L 5 R 756/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 42 R 1256/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 756/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 19/16 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI sind Zeiten, in denen Versicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, keine Anrechnungszeiten. Etwas anderes hat der Gesetzgeber hingegen für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 1997 in § 252 Abs. 2 SGB VI geregelt.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 28. August 2014 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013 wird insoweit aufgehoben, als die Abschmelzung der Altersrente der Klägerin auf der Grundlage der Nichtberücksichtigung der Zeit vom 1. April 1996 bis zum 31. Dezember 1997 als Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs beruht. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Aussparung der Altersrente der Klägerin nach § 48 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Die 1950 geborene Klägerin hatte gegenüber der Beklagten ab dem 31. März 1996 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, vgl. Rentenbescheid vom 12. März 2001 (Bl. 329 VA). Ausgehend von einem Leistungsfall am 17. Juni 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin beginnend am 1. Januar 2006 eine volle Erwerbsminderungsrente (Bl. 51 VA – Band EM). Vom 1. April 1996 bis zum Oktober 2005 bezog die Klägerin in den Zeiträumen 1. April bis 27. Dezember 1996, 29. Juli bis 30. November 1997, 16. Juni bis 12. November 1998, 16. Februar bis 24. Dezember 1999, 4. Juli bis 29. August 2000, 19. Februar bis 14. Mai 2001, 23. Mai 2003 bis 25. Juni 2004 sowie vom 22. Februar bis 12. Oktober 2005 Kranken- oder Übergangsgeld. Die dazwischen liegenden Zeiten wurden von der Bundesagentur für Arbeit gemeldet (vgl. Anlage 2 Seite 6 der Bescheide vom 19. Juli 2010 und 29. April 2013). Versicherungspflichtig beschäftigt war die Klägerin während dieser Zeit nicht. Auf ihren Antrag vom 13. Juli 2010 (Bl. 31 VA) bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2010 anstelle der bis dahin bezogenen Erwerbsminderungsrente Altersrente für schwerbehinderte Menschen beginnend am 1. Juli 2010 (Bl. 107 VA). Die Monate März 1996 bis Juni 2005 (112 Monate) waren in Anlage 4 zum Rentenbescheid unter der Überschrift "Bewertung beitragsgeminderter Zeiten" als "Monate mit Beitragszeiten und mit Anrechnungszeiten wegen Rentenbezugs" aufgeführt. Bei der Berechnung ging die Beklagte von einem Wert des Rechts auf Altersrente von 34,0335 Entgeltpunkten (Ost) und einem Rentenfaktor von 1,0 aus (Bl. 110 Rs. VA). Ausgehend von einem Rentenwert (Ost) von 24,13 EUR betrug die Rente monatlich 821,23 EUR brutto und stieg bis April 2013 auf 848,11 EUR brutto an.

