L 7 R 1330/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 342/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1330/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1961 geborene Klägerin, die nach eigener Angabe im Jahr 1978 in das Bundesgebiet zuzog, hat keinen Beruf erlernt. Nach einer kurzen beruflichen Tätigkeit Anfang der 90er Jahre und Zeiten der Arbeitslosigkeit war sie zuletzt seit Mai 2000 mit Unterbrechungen sozialversicherungspflichtig als Monteurin in der Montage eines Elektronikunternehmens beschäftigt. Ab Juni 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt und ist seit der krankheitsbedingten Arbeitgeberkündigung zum 31. Juli 2014 arbeitslos (ohne Leistungsbezug, Ablehnungsbescheid der Agentur für Arbeit K.-R. vom 16. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Agentur für Arbeit U. vom 21. Februar 2013). Bei ihr besteht nach Eigenerklärung ein Grad der Behinderung (GdB) von 50.

In der Zeit vom 10. Mai bis 31. Mai 2011 nahm die Klägerin auf Kosten der Beklagten an einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik G. in G. teil, aus der sie - bei Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen - mit einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich für Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Entlassbericht des Facharztes für Innere, Psychosomatische, Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. G. vom 15. Juni 2011; Entlassungsdiagnosen: degeneratives Cervicalsyndrom mit Bandscheibenprotrusion C3-C6, degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie und Adipositas).

Am 27. September 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Versichertenrente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung ärztlicher Befundunterlagen erhob die Beklagte das ärztliche Gutachten der Chirurgin und Phlebologin E. vom 20. November 2013. Ärztin E. gelangte nach Untersuchung der Klägerin am 19. November 2013 zu folgenden Gesundheitsstörungen: chronische Cervico-Brachio-Cephalgien bei degenerativen Halswirbelsäulen-Veränderungen, schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigungen im rechten Schultergelenk bei Zustand nach operativer Behandlung eines Impingement-Syndroms im März 2013, chronisch rezidivierende Lumboischialgien bei Zustand nach operativer Behandlung eines Bandscheibenvorfalls im Jahr 1999, Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie - medikamentös behandelt - sowie Adipositas. Eine abschließende Leistungsbeurteilung solle im Hinblick auf die weitere Diagnostik der Halswirbelsäulenbeschwerden nach Durchführung einer erneuten Rehabilitationsmaßnahme erfolgen. Die Klägerin nahm daraufhin - erneut auf Kosten der Beklagten - an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 18. Dezember 2013 bis 15. Januar 2014 in der Z.-Klinik in St. B. teil. Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin und Sozialmediziner Dr. W. nannte in seinem Entlassbericht vom 27. Januar 2014 folgende Diagnosen: mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule bei Osteochondrosis C5-C7 und relativer Spinalkanalstenose, Impingement-Syndrom der rechten Schulter mit Funktionsbeeinträchtigung bei degenerativen Veränderungen und Restbeschwerden nach subacromialer Dekompression im März 2012, Lumboischialgie mit Restbeschwerden nach Bandscheibenoperation im Jahr 1999 ohne sensomotorische Ausfälle, chronisches Schmerzsyndrom sowie Adipositas Grad I. Leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne die Klägerin unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten. Mit Bescheid vom 6. März 2014 lehnte die Beklagte den klägerischen Rentenantrag sodann ab, da die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht vorlägen. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 19. März 2014 (Bevollmächtigtenschreiben vom 14. März 2014) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten nach Auswertung weiterer ärztlicher Unterlagen und sozialmedizinischer Stellungnahme der Ärztin E. vom 3. November 2014 aus den Gründen des Ausgangsbescheids zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015).

