L 6 VG 1964/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 VG 8675/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 1964/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. März 2014 insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 verurteilt wurde, bei der Klägerin über den Zeitraum vom 10. Oktober 2007 (Tatzeitpunkt) bis zum 30. April 2009 hinweg eine "psycho-reaktive Störung" als Schädigungsfolge anzuerkennen und eine Verletztenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 30 zu gewähren.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Anerkennung einer psychoreaktiven Störung als weiterer Schädigungsfolge und Gewährung einer Verletztenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2009.

Die 1969 geborene Klägerin türkischer Herkunft lebt seit 1973 in Deutschland. Sie ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern, der jüngste Sohn ist im Winter 2009 mit einer Alkoholvergiftung auf offener Straße zusammengebrochen, weswegen sie von der Polizei aufgesucht wurde. Ihr türkischer Ehemann, ein Cousin, hat ebenfalls Alkoholprobleme, ist nur im Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung und geht keiner Tätigkeit nach. Die Lernbehindertenschule schloss die Klägerin in Deutschland mit dem Hauptschulabschluss ab. Nach Montage- und Nähertätigkeiten war sie zuletzt mehrere Jahre als Busfahrerin in Vollzeit tätig. Seit dem Vorfall im Oktober 2007 arbeitet die Klägerin nicht mehr. Sie bezog für 18 Monate Verletztengeld und erhält seither Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II, vgl. Angaben der Klägerin Bl. 94 f. SG-Akte).

Die Klägerin wurde in den frühen Morgenstunden des 10. Oktober 2007 auf dem Weg von einem Parkplatz, auf dem sie ihr privates Fahrzeug abgestellt hatte, zu ihrer eigentlichen Arbeitsstätte, einem Omnibusunternehmen, von einer bislang unbekannten, vermummten Person angegriffen. Diese schlug mit einem massiven stumpfen Gegenstand auf sie ein und traf zunächst ihr Hinterteil und die Beine. Nachdem die Klägerin dadurch zu Fall gekommen war, schützte sie sich gegen die nun von oben kommenden Hiebe insbesondere mit dem linken Unterarm. Nach einem Protestruf eines Zeugen aus der Nachbarschaft ließ der Täter von der Klägerin ab und flüchtete unerkannt (Vernehmungsprotokoll der Klägerin, Bl. 49 f. der Ermittlungsakte).

Im D-Arztbericht der Kreiskliniken Esslingen vom 10. Oktober 2007, wohin die Klägerin anschließend bei vollem Bewusstsein mit dem Krankentransport zur ambulanten Behandlung gebracht worden war, wurden zunächst die Diagnosen Ulnaparierfraktur links, multiple Prellungen und Schürfungen festgestellt. Der Schädel sei nicht getroffen worden, Bewusstlosigkeit habe keine bestanden. Es erfolgte die Naht einer Platzwunde sowie eine konservative Therapie der Ulnafraktur. Die Klägerin wurde nach einer darauf folgenden stationär-chirurgischen Behandlung im Klinikum Esslingen am 17. Oktober 2007 entlassen. Im Entlassungsbericht wurden neben der Ulnaparierfraktur, Platzwunden links infrapatellar und rechts an der Schienbeinkante, diverse Hämatome nach Prellungen beider Beine und - nach einem psychosomatischen Konsil in dem Klinikum vom 11. Oktober 2007 - eine akute Belastungsreaktion nach traumatischem Ereignis diagnostiziert.

Der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG), leitete ein Verfahren ein. In der Folge erhielt die Klägerin Verletztengeld bis zum 7. April 2009 und darauf vom 8. April bis 31. Dezember 2009 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 von Hundert (v.H.) und vom 1. Januar bis 10. Oktober 2010 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart mit dem Aktenzeichen 112 UJs 6110/07 wegen versuchten Totschlags gegen Unbekannt wurde letztlich mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, da ein Täter nicht zu ermitteln gewesen sei.

Mit Datum vom 24. Oktober 2007 wurde ein nervenärztlicher Befundbericht von Dr. R., Ostfildern, erstellt. Darin wurde die Diagnose des Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gestellt. Der Nervenarzt Dr. H. führte am 16. Januar 2008 aus, dass die Planungen zu einer Psychotherapie bei der Klägerin ambivalent seien und bei weiter positivem Verlauf auf eine umfangreiche Psychotherapie wohl verzichtet werden könne. Psychisch sei unter Medikation eine gewisse Stabilisierung eingetreten.

Die Klägerin stellte am 21. Januar 2008 einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung bei dem Beklagten.

In dem Bericht der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin im Klinikum Esslingen von Dr. G. vom 31. Januar 2008 nach ambulanter Vorstellung der Klägerin wurde angeführt, dass es nach dem Überfall im Oktober 2007 zu einer PTBS mit intrusivem Syndrom gekommen sei. Erinnerungen, Ängste, Gereiztheit, Schlafstörungen, sozialer Rückzug, phobisches Vermeidungsverhalten und Somatisierung stünden im Vordergrund der Beschwerden. Eine stationäre psychotherapeutische Behandlung wurde empfohlen.

Dipl.-Psych. B. berichtete am 18. Februar 2008 u.a. von Flash-Backs, Konzentrationsstörungen, Albträumen, Ein- und Durchschlafstörungen, Erschöpfungszuständen, Ängsten und Hypervigilanz als anhaltender Folge der Traumatisierung im Oktober 2007.

