L 2 R 525/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1365/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 525/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Durchführung einer früheren Nachversicherung kann nicht zum Gegenstand des Verfahrens um die Höhe der darauf beruhenden Rente gemacht werden. Selbst wenn die Nachversicherungsbeiträge von der Beklagten zu niedrig angesetzt worden wären, so könnte die vom Kläger geforderte höhere Rente nicht auf Grund einer fiktiven Höherbewertung, sondern erst nach der tatsächlichen Zahlung weiterer Nachversicherungsbeiträge rentensteigernd berücksichtigt werden
(Anschluss an BSG, Urteil v. 31.01.2008 - B 13 R 27/07 R -).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Altersrente, die der Kläger nicht auf der Grundlage der tatsächlich entrichteten Nachversicherungsbeiträge, sondern nach fiktiv höheren Nachversicherungsbeiträgen berechnet haben möchte.

Der am 1948 geborene Kläger war vom 16.4.1963 bis 1.10.1967 als Postschaffner bei der Deutschen Bundespost tätig. Vom 2.10.1967 bis 16.7.1968 leistete er seinen Wehrdienst und war vom 17.7.1968 bis 30.9.1975 als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr verpflichtet. Vom 1.10.1975 bis 14.6.1976 befand er sich in Fachschulausbildung. Vom 1.9.1976 bis 31.7.1999, seinem unversorgten Ausscheiden, war er im Beamtenverhältnis als Polizeibeamter (zuletzt Hauptkommissar, Besoldungsgruppe A 12) beschäftigt. Anschließend war er versicherungsfrei selbständig tätig. Für die Beschäftigungszeiten wurde der Kläger bei der Beklagten durch die Deutsche Post, das Bundesverwaltungsamt und das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg auf der Grundlage der gemeldeten beitragspflichtigen Brutto-Einnahmen 1999 bzw. 2001 nachversichert (vgl. Gesamtkontospiegel Bl. 5 VA). Aktenvorgänge der Beklagten hierzu sind nicht mehr vorhanden, der Kläger hat die ihm vorliegenden Nachversicherungsbescheinigungen und weitere Unterlagen vorgelegt (Bl. 20 bis 32, 43 ff VA). Am 14.11.2013 bestätigte der Kläger der Beklagten, dass der Versicherungsverlauf vollständig und richtig ist.

Auf seinen Antrag vom 3.12.2013 gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14.1.2014 Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.12.2013 in Höhe von 1.272,34 EUR monatlich.

Den dagegen eingelegten Widerspruch gegen die Rentenhöhe begründete der Kläger damit, dass zu Unrecht bei den nachzuversichernden Arbeitsentgelten ausgeschiedener Beamter lediglich die niedrigeren, tatsächlich erhaltenen und gemeldeten Bezüge anstatt der weit höheren Bruttobezüge vergleichbarer versicherungspflichtiger Angestellter nachversichert worden seien. Die Beklagte hätte im Rahmen der Nachversicherung die gemeldeten tatsächlichen Rentenbezüge gegebenenfalls im Wege eines Zusatzfaktors in Bezüge eines vergleichbaren Angestellten umrechnen und bei der Nachversicherung heranziehen müssen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8.4.2014 zurück. Der Nachversicherungsschuldner sei ebenso wie der Arbeitgeber eines abhängigen Pflichtversicherten ohne vorherige Einschaltung des Versicherungsträgers für die korrekte Ermittlung der Nachversicherungsbeiträge selbst verantwortlich. Darüber hinaus sei für die Frage, welche Bezüge als nachzuversicherndes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen seien, auf die Regelungen für die beitragspflichtigen abhängig beschäftigten Pflichtversicherten zurückzugreifen. Nach § 181 Abs. 2 Satz 1 SGB VI seien die beitragspflichtigen Einnahmen, also die tatsächlich erhaltenen Bezüge, die Beitragsbemessungsgrundlage für die Nachversicherung. Die im Rentenbescheid aufgrund der von den Arbeitgebern übermittelten Entgelte berechnete Rentenhöhe sei richtig und vollständig.