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Februar 2015 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihre schmerzbedingten Einschränkungen aufgrund multipler Erkrankungen verwiesen. Diese ließen eine Erwerbstätigkeit nicht mehr zu. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Die Orthopäden Dres. M./R. haben unter Beifügung diverser ärztlicher Unterlagen u.a. mitgeteilt (Auskunft vom 10. Juni 2015), die Klägerin - zuletzt Ende März 2015 - hauptsächlich wegen Halswirbelsäulenbeschwerden mit operationspflichtigen Veränderungen an Schulter und Ellenbogen mit rezidivierenden Beschwerden im Stütz- und Bewegungsapparat bei Fibromyalgie behandelt zu haben. Es sei nur noch von einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich auszugehen. Allgemeinmediziner und Hausarzt Dr. J. hat - ebenfalls unter Anfügung diverser Befundberichte - angegeben (Auskunft vom 18. Juni 2015), die Klägerin leide an einem chronifizierten Schmerzsyndrom, einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einer arteriellen Hypertonie, einer Zervikobrachialgie sowie einer Fibromyalgie. Es bestehe zudem der Verdacht einer depressiven Erkrankung. Die Leiden lägen "am ehesten" auf orthopädischem Gebiet. "Leichteste Arbeiten im Sinne einer Pförtnertätigkeit" könne die Klägerin seiner Meinung nach noch verrichten. Zum zeitlichen Umfang hat sich Dr. J. nicht erklärt. Fachärztin für Anästhesiologie und Schmerztherapeutin Dr. S. (Oberärztin im Zentrum für Schmerzbehandlung des Klinikums K.) hat im Wesentlichen auf den Entlassbericht des Anästhesiologen und Schmerztherapeuten Dr. D. (Chefarzt des Zentrums) vom 1. August 2014 über die stationäre Behandlung der Klägerin im Zentrum für Schmerzbehandlung des Klinikums K. in der Zeit vom 22. Juli bis 1. August 2014 verwiesen (Blatt 138 bis 141 der SG-Akte). Es hätten danach nur lediglich vier ambulante Vorstellungen im März 2015 stattgefunden. Eine Leistungsbeurteilung sei ihr daher nicht möglich. Das SG hat sodann von Amts wegen das medizinische Sachverständigengutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. B. vom 29. September 2015 erhoben. Dr. B., der die Klägerin am 18. August 2015 exploriert hat, ist in seinem Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet im Wesentlichen zu folgenden Diagnosen gelangt: chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren (anhaltende somatoforme Schmerzstörung), chronisches degenerativ bedingtes cervicales Wirbelsäulensyndrom ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung der Halswirbelsäule und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten, chronisches degenerativ bedingtes thorakales Wirbelsäulensyndrom mit geringgradiger Funktionsbeeinträchtigung der Brustwirbelsäule bei geringfügiger Wirbelsäulenfehlstatik und muskulärer Dysbalance des Rückens und des Rumpfes, chronisches pseudoradikuläres, degenerativ bedingtes lumbales Wirbelsäulensyndrom mit geringgradiger Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule und funktionell unbedeutenden diskreten sensiblen Störungen am linken Fuß ohne motorische Paresen bei Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation im Jahr 1999, geringgradige Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks bei Zustand nach subacromialer Dekompression im März 2013 bei Impingementsyndrom, funktionelles Schulter-Arm-Syndrom beidseits, Zustand nach Dekompression des Nervus ulnaris rechts, Verdacht auf ein subklinisches Sulcus-ulnaris-Syndrom recht, initiale Rhizarthrose und Fingergelenkspolyarthrose beidseits ohne relevante Funktionsbehinderung der Hände, initiale Dysplasiecoxarthrose beidseits ohne Funktionsbehinderung der Hüftgelenke sowie initiale Großzehengrundgelenksarthrose beidseits und Hallux valgus beidseits ohne relevante Funktionsbehinderung der Füße. Leichte körperliche Arbeiten seien der Klägerin unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich möglich und zumutbar. Eine Einschränkung der klägerischen Wegefähigkeit liege nicht vor.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage sodann mit Gerichtsbescheid vom 10. März 2016 - den Bevollmächtigten der Klägerin am 18. März 2016 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG unter näherer Darlegung der rechtlichen Grundlagen ausgeführt, dass die Klägerin auf Grundlage des überzeugenden, schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Dr. B., der als sorgfältiger und erfahrener Gutachter gerichtsbekannt sei, noch angepasste leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Es liege daher weder eine volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Berufsschutz genieße die Klägerin nicht, da sie nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. April 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das Gutachten des Dr. B. werde ihrem Gesundheitszustand nicht gerecht. Bei ihr läge jedenfalls eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich mache. Außerdem habe sich das SG nicht zur Frage einer spezifischen Leistungsbehinderung geäußert.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. März 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 zu verurteilen, ihr ab 1. September 2013 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Gerichtsbescheid des SG und ihre angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 2, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, der Berufungsausschlussgründe nicht entgegenstehen, ist zulässig aber unbegründet. 1. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine solche Rente ab 1. September 2013 (vgl. § 99 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)) und auch nicht ab einem späteren Zeitpunkt. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2015 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

a) Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - (juris Rdnrn. 15 ff.), st. Rspr.). Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) ausweislich des Versicherungskontospiegels vom 14. Oktober 2013 zumindest dann gegeben, wenn eine Erwerbsminderung jedenfalls im Antragsmonat eingetreten wäre.

Nach der im Verwaltungs- und im SG-Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats indes fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich an fünf Tagen pro Woche zu verrichten.

Die Klägerin leidet im Wesentlichen an Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet und zwar insbesondere an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom mit nur geringgradigen Funktionsbeeinträchtigungen ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten bei geringfügiger Wirbelsäulenfehlstatik und muskulärer Dysbalance des Rückens und des Rumpfes sowie funktionell unbedeutenden diskreten sensiblen Störungen am linken Fuß ohne motorische Paresen bei Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation im Jahr 1999, an einer geringgradigen Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks bei Zustand nach subacromialer Dekompression im März 2013 bei Impingementsyndrom, an einem funktionellen beidseitigen Schulter-Arm-Syndrom sowie an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Dies stützt der Senat auf das schlüssige und nachvollziehbare Sachverständigengutachten des Dr. B. vom 29. September 2015, auf das urkundenbeweislich verwertbare Gutachten der Ärztin E. vom 20. November 2013 sowie auf die - ebenfalls im Wege des Urkundenbeweis verwertbaren - Entlassberichte des Dr. W. vom 27. Januar 2014 und des Dr. G. vom 15. Juni 2011. Darüber hinausgehende, wesentliche, sozialmedizinisch relevante Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet, die länger als voraussichtlich sechs Monate andauern (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI) und geeignet wären, eine Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen, liegen zur Überzeugung des Senats nach Würdigung des übrigen Akteninhalts nicht vor, zumal Diagnosen für sich gesehen - ebenso wie bloße Verdachtsdiagnosen - schon von vornherein nicht maßgeblich sind, da es alleine auf nachgewiesene objektive Funktionsbeeinträchtigungen anhand objektiv-klinischer Befunde ankommt (vgl. zu alledem nur Senatsurteile vom 7. Juli 2016 - L 7 R 370/15 - (www.sozialgerichtsbarkeit.de) und 17. März 2016 - L 7 R 5297/14 - (n.v.), jeweils m.w.N.).

Ferner leidet die Klägerin an einem Diabetes mellitus, einer medikamentös behandelten arteriellen Hypertonie sowie an einer Adipositas. Dies entnimmt der Senat den vorliegenden ärztlichen Gutachten, den genannten Entlassberichten und der Auskunft des Dr. J. vom 18. Juni 2015.

Der Umstand, dass insbesondere Dr. J. (Auskunft vom 18. Juni 2015) darüber hinaus von einem Fibromyalgiesyndrom bei der Klägerin ausgeht, ist bereits durch die Feststellung einer bestehenden anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, also einer körperlichen Gesundheitsstörung bei nicht ausreichend erklärbarem Schmerzerleben, berücksichtigt und fließt in die Beurteilung ein; auf die diagnostische Zuordnung der Beschwerden bzw. die Namensgebung kommt es rentenrechtlich nicht an (siehe dazu bereits Senatsurteil vom 12. Mai 2016 - L 7 R 2061/14 - sowie LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. Juli 2016 - L 4 R 1631/15 - und Urteil vom 21. Juni 2016 - L 11 R 779/15 - (alle www.sozialgerichtsbarkeit.de)).