In dem Befundbericht der psychotraumatologischen Ambulanz der BG-Klinik in Tübingen, Dipl.-Psych. B., vom 25. Februar 2008 wurde angegeben, dass von einem Vorliegen einer unfallabhängigen PTBS auszugehen sei. Alle wichtigen Diagnosekriterien lägen vor. Die psychometrischen Ergebnisse würden die Diagnose in hohem Maße stützen. Eine stationäre psychotherapeutische Maßnahme wurde empfohlen.

In der Zeit vom 2. April bis 11. Juni 2008 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der M.-B.-Klinik in Königsfeld, einer Klinik für Psychosomatik und Ganzheitsmedizin. Als psychopathologischem Aufnahmebefunde wurde von einer allseits orientierten, bewusstseinsklaren, sehr selbstbewussten und gleichgültigen, unterschwellig aggressiv und fordernden Klägerin berichtet, die unruhig und angespannt gewirkt habe, über Flashbacks und Intrusionen berichtet habe. Die Schwingungsfähigkeit sei leicht eingeschränkt gewesen, eine psychotische Symptomatik oder Denkstörungen hätten nicht bestanden. In der Klinik wurden eine PTBS und Eisenmangelanämie diagnostiziert. Die Klägerin wurde mit einem stabileren psychischen Befinden entlassen, sie sei weiterhin behandlungsbedürftig und benötige eine ambulante Psychotherapie.

Weitere Berichte von Dr. B.-Sch. vom 13. Juni 2008, wonach sich der psychische Zustand nach Entlassung aus der M.-B.-Klinik nicht gebessert habe, und vom Nervenarzt Dr. H. vom 17. Juli 2008, wonach die bisherigen Maßnahmen keine wesentliche Besserung bewirkt hätten und Symptome wie Angst, Anspannung, Schreckhaftigkeit und Misstrauen weiter ausgeprägt vorhanden seien, folgten.

In dem MRT des Schädels vom 15. Oktober 2008 vom Radiologen Dr. P. wurden Marklagernarben beidseits frontal, subkortikal rechts betont beschrieben. Die Veränderungen könnten prinzipiell posttraumatischer Natur sein. Eindeutige Malignitätskriterien seien nicht nachweisbar.

In dem auf Veranlassung der BG erstellten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. St. vom 8. Mai 2009 aufgrund einer Untersuchung am 4. Mai 2009 wurde ausgeführt, dass die Klägerin nach ihren Angaben ein andauerndes intensives Wiedererleben des Ereignisses verneint habe. Etwa einmal in der Woche denke sie noch an den Vorfall. Albträume von dem Ereignis habe sie nie gehabt. Handeln und Fühlen, als ob das Ereignis wiederkehren werde, würden verneint. Eine intensive psychische und körperliche Reaktion bei Konfrontation mit dem Ereignis werde negiert und sei auch auf der Verhaltensebene nicht zu beobachten. Bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen und Gesprächen über das Ereignis werde verneint, ein bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die die Erinnerung daran wachriefen, ebenfalls. Allerdings habe sie Angst vor einem erneuten Überfall, gehe deswegen auch nicht alleine heraus. Auf Befundebene bestünde keine Konzentrationsstörung. Übermäßige Wachheit und Schreckhaftigkeit würden nicht beklagt und seien auch nicht zu bemerken. Psychisch bestünden keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, die Stimmungslage sei ausgeglichen und die affektive Schwingungsfähigkeit regelrecht. Die Affektäußerung sei normal. Die Diagnose PTBS der M.-B.-Klinik sei weder aufgrund der mitgeteilten Beschwerden noch der Befunde nachzuvollziehen. Der psychiatrische Befund sei vollkommen unauffällig gewesen. Für eine PTBS hätten sich weder auf Befund- noch auf Beschwerdeebene entsprechend der DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) IV-TR HinW. ergeben. Eine psychische Initialreaktion dem A2-Kriterium entsprechend habe sicher nicht vorgelegen. Die jetzt vorgetragenen Beschwerden seien diffus und nicht charakteristisch für eine PTBS. Bei der Untersuchung hätten sich mangelnde Kooperation und Aggravation gezeigt. Auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet lägen Unfallfolgen nicht vor.

In dem psychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psych. Th. vom 8. Mai 2009 wurden HinW. auf eine massive Verdeutlichungstendenz und Aggravation gefunden. Die Angaben der Klägerin seien daher nicht interpretierbar.

Psychotherapeut Dr. H. führte in seinem Bericht vom 7. Juli 2009 23 traumaspezifische Einzeltherapiesitzungen an. Neben einer Angstsymptomatik und wiederkehrenden Flashbacks bestünden psychische Befindlichkeiten, die mit einer Abwehr von Affekten verbunden seien.

Im weiteren für die BG erstellten ersten Rentengutachten des Chirurgen Prof. Dr. W. vom 15. Juli 2009 wurde angegeben, dass sich eine Verdeutlichungstendenz der Klägerin gezeigt habe. Der Bruch im Schaftbereich der Elle sei regelhaft ausgeheilt. Es bestünden endgradige Bewegungseinschränkungen im Handgelenk links und eine reizlos verheilte Narbe. Auf unfallchirurgischem Fachgebiet liege keine MdE vor.

Darauf erließ der Beklagte mit Datum vom 17. September 2009 einen Erstanerkennungsbescheid nach dem OEG. Die Klägerin sei am 10. Oktober 2007 Opfer einer Gewalttat im Sinne des OEG geworden. Als Folgen einer Schädigung wurden anerkannt: Endgradige Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, und zwar hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG. Der dadurch bedingte GdS betrage 10. Ein Wert von mindestens 25 werde nicht erreicht, weshalb der Klägerin keine Beschädigtengrundrente zustehe.