Am 26. April 2013 erließ die Beklagte gegenüber der Klägerin – nach vorheriger Anhörung mit Schreiben vom 16. April 2013 (Bl. 93 VA) – einen Aussparungsbescheid, wonach die derzeitige Rentenleistung von 848,11 EUR brutto solange in unveränderter Höhe weitergezahlt werde, bis diese vom rechtmäßig zustehenden Zahlbetrag infolge künftiger Rentenanpassungen oder anderer Erhöhungstatbestände überstiegen werde. Der Rentenbescheid vom 19. Juli 2010 sei rechtswidrig, weil die Zeit vom 1. April 1996 bis zum 16. Juni 2005 (laut Anhörungsschreiben) bzw. bis zum 12. Oktober 2005 (laut Widerspruchsbescheid) nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht mehr als Anrechnungszeit zu berücksichtigte sei. Die Zeit liege nach Vollendung des 25. Lebensjahres und es habe Versicherungspflicht aufgrund eines Sozialleistungsbezuges (Arbeitslosengeld und Krankengeld) bestanden. Weiterhin seien die Mutterschutzfrist für das am 29. April 1972 geborene Kind und die Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen bei Bezug von Krankengeld während der Zeit vom 23. Mai 2003 bis 25. Juni 2004 geändert worden. Eine Rücknahme des Bescheides sei mangels Fristablaufs nicht zulässig. Der Bescheid wurde am 6. Mai 2013 abgesandt (vgl. Bl. 105 Rs. der VA). Mit Rentenbescheid vom 29. April 2013 hat die Beklagte die Altersrente der Klägerin unter Zugrundelegung von 29,6455 Entgeltpunkten (Ost), einem Rentenfaktor von 1,0 und einem aktuellen Rentenwert (Ost) von 24,13 EUR neu auf 738,77 EUR berechnet. Die bisherige monatliche Rente von 848,11 EUR werde – weil sie höher sei – weitergezahlt (Bl. 131 VA). In Anlage 4 sind unter der Überschrift "Bewertung beitragsgeminderter Zeiten" nur noch die Monate März 1996 und Oktober 2005 als "Monate mit Beitragszeiten und mit Anrechnungszeiten wegen Rentenbezugs" aufgeführt (vgl. Anlage 4 S. 8 f. des Bescheides, Bl. 143 f. VA). Am 4. Juni 2013 erhob die Klägerin Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin "vom 4. Juni 2013 gegen den Bescheid vom 26. April 2013" zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 26. April 2013 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Am 31. Juli 2013 wandte sich die Klägerin mit dem Hinweis an die Beklagte, über ihren Widerspruch sei noch nicht entschieden worden, woraufhin die Beklagte den Widerspruchsbescheid mit Schreiben vom 31. Juli 2013 (noch einmal) an die Klägerin versandte.

Am 9. August hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Dresden Klage erhoben, die sie nicht begründete. Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 6. Dezember 2013 hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. August 2014 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Rentenbescheid vom 19. Juli 2010 rechtswidrig sei. Die Zeit vom 1. April 1996 bis 12. Oktober 2005 sei zu Unrecht als Anrechnungszeit berücksichtigt worden, weil während dieser Zeit wegen des Bezuges von Sozialleistungen Versicherungspflicht bestanden habe. Die der ursprünglichen Rentenberechnung zugrunde liegende Annahme der Beklagten, die Ausschlussregelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 (Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) beziehe sich ausschließlich auf die Anrechnungszeittatbestände "Arbeitsunfähigkeit" und "Arbeitslosigkeit", weil nur diese in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem versicherungspflichtigen Sozialleistungsbezug stünden, entspreche nicht der gesetzlichen Regelung. Ob die Rente im Bescheid vom 29. April 2013 unter Berücksichtigung der veränderten Mutterschutzfrist und der entgeltpunkterhöhenden Berücksichtigung höheren Krankengeldes in den Zeiträumen 23. Mai bis 31. Dezember 2003 sowie 1. Januar bis 25. Juni 2004 zutreffend berechnet wurde, sei nicht zu prüfen, weil dieser Bescheid nicht Gegenstand des Klageverfahrens sei. Im angegriffenen Widerspruchsbescheid habe die Beklagte lediglich über den Widerspruch hinsichtlich des Bescheides vom 26. April 2013 entschieden. Da eine Rücknahme des Rentenbescheides nicht in Betracht komme, habe die Beklagte zu Recht entschieden, die Rente künftig auszusparen.