Nicht überzeugen kann sich der Senat davon, dass die Klägerin weitergehend an einer erheblichen, manifesten seelischen Störung leidet. Unabhängig davon, dass Dr. J. (fachfremd) lediglich den Verdacht einer depressiven Erkrankung ohne Angabe entsprechender Befunde geäußert hat (zu Verdachtsdiagnosen s. bereits oben), steht die Klägerin ersichtlich nicht einmal in fachpsychiatrischer Behandlung und war auch nur lediglich viermal im März 2015 in schmerztherapeutischer Behandlung - dies stützt der Senat auf die Auskunft der Dr. S. vom 29. Juni 2015 -, was schon einen entsprechenden Leidensdruck vermissen lässt. Darüber hinaus zeigte sich bei der Klägerin weder im Rahmen des Heilverfahrens im Mai 2011 noch in der stationären Rehabilitationsmaßnahme Ende 2013/Anfang 2014 ein auffälliger psychopathologischer Befund, was der Senat den Entlassberichten des Dr. W. vom 27. Januar 2014 und des Dr. G. vom 15. Juni 2011 entnimmt. Bei der Untersuchung durch Ärztin E. am 19. November 2013 bestand lediglich eine leichte subdepressive Grundstimmung, was dem Gutachten vom 20. November 2013 zu entnehmen ist. Bei der Exploration durch Dr. B. am 18. August 2015 war die klägerische Stimmungslage ausgeglichen bis allenfalls gering herabgemindert bei gleichzeitigem vollumfänglichen Erhalt der affektiven Schwingungsfähigkeit. Störungen der zeitlichen, örtlichen, situativen und personalen Orientierung zeigten sich nicht. Der klägerische Denkablauf war inhaltlich und formal korrekt, die Klägerin war freundlich zugewandt und kooperativ. Dies stützt der Senat auf das Gutachten des Dr. B. vom 29. September 2015.

Unter Zugrundelegung der genannten, hier festgestellten Gesundheitsstörungen ergeben sich zur Überzeugung des Senats keine zeitlichen Leistungseinschränkungen. Die Klägerin ist vielmehr seit September 2013 - und seither durchgehend - noch in der Lage, jedenfalls leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung auf dem allgemeine Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben. Zu vermeiden sind Arbeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über acht bis zehn Kilogramm ohne mechanische Hilfsmittel, in Zwangshaltungen, mit häufigem Knien oder Hocken, Überkopfarbeiten und solche über horizontalem Schulterniveau, Arbeiten unter Einfluss von Teil- oder Ganzkörperschwingungen, mit besonderen Anforderungen an die Feinmotorik und das taktile Geschick der Hände, Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Kraftentfaltung und volle Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände, auf Leitern und Gerüsten, mit häufigem Treppensteigen, an gefährdenden Maschinen, auf unebenem Untergrund, unter Nässe-, Kälte- und Zugluftexposition, unter Zeitdruck und hoher Stressbelastung sowie Tätigkeiten mit hoher Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung. Dies alles stützt der Senat auf das Gutachten des Dr. B. vom 29. September 2015 sowie auf die Entlassberichte des Dr. W. vom 27. Januar 2014 und des Dr. G. vom 15. Juni 2011.