Hiergegen erhob Klägerin Widerspruch und wies darauf hin, dass in keiner Form auf ihre psychischen Folgen der Schädigung eingegangen worden sei. Sie leide nunmehr an traumatischen Angstzuständen und sei aus diesen Gründen nicht in der Lage, ihren früheren Beruf als Busfahrerin auszuüben. Es gehe hier nicht alleine um eine Handverletzung, sondern alles sei sehr viel komplexer.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 zurück. Die bei der Klägerin als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung sei unter Berücksichtigung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zutreffend mit einem GdS von unter 25 bewertet. Es läge nur eine geringfügige Funktionseinschränkung im linken Handgelenk vor. Alle anderen Verletzungsfolgen seien abgeklungen. Alle darüber hinaus vorliegenden Gesundheitsstörungen könnten nicht mit der vom Gesetzgeber geforderten Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis zurückgeführt werden. Ein Anhalt für eine dauerhafte schädigungsbedingte psychische Störung liege nicht vor. Eine krankheitswertige seelische Störung im Sinne eines Dauerschadens sei durch das neurologisch-psychiatrische BG-Gutachten vom 8. Mai 2009 ausgeschlossen worden.

Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben am 21. Dezember 2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie unter Hinweis auf ihre psychische Gesamtsituation seit dem Unfall eine erhebliche Beeinträchtigungen für den nervenärztlichen Bereich angeführt.

Der behandelnde Psychiater und Psychotherapeut Dr. H. hat dem SG am 12. Oktober 2011 mitgeteilt, dass die vorliegende Symptomatik der Diagnose einer PTBS entspreche. Eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung sei eingeleitet worden. Die Symptome seien bei der Klägerin im Verlauf etwas besser geworden. Der Psychotherapeut Dr. H. hat am 25. Oktober 2011 von weiterhin bestehenden beeinträchtigenden Symptomen berichtet.

