Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 1064/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4692/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14.10.2015 wird zurückgewiesen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren trägt die Beklagte 2/3. Im Übrigen haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Die 1948 in Kasachstan geborene Klägerin übersiedelte am 24.05.1992 in die Bundesrepublik Deutschland und ist Inhaberin eines Vertriebenenausweises "A". Ein Grad der Behinderung von 50 vH ist anerkannt seit 21.07.2008.
Mit bestandskräftigem Vormerkungsbescheid vom 15.03.2001 stellte die Beklagte die vor dem 31.12.1994 zurückgelegten Zeiten fest. Als glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten (Anrechnung zu 5/6) nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigte die Beklagte dabei folgende Zeiten: 11.07.1966 - 20.08.1967 Krankenschwester Kinderstation 21.08.1967 - 01.05.1970, Teilzeit 76,67% Krankenschwester 19.05.1970 – 12.06.1973 Hebamme 15.06.1973 – 20.09.1973 Desinfektionsinstrukteurin 16.10.1973 – 19.11.1974 Hebamme 21.11.1974 – 09.09.1987 Krankenschwester 02.02.1989 – 04.05.1992 Krankenschwester
Mit Bescheid vom 15.11.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin antragsgemäß ab 01.02.2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen iHv 845,71 EUR unter Berücksichtigung der in Kasachstan zurückgelegten Beitragszeiten zu 5/6 als glaubhaft gemachte Zeiten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, den die Klägerin nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2011 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 16.05.2011 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage (S 11 R 2671/11). Zum Nachweis der Zeiten hat die Klägerin mehrere Archivbescheinigungen vorgelegt für die Zeiträume 21.11.1974 bis 04.05.1992, 16.10.1973 bis 19.11.1974 (vom 05.04.2011), 16.05.1970 bis 08.06.1973 (vom 07.07.2011 und vom 12.10.2012) sowie eine Kopie ihres Arbeitsbuches. Für die Zeit von 1966 bis 1970 wurde bescheinigt, dass die Archivunterlagen nicht erhalten seien wegen Schäden durch Kanalisationswasser. Soweit für das Jahr 1973 bis zum 08.06. insgesamt 205 Arbeitstage bescheinigt worden seien, verweist die Klägerin darauf, dass Fehler in Archivbescheinigungen nicht die gesamte Bescheinigung fehlerhaft machten, schließlich seien die Zeiten auch im Arbeitsbuch bestätigt. Zudem sei die Klägerin beim gleichen Arbeitgeber bis 20.09.1973 tätig gewesen, so dass die Bescheinigung im Ergebnis plausibel sei.
Mit Bescheid vom 03.09.2012 hat die Beklagte die Rente ab Beginn neu festgestellt unter Berücksichtigung der Zeiten vom 21.11.1974 bis 09.09.1987 als nachgewiesen (Rentenhöhe 888,15 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 17.01.2013 hat sie die Rente nochmals neu festgestellt und auch die Zeiten vom 02.02.1989 bis 04.05.1992 als nachgewiesen angesehen (Rentenhöhe 896,81 EUR). Um der Klägerin die Beschaffung weiterer Unterlagen aus Kasachstan zu ermöglichen, hat das SG mit Beschluss vom 15.05.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Auf Betreiben der Beklagten ist das Verfahren im März 2014 fortgeführt worden (nunmehr unter dem Az S 15 R 1064/14).
Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Anerkennung der Beitragszeiten vom 21.11.1974 bis 09.09.1987 sowie 02.02.1989 bis 04.05.1992 sei die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da die Beklagte mit den Bescheiden vom 03.09.2012 und 17.01.2013 dem Klagebegehren voll entsprochen habe. Hinsichtlich der noch streitigen Zeiträume 11.07.1966 bis 01.05.1970, 16.05.1970 bis 08.06.1973, 15.06. bis 20.09.1973 und 16.10.1973 bis 19.11.1974 sei die Klage unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Zeiten als nachgewiesen. Bei glaubhaft gemachten Beitragszeiten finde nach § 22 Abs 3 Fremdrentengesetz (FRG) eine Kürzung der ermittelten Entgeltpunkte auf 5/6 statt. Ein Nachweis dieser Zeiten erfordere, dass kein vernünftiger Zweifel mehr bestehe, dass die geltend gemachten Beitrags- und Beschäftigungszeiten ohne Unterbrechungstatbestände zeitlich lückenlos zurückgelegt worden seien. Nicht ausreichend sei der Nachweis von Anfang und Ende der Beschäftigung, es müsse auch feststehen, dass keine Ausfalltatbestände vorgelegen hätten (Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, unbezahlter Urlaub, unentschuldigte Fehlzeiten etc). Die Angaben im Arbeitsbuch seien nur als Mittel zur Glaubhaftmachung anerkannt (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) 21.08.2008, B 13/4 R 25/07 R). Die Archivbescheinigung Nr 04-13/S-115 vom 07.07.2011 für den Zeitraum 16.05.1970 bis 08.06.1973 müsse schon aus Gründen der Logik falsch sein, denn für das Jahr 1972 würden überhaupt keine Arbeitstage, sondern nur 112 Tage Mutterschaftsurlaub dokumentiert und für 1973 seien 205 Arbeitstage verzeichnet, obwohl die Beschäftigung ausweislich der Bescheinigung nur bis 08.06.1973 gedauert habe. Auch die für diesen Zeitraum vorgelegte neue Archivbescheinigung vom 12.10.2012 Nr 04-13/S-187 sei unschlüssig. Für 1972 seien nunmehr 78 Arbeitstage und 234 Tage Schwangerschaftsurlaub angegeben ohne Angaben zur Ursache der Änderungen. Die offensichtlich unmögliche Angabe für 1973 sei gar nicht korrigiert worden. Soweit die Klägerin moniere, sie sei bis 20.09.1973 in dem Krankenhaus beschäftigt gewesen, weise sie selbst auf die Widersprüchlichkeit hin, dass in der Bescheinigung nur der Zeitraum bis 08.06.1973 ausgewiesen sei. Die unterschiedlichen Auskünfte legten die Vermutung nahe, dass die Archivunterlagen auf denen sie beruhten, nicht eindeutig seien. Auch die Bescheinigung Nr 16-35 für den Zeitraum 16.10.1973 bis 19.11.1974 erfülle nicht die Kriterien für einen Nachweis, da sie keinerlei Angaben zu Fehlzeiten wegen Krankheit enthalte. Für die Zeiträume 11.07.1966 bis 01.05.1970 und 15.06. bis 20.09.1973 habe die Klägerin außer dem Arbeitsbuch überhaupt keine Bescheinigungen vorgelegt. Es bleibe daher dabei, die Zeiten nur als glaubhaft gemachte Zeiten anzusehen.
