L 3 RS 12/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 RS 19/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 RS 12/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung zusätzlicher Entgelte im Rahmen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) auf der Grundlage von zusätzlichen Belohnungen im Bergbau (im Folgenden: Bergmannsprämie) für die Kalenderjahre 1973 bis 1982 und 1984.

Der am ... 1942 geborene Kläger erwarb ausweislich einer Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B. vom 7. August 1973 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. In den umstrittenen Jahren arbeitete er im VEB Zentralwerkstatt G. Aufgrund eines Überleitungsvertrages übernahm der Kläger am 1. Juni 1990 eine Tätigkeit im VEB Zentralwerkstatt R.

Mit Feststellungsbescheid vom 19. August 2002 stellte die Beklagte die Zeit vom 1. August 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) mit den entsprechenden Entgelten fest. Am 22. Januar 2007 beantragte der Kläger die Feststellung von weiteren Entgelten im Rahmen des AAÜG aufgrund gezahlter Bergmannsprämien. Er legte Kopien von Bescheinigungen für zusätzliche Belohnungen für die Jahre 1983 und 1985 bis 1990 vor. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 31. Juli 2008 ab. Sie führte aus, die durch den Antrag veranlasste erneute Prüfung des Feststellungsbescheides vom 19. August 2002 habe ergeben, dass dieser rechtswidrig sei. Die Zuerkennung von Zusatzversorgungszeiten sei von Anfang an fehlerhaft gewesen. Am Stichtag des 30. Juni 1990 hätten die betrieblichen Voraussetzungen für einen fiktiven Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage zur AVItech nicht vorgelegen. Aus diesem Grunde sei der Bescheid vom 19. August 2002 fehlerhaft begünstigend und damit rechtswidrig. Eine Rücknahme dieses Bescheides sei jedoch nicht zulässig, weil die entsprechende Frist bereits abgelaufen sei. Die Bestandskraft des Bescheides vom 19. August 2002 erstrecke sich jedoch nur auf die bereits festgestellten Tatsachen. Weitere Rechte könnten daraus im Zuge eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) nicht abgeleitet werden, denn für die Anerkennung höherer Entgelte sei keine Rechtsgrundlage vorhanden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits mehrfach entschieden, dass aufgrund des Normzwecks der Vorschrift des § 48 Abs. 3 SGB X kein Unrecht erweitert werden dürfe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2008 zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 19. Dezember 2008 Klage beim Sozialgericht Dessau (S 2 R 516/08). Während des Klageverfahrens hob die Beklagte ihren Bescheid vom 31. Juli 2008 auf. Mit Feststellungsbescheid vom 14. Dezember 2010 führte sie die Zeit vom 1. August 1973 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech auf und erkannte weitere Entgelte an. In der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts am 14. April 2011 nahm der Kläger ein Anerkenntnis der Beklagten vom 21. Dezember 2010 an. Der Kammervorsitzende erklärte daraufhin, dass damit das Verfahren abgeschlossen sei.

Auf der Grundlage der in dem sozialgerichtlichen Termin vom 14. April 2011 getroffenen Vereinbarungen erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid vom 5. Juli 2011, mit dem sie die Feststellung vom Kläger weiterhin geltend gemachter höherer Verdienste ablehnte. Hinsichtlich der Beschäftigungszeiten vom 1. September 1971 bis zum 31. Dezember 1982 und vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1984 verbleibe es bei der bereits erfolgten Ablehnung im Bescheid vom 14. Dezember 2010. Weitere höhere Arbeitsverdienste unter Berücksichtigung von Bergmannsprämien könnten nicht anerkannt werden. Die vom Kläger begehrten weiteren zusätzlichen Arbeitsverdienste seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 13. Oktober 2011 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See die Einbeziehung von Bergmannsprämien in die Rentenberechnung. Dieser Versicherungsträger leitete diesen Antrag an die Beklagte weiter. Diese lehnte ihn mit Bescheid vom 24. Januar 2012 ab. Sie führte erneut aus, die von dem Kläger begehrten weiteren zusätzlichen Arbeitsverdienste seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2012 zurück.