Das SG hat aus dem parallelen Klageverfahren der Klägerin gegen die BG (Az. S 6 U 4254/10) u.a. das dort von Amts wegen eingeholte psychiatrische Gutachten von Dr. Sch. vom 6. Juni 2012 beigezogen. Aufgrund zweier ausführlicher Explorationen hat dieser festgehalten, dass die Klägerin durch negative Antwortverzerrungen und instruktionswidrige Anstrengungsminderleistungen massive Verdeutlichungstendenzen in Bezug auf ein ganzes Spektrum von kognitiven, emotional und neurologischen Symptomen gezeigt habe. Jenseits solcher Aggravationszeichen sei ein ganzes Sammelsurium von psycho-pathologischen Auffälligkeiten des Verhaltens und des berichteten Erlebens zur Darstellung gekommen. Die Symptombilder seien vielgestaltig und teils bizarr zu nennen. Die Kriterien der Nomenklatur der International Classification of Diseases (ICD-10-Kriterien) für eine PTBS seien bei der hiesigen Untersuchung nicht mit der hinreichenden Klarheit erfüllt. Das B- oder Wiedererinnerungskriterium, das C- oder Vermeidungskriterium und das D- oder Hypersensivitätskriterium lägen nicht vor. Zwar habe die Klägerin von Albträumen berichtet, diese seien jedoch nicht traumaspezifischen Inhalts gewesen. VermeidungsverhaltensW.n in Bezug auf das Ereignis seien ausdrücklich negiert worden. Zeichen von Reizbarkeit, Wutausbrüchen oder Hypervigilanz seien auf Befundebene nicht zu verifizieren gewesen. Nach den für den damaligen psychopathologischen Befund überzeugenden Darstellungen von Prof. Dr. St. habe auch zum Zeitpunkt seiner ambulanten nervenärztlichen Untersuchung im Mai 2009 eine PTBS nicht mehr bestanden. Die Klägerin trage seit Jahren ein Amulett von ihrem Hodscha mit einem handschriftlichen arabischen Text gegen Ängste. Sie beschäftige sich mit leichten Hausarbeiten, spiele PC-Spiele und habe einen Facebook-Account, pflege die Freundschaft mit ihrer Nachbarin. Sie berichte, nur auf Aufforderung zu essen, habe aber Übergewicht. Der Gutachter Dr. Sch. hat eine kombinierte dissoziative Störung und Somatisierungsstörung sowie einen Zustand nach PTBS diagnostiziert. Die bei der Untersuchung prominenten psychopathologischen Funktionsstörungen hätten sich unter Einwirkung von nicht-schädigungsbedingten, massiven und anhaltenden Belastungsmomenten aus dem privaten Umfeld entwickelt. Die Sorge um einen der Söhne der Klägerin sei eskaliert. Jener sei nach Alkoholvergiftung im Winter 2009 in die Intensivstation eines Krankenhauses eingeliefert worden, nachdem er zusammengebrochen sei. Diese Sorge um den Sohn stelle eine massive emotionale Belastung dar, so dass ab etwa Anfang 2009 eine psychische Massivbelastung hinzugekommen sei. Seit diesem Zeitpunkt sei eine kombinierte dissoziative Störung zu diagnostizieren. In der Kausalitätsbeurteilung seien weitere Belastungen neben dem Schädigungsereignis zu berücksichtigen, hier insbesondere der Alkoholmissbrauch und die Gewalttätigkeit des Ehemannes sowie die soziale Desintegration des jüngsten Sohnes. Die kombinierte dissoziative Störung ab etwa Anfang 2009 sowie eskalierende körperlich-funktionelle Störungen ab 2008 seien nicht mehr im Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Schädigungsereignis zu sehen, wohl aber mit eskalierenden intrafamiliären Belastungen. Die zum Untersuchungszeitpunkt prominente psychopathologische Funktionsstörung sei unter Einwirkung von nicht-schädigungsbedingten, massiven und anhaltenden Belastungsmomenten aus dem privaten Umfeld entstanden. Rückblickend sei bei der Klägerin ab dem Schädigungsereignis zunächst eine relevante psychopathologische Symptomatik feststellbar gewesen, zunächst wenige Tage eine akute Belastungsreaktion und dann eine PTBS, die sich dann jedoch zurückgebildete, während eine andere Psychopathologie gegriffen habe. Aus dem Aktenmaterial habe sich hinreichend gesichert eine akute Belastungsreaktion ergeben. Genauso sei die im Aktenmaterial bereits in der Frühphase von fachärztlicher Seite diagnostizierte PTBS nachvollziehbar. Insofern bestehe eine gewisse Differenz zur retrospektiven Einschätzung der psychopathologischen Entwicklung durch Prof. Dr. St ... Zumindest zum Zeitpunkt Anfang Mai 2009 habe eine PTBS aber nicht mehr vorgelegen. Unter Berücksichtigung eines Konsensuspapiers sowie des Störungsbildes bei der Klägerin komme er für die von ihm festgestellten Beeinträchtigungen insgesamt zu einer MdE von 30. Die Symptomatik sei jedoch dann zurückgegangen und die MdE damit reduziert worden. Jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. St. am 4. Mai 2009 seien eine PTBS und damit eine unfallbedingte MdE nicht mehr nachzuW.n. Beeinträchtigungen in der Folgezeit seien danach als nicht unfallbedingt zu betrachten.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ein psychosomatisch-psychotraumatologisches Gutachten bei Dr. S. eingeholt. Er hat am 11. Dezember 2013 ausgeführt, Prof. Dr. St. sei kein kompetenter Umgang mit der Thematik einer PTBS zuzusprechen. Die Möglichkeit einer retrograden Amnesie werde von diesem nicht diskutiert. Dessen Gutachten erscheine als reines Zweckgutachten ohne weiteren Erkenntnisgewinn. Auch das Gutachten von Dr. Sch. sei in sich widersprüchlich. Die von diesem diagnostizierte dissoziative Störung sei in der Regel als Traumafolgestörung zu verstehen. Das Trauma im vorliegenden Fall sei konkret bewiesen. Das Abstellen auf den Konflikt mit dem Sohn sei keine auch nur annähernde Erklärungsmöglichkeit. Der Gutachter Dr. S. ist zu den Diagnosen einer ängstlich-depressiven Störung und eines Frontalhirnsyndroms bei chronifizierter Trauma-Folgestörung mit persistierender posttraumatischer Schmerzsymptomatik aufgrund eines Misshandlungsereignisses gekommen. In den differenzialdiagnostischen Überlegungen hat er eine typische chronifizierte komplexe Traumafolgestörung hervorgehoben. Das Frontalhirnsyndrom sei mit hoher Wahrscheinlichkeit traumatisch bedingt. Inwieweit diese traumatische Schädigung des Frontalhirns auf das Ereignis vom 10. Oktober 2007 zurückzuführen sei, lasse sich retrospektiv zweifellos jedoch nicht mehr klären. Es sei zudem eine teilW. Amnesie für das Ereignis bei der Klägerin zu berücksichtigen. Unmittelbar nach dem Trauma sei keine MRT-Untersuchung des Schädels erfolgt, diese sei erstmals ein Jahr nach dem Ereignis durchgeführt worden. Die Verneinung der Diagnose PTBS von Prof. Dr. St. könne aus pychotraumatologischer Sicht nicht nachvollzogen werden könne. Es erscheine zudem hochgradig unwahrscheinlich, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. St. die Klägerin psychiatrisch unauffällig gewesen sei. Die von Dipl.-Psych. Th. angewandten Testverfahren seien zum Nachweis oder Ausschluss einer PTBS ungeeignet. Dr. Sch. habe der Klägerin nicht geglaubt und es sei ihm nicht gelungen, eine Vertrauensbasis für eine adäquate Untersuchung herzustellen. Er habe vielmehr nach anderen Ursachen aus dem privaten Umfeld gesucht. Es falle auf, dass Dr. Sch. in allen Bereichen die Symptomatik einer chronifizierten Trauma-Folgestörung beschreibe, um dann zu schlussfolgern, dass keine PTBS (mehr) vorliege. Die Existenz einer komplexen Trauma-Folgestörung werde nicht diskutiert. Es sei vielmehr eine dissozial-delinquente Entwicklung des Sohnes als Ursache angenommen worden. Es wäre vielmehr naheliegend gewesen, aufgrund der vorbestehenden Störung der Mutter, also der Klägerin, die Kausalität hier umgekehrt zu betrachten, nämlich, dass der Sohn angesichts der Dekompensation seiner Mutter selbst destabilisiert worden sei. Im Hinblick auf die Beschwerdedarstellung sei nicht allein nach Kongruenz zu fragen, es müsse im Gegenteil Dissimulation annehmen. Insgesamt lägen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine chronifizierte komplexe Trauma-Folgestörung und vermutlich eine hirnorganische Schädigung vor. Spätestens seit dem Jahr 2008, dem Zeitpunkt der Chronifizierung und körperlichen Manifestation, sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer von einer Beeinträchtigung der Klägerin ohne zeitliche absehbare Grenze auszugehen. Bei der Trauma-Folgestörung sei eine Wertung mit 70 angezeigt, bei der Hirnschädigung mit 50, so dass insgesamt ein GdS von 80 vorliege.