Hiergegen richtet sich die am 09.11.2015 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG stelle Übererfordernisse an die Beweiskraft von Unterlagen. Die erste Bescheinigung (für den Zeitraum 16.05.1970 bis 08.06.1973) sei offensichtlich nicht zutreffend gewesen, die Klägerin habe sich dann um eine zweite Bescheinigung bemüht. Von ihr jetzt zu verlangen, nachzuweisen, warum die erste Bescheinigung falsch ausgefüllt worden sei, sei bar jeglicher Lebensnähe. Die Angabe von 205 Arbeitstagen für 1973 sei überhaupt nicht unmöglich, da das Beschäftigungsverhältnis erst am 20.09.1973 geendet habe. Die Rechtsprechung des BSG sei scheinbar darauf ausgelegt, den Spätaussiedlern Schwierigkeiten bei ihrer Beweisführung zu machen. Soweit das SG sich darauf stütze, dass in einer Bescheinigung keinerlei Angaben zu Fehlzeiten wegen Krankheit enthalten seien, sei dem zu entgegnen, dass es keine Krankheitszeiten gegeben habe, wenn keine genannt würden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2011, abgeändert durch Bescheide vom 03.09.2012 und 17.01.2013 zu verurteilen, der Klägerin höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu gewähren unter Berücksichtigung der Zeiten vom 11.07.1966 bis 01.05.1970, 16.05.1970 bis 08.06.1973, 15.06. bis 20.09.1973 und 16.10.1973 bis 19.11.1974 als nachgewiesene, statt glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2011, abgeändert durch die nach § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheide vom 03.09.2012 und 17.01.2013. Die Klägerin begehrt höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 11.07.1966 bis 01.05.1970, 16.05.1970 bis 08.06.1973, 15.06. bis 20.09.1973 und 16.10.1973 bis 19.11.1974 als nachgewiesene, statt glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten
Der Prüfung des geltend gemachten Anspruchs steht nicht schon der bestandskräftige Vormerkungsbescheid vom 15.03.2001 entgegen, mit dem die streitigen Zeiten bereits festgestellt worden sind. Da der Vormerkungsbescheid nicht aufgehoben worden war und sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hatte, sind die dort enthaltenen Regelungen im Hinblick auf ihren Rechtscharakter und den zeitlichen Umfang für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden (BSG 24.04.2014, B 13 R 3/13 R, SozR 4-1300 § 44 Nr 30). Der Vormerkungsbescheid trifft auf der Grundlage des bei seinem Erlass geltenden Rechts Feststellungen über Tatbestände einer rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung, die grundsätzlich in den späteren Rentenbescheid und damit in den Rentenwert eingehen (vgl hierzu BSG 21.02.1985, 11 RA 2/84, BSGE 58, 49 = SozR 1300 § 45 Nr 15). Im Interesse der Versicherten wird hierdurch Klarheit über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Zeiten rentenversicherungsrechtlicher Relevanz geschaffen. Verbindlich festgestellt wird nach alledem im Vormerkungsbescheid sowohl der Rechtscharakter der rentenrechtlichen Zeit als auch deren zeitlicher Umfang (BSG 30.03.2004, B 4 RA 46/02 R, juris).