Der Kläger hat am 10. Mai 2012 erneut Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Der Bezug der Bergmannsprämie sei zumindest als glaubhaft gemacht anzusehen. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf ein Urteil des Sozialgerichts D. vom 30. Juni 2011 (S 35 RS 2129/09, juris) bezogen. Der vom Kläger zitierten Entscheidung des BSG vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 R, juris) folge es dagegen nicht. Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sei mit der Maßgabe zu bestimmen, dass dabei zusätzlich zu Löhnen und Gehältern bzw. Dienstbezügen gewährte Geld- oder geldwerte Sachleistungen nicht berücksichtigungsfähig seien, auf die im Zeitpunkt des Zuflusses keine (Lohn-) Steuer gezahlt worden sei.

Gegen das ihm am 19. März 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. April 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. In der Berufungsbegründung vom 11. Juni 2015 hat er ausgeführt, die Rechtsauffassung des Sozialgerichts überzeuge nicht. Sie stehe im Übrigen im klaren Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG, weshalb schon nicht nachvollzogen werden könne, warum das Sozialgericht in Kenntnis dieser hiervon bewusst abweiche. Die Zahlung der Bergmannsprämien sei als glaubhaft gemacht anzusehen und daher zusätzlich zu berücksichtigen. Bergmannsprämien stellten Arbeitsentgelt dar. Etwaige bundesdeutsche steuerrechtliche Beurteilungen spielten insoweit keine Rolle. Die Bergmannsprämien seien als eine zusätzliche Belohnung für die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb gezahlt worden und hätten als Anerkennung für die geleistete Arbeit der im Bergbau Beschäftigten gedient. Auch die Bergmannsprämien stellten somit eine Gegenleistung für die im Bergbau erbrachte Arbeitsleistung des jeweiligen Beschäftigten dar und seien daher ebenso wie die Jahresendprämien lohnsteuerpflichtiges Einkommen gewesen. Grundsätzlich seien damit sowohl die Jahresendprämien als auch die Bergmannsprämien Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, was u.a. auch der 31. Senat des LSG B.-B. so entschieden habe (Urteil vom 22. März 2012 - L 31 R 1225/09 -, juris).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. Februar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Feststellungsbescheid vom 14. Dezember 2010 dahingehend zu ändern, für die Jahre 1973 bis 1982 und 1984 weitere Arbeitsentgelte wegen gezahlter Bergmannsprämien festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Entscheidung der Vorinstanz sei im Ergebnis und im Tenor richtig. Die Urteilsbegründung stehe jedoch in Divergenz zur ständigen Rechtsprechung des BSG. Der Kläger habe allerdings nicht nachgewiesen, dass er Bergmannsprämien in den streitgegenständlichen Jahren regelmäßig Jahr für Jahr wiederkehrend in einer bestimmten Höhe erhalten habe. Im Übrigen sei auf ein Urteil des 1. Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 zu verweisen (L 1 RS 23/13, juris), wonach in der DDR gezahlte Bergmannsprämien nach anwendbarem bundesdeutschem Steuerrecht steuerfrei gewesen seien. Das bedeute im Ergebnis, dass die Bergmannsprämien kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 25. Februar 2016, Schriftsatz der Beklagten vom 21. Januar 2016).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2012 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 14. Dezember 2010 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (§ 44 SGB X). Das Urteil des Sozialgerichts ist deshalb im Ergebnis zu bestätigen und die Berufung zurückzuweisen. Das Begehren des Klägers scheitert daran, dass die geltend gemachten Bergmannsprämien nach der Rechtsprechung des BSG kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt sind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, sämtlich juris) bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Bei einem Vorliegen von Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV ist im zweiten Prüfungsschritt festzustellen, ob sich insbesondere auf der Grundlage von § 17 SGB IV i. V. m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt dann in Betracht, wenn u.a. "Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen" sowohl "zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden als auch lohnsteuerfrei sind. Soweit es im letztgenannten Zusammenhang auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1. August 1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören nicht solche Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. Ist aber neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers und führt zur Bewertung als Lohnzuwendung (LSG B.-B., Urteil vom 31. Januar 2013 - L 22 R 449/11 -, juris, RdNr. 89 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 21. Januar 2010 - VI R 51/08 -, juris).

Bezogen auf die Bergmannsprämie ist ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Arbeitnehmers erkennbar. Nach dem Recht der DDR (§ 3 Abs. 1 der Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 10. August 1950 (GBl. der DDR I, S. 832) in der Fassung der Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 9. April 1964 (GBl. der DDR II, S. 313, im Folgenden: Prämien-VO)) wurde die Bergmannsprämie als eine zusätzliche Belohnung für die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb gezahlt und diente als Anerkennung für die geleistete Arbeit der im Bergbau Beschäftigten (§ 3 Abs. 18 dieser Verordnung). Der möglicherweise auch verfolgte betriebliche Zweck der Bindung von qualifizierten Arbeitskräften an den Betrieb dürfte in dem sozialistischen System der Arbeitskräftelenkung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung gehabt haben. Die Bergmannsprämie ist also grundsätzlich als Arbeitsentgelt zu qualifizieren.

Diese zusätzlich zu den Löhnen bzw. Gehältern gezahlten Prämien gehörten damit gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der am 1. August 1991 geltenden Fassung (danach zählten zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit u. a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden) zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Sie waren jedoch steuerfrei.

Nach § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung waren Bergmannsprämien nach dem Gesetz über Bergmannsprämien steuerfrei. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus. Denn § 3 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung hatte als bundesdeutsches Gesetz nicht die Bergmannsprämie im Blick, die vor dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet gezahlt wurde. Vielmehr betrifft § 3 Nr. 46 EStG die nach dem bundesdeutschen Gesetz über Bergmannsprämien vom 20. Dezember 1956 (BGBl I, S. 927) geregelten Zuwendungen an Bergleute im Bundesgebiet. Hinzu kommt, dass die korrekte Bezeichnung der umstrittenen Zahlungen nicht "Bergmannsprämie" ist, sondern "zusätzliche Belohnung für eine Beschäftigung im Bergbau". Außerdem war im alten Bundesgebiet nur begünstigt, wer als Arbeitnehmer des Bergbaus unter Tage beschäftigt war. Dagegen profitierten in der ehemaligen DDR auch Beschäftigte über Tage von der Bergmannsprämie (§ 3 Abs. 3 Buchst. c) Prämien-VO).

Nach der Konzeption des BSG kann es nur um eine sinngemäße Anwendung von § 3 Nr. 46 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung gehen. Eine solche sinngemäße Anwendung ist hier zwingend, weil die Zielstellung der Bergmannsprämien sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der ehemaligen DDR im Wesentlichen gleich war, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Denn in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Bergmannsprämien in der alten Bundesrepublik ist ausdrücklich aufgeführt, dass die Bergmannsprämie eine Anerkennung für die schwere, gefahrvolle Arbeit des Bergmanns darstellen sollte. Sie sollte den Bergmannsberuf unter anderen Berufen hervorheben und ihn wieder anziehender machen (vgl. Protokoll der 128. Kabinettssitzung am 28. März 1956, Tagesordnungspunkt C.; http://www.bundesarchiv.de/cocoon/ barch/0/k/k1956k/kap1 2/kap2 20/para3 9.html.) Hintergrund war der Umstand, dass die Steinkohlenförderung in der Zeit von 1936 bis 1955 nur um 12 % gewachsen war, während die gesamte industrielle Entwicklung um mehr als 100 % zugenommen hatte. Wegen der schnelleren Ausweitung der kohlenverbrauchenden Industrie waren 1955 sieben Millionen Tonnen amerikanischer Kohle eingeführt worden, die zudem teurer war als die deutsche Kohle. Nach den Berechnungen des Bundesministers für Wirtschaft fehlten 17.000 Untertage-Bergleute. Vor diesem Hintergrund sollte der Beruf des Bergmanns, der für die wirtschaftliche Entwicklung als wichtig angesehen wurde, attraktiver gemacht werden (vgl. Protokoll der Kabinettssitzung am 8. Februar 1956, Tagesordnungspunkt 6.; http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1 2 kap2 8/para3 8.html). Ähnlich war die Situation Anfang der Fünfzigerjahre in der ehemaligen DDR. Dies kommt in der Präambel der Prämien-VO vom 10. August 1950 anschaulich zum Ausdruck. Auch hier ist bereits im ersten Satz von der entscheidenden wirtschaftlichen Bedeutung des gesamten Bergbaus für die weitere wirtschaftliche Entwicklung die Rede. Notwendig sei die "aktivste Mitarbeit" aller in den Betrieben und Verwaltungen Beschäftigten. Als eine der bedeutsamsten Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Bergbauwirtschaft, zur Erfüllung der Pläne und zum Wirksamwerden der technischen Neuerungen war die Verbesserung der Entlohnung und der sozialen Lebensbedingungen für die im Bergbau Beschäftigten angesehen worden. Dabei sollte die Vertiefung des Verständnisses für die Bedeutung des gesamten Bergbaus in der Bevölkerung gefördert werden und es sollten geeignete Nachwuchskräfte geworben werden. § 2 Abs. 1 Prämien-VO besagte unmissverständlich, dass die in den verschiedenen Bergbaubetrieben geltenden Tarifverträge so zu verändern seien, dass die Facharbeiterlöhne und Angestelltengehälter entsprechend der Bedeutung des Bergbaus an der Spitze der Facharbeiterlöhne und Gehälter aller Industrien stehen müssten.

Darüber hinaus spricht auch die Konzeption der zusätzlichen Belohnung in Abhängigkeit zur Arbeitsmoral der Bergleute für eine sinngemäße Anwendung der bundesdeutschen Steuergesetze. Fehlschichten, also unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz, wurden nach beiden Rechtsnormen bei der Prämienvergabe negativ berücksichtigt. Während im Bundesgebiet gemäß § 2 des Gesetzes über Bergmannsprämien die Bergmannsprämie von zehn DM nur für jede - tatsächlich - unter Tage verfahrene volle Schicht vorgesehen war, wurde die zusätzliche Belohnung im Beitrittsgebiet gemäß § 1 Abs. 8 Prämien-VO für jede unentschuldigte Fehlschicht gekürzt. Somit besteht auch insoweit - trotz unterschiedlicher Herangehensweise - eine weitgehende Identität der beiden Leistungen. Nicht die konkret am Arbeitsplatz erbrachte Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz war entscheidend für die Frage der Gewährung der zusätzlichen Belohnung.

Schließlich waren nach dem Wortlaut sowohl des § 1 Abs. 17 der Prämien-VO bzw. als auch des § 4 des Gesetzes über Bergmannsprämien die zusätzlichen Leistungen ausdrücklich lohnsteuer- und auch sozialversicherungsfrei.

In Anwendung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, juris) ist die Bergmannsprämie nach alledem kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt. Der gegenteiligen Ansicht des 22. Senats des LSG B.-B. (Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, juris) folgt der Senat nicht. Der 22. Senat des LSG B.-B. meint, der entscheidende Unterschied, die bundesdeutsche Bergmannsprämie als (steuerrechtliche) Subvention einerseits und die zusätzliche Belohnung im Bergbau in der DDR als Bestandteil des Arbeitsverdienstes andererseits, werde vom 1. Senat des LSG Sachsen-Anhalt nicht berücksichtigt (Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, RdNr. 66, juris). Es ist zutreffend, dass es sich bei der bundesdeutschen Bergmannsprämie um eine steuerrechtliche Subvention handelte, diese also letztlich aus dem Staatshaushalt finanziert wurde. Die Auszahlung erfolgte aber durch den Arbeitgeber (§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Bergmannsprämien). Angesichts der staatlichen Planwirtschaft der DDR vermag der Senat insoweit keinen wesentlichen Unterschied zu erkennen. Denn auch in der DDR mit ihren volkseigenen Bergbaubetrieben war die zusätzliche Belohnung im Bergbau zumindest mittelbar eine staatliche Subvention. Entscheidend ist für den Senat die dargestellte, im Wesentlichen identische Zielstellung der Zahlungen, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Selbst wenn die Bergmannsprämie grundsätzlich zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt wäre, ist hier der tatsächliche Zufluss an den Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, denn der Senat hat den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des BSG geprüft. Eine entscheidungserhebliche Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts liegt ebenfalls nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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