Der Beklagte ist dem Gutachten von Dr. S. über seinen versorgungsärztlichen Dienst entgegengetreten. Eine hirnorganische Schädigung im Sinne eines Frontalhirnsyndroms in ursächlichem Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis sei nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit feststellbar. Sowohl im Bericht der Kliniken Esslingen vom 10. Oktober 2007 wie auch im Entlassbericht der Unfallchirurgie vom 17. Oktober 2007 sei eine Verletzung des Schädels nicht dokumentiert. Es werde vielmehr ausdrücklich erwähnt, dass der Schädel nicht getroffen worden sei. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, dass in dem über ein Jahr nach dem Ereignis gefertigten MRT vom 15. Oktober 2008 eine Veränderung beschrieben werde, die posttraumatischer Natur sein könne. Es fehle jedoch an äußeren und inneren Verletzungszeichen des Schädels, die direkt nach dem Überfall dokumentiert worden seien. Weiter falle in der Beschwerdeschilderung und im psychischen Befund die mangelnde Spezifität der Symptomatik hinsichtlich des traumatischen Ereignisses auf. Eine differenzierte Erhebung und Beurteilung posttraumatischer Symptome und Kriterien, wie von Dr. Sch. vorgenommen, seien im Gutachten von Dr. S. nicht erkennbar. Eine detaillierte und kritische Beleuchtung des aktuellen familiären und psychosozialen Hintergrunds habe Dr. S. nicht vorgenommen. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, weshalb Hinweise auf eine allgemeine Verdeutlichungstendenz nicht auch bei traumatisierten Menschen in der Beurteilung der Gesundheitsstörung beachtet werden sollten. Für das psychische Gebiet könne nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine Schädigungsabhängigkeit bejaht werden.

In einer schließlich noch für die Bundesagentur für Arbeit erstellten gutachterlichen psychiatrischen Untersuchung vom Psychiater und Psychotherapeuten B. vom 7. August 2013 wurde von einer PTBS bei der Klägerin vor dem Hintergrund einer histrionisch akzentuierten Persönlichkeit und einem fehlenden Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen.

Mit Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 20. März 2014, dem Beklagten zugestellt am 8. April 2014, hat das SG sodann den Bescheid vom 17. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 abgeändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin für den Zeitraum vom 10. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2009 eine "psychoreaktive Störung" als Schädigungsfolge anzuerkennen und eine Verletztenrente nach einem GdS von 30 zu gewähren. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass eine psychoreaktive Störung nach einer stattgehabten PTBS als Schädigungsfolge zeitweise in rentenberechtigendem Ausmaß festzustellen sei. Die Überzeugung hätte es sich auf Basis der von Dr. Sch. gestellten Diagnosen gebildet. Im Hinblick auf die Schwere des Ereignisses, eines versuchten Tötungsdeliktes durch einen Unbekannten, sei das maßgebliche Eingangskriterium (A- oder Traumakriterium) einer PTBS erfüllt. Das B- oder Wiedererlebenskriterium sei nach den Angaben der Klägerin immer (mal) wieder eingetreten. Auch die weiteren Kriterien seien für den Zeitraum unmittelbar nach der Tat erfüllt. Insbesondere zeigten sich dokumentierte Symptome binnen sechs Monaten nach dem stattgehabten Überfall. Auch für die weiteren Kriterien C bis F seien Anhaltspunkte dokumentiert und im Gutachten von Dr. Sch. reflektiert. Eine PTBS bestand damit in der Vergangenheit zeitW ... Unabhängig von der weitergehenden Auseinandersetzung mit den Kriterien einer PTBS im Einzelnen wäre vorliegend zumindest ansonsten eine psychoreaktive Störung als unfallabhängig anzunehmen. Im Einklang mit dem Gutachten von Dr. Sch. sei diese jedoch als Folge einer PTBS nach initial erlittener akuter Belastungsreaktion einzuordnen und könne, wie vom Beklagten vorgeschlagen, als psychoreaktive Störung bezeichnet werden. Die von Dr. S. angenommene spiegelbildliche Destabilisierung von Mutter und Sohn könne nicht in den Vordergrund gerückt werden. Denn es sei gerade keine alleinige naturwissenschaftliche Kausalität im Sinne der conditio sine qua non anzunehmen, sondern es sei bei wertender Betrachtung entsprechend den bekannten Maßgaben abzuschichten. Danach werde das Gutachten von Prof. Dr. St., das als erstes in einer ausführlichen Form erstattet worden sei, nicht gerecht. Die Verneinung einer PTBS durch Prof. Dr. St. sowie auch sonstiger Folgen im nervenärztlichen Bereich sei nicht als gegeben anzunehmen und auch sonst nicht bindend. Soweit Dr. Sch. ausgeführt habe, dass zu seinem Untersuchungszeitraum, also im Frühjahr/Sommer 2012, eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine diesbezüglich rückzuführende psychoreaktive Störung nicht mehr vorliege, schließe sich das Gericht dem vollumfänglich an. Nicht gefolgt werden könne Dr. Sch. in seiner Einschätzung, dass bereits bei der Untersuchung von Prof. Dr. St. unfallbedingte nervenärztliche Veränderungen nicht mehr vorgelegen hätten. Denn aus den von Dr. S. gemachten sowie in den weiteren medizinischen Unterlagen vorhandenen Angaben hinsichtlich einer PTBS bzw. einer unfallbedingten psychoreaktiven Störung sei Prof. Dr. St. nicht zu folgen. Sein Gutachten könne daher auch nicht limitierend für die Berücksichtigung unfallbedingter Einschränkungen und hinsichtlich der Höhe der MdE herhalten. Vielmehr sei im Einklang mit der von Dr. Sch. geäußerten Kritik zumindest eine unfallbedingte psychoreaktive Störung anzunehmen. Diese setze sich über den Untersuchungszeitpunkt bei Prof. Dr. St. hinaus fort. Denn aufgrund der anderen medizinischen Ansicht habe Prof. Dr. St. hier eine grundlegend andere Auffassung eingenommen. Entgegen den Ausführungen von Dr. Sch. sei damit eine psychiatrische, unfallbedingte Beeinträchtigung längstens bis 31. Dezember 2009 anzunehmen. Denn es entspreche den üblichen Grundsätzen, dass bei einer entsprechenden Schwere eines Unfalls/Verbrechens psychische Folgen binnen zwei bis drei Jahren vom Schutzzweck der Norm des OEG erfasst seien. Die psychoreaktive Störung könne nicht auf weitere medizinische Angaben gestützt werden. Etwas mehr als zwei Jahre nach der Tat sei unabhängig von der Konstitution der Klägerin und auch weiteren Entwicklungen regelmäßig bei adäquater Behandlung von einem Abklingen der entsprechenden nervenärztlichen, unfallbedingten Veränderungen auszugehen. Hierfür habe es auch keiner weiteren gesonderten Nachweise bedurft. Dem Gutachten von Dr. S. sei nicht grundlegend zu folgen gewesen. Ein hirnorganisches Syndrom lasse sich auf Basis der Ausführungen von Dr. S. nicht annehmen und sei nach seiner eigenen Einschätzung bereits nicht belegt. Rechtlich wesentlich und damit wahrscheinlich im Rechtssinne liege keine dauerhafte psychiatrische Beeinträchtigung nach einem GdS von 80 vor.