Da mit Eintritt des Leistungsfalls die beweissichernde Funktion des Vormerkungsverfahrens nach § 149 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entfällt, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid (BSG 06.05.2010, B 13 R 118/08 R, juris). Die Klägerin ist daher nicht gezwungen, zunächst über ein Verfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die entgegenstehenden Feststellungen im Vormerkungsbescheid zu beseitigen, ein solches Verfahren wäre vielmehr sogar unzulässig. Im Rentenbescheid sind sämtliche für die Berechnung der Rente bedeutsamen Zeiten auf der Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgebenden Rechts zu berücksichtigen. Stehen einer solchen Entscheidung Feststellungen eines Vormerkungsbescheids entgegen, sind diese im Rentenbescheid (§ 149 Abs 5 Satz 2 Alt 2 SGB VI) bei rechtswidrig nicht begünstigenden Feststellungen nach § 44 Abs 2 SGB X aufzuheben (BSG 06.05.2010, aaO). Die Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen hier indes nicht vor, denn die Beklagte hat die streitigen Zeiten zutreffend berücksichtigt.
Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Im Übrigen, dh soweit - wie hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Vormerkungsbescheides - nicht die Gewährung von Leistungen im Raum steht, ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wohingegen die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit im Ermessen der Behörde steht (§ 44 Abs 2 SGB X). Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.
Rechtsgrundlage der Berechnung des monatlichen Werts der Rente der Klägerin (Monatsbetrag der Rente) ist § 236a SGB VI in Verbindung mit § 63 SGB VI. Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn (1.) die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, (2.) der Rentenartfaktor und (3.) der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Abweichend von § 66 SGB VI sind vorliegend die Entgeltpunkte nach §§ 20, 22, FRG in Verbindung mit § 256b SGB VI zu bestimmen. Zeiten der in den §§ 15 und 16 FRG genannten Art (Beitrags- und Beschäftigungszeiten) werden der allgemeinen Rentenversicherung zugeordnet (§ 20 Abs 1 FRG), soweit die §§ 21 ff FRG nichts Abweichendes bestimmen. So werden nach § 22 Abs 1 Satz 1 FRG für Zeiten der in §§ 15 und 16 FRG genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 SGB VI ermittelt. Danach werden für ein Kalenderjahr einer Vollzeitbeschäftigung die Durchschnittswerte berücksichtigt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum SGB VI genannten Bereiche ergeben.
Die Berücksichtigung der noch streitigen in Kasachstan zurückgelegten Beitragszeiten als lediglich glaubhaft gemachte Zeiten und gekürzte Anerkennung mit 5/6 und nicht als nachgewiesene Zeiten mit Bewertung von 6/6 ist rechtmäßig.
Als anerkannte Vertriebene im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) gehört die Klägerin nach § 1 Buchst a) FRG zum berechtigten Personenkreis nach dem FRG. Nach § 15 Abs 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Sind Beiträge aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zugrunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich (§ 15 Abs 1 S 1 und 2 FRG). Nach § 15 Abs 2 S 1 FRG ist als gesetzliche Rentenversicherung iS des Abs 1 jedes System der sozialen Sicherheit anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen, dh Renten, zu sichern.
Für die Feststellung der dafür erheblichen Tatsachen müssen die Tatsachen nicht - wie sonst im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung - nachgewiesen werden, sondern es genügt nach § 4 Abs 1 FRG, wenn diese Tatsachen lediglich glaubhaft gemacht sind, wenn ihr Vorliegen also nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist. Diese Erleichterung in der Beweisführung hat der Gesetzgeber zugunsten der Versicherten eingeführt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Beschaffung von zum Nachweis solcher Tatsachen erforderlichen Unterlagen aus Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion oder aus anderen osteuropäischen Ländern für teilweise länger zurückliegende Zeiträume mit besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Art verbunden sein kann (vgl BSG 21.04.1982, 4 RJ 33/81, juris Rn 11). Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt (§ 22 Abs 3 FRG).
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies gilt auch für außerhalb der Bundesrepublik eingetretene Tatsachen, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind. Demgegenüber sind nachgewiesen nur solche Tatsachen, von deren Vorliegen das Gericht überzeugt ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Vorliegen der Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Ernsthafte Zweifel dürfen nicht bestehen. Die Regelung des § 22 Abs 3 FRG berücksichtigt, dass bei fehlendem Nachweis von Beitragszeiten in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen können, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten musste oder solche Zeiten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können (BSG 21.08.2008, B 13/4 R 25/07 R, SozR 4-5050 § 26 Nr 1). Die Regelung geht von der Erfahrung aus, dass Beschäftigungszeiten im Allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Nachgewiesen können Beschäftigungs- und Beitragszeiten daher sein, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass im Einzelfall eine höhere Beitrags- oder Beschäftigungsdichte erreicht worden ist. Diese Feststellung lässt sich dann treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischenliegenden Arbeitsunterbrechungen vorliegen und letztere nicht 1/6 erreichen (stRspr BSG 09.11.1982, 11 RA 64/81, SozR 5050 § 15 Nr 23; Senatsurteil 20.07.2010, L 11 R 3478/09).
Die von der Klägerin vorgelegten Archivbescheinigungen reichen nicht aus, um die Überzeugung des Senats davon, dass die Klägerin während ihrer hier streitigen Beitragszeiten zwischen dem 11.07.1966 und 19.11.1974 in Kasachstan eine höhere Beitragsdichte als zu 5/6 erreicht hat, zu begründen. Angaben über das Vorliegen bzw Fehlen von Arbeitsunterbrechungen enthält das Arbeitsbuch der Klägerin nicht. Der Nachweis einer lückenlosen tatsächlichen Beitragsentrichtung während des gesamten bestätigten Zeitraums kann daher mit den Angaben aus dem Arbeitsbuch vorliegend nicht geführt werden.