Dagegen hat der Kläger am 25.4.2014 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und sein Begehren mit gleicher Begründung weiterverfolgt. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Beamtenrechts wolle der Gesetzgeber entsprechend seiner Fürsorgepflicht nach § 8, 181 ff. SGB VI auch für ausgeschiedene Beamte eine rentenrechtliche Besitzstandswahrung erreichen und die erworbenen Pensionsansprüche mit denen vergleichbarer sozialpflichtig versicherter Angestelltenrenten gleichstellen, was jedoch nicht annähernd stattfinde.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 19.1.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Bescheid vom 14.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.4.2014 rechtmäßig sei. Beitragsbemessungsgrundlage seien nach § 181 Abs. 2 S. 1 SGB VI die beitragspflichtigen Einnahmen aus der Beschäftigung im Nachversicherungszeitraum bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Zu Recht gehe die Beklagte davon aus, dass hierbei die tatsächlich erhaltenen Bezüge nachzuversichern seien, nicht jedoch die höheren Bruttobeträge, die einem vergleichbaren Angestellten zugestanden hätten. Eine solche fiktive Gleichstellung lasse sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Von einer planwidrigen Regelungslücke sei angesichts der differenzierten Regelungen ebenfalls nicht auszugehen. Die Regelung des §§ 181 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB VI verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor, denn die rentenrechtliche Regelung des §§ 181 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB VI stelle grundsätzlich ohne Differenzierung nach der Person auf die tatsächlich erhaltenen Beträge ab. Die vom Kläger empfundene Benachteiligung beruhe auf den grundlegend verschiedenen Versorgungssystemen für Beamte und Nichtbeamte, die keine vergleichbare Personengruppe seien. Aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) könne ebenfalls eine Verfassungswidrigkeit der Regelung nicht hergeleitet werden. Nachdem eine Nachversicherung im Versorgungssystemen der Beklagten nur bei Ausscheiden aus dem Beamtentum in Betracht komme, sei der Kern des Beamtenrechts damit nicht tangiert. Dem Gesetzgeber komme bei der gesetzlichen Ausgestaltung des Versorgungssystems ein weiter Gestaltungsspielraum zu, dessen Grenzen nicht überschritten seien.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 26.1.2016 zugestellte Urteil hat dieser am 11.2.2016 schriftlich Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und seine Rechtsauffassung vertieft. Sinn und Zweck des Gesetzes sei für ausgeschiedene Beamte eine rentenrechtliche Besitzstandswahrung erreichen zu wollen und die erworbenen Pensionsansprüche während der Beamtenzeit den Altersrenten vergleichbarer sozialversicherungspflichtiger Angestellter zumindest gleichzustellen und ausgeschiedene Beamte nicht noch durch eine Rentenkürzung zu benachteiligen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Januar 2016 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine höhere Altersrente entsprechend den Bruttobezügen vergleichbarer versicherungspflichtiger Angestellter anstelle der tatsächlichen Bezüge zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Altersrente für langjährig Versicherte.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 14.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.4.2014, mit dem die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.12.2013 i.H.v. 1.272,34 EUR monatlich gewährt hat. Dagegen wendet sich der Kläger mit dem Begehren auf Gewährung einer höheren Rente mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.

Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Monatsbetrag einer Rente ergibt sich, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt werden (§ 63 Abs. 6 SGB VI). Der Rentenartfaktor für die vom Kläger bezogene Altersrente beträgt 1,0 (§ 67 Nr. 1 SGB VI); der nach § 68 SGB VI zu errechnende aktuelle Rentenwert betrug zum Rentenbeginn am 1.12.2013 (vom 1.7.2013 bis 30.6.2014) 28,14 EUR (www.bundesregierung.de). Beides hat die Beklagte zutreffend berücksichtigt. Ebenso hat die Beklagte die persönlichen Entgeltpunkte des Klägers auf der Grundlage der im Versicherungskonto gespeicherten Zeiten und Entgelte, die der Kläger mit der Erklärung vom 14.11.2013 als richtig und vollständig beurteilt hat, zutreffend ermittelt. Die gespeicherten Zeiten beruhen, mit Ausnahme der Wehrdienstzeit und der Fachschulausbildung, allein auf Pflichtbeiträgen durch Nachversicherung. Die Daten sind mit den von den Dienstherren, der Deutschen Post, dem Bundesverwaltungsamt und dem Landesamt für Besoldung und Versorgung mitgeteilten Zeiten und den in dieser Zeit gezahlten Bruttoentgelten identisch. Die nunmehr mit Wirkung vom 1.1.2016 in § 181 Abs. 2a SGB VI bei Soldaten auf Zeit als Beitragsbemessungsgrenze vorgesehene Erhöhung der beitragspflichtigen Einnahmen um 20 v.H. war zum Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge 1999 bzw. 2001 noch nicht geltend (§ 181 SGB VI in der Fassung vom 15.12.1995, gültig bis 31.12.2001). Die Rente des Klägers hat die Beklagte daher anhand dieser Faktoren rechtlich zutreffend in Höhe von 1.272,34 EUR ermittelt.