Am 5. Mai 2014 hat der Beklagte gegen das Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G., wonach für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2009 keine aussagekräftigen Unterlagen vorlägen, die eine schädigungsbedingte psychische Beeinträchtigung mit einem GdS von 30 belegten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. März 2014 insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als er unter Abänderung des Bescheides vom 17. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 verurteilt wurde, bei der Klägerin über den Zeitraum vom 10. Oktober 2007 (Tatzeitpunkt) bis zum 30. April 2009 hinweg eine "psychoreaktive Störung" als Schädigungsfolge anzuerkennen und eine Verletztenrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 30 zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und führt an, dass der Gutachter Dr. S. eine PTBS über den 30. April 2009 hinaus bestätigt habe.

Am 15. Januar 2015 schlossen die Klägerin und die BG im Verfahren S 6 U 4250/10 einen verfahrensbeendenden Vergleich, worin sich die BG u.a. verpflichtete, eine PTBS als Folge des Arbeitsunfalls vom 10. Oktober 2007 andauernd bis zum 10. Oktober 2010 anzuerkennen und der Klägerin eine Verletztenrente im Zeitraum vom 8. April 2009 bis 31. Dezember 2009 nach einer MdE von 30 v.H. und im Anschluss bis 10. Oktober 2010 in Höhe von 20 v.H. zu gewähren.

Dem Vergleichsvorschlag des Senats hat sich die Klägerin nicht angeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akte, die OEG-Akte nebst Ermittlungsakte und die weiteren SG-Akten S 6 U 4254/10 und S 6 U 139/11 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist form- und nach § 151 Abs. 1 SGG fristgerecht eingelegt worden und im Übrigen statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist auch begründet. Das SG hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, unter Abänderung des Erstanerkennungsbescheids vom 17. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2009 als (weitere) Schädigungsfolge eine psychoreaktive Störung anzuerkennen und eine Verletztenrente nach einem GdS von 30 zu gewähren.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist somit allein die Feststellung der weiteren Gesundheitsstörung und die Gewährung von Verletztenrente im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2009, weil nur insoweit das stattgebende Urteil des SG vom Beklagten angefochten wurde. Streitbefangen im Berufungsverfahren sind hingegen nicht die Zeiträume davor und danach und auch nicht die Feststellung anderer Schädigungsfolgen.

Soweit das SG auf Antrag der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum auf Gewährung einer "Verletztenrente" verurteilt hat, ist das Urteil im angegriffenen Zeitraum bereits deswegen aufzuheben gewesen, als die Klage insoweit wegen einer fehlenden Verwaltungsentscheidung und Vorverfahrens unzulässig war. Der Beklagte hatte im Erstanerkennungsbescheid in Ziff. 1 und 2 Schädigungsfolgen und einen GdS festgestellt. Über die Gewährung einer Verletztenrente wurde hingegen nicht entschieden, zumal eine Verletztenrente dem Opferentschädigungsrecht - anders als in der Unfallversicherung - fremd ist. Nach § 1 OEG i. V. m. § 31 BVG kommt für Opfer von Gewalttaten als Rentenleistung lediglich eine (Beschädigten-)Grundrente in Betracht, wie es im Bescheid vom 17. September 2009 auch angeführt wurde.

Unabhängig davon liegen für eine solche Beschädigtengrundrente im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2009 die Voraussetzungen nicht vor, da die Schädigungsfolgen keinen GdS von 25 erreichen, so dass die Berufung des Beklagten im vollen Umfang erfolgreich ist.

Die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen und die Gewährung von Beschädigtenversorgung richtet sich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Danach erhält, wer im Geltungsbereich des OEG in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Grundsätzlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Zu den Tatsachen, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung. Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang.