Für die Zeit vom 11.07.1966 bis 01.05.1970 liegen überhaupt keine Archivunterlagen mehr vor, da diese durch Kanalisationswasser beschädigt worden sind. Dies wurde bestätigt mit Bescheinigung des Klinikums der medizinischen Akademie K., Kasachstan vom 06.05.1998 Nr 133. Für diese Zeit bestehen daher keinerlei Anhaltspunkte für eine andere Wertung als im Kontenklärungsverfahren damals erfolgt. Es muss daher bei den damaligen Feststellungen bleiben.
Für die Zeit vom 16.05.1970 bis 08.06.1973 (anders im Arbeitsbuch: 19.05.1970 bis 12.06.1973) hat die Klägerin zwei Archivbescheinigungen vorgelegt. In der Bescheinigung Nr 4-13/S-115 vom 07.07.2011 wird vom staatlichen Archiv des Kreises A. folgendes bestätigt: Jahre Arbeitstage Kranktage Mutterschaftsurlaub Urlaubstage Unbezahlte Urlaubstage 1970 190 - - - - 1971 305 - - 18 - 1972 - - 112 - - 1973 205 - - - -
In der Bescheinigung derselben Stelle vom 12.10.2012 Nr 04-13/S-187 wird folgendes bestätigt: Jahre Arbeitstage Kranktage Mutterschaftsurlaub Urlaubstage Unbezahlte Urlaubstage 1970 190 - - - - 1971 305 10 - 18 - 1972 78 - 234 - - 1973 205 - - - - Beide Bescheinigungen enthalten den Vermerkt, dass die Dokumente vollständig erhalten und sorgfältig geprüft worden seien.
Während die erste Bescheinigung schon offensichtlich fehlerhafte Angaben enthalten muss für die Jahre 1972 (insgesamt nur 112 Tage bescheinigt) und 1973 (bis 08.06.1973 mehr Arbeitstage bestätigt als theoretisch möglich), findet sich in der zweiten Bescheinigung teilweise eine Korrektur, so für die Jahre 1971 und 1972. Eine Begründung für die abweichenden Angaben findet sich in der zweiten Bescheinigung allerdings nicht, auch die Angaben für 1973 bleiben unverändert nicht plausibel. Dass die Klägerin nachfolgend bis 20.09.1973 beim gleichen Arbeitgeber mit anderer Aufgabenstellung beschäftigt war, erklärt die Angaben nicht, denn die Bescheinigung bezieht sich nach den dortigen Ausführungen ausdrücklich nur auf den Zeitraum bis 08.06.1973. Die Angaben sind widersprüchlich und nicht plausibel, weshalb der Senat nicht davon überzeugt ist, dass die vorgelegten Bescheinigungen die tatsächlichen Arbeitstage, die Kranken-, Urlaubs- und Fehlzeiten vollständig und korrekt wiedergeben und die Klägerin keine weiteren als die dort aufgeführten Krankheits- und Fehlzeiten aufzuweisen hat. Auch wenn es keine Anhaltspunkte gibt, dass es sich um Gefälligkeitsbescheinigungen oder Fälschungen handelt, sprechen die dargestellten Unstimmigkeiten dafür, dass jedenfalls im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Archivunterlagen teilweise unklar oder unvollständig sind und oder die Übertragung nicht zuverlässig erfolgt ist. Die Bescheinigungen sind aus diesem Grund insgesamt nicht geeignet für den Nachweis einer höheren Belegungsdichte als 5/6 im Zeitraum 16.05.1970 bis 08.06.1973 bzw 19.05.1970 bis 12.06.1973. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sie damals unter einer so starken Pollenallergie gelitten habe, dass sie die Arbeit auf der Entbindungsstation im Frühjahr/Sommer 1973 nicht mehr habe ausüben können mit anschließendem Wechsel in einen anderen Tätigkeitsbereich. Erst nach einem Umzug in die Stadt mit geringerer Pollenbelastung habe sie wieder als Hebamme gearbeitet.
Für die Zeit vom 16.10.1973 bis 19.11.1974 liegt eine Bescheinigung des regionalen Zentrums für Geburtshilfe und Gynäkologie K., Kasachstan vom 05.04.2011 Nr 16-35 vor, in welcher nur bestätigt wird, dass die Klägerin keinen unbezahlten Urlaub, keine Ausbildungstage mit Unterbrechung der Berufstätigkeit, keine Wehrübungen, keine Lehrgänge mit Unterbrechung der Berufstätigkeit und keine Teilzeitbeschäftigung gehabt habe. Über Krankheitszeiten enthält die Bescheinigung überhaupt keine Angaben. Daraus ist nicht zwingend zu schließen, dass keine Krankheitszeiten vorliegen, denn dann hätte eine Bestätigung zu deren Fehlen erfolgen können. Auch diese Bescheinigung kann daher nicht zum Nachweis führen.
Die Klägerin hat nach alledem keinen über die von der Beklagten mit Bescheid vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2011, abgeändert durch Bescheide vom 03.09.2012 und 17.01.2013 hinausgehenden Anspruch auf höhere Altersrente.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren trägt die Beklagte 2/3. Im Übrigen haben die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Die 1948 in Kasachstan geborene Klägerin übersiedelte am 24.05.1992 in die Bundesrepublik Deutschland und ist Inhaberin eines Vertriebenenausweises "A". Ein Grad der Behinderung von 50 vH ist anerkannt seit 21.07.2008.