Gegen den am 30. August 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. September 2014 Berufung eingelegt. Die bisher im Zeitraum 1. April 1996 bis 12. Oktober 2005 berücksichtigte Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges werde nicht durch die zeitgleiche Pflichtbeitragszeit wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe bzw. Krankengeld verdrängt. Hierbei handele es sich nicht um einen von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI erfassten Sachverhalt, weil die Ausschlussregelung nur gelte, wenn sowohl Pflichtbeitrags- als auch Anrechnungszeit auf demselben Lebenssachverhalt beruhten. In ständiger Rechtsprechung weise das BSG darauf hin, dass Pflichtbeitragszeiten und Ausfall- bzw. Anrechnungszeiten durchaus für denselben Zeitraum nebeneinander stehen könnten, wenn sie auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruhten. Dieser Fall liege vor, weil die Pflichtbeitragszahlung auf dem Lebenssachverhalt Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit beruhe, während die Anrechnungszeit durch den Lebenssachverhalt Rentenbezug begründet werde.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 28. August 2014 und Änderung des Bescheides vom 26. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013 zu verurteilen, die Altersrente der Klägerin weiterhin unter Berücksichtigung der Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges vom 1. April 1996 bis 12. Oktober 2005 zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sie ist der Auffassung, § 252 Abs. 2 SGB VI stelle keine Sonderregelung zu § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI dar. Anrechnungszeittatsache sei hier nicht eine der unter § 58 Abs. 1 SGB VI genannte Tatsache, weshalb eine Anrechnungszeit nach § 252 Abs. 2 SGB VI nur dann anerkannt werden könne, wenn (allein) dessen Voraussetzungen vorliegen, ohne zusätzlich noch die Voraussetzungen oder die Ausschlussgründe von § 58 SGB VI prüfen zu müssen.

Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Klageverfahrens ist der Abschmelzungsbescheid der Beklagten vom 26. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrem nicht näher bezeichneten Widerspruch vom 4. Juni 2013 auch den Rentenbescheid vom 29. April 2013 angreifen wollte. Denn über einen solchen Widerspruch hat die Beklagte (bisher) nicht entschieden. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2013 hat die Beklagte ausdrücklich allein über den Widerspruch der Klägerin gegen den Abschmelzungsbescheid vom 26. April 2013 entschieden. Nur hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin.

Hinsichtlich des streitgegenständlichen Abschmelzungsbescheides ist allein das Begehren der Klägerin, die Zeit vom 1. April 1996 bis 12. Oktober 2005 als Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges zu berücksichtigen, Gegenstand des Berufungsverfahrens. Sie wendet sich hingegen nicht (mehr) gegen die dem Bescheid ebenfalls zugrunde liegende Änderung der Mutterschutzfrist für das am 29. April 1972 geborene Kind sowie die Höhe des vom 23. Mai 2003 bis 25. Juni 2004 bezogenen Krankengeldes, zumal sich Letzteres für die Klägerin begünstigend auswirkt.

Die Berufung ist in nur geringem Umfang begründet. Die Beklagte hat die Rentenerhöhung mit Bescheid vom 26. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2013 zu Recht ausgespart, soweit dem zugrunde lag, die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 12. Oktober 2005 nicht mehr als Anrechnungszeit wegen Rentenbezugs zu berücksichtigen. Der Bescheid ist rechtswidrig, soweit auch die Zeit vom 1. April 1996 bis 31. Dezember 1997 nicht mehr berücksichtigt wurde.

Ermächtigungsgrundlage der Aussparung ist § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X. Danach darf, wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden darf und eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1. Der Rentenbescheid vom 19. Juli 2010 ist teilweise rechtswidrig.

a) Er ist insoweit rechtswidrig, als der Zeitraum 1. Januar 1998 bis 12. Oktober 2005 als Anrechnungszeit wegen Rentenbezuges berücksichtigt wurde. Denn dies ist nach § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI ausgeschlossen. Danach sind Zeiten, in denen Versicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, keine Anrechnungszeiten.

Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor. Die Klägerin war in diesem Zeitraum nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, wonach versicherungspflichtig Personen u.a. während des Bezuges von Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld oder Arbeitslosengeld sind, versicherungspflichtig. Auch hatte sie das 25. Lebensjahr im Jahr 1975, und damit vor April 1996, vollendet.

Entgegen der von der Beklagten ursprünglich vertretenen und dem Rentenbescheid vom 19. Juli 2010 zugrunde gelegten Rechtsauffassung, die Ausschlussregelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI beziehe sich ausschließlich auf die in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB VI benannten Anrechnungszeittatbestände wegen Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit, schließt sie die Berücksichtigung von Zeiten des versicherungspflichtigen Sozialleistungsbezuges als Anrechnungszeiten auch während eines Rentenbezugs aus. Die von der Beklagten getroffene einschränkende Auslegung von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI lässt sich weder der Formulierung des Gesetzes noch dessen Auslegung entnehmen (BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 79/09 R –, juris Rn. 23). Anrechnungszeiten im Sinne von § 58 SGB VI sollen ihrem Zweck nach die unverschuldete Verhinderung am Erwerb von Pflichtbeitragszeiten aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgleichen (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialgesetzbuch, SGB VI, § 58 Rn. 65, Stand Juni 2012). Sie beruhen, weil sie ohne eigene Beitragsleistung erworben sind, überwiegend auf staatlicher Gewährung und sind somit Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge (BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 79/09 R – juris Rn. 35 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1981 – 1 BvR 874/77 u.a. – juris Rn. 108). Für einen solchen Ausgleich besteht jedoch dann kein Grund, wenn aufgrund einer gesetzlich begründeten Versicherungspflicht – wie hier nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI – Pflichtbeitragszeiten erworben werden. Dies wird besonders deutlich aus der Begründung zum Entwurf des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 7. März 1989 (BT-Drs. 11/4124, S. 167) wonach die damalige Neuregelung in § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI damit begründet wurde, dass Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezuges von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, vollwertige Beitragszeiten und nicht (bloße) Anrechnungszeiten sind. Für eine zusätzliche Berücksichtigung als Anrechnungszeit besteht danach kein Grund.

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass Pflichtbeitragszeiten und Anrechnungszeiten für denselben Zeitraum auch nach der Rechtsprechung des BSG (bei unterschiedlichen Lebenssachverhalten) grundsätzlich nebeneinander stehen können, ist dies zwar zutreffend. Dies geht bereits aus der Regelung in § 54 Abs. 3 SGB VI hervor, wonach beitragsgeminderte Zeiten u.a. Kalendermonate sind, die sowohl mit Beitragszeiten als auch Anrechnungszeiten belegt sind. Die Regelung in § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI wurde aber gerade vor diesem Hintergrund und zu dem Zweck geschaffen, eine gleichzeitige Berücksichtigung für den Fall, dass der Versicherte wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig ist, auszuschließen (vgl. BT-Drs. 11/4124 S. 167; Gürtner, a.a.O Rn. 65). Würden Beitragszeiten die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten generell ausschließen, bestünde für die Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI gar kein Bedürfnis, sie wäre vielmehr überflüssig. Das Beruhen auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten bedingt deshalb keine Ausnahme von der Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI, sondern stellt vielmehr – neben dem Nichtvorliegen ihrer Voraussetzungen – eine weitere Bedingung für eine gleichzeitige Berücksichtigung dar. Für eine gleichzeitige Berücksichtigung von Beitrags- und Anrechnungszeiten (als beitragsgeminderte Zeit im Sinne von § 54 Abs. 3 SGB VI) innerhalb des Anwendungsbereiches von § 58 Abs. 1 SGB VI ist danach kein Raum. Etwas anderes ist auch der in Bezug genommenen Entscheidung des BSG vom 19. April 2011 (B 13 R 79/09 R) nicht zu entnehmen.