Namentlich Dr. B. hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Klägerin lediglich die genannten qualitativen, nicht jedoch quantitative Leistungseinschränkungen bestehen. Bei der Untersuchung durch Dr. B. zeigte die Klägerin ein hinkfreies, flüssiges und raumgreifendes Gangbild. Sie trug handelsübliches Konfektionsschuhwerk ohne Einlagen und benutzte auch im Übrigen keine anderen orthopädischen Hilfsmittel. Das An- und Auskleiden gelang ihr flüssig und selbstständig ohne fremde Hilfe und ohne Ausweich- oder Schonhaltungstendenzen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule war - bei Angabe eines lediglich endgradigen Bewegungsschmerzes - frei, die der Brust- und Lendenwirbelsäule nur bezüglich der Seitneigung geringgradig eingeschränkt. Im Bereich der Rumpfwirbelsäule ergab sich eine bloß geringfügige Entfaltungsstörung. Die Muskel- und Gelenkkonturen der oberen Gliedmaßen der Klägerin wiesen keine grobe Seitendifferenz auf. Bei der palpatorischen Untersuchung äußerte die Klägerin bei insgesamt zu beobachtenden Verdeutlichungstendenzen eine Druckdolenz im Bereich beider Schultergelenke, der Ellenbogen, der Arme, der rechten Hand, der Knie- und Hüftgelenke. Der "Cross-Body-Griff" war seitengleich frei und schmerzlos, der Nacken- und Schürzengriff lediglich rechts graduell eingeschränkt, im Übrigen frei und schmerzlos vorführbar. Sowohl der Spitzgriff als auch der Faustschluss und Händedruck waren unbehindert möglich und ausreichend kräftig. Im Bereich des linken Schultergelenks ergab sich lediglich eine geringe Bewegungseinschränkung bei endgradigem Bewegungsschmerz. Das linke Schultergelenk war - wie auch die kleinen und großen Gelenke der oberen Gliedmaßen - schmerzlos frei beweglich. Nämliches zeigte sich hinsichtlich der Gelenke der unteren Extremitäten. Insbesondere ergab sich kein Anhalt für Kniegelenksergüsse, Schwellungen, Ödeme oder Resistenzen. Die Fußpulse ließen sich seitengleich unauffällig tasten. Ihre Motorik, grobe Kraft und Sensibilität waren unauffällig. Die Klägerin konnte die Tiefhocke unauffällig einnehmen und sich frei und ohne Abstützen der Arme wieder aufrichten. Auch der Fersen- und Zehengang waren seitengleich sicher ohne Paresen vorführbar; die Klägerin konnte sämtliche abgeforderten Transfers prompt und mühelos absolvieren. Das Lasègue- und Wassermannzeichen war jeweils seitengleich negativ, so dass die Klägerin auch in der Lage war, den Langsitz einzunehmen und längere Zeit schmerzfrei zu halten. Dies alles entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. B. vom 29. September 2015. Auch bei der Untersuchung der Klägerin im Rahmen der stationären Behandlung im Zentrum für Schmerzbehandlung in der Zeit vom 22. Juli bis 1. August 2014 verfügte die Klägerin über ein normales Gangverhalten ohne Störungen der Motorik und Sensibilität. Es ergab sich bereits seinerzeit kein Anhalt für einen (erneuten) Bandscheibenvorfall oder für eine höhergradige spinale bzw. neuroforaminale Einengung respektive für eine Myelopathie, sondern lediglich geringgradige Veränderungen der Halswirbelsäule. Außerdem gab die Klägerin an, dass die ihr verordnete Medikation zu einer Schmerzlinderung führe und zwischenzeitlich auch gut vertragen werde. Dies entnimmt der Senat dem urkundenbeweislich verwertbaren Entlassbericht des Dr. D. vom 1. August 2014.

Die entgegenstehende Leistungseinschätzung der Dres. M./R. (Auskunft vom 10. Juni 2015) überzeugt den Senat schon deshalb nicht, weil sie mangels Begründung nicht nachvollziehbar ist und die Ärzte auch keine Funktionseinschränkungen anhand objektiv-klinischer Befunde mitgeteilt, sondern lediglich Diagnosen aufgezählt haben. Nämliches gilt hinsichtlich der "Ärztlichen Atteste" des Dr. J. vom 20. Mai und 2. Juli 2014, zumal er sich fachfremd äußert und eine zeitliche Limitierung für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in seiner Auskunft vom 18. Juni 2015 nicht angenommen hat. Ob die Klägerin noch in der Lage ist, in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf zu arbeiten, ist ebenso wenig relevant wie die subjektive Leistungseinschätzung der Klägerin.

Kann die Klägerin somit zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben, ist sie nicht voll und auch nicht teilweise erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ihr ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

b) Es bestehen schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung (statt vieler nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - (juris Rdnr. 26), st. Rspr.) vorliegt. Insbesondere ist eine Einschränkung der sog. Wegefähigkeit (dazu nur BSG, Urteil vom 28. August 2002 - B 5 RJ 12/02 R - (juris Rdnr. 12)) nicht gegeben, was der Senat auf das Gutachten des Dr. B. vom 29. September 2015 stützt. Auch die übrigen im Verfahren gehörten Ärzte haben eine Einschränkung der klägerischen Wegefähigkeit nicht beschrieben.

Die Klägerin benötigt hinsichtlich des bei ihr bestehenden Diabetes mellitus auch keine betriebsunüblichen Arbeitspausen (s. dazu statt vieler nur BSG, Urteil vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97 - (juris Rdnr. 31) m.w.N.). Soweit im Entlassbericht des Dr. W. vom 27. Januar 2014 ausgeführt wird, der Klägerin sollten regelmäßige Pausen eingeräumt werden, lässt sich daraus eine Betriebsunüblichkeit nicht ableiten. Die regelmäßig erforderliche Blutzuckereinstellung und die gegebenenfalls notwendige zusätzliche Verpflegung ist vielmehr jederzeit im Rahmen der persönlichen Verteilzeiten ohne unübliche Arbeitspausen möglich (vgl. dazu §§ 4, 7 des Arbeitszeitgesetzes sowie Senatsurteil vom 15. Mai 2008 - L 7 R 954/07 - und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Januar 2016 - L 11 R 1657/15 - m.w.N. (jeweils www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Dem Entgegenstehendes im Falle der Klägerin ist weder vorgebracht noch sonst ersichtlich.

Schließlich bedarf es vorliegend entgegen dem Berufungsvorbringen auch nicht der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, denn dies ist nur ausnahmsW. erforderlich (BSG, Urteil vom 14. September 1995 - 5 RJ 50/94 - (juris Rdnr. 44); Senatsurteile vom 17. März 2016, a.a.O., und 31. Januar 2013 - L 7 R 2568/11 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2015 - L 10 R 1849/14 - (beide www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeiten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, BSG, Urteil vom 27. April 1982 - 1 RJ 132/80 - (juris Rdnr. 17) m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher W. eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten unter Ausschlusses von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind, bei Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen sowie bei Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen (Senatsurteil vom 31. Januar 2013, a.a.O., m.w.N. zur Rspr.; vgl. auch BSG, Urteil vom 27. April 1982 - 1 RJ 132/80 - (juris Rdnr. 19); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2015, a.a.O.). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die verminderte Belastbarkeit von Armen und Schultern sowie der Wirbelsäule mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden. Namentlich reduzieren die Einschränkungen bezüglich wechselnder Körperhaltung, dem Heben, Tragen und Bewegen schwerer und mittelschwerer Lasten, der vollen Beweglichkeit beider Schultergelenke, der Tätigkeiten mit kraftvoller Beanspruchung der Arme und Schultern, körperferner Arbeiten, Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Kraftentfaltung und volle Gebrauchsfähigkeit der Arme und Hände, feinmotorische Arbeiten und solche über Brusthöhe das gesundheitliche Vermögen zur Verrichtung leichter Tätigkeiten nicht in außergewöhnlicher Weise. Dies ergibt sich bereits daraus, dass insoweit im Wesentlichen nur überdurchschnittliche, besondere Belastungen zu vermeiden sind, die definitionsgemäß für leichte Arbeiten gerade nicht prägend sind (Senatsurteil vom 17. März 2016, a.a.O.; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2015, a.a.O.).

c) Weitere Ermittlungen von Amts wegen haben sich dem Senat nicht aufgedrängt. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; das Gutachten des Dr. B. sowie die übrigen aktenkundigen ärztlichen Äußerungen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (vgl. für den Sachverständigenbeweis § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 der Zivilprozessordnung). Weitere Beweiserhebungen von Amts wegen waren daher nicht angezeigt.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nach alledem nicht zu beanstanden, so dass die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

3. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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