Mit bestandskräftigem Vormerkungsbescheid vom 15.03.2001 stellte die Beklagte die vor dem 31.12.1994 zurückgelegten Zeiten fest. Als glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten (Anrechnung zu 5/6) nach dem Fremdrentengesetz (FRG) berücksichtigte die Beklagte dabei folgende Zeiten: 11.07.1966 - 20.08.1967 Krankenschwester Kinderstation 21.08.1967 - 01.05.1970, Teilzeit 76,67% Krankenschwester 19.05.1970 – 12.06.1973 Hebamme 15.06.1973 – 20.09.1973 Desinfektionsinstrukteurin 16.10.1973 – 19.11.1974 Hebamme 21.11.1974 – 09.09.1987 Krankenschwester 02.02.1989 – 04.05.1992 Krankenschwester
Mit Bescheid vom 15.11.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin antragsgemäß ab 01.02.2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen iHv 845,71 EUR unter Berücksichtigung der in Kasachstan zurückgelegten Beitragszeiten zu 5/6 als glaubhaft gemachte Zeiten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, den die Klägerin nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2011 zurück.
Hiergegen richtet sich die am 16.05.2011 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage (S 11 R 2671/11). Zum Nachweis der Zeiten hat die Klägerin mehrere Archivbescheinigungen vorgelegt für die Zeiträume 21.11.1974 bis 04.05.1992, 16.10.1973 bis 19.11.1974 (vom 05.04.2011), 16.05.1970 bis 08.06.1973 (vom 07.07.2011 und vom 12.10.2012) sowie eine Kopie ihres Arbeitsbuches. Für die Zeit von 1966 bis 1970 wurde bescheinigt, dass die Archivunterlagen nicht erhalten seien wegen Schäden durch Kanalisationswasser. Soweit für das Jahr 1973 bis zum 08.06. insgesamt 205 Arbeitstage bescheinigt worden seien, verweist die Klägerin darauf, dass Fehler in Archivbescheinigungen nicht die gesamte Bescheinigung fehlerhaft machten, schließlich seien die Zeiten auch im Arbeitsbuch bestätigt. Zudem sei die Klägerin beim gleichen Arbeitgeber bis 20.09.1973 tätig gewesen, so dass die Bescheinigung im Ergebnis plausibel sei.
Mit Bescheid vom 03.09.2012 hat die Beklagte die Rente ab Beginn neu festgestellt unter Berücksichtigung der Zeiten vom 21.11.1974 bis 09.09.1987 als nachgewiesen (Rentenhöhe 888,15 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 17.01.2013 hat sie die Rente nochmals neu festgestellt und auch die Zeiten vom 02.02.1989 bis 04.05.1992 als nachgewiesen angesehen (Rentenhöhe 896,81 EUR). Um der Klägerin die Beschaffung weiterer Unterlagen aus Kasachstan zu ermöglichen, hat das SG mit Beschluss vom 15.05.2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Auf Betreiben der Beklagten ist das Verfahren im März 2014 fortgeführt worden (nunmehr unter dem Az S 15 R 1064/14).
Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Anerkennung der Beitragszeiten vom 21.11.1974 bis 09.09.1987 sowie 02.02.1989 bis 04.05.1992 sei die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da die Beklagte mit den Bescheiden vom 03.09.2012 und 17.01.2013 dem Klagebegehren voll entsprochen habe. Hinsichtlich der noch streitigen Zeiträume 11.07.1966 bis 01.05.1970, 16.05.1970 bis 08.06.1973, 15.06. bis 20.09.1973 und 16.10.1973 bis 19.11.1974 sei die Klage unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung dieser Zeiten als nachgewiesen. Bei glaubhaft gemachten Beitragszeiten finde nach § 22 Abs 3 Fremdrentengesetz (FRG) eine Kürzung der ermittelten Entgeltpunkte auf 5/6 statt. Ein Nachweis dieser Zeiten erfordere, dass kein vernünftiger Zweifel mehr bestehe, dass die geltend gemachten Beitrags- und Beschäftigungszeiten ohne Unterbrechungstatbestände zeitlich lückenlos zurückgelegt worden seien. Nicht ausreichend sei der Nachweis von Anfang und Ende der Beschäftigung, es müsse auch feststehen, dass keine Ausfalltatbestände vorgelegen hätten (Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, unbezahlter Urlaub, unentschuldigte Fehlzeiten etc). Die Angaben im Arbeitsbuch seien nur als Mittel zur Glaubhaftmachung anerkannt (unter Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG) 21.08.2008, B 13/4 R 25/07 R). Die Archivbescheinigung Nr 04-13/S-115 vom 07.07.2011 für den Zeitraum 16.05.1970 bis 08.06.1973 müsse schon aus Gründen der Logik falsch sein, denn für das Jahr 1972 würden überhaupt keine Arbeitstage, sondern nur 112 Tage Mutterschaftsurlaub dokumentiert und für 1973 seien 205 Arbeitstage verzeichnet, obwohl die Beschäftigung ausweislich der Bescheinigung nur bis 08.06.1973 gedauert habe. Auch die für diesen Zeitraum vorgelegte neue Archivbescheinigung vom 12.10.2012 Nr 04-13/S-187 sei unschlüssig. Für 1972 seien nunmehr 78 Arbeitstage und 234 Tage Schwangerschaftsurlaub angegeben ohne Angaben zur Ursache der Änderungen. Die offensichtlich unmögliche Angabe für 1973 sei gar nicht korrigiert worden. Soweit die Klägerin moniere, sie sei bis 20.09.1973 in dem Krankenhaus beschäftigt gewesen, weise sie selbst auf die Widersprüchlichkeit hin, dass in der Bescheinigung nur der Zeitraum bis 08.06.1973 ausgewiesen sei. Die unterschiedlichen Auskünfte legten die Vermutung nahe, dass die Archivunterlagen auf denen sie beruhten, nicht eindeutig seien. Auch die Bescheinigung Nr 16-35 für den Zeitraum 16.10.1973 bis 19.11.1974 erfülle nicht die Kriterien für einen Nachweis, da sie keinerlei Angaben zu Fehlzeiten wegen Krankheit enthalte. Für die Zeiträume 11.07.1966 bis 01.05.1970 und 15.06. bis 20.09.1973 habe die Klägerin außer dem Arbeitsbuch überhaupt keine Bescheinigungen vorgelegt. Es bleibe daher dabei, die Zeiten nur als glaubhaft gemachte Zeiten anzusehen.
Hiergegen richtet sich die am 09.11.2015 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG stelle Übererfordernisse an die Beweiskraft von Unterlagen. Die erste Bescheinigung (für den Zeitraum 16.05.1970 bis 08.06.1973) sei offensichtlich nicht zutreffend gewesen, die Klägerin habe sich dann um eine zweite Bescheinigung bemüht. Von ihr jetzt zu verlangen, nachzuweisen, warum die erste Bescheinigung falsch ausgefüllt worden sei, sei bar jeglicher Lebensnähe. Die Angabe von 205 Arbeitstagen für 1973 sei überhaupt nicht unmöglich, da das Beschäftigungsverhältnis erst am 20.09.1973 geendet habe. Die Rechtsprechung des BSG sei scheinbar darauf ausgelegt, den Spätaussiedlern Schwierigkeiten bei ihrer Beweisführung zu machen. Soweit das SG sich darauf stütze, dass in einer Bescheinigung keinerlei Angaben zu Fehlzeiten wegen Krankheit enthalten seien, sei dem zu entgegnen, dass es keine Krankheitszeiten gegeben habe, wenn keine genannt würden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2011, abgeändert durch Bescheide vom 03.09.2012 und 17.01.2013 zu verurteilen, der Klägerin höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu gewähren unter Berücksichtigung der Zeiten vom 11.07.1966 bis 01.05.1970, 16.05.1970 bis 08.06.1973, 15.06. bis 20.09.1973 und 16.10.1973 bis 19.11.1974 als nachgewiesene, statt glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2011, abgeändert durch die nach § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheide vom 03.09.2012 und 17.01.2013. Die Klägerin begehrt höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 11.07.1966 bis 01.05.1970, 16.05.1970 bis 08.06.1973, 15.06. bis 20.09.1973 und 16.10.1973 bis 19.11.1974 als nachgewiesene, statt glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten
Der Prüfung des geltend gemachten Anspruchs steht nicht schon der bestandskräftige Vormerkungsbescheid vom 15.03.2001 entgegen, mit dem die streitigen Zeiten bereits festgestellt worden sind. Da der Vormerkungsbescheid nicht aufgehoben worden war und sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hatte, sind die dort enthaltenen Regelungen im Hinblick auf ihren Rechtscharakter und den zeitlichen Umfang für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden (BSG 24.04.2014, B 13 R 3/13 R, SozR 4-1300 § 44 Nr 30). Der Vormerkungsbescheid trifft auf der Grundlage des bei seinem Erlass geltenden Rechts Feststellungen über Tatbestände einer rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung, die grundsätzlich in den späteren Rentenbescheid und damit in den Rentenwert eingehen (vgl hierzu BSG 21.02.1985, 11 RA 2/84, BSGE 58, 49 = SozR 1300 § 45 Nr 15). Im Interesse der Versicherten wird hierdurch Klarheit über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Zeiten rentenversicherungsrechtlicher Relevanz geschaffen. Verbindlich festgestellt wird nach alledem im Vormerkungsbescheid sowohl der Rechtscharakter der rentenrechtlichen Zeit als auch deren zeitlicher Umfang (BSG 30.03.2004, B 4 RA 46/02 R, juris).
Da mit Eintritt des Leistungsfalls die beweissichernde Funktion des Vormerkungsverfahrens nach § 149 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entfällt, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid (BSG 06.05.2010, B 13 R 118/08 R, juris). Die Klägerin ist daher nicht gezwungen, zunächst über ein Verfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die entgegenstehenden Feststellungen im Vormerkungsbescheid zu beseitigen, ein solches Verfahren wäre vielmehr sogar unzulässig. Im Rentenbescheid sind sämtliche für die Berechnung der Rente bedeutsamen Zeiten auf der Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgebenden Rechts zu berücksichtigen. Stehen einer solchen Entscheidung Feststellungen eines Vormerkungsbescheids entgegen, sind diese im Rentenbescheid (§ 149 Abs 5 Satz 2 Alt 2 SGB VI) bei rechtswidrig nicht begünstigenden Feststellungen nach § 44 Abs 2 SGB X aufzuheben (BSG 06.05.2010, aaO). Die Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen hier indes nicht vor, denn die Beklagte hat die streitigen Zeiten zutreffend berücksichtigt.
Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Im Übrigen, dh soweit - wie hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Vormerkungsbescheides - nicht die Gewährung von Leistungen im Raum steht, ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wohingegen die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit im Ermessen der Behörde steht (§ 44 Abs 2 SGB X). Die Bestimmung ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.
Rechtsgrundlage der Berechnung des monatlichen Werts der Rente der Klägerin (Monatsbetrag der Rente) ist § 236a SGB VI in Verbindung mit § 63 SGB VI. Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn (1.) die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, (2.) der Rentenartfaktor und (3.) der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Abweichend von § 66 SGB VI sind vorliegend die Entgeltpunkte nach §§ 20, 22, FRG in Verbindung mit § 256b SGB VI zu bestimmen. Zeiten der in den §§ 15 und 16 FRG genannten Art (Beitrags- und Beschäftigungszeiten) werden der allgemeinen Rentenversicherung zugeordnet (§ 20 Abs 1 FRG), soweit die §§ 21 ff FRG nichts Abweichendes bestimmen. So werden nach § 22 Abs 1 Satz 1 FRG für Zeiten der in §§ 15 und 16 FRG genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 SGB VI ermittelt. Danach werden für ein Kalenderjahr einer Vollzeitbeschäftigung die Durchschnittswerte berücksichtigt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum SGB VI genannten Bereiche ergeben.
Die Berücksichtigung der noch streitigen in Kasachstan zurückgelegten Beitragszeiten als lediglich glaubhaft gemachte Zeiten und gekürzte Anerkennung mit 5/6 und nicht als nachgewiesene Zeiten mit Bewertung von 6/6 ist rechtmäßig.
Als anerkannte Vertriebene im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) gehört die Klägerin nach § 1 Buchst a) FRG zum berechtigten Personenkreis nach dem FRG. Nach § 15 Abs 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Sind Beiträge aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit entrichtet, so steht die ihnen zugrunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich (§ 15 Abs 1 S 1 und 2 FRG). Nach § 15 Abs 2 S 1 FRG ist als gesetzliche Rentenversicherung iS des Abs 1 jedes System der sozialen Sicherheit anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen, dh Renten, zu sichern.
Für die Feststellung der dafür erheblichen Tatsachen müssen die Tatsachen nicht - wie sonst im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung - nachgewiesen werden, sondern es genügt nach § 4 Abs 1 FRG, wenn diese Tatsachen lediglich glaubhaft gemacht sind, wenn ihr Vorliegen also nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich ist. Diese Erleichterung in der Beweisführung hat der Gesetzgeber zugunsten der Versicherten eingeführt, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Beschaffung von zum Nachweis solcher Tatsachen erforderlichen Unterlagen aus Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion oder aus anderen osteuropäischen Ländern für teilweise länger zurückliegende Zeiträume mit besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Art verbunden sein kann (vgl BSG 21.04.1982, 4 RJ 33/81, juris Rn 11). Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt (§ 22 Abs 3 FRG).
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies gilt auch für außerhalb der Bundesrepublik eingetretene Tatsachen, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind. Demgegenüber sind nachgewiesen nur solche Tatsachen, von deren Vorliegen das Gericht überzeugt ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Vorliegen der Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Ernsthafte Zweifel dürfen nicht bestehen. Die Regelung des § 22 Abs 3 FRG berücksichtigt, dass bei fehlendem Nachweis von Beitragszeiten in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen können, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten musste oder solche Zeiten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können (BSG 21.08.2008, B 13/4 R 25/07 R, SozR 4-5050 § 26 Nr 1). Die Regelung geht von der Erfahrung aus, dass Beschäftigungszeiten im Allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Nachgewiesen können Beschäftigungs- und Beitragszeiten daher sein, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass im Einzelfall eine höhere Beitrags- oder Beschäftigungsdichte erreicht worden ist. Diese Feststellung lässt sich dann treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischenliegenden Arbeitsunterbrechungen vorliegen und letztere nicht 1/6 erreichen (stRspr BSG 09.11.1982, 11 RA 64/81, SozR 5050 § 15 Nr 23; Senatsurteil 20.07.2010, L 11 R 3478/09).
Die von der Klägerin vorgelegten Archivbescheinigungen reichen nicht aus, um die Überzeugung des Senats davon, dass die Klägerin während ihrer hier streitigen Beitragszeiten zwischen dem 11.07.1966 und 19.11.1974 in Kasachstan eine höhere Beitragsdichte als zu 5/6 erreicht hat, zu begründen. Angaben über das Vorliegen bzw Fehlen von Arbeitsunterbrechungen enthält das Arbeitsbuch der Klägerin nicht. Der Nachweis einer lückenlosen tatsächlichen Beitragsentrichtung während des gesamten bestätigten Zeitraums kann daher mit den Angaben aus dem Arbeitsbuch vorliegend nicht geführt werden.