Der Beklagte hat mit dem Bescheid vom 17. September 2009 anerkannt, dass bei der Klägerin eine endgradige Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk aufgrund der Gewalttat vom 10. Oktober 2007 besteht. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die vom SG als weitere Schädigungsfolge berücksichtigte psychoreaktive Störung bei der Klägerin im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2009 nicht (mehr) vorlag, auch wenn der Unfallversicherungsträger im Vergleichswege eine PTPS bis zum 10. Oktober 2010 mit einer MdE von 30 v. H. bis 31. Dezember 2009 anerkannt hat. Es handelt sich letztlich um verschiedene Ansprüche, die nur auf derselben Ursache - hier dem Überfall - beruhen.

Die vom SG tenorierte Schädigungsfolge entspricht im Übrigen nicht den gängigen Diagnosesystemen, weder ICD-10 noch DSM IV-TR bzw. dem neuen DSM 5. Psychoreaktive Störungen bezeichnen nur allgemein psychische Reaktionen auf Traumata und Belastungen, die in unterschiedlicher Nomenklatur und Begrifflichkeit beschrieben werden (Widder/Gaidzik, Begutachtung in der Neurologie, 2. Auflage 2011, S. 520). Nach der Rechtsprechung muss jedoch ein Gesundheitsschaden durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18 zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung; Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 6 VS 2234/15 -, juris, Rz. 33). Die ICD-10-Nomenklatur fasst psychoreaktive Störungen als Belastungs- und Anpassungsstörungen zusammen. Das DSM-IV sieht dagegen die posttraumatische Belastungsstörung als Angsterkrankung, während die Anpassungsstörungen ein eigenes Kapitel bilden (Widder/Foerster, a.a.O.). Unabhängig davon war bei der Klägerin in Auswertung der durchgeführten medizinischen Ermittlungen keine psychoreaktive Störung als Schädigungsfolge im streitigen Zeitraum festzustellen.

Der Senat hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine PTBS vorliegt, die hier als psychoreaktive Störung letztlich alleine in Betracht kommt, in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 25. August 2016 - L 6 VG 3508/12 -, juris, Rz. 55) an den gängigen Diagnosesystemen entsprechend der Nomenklatur der ICD-10 und der DSM orientiert. Denn die konkret zu bezeichnenden Krankheiten bilden die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens zu beurteilen ist (so auch BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; BSG SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Das DSM lag bis 2013 in seiner vierten Ausgabe (DSM-IV-TR) vor. Insoweit konnte es neben der ICD-10 herangezogen werden. Dagegen bestehen gegen die zwischenzeitlich seit Mai 2013 als Nachfolgerin des DSM-IV-TR nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage (DSM-5) Bedenken hinsichtlich ihrer Validität (vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 40 ff.), was jedoch letztlich dahingestellt bleiben kann, weil jedenfalls das auch danach erforderliche Wiedererinnerungskriterium und Vermeidungskriterium bei der Klägerin fehlten (dazu unten).

Die PTBS (ICD-10: F43.1) entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren. Die letztgenannten Fak-toren sind aber weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanz-steigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über. Ähnlich beschreibt DSM-IV-TR 309.81 das Traumaerleben.

Die nach den beiden Klassifikationssystemen notwendigen Kriterien bzw. die dafür erforderlichen Unterkriterien müssen im Vollbeweis feststehen, um die Diagnose einer PTBS stellen zu können. Hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen bezieht sich diese Anforderung auf den aktuellen Gesundheitszustand des Geschädigten. Nicht zwingend ist, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bereits unmittelbar nach dem Ende der Traumatisierung vorgelegen haben oder seitdem ununterbrochen bestanden. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 12. August 2014 - L 6 VH 5821/10 ZVW -, juris, Rz. 145; vgl. auch zuletzt Urteil vom 23. Juni 2016 – L 6 VH 4633/14 -, juris, Rz. 60), dass solche "Brückensymptome" weder nach der ICD-10 noch nach dem DSM-IV zu fordern sind. Zwar ist dann, wenn solche Symptome nicht alsbald nach der Schädigung entstanden und nachweisbar sind, die Zusammenhangfrage besonders sorgfältig zu prüfen und nur anhand eindeutiger objektiver Befunde zu bejahen, was sich auch aus Anforderungen der früheren Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ergibt (Urteil des Senats vom 12. August 2014 a.a.O.). Aber diese Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang ist erst zu stellen, wenn die Diagnose positiv feststeht. Diese Ansicht entspricht der Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 2. Dezember 2010 – B 9 VH 3/09 B –, juris, Rz. 14; Beschluss vom 16. Februar 2012 – B 9 V 17/11 B –, juris, Rz. 16).

Vor diesem Hintergrund kann sich der Senat nach beiden Klassifikationssystemen - und damit nach den Anforderungen der Beschlüsse des Ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 12./13. November 1997 und vom 6./7. November 2008 - nicht von einer psychoreaktiven Störung im Sinne einer PTBS im verbliebenen streitgegenständlichen Zeitraum überzeugen.

Diese Einschätzung stützt der Senat auf den Inhalt der Akten und vor allem auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen aus im Wege des Sachverständigenbeweises gem. § 118 SGG i. V. m. § 411a Zivilprozessordnung (ZPO) verwerteten Gutachten von Dr. Sch. aus dem parallelen Klageverfahren, wohingegen das abweichende Gutachten des Sachverständigen Dr. S. an erheblichen inhaltlichen Mängeln leidet und den Senat daher nicht zu überzeugen vermochte.

Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich für den Senat das folgende Bild. Bei der Klägerin entwickelte sich nach dem schädigenden Ereignis im Oktober 2007 aus einer initial bestehenden und früh diagnostisch erfassten akuten Belastungsreaktion (ICD-10: F43.0) zwar eine PTBS (ICD-10: 43.1). Die Symptomatik der PTBS lag jedoch spätestens ab Mai 2009 nicht mehr vor. Die in der Folge bestehenden Gesundheitsstörungen in Form einer kombinierten dissoziativen Störung (ICD-10: F 44.7) sowie einer Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.0) entstanden unabhängig von der Gewalttat. Psychopathologisch bestand bei der Begutachtung durch Dr. Sch. weder ein anhaltendes Wiedererleben der Belastung durch unwillkürliche Nachhallerinnerungen oder wiederkehrende Albträume (sog. Intrusionen, B1-Kriterium), da die Albträume keinen traumaspezifischen Inhalt hatten, noch war ein Vermeidungsverhalten in Bezug auf traumarelevante Reize (C1- und C2-Kriterien) mit Sicherheit erfüllt. Vielmehr hat die Klägerin ein Vermeidungsverhalten in Bezug auf die Gewalttat ausdrücklich verneint. Dies entnimmt der Senat vor allem der Befunderhebung von Dr. Sch. im Klageverfahren S 6 U 4254/10. Auch anhaltende Zeichen einer psychovegetativen Hypersensitivität konnten vom Gutachter nicht objektiviert werden. Schreckhaftigkeit besteht bei der Klägerin nach eigenen Angaben seit ihrer Kindheit. Die angegebenen Konzentrationsstörungen konnten in der mehrstündigen und kognitiv wie auch emotional fordernden Explorationssitzung des Gutachters nicht verifiziert werden. Gleiches gilt für Reizbarkeit, Wutausbrüche oder Hypervigilanz. Der Gutachter hat nachvollziehbar und überzeugend herausgearbeitet, dass die aktuellen Gesundheitsstörungen vielmehr aus nicht-schädigungsbedingten, massiven und anhaltenden Belastungsmomenten aus dem privaten Umfeld der Klägerin entstanden sind. Bei ihr bestanden innerfamiliäre Belastungen in Form von Alkoholmissbrauch und Gewalttätigkeit des Ehemannes, die auch in dem Entlassungsbericht der M.-B.-Klinik aufgeführt werden, und in Form einer von der Klägerin eskalierend erlebten psychosozialen Desintegration des jüngsten Sohnes mit Schulverweigerung, Gewalttätigkeit und Delinquenz, gipfelnd in einer Alkoholvergiftung Ende 2009.

Eine PTBS bestand zumindest seit Mai 2009 nicht (mehr). Der Senat stützt sich dabei - wie auch Dr. Sch. - auf den von Prof. Dr. St. in seiner Untersuchung Anfang Mai 2009 erhobenen ausführlichen psychopathologischen Befund, auch wenn dessen gutachterlichen Schlussfolgerungen daraus nicht vollständig gefolgt werden kann. Die Klägerin verneinte dem Gutachter Prof. Dr. St. gegenüber ausdrücklich ein intensives Wiedererleben des Tatereignisses, vielmehr hatte sie angegeben, nur etwa einmal die Woche daran zu denken. Auch über Albträume betreffend das Ereignis und ein Handeln und Fühlen, als ob das Ereignis wiederkehre, hat die Klägerin nicht berichtet. Gleiches gilt für ein bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen, Gesprächen, Orten und Menschen, die mit dem Vorfall in Verbindung stehen. Dementsprechend war die Klägerin bei der Begutachtung durch Prof. Dr. St., genauso übrigens wie bei Dr. Sch., unbeeinträchtigt in der Lage, über das Ereignis zu sprechen. Ausweislich dieser eindeutigen und aussagekräftigen Befunderhebungen überzeugt die Einschätzung von Dr. Sch., dass zum Untersuchungszeitpunkt von Prof. Dr. St. u.a. mangels Wiedererlebens- und Vermeidungskriterien die PTBS-Symptome bereits deutlich abgeklungen waren. Insoweit folgt der Senat dem SG, das sich im Wesentlichen auf "übliche Grundsätze" stützt, wonach bei einer entsprechenden Schwere des Verbrechens psychische Folgen binnen zwei bis drei Jahren vom Schutzzweck des OEG erfasst seien, nicht. Für eine über mehrere Jahre anhaltende PTBS sind hohe Anforderungen an den Nachweis für das (Weiter-)Bestehen der Symptome zu stellen (Widder/Gaidzik, a.a.O., S. 525). Ein solches findet in den objektiven Befunden aus dem Gutachten von Prof. Dr. St. jedoch keine Bestätigung.

Dass mit Dr. Sch. und entgegen den gutachterlichen Schlussfolgerungen von Prof. Dr. St. davon auszugehen ist, dass - im hier nicht streitgegenständlichen Zeitraum - vor Mai 2009 durchaus eine psychoreaktive Störung in Form einer akuten Belastungsreaktion gefolgt von einer PTBS vorlag, wie sie u.a. in dem initialen psychosomatischen Konsil in dem Klinikum Esslingen vom 11. Oktober 2007 und später in dem ausführlichen Befundbericht der psychotraumatologischen Ambulanz der BG-Klinik in Tübingen vom 25. Februar 2008 dokumentiert wurden, steht dem nicht entgegen. Der Verlauf einer PTBS kann zwar wechselhaft sein, in der Mehrzahl der Fälle ist jedoch eine Heilung zu erwarten (vgl. ICD-10 F43.1). Dies ist bei der Klägerin, die sