht durch Arbeitsleistung während des Bezugs von Erwerbsminderungsrente erzielt wurde, sondern auf einer Arbeitsleistung beruht, die der Kläger bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles - der Berufsunfähigkeit - erbracht hatte. Wie auch in oben angegebenem Urteil des BSG hat der Kläger in den Jahren 2005 und 2006 dieses "Einkommen" weder erwirtschaftet noch ist es ihm in dieser Zeit zugeflossen. Es wurde lediglich gem. § 7g EStG die Besteuerung dieses Einkommens verlagert.
Diese Konstellation ist nicht vergleichbar den von der Beklagten angeführten Urteilen des BSG vom 06.11.2008, Az. B 1 KR 28/07 R und vom 23.01.2008, Az. B 10 KR 1/07 R. Diesen Entscheidungen lag ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde: es ging nicht um eine Einkommensanrechnung während des Bezugs von Sozialleistungen, sondern es ging zum Einen um die Frage, aus welchem Einkommen eine Sozialleistung zu berechnen ist (B 1 KR 28/07 R, wonach Krankengeld aus demjenigen Einkommen zu berechnen ist, das um eine im maßgeblichen Zeitraum gebildete Ansparrücklage gemindert wurde; schließlich seien auch nur aus diesem verminderten Einkommen die Beiträge bezahlt worden). Im anderen Fall (B 10 KR 1/07 R) ging es um die Ermittlung des beitragspflichtigen Einkommens. In beiden Entscheidungen hat das BSG ausgeführt, es spreche für die konsequente Anbindung des Einkommensbegriffs im Sozialversicherungsrecht an das Steuerrecht, dass Willkür ausgeschlossen werde und eine bessere Verwaltungspraktikabilität bestehe, welche gefährdet sei, wenn einzelne Posten der Gewinnermittlung steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich unterschiedlich zu bewerten wären, "ohne dass die Grundsätze des Leistungsrechts dazu zwingen" (siehe Urteil vom 06.11.2008, B 1 KR 28/07 R, Rn. 25 im Juris-Dokument). Vorliegend allerdings zwingen die Grundsätze des Leistungsrechts dazu, eine Abweichung vom steuerrechtlichen Einkommensbegriff anzunehmen, nämlich die im Urteil des BSG vom 05.09.2006, Az. B 7a AL 38/05 R geforderte "zeitliche Kongruenz" (siehe oben).
Nach allem hat die Beklagte zu Unrecht die Erwerbsminderungsrente für die Jahre 2005 und 2006 wegen eines die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Einkommens zurückgefordert, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war. Auf Fragen des Verschuldens der Beteiligten oder Fragen der Ermessensausübung kam es dabei nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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