Mit seiner Argumentation, dass seinen versicherungsfreien Tätigkeiten nicht die tatsächlich gezahlten Entgelte, sondern fiktiv für pflichtversicherte Angestellte in gleicher Position höhere Entgelte der Berechnung der Rente zugrunde zu legen seien, kann der Kläger im vorliegenden Verfahren bereits kein Gehör finden. Damit richtet er sich gegen die Durchführung der Nachversicherungen gegenüber seinen drei Dienstherren, die nach dem Eintritt des Nachversicherungsfalls durch das unversorgte Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis am 1.8.1999 auch erfolgt waren. Diese sind ausweislich der von Kläger vorgelegten Unterlagen durch das Bundesverwaltungsamt im November 1999 (Schreiben vom 22.11.2013, Nachversicherungsbescheinigung vom 30.11.1999 und Sammelkassenanweisung vom 30.11.1999), durch die Deutsche Post 2001 (Nachversicherungsbescheinigung vom 30.5.2001) und durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung im November 1999 (Nachversicherungsbescheinigung vom 10.11.1999) auf der Grundlage der damals gezahlten Entgelte erfolgt und haben zur entsprechenden Kontenspeicherung bei der Beklagten geführt. Die Durchführung der damaligen Nachversicherung kann jedoch nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens um die Höhe der darauf beruhenden Rente gemacht werden. Selbst wenn die Nachversicherungsbeiträge - wie der Kläger behauptet - von der Beklagten zu niedrig angesetzt worden wären, so könnte die vom Kläger geforderte höhere Rente nicht auf Grund einer fiktiven Höherbewertung, sondern erst nach der tatsächlichen Zahlung weiterer Nachversicherungsbeiträge rentensteigernd berücksichtigt werden (vgl. BSG, Urteil v. 31.01.2008 - B 13 R 27/07 R - , juris Rn. 20 ff.; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.10.2012 – L 1 R 402/09 –, Rn. 86, juris). Grund hierfür ist, dass "nachzuentrichtende" Beiträge als rechtzeitig entrichtete Pflichtbeiträge gelten (§ 185 Abs. 2 SGB VI, früher § 124 Abs. 4 Satz 1 AVG). Sind Beiträge "nachzuentrichten", bedeutet dies, dass sie auch tatsächlich nachentrichtet werden müssen. Vor der Zahlung der entsprechenden Versicherungsbeiträge durch die Dienstherren können die Voraussetzungen für eine höhere Rente deshalb nicht erfüllt sein. Die Frage der Höhe der Nachversicherungsbeiträge ist im "Durchführungsverhältnis" zu klären. Ansonsten wäre § 281 Abs. 2 SGB VI, der auch auf die tatsächliche Zahlung der Beiträge abstellt, ohne Regelungsgehalt. Denn diese Vorschrift kann nur so verstanden werden, dass sie die Vormerkung oder Anrechnung einer nachzuversichern Zeit gerade verhindern will, solange noch keine Beiträge geflossen sind. Der Kläger ist auch nicht rechtlos gestellt, er kann bei pflichtwidrig unterbliebener Nachversicherung den ehemaligen Dienstherrn ggf. auf Entrichtung der (höheren) Nachversicherungsbeiträge in Anspruch nehmen (BSG aaO. juris Rn. 28, 30 m.w.Nw.).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich für die Rechtsauffassung des Klägers, dass hinsichtlich der Beitragsbemessungsgrundlage gem. § 181 Abs. 2 Satz 1 SGB VI abweichend vom tatsächlich erhaltenen Entgelt von einem fiktiv höheren Angestellteneinkommen auszugehen sei, kein rechtlich haltbarer Ansatz findet. Arbeitsentgelt sind die bis zum Eintritt des Nachversicherungsfalles tatsächlich gewährten Entgelte (vgl. BSG, Urteil vom 8.11.1989 – 1 RA 21/88 –, SozR 2200 § 1402 Nr 11, Rn. 14 und vom 2.8.1989 - 1 RA 43/88 -, juris). Auf die zutreffende Begründung des SG wird hierzu Bezug genommen. Auch hat der Senat bereits entschieden, dass entscheidend allein die tatsächlich gezahlten Bezüge im Sinne des § 14 SGB IV aus der versicherungsfreien Beschäftigung (§ 5 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VI) sind und auch grundgesetzliche Aspekte insbesondere bei einem freiwilligen Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis nicht entgegenstehen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.8.2000 - L 2 RJ 659/98 - , juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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