Für die Zeit vom 11.07.1966 bis 01.05.1970 liegen überhaupt keine Archivunterlagen mehr vor, da diese durch Kanalisationswasser beschädigt worden sind. Dies wurde bestätigt mit Bescheinigung des Klinikums der medizinischen Akademie K., Kasachstan vom 06.05.1998 Nr 133. Für diese Zeit bestehen daher keinerlei Anhaltspunkte für eine andere Wertung als im Kontenklärungsverfahren damals erfolgt. Es muss daher bei den damaligen Feststellungen bleiben.
Für die Zeit vom 16.05.1970 bis 08.06.1973 (anders im Arbeitsbuch: 19.05.1970 bis 12.06.1973) hat die Klägerin zwei Archivbescheinigungen vorgelegt. In der Bescheinigung Nr 4-13/S-115 vom 07.07.2011 wird vom staatlichen Archiv des Kreises A. folgendes bestätigt: Jahre Arbeitstage Kranktage Mutterschaftsurlaub Urlaubstage Unbezahlte Urlaubstage 1970 190 - - - - 1971 305 - - 18 - 1972 - - 112 - - 1973 205 - - - -
In der Bescheinigung derselben Stelle vom 12.10.2012 Nr 04-13/S-187 wird folgendes bestätigt: Jahre Arbeitstage Kranktage Mutterschaftsurlaub Urlaubstage Unbezahlte Urlaubstage 1970 190 - - - - 1971 305 10 - 18 - 1972 78 - 234 - - 1973 205 - - - - Beide Bescheinigungen enthalten den Vermerkt, dass die Dokumente vollständig erhalten und sorgfältig geprüft worden seien.
Während die erste Bescheinigung schon offensichtlich fehlerhafte Angaben enthalten muss für die Jahre 1972 (insgesamt nur 112 Tage bescheinigt) und 1973 (bis 08.06.1973 mehr Arbeitstage bestätigt als theoretisch möglich), findet sich in der zweiten Bescheinigung teilweise eine Korrektur, so für die Jahre 1971 und 1972. Eine Begründung für die abweichenden Angaben findet sich in der zweiten Bescheinigung allerdings nicht, auch die Angaben für 1973 bleiben unverändert nicht plausibel. Dass die Klägerin nachfolgend bis 20.09.1973 beim gleichen Arbeitgeber mit anderer Aufgabenstellung beschäftigt war, erklärt die Angaben nicht, denn die Bescheinigung bezieht sich nach den dortigen Ausführungen ausdrücklich nur auf den Zeitraum bis 08.06.1973. Die Angaben sind widersprüchlich und nicht plausibel, weshalb der Senat nicht davon überzeugt ist, dass die vorgelegten Bescheinigungen die tatsächlichen Arbeitstage, die Kranken-, Urlaubs- und Fehlzeiten vollständig und korrekt wiedergeben und die Klägerin keine weiteren als die dort aufgeführten Krankheits- und Fehlzeiten aufzuweisen hat. Auch wenn es keine Anhaltspunkte gibt, dass es sich um Gefälligkeitsbescheinigungen oder Fälschungen handelt, sprechen die dargestellten Unstimmigkeiten dafür, dass jedenfalls im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Archivunterlagen teilweise unklar oder unvollständig sind und oder die Übertragung nicht zuverlässig erfolgt ist. Die Bescheinigungen sind aus diesem Grund insgesamt nicht geeignet für den Nachweis einer höheren Belegungsdichte als 5/6 im Zeitraum 16.05.1970 bis 08.06.1973 bzw 19.05.1970 bis 12.06.1973. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass sie damals unter einer so starken Pollenallergie gelitten habe, dass sie die Arbeit auf der Entbindungsstation im Frühjahr/Sommer 1973 nicht mehr habe ausüben können mit anschließendem Wechsel in einen anderen Tätigkeitsbereich. Erst nach einem Umzug in die Stadt mit geringerer Pollenbelastung habe sie wieder als Hebamme gearbeitet.
Für die Zeit vom 16.10.1973 bis 19.11.1974 liegt eine Bescheinigung des regionalen Zentrums für Geburtshilfe und Gynäkologie K., Kasachstan vom 05.04.2011 Nr 16-35 vor, in welcher nur bestätigt wird, dass die Klägerin keinen unbezahlten Urlaub, keine Ausbildungstage mit Unterbrechung der Berufstätigkeit, keine Wehrübungen, keine Lehrgänge mit Unterbrechung der Berufstätigkeit und keine Teilzeitbeschäftigung gehabt habe. Über Krankheitszeiten enthält die Bescheinigung überhaupt keine Angaben. Daraus ist nicht zwingend zu schließen, dass keine Krankheitszeiten vorliegen, denn dann hätte eine Bestätigung zu deren Fehlen erfolgen können. Auch diese Bescheinigung kann daher nicht zum Nachweis führen.
Die Klägerin hat nach alledem keinen über die von der Beklagten mit Bescheid vom 15.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.04.2011, abgeändert durch Bescheide vom 03.09.2012 und 17.01.2013 hinausgehenden Anspruch auf höhere Altersrente.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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