L 9 AS 3242/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2150/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3242/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 27. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 27.07.2016 ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes geht (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, sondern in einer Wechselbeziehung, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., § 86b Rdnr. 27, m.w.N). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (Keller, a.a.O., Rdnr. 29, m.w.N.). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - jeweils Juris, jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 01.08.2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Hiervon ausgehend liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.

Nachdem der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.07.2016 für die Zeit vom 01.07.2016 bis 18.10.2016 Leistungen in Höhe von monatlich 603,99 EUR und damit in beantragter Höhe bewilligt hat, fehlt es zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit. Der Umstand, dass der Antragsgegner, wie mit Schriftsatz vom 05.09.2016 dargelegt, die Bewilligung nunmehr für "falsch" hält, begründet keine Eilbedürftigkeit. Aufgrund des Bescheids vom 26.07.2016 hat der Antragsteller derzeit einen Anspruch auf Auszahlung der bewilligten Leistungen.

Bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts verbleiben noch mehr als fünf Wochen und damit genügend Zeit für den Antragsteller und den Antragsgegner, insbesondere zu dem durch den Antragsteller nun geltend gemachten Daueraufenthaltsrecht weitere Angaben zu machen und ggf. Nachweise vorzulegen bzw. Prüfungen anzustellen. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung und trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Anordnungsgrund bereits zum Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerde beim SG am 25.08.2016 nicht mehr gegeben war, nachdem der Bewilligungsbescheid bereits am 26.07.2016 erlassen wurde.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO abgelehnt. Hinreichende Erfolgsaussichten waren bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung nicht gegeben, wie sich aus dem oben Dargestellten ergibt.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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