b) Etwas anderes hat der Gesetzgeber allerdings für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 1997 in § 252 Abs. 2 SGB VI geregelt. Danach sind Anrechnungszeiten auch Zeiten, für die die Bundesagentur für Arbeit in der Zeit vom 1. Januar 1983 bzw. ein anderer Leistungsträger in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1997 wegen des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeiträge oder Beiträge für Anrechnungszeiten gezahlt hat. Damit statuiert diese Norm für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 1997 eine (Rück-)Ausnahme von der Regelung in § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI. Hierbei handelt es sich um eine Sonderregelung für Anrechnungszeiten (so auch BSG, Urteil vom 19. April 2011 – B 13 R 79/09 R – juris Rn. 29), die für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 1997 eine von § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI abweichende Regelung enthält. Dies ergibt sich aus Folgendem: § 228 SGB VI, mit dem der Erste Abschnitt des Fünften Kapitels des SGB VI, wozu auch § 252 SGB VI gehört, beginnt, regelt, dass die Vorschriften dieses Abschnittes die Vorschriften der vorangegangenen Kapitel für Sachverhalte ergänzen, die vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften der vorangegangenen Kapitel, zu denen § 58 SGB VI gehört, an nicht mehr oder nur noch übergangsweise eintreten können. Es handelt sich somit um Übergangsregelungen, die (lediglich) ergänzende Funktion haben (BSG, Urteil vom 19. April 2011 - B 13 R 79/09 R – juris Rn. 28 m.w.N). Dies wird insbesondere bestätigt von der Begründung zur Regelung in § 58 SGB VI (BT-Drs. 11/4124 S. 167) sowie zu der in § 252 Abs. 2 SGB VI (zuvor § 247, BT-Drs. 11/4124 S. 200). § 58 SGB VI soll danach die davor geltenden Regelungen über Ausfallzeiten ersetzen und in Abs. 1 Satz 3 klarstellen, dass Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezuges von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren,"– von einer Übergangsphase bis 1997 abgesehen –" vollwertige Beitragszeiten (und nicht Anrechnungszeiten) sind. Die Passage zur Übergangsphase bis 1997 bezieht sich offensichtlich auf die Regelung in § 252 Abs. 2 SGB VI, die nach der Gesetzesbegründung die Berücksichtigung von Zeiten "vor 1998" als beitragsgeminderte Zeiten, für die wegen des Bezuges von Sozialleistungen Beiträge gezahlt worden sind, ermöglicht (BT-Drs. 11/4124 S. 200 zu § 247). Da solche Zeiten ab dem 1. Januar 1992 (Inkrafttreten des SGB VI) nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI Pflichtbeitragszeiten sind – bzw. die davor liegenden Zeiten nach § 247 Abs. 1 SGB VI zu solchen erklärt wurden – wären sie nach § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI grundsätzlich keine Anrechnungszeiten, wovon § 252 Abs. 2 SGB offenkundig eine Ausnahme statuiert. Für diesen darin benannten begrenzten Zeitraum können diese Zeiten sowohl Pflichtbeitrags- als auch Anrechnungszeiten sein (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. April 1998 – L 5 25/94 – juris Rn. 68, bestätigt durch BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 18/99 R – juris Rn. 31)

Da die Klägerin im streitigen Zeitraum ab 1. April 1996, mithin nach Inkrafttreten des SGB VI, wegen des Bezuges von Sozialleistungen versicherungspflichtig nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI war und damit von den zuständigen Sozialleistungsträgern an den Rentenversicherungsträger Beiträge gezahlt wurden (vgl. Gesetzliche Rentenversicherung, SGB VI Text und Erläuterungen zu § 252, Ziff. 2; vgl. auch Gürtner, a.a.O, § 252 Rn. 22, Stand April 2011), verhindert § 252 Abs. 2 SGB VI die Einbeziehung dieser Zeit bis zum 31. Dezember 1997 in den Ausschlusstatbestand des § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI. Diese Zeiten sind daher gleichzeitig Anrechungs- und Pflichtbeitragszeiten (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 18/99 R – juris Rn. 31; Gürtner, a.a.O. Rn. 22).

2. Da eine Rücknahme des Rentenbescheides vom 19. Juli 2010 aufgrund des Ablaufs der in § 45 Abs. 3 SGB X vorgesehenen Frist nicht in Betracht kommt, hat die Beklagte die Abschmelzung der an sich zu gewährenden Erhöhung der Rente bis zur Höhe des Bestandsschutzes (zwingend) vorzunehmen. Ein Ermessen steht ihr hierbei nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Das Obsiegen der Klägerin ist so gering, dass es nicht zu einer teilweisen Kostentragung der Beklagten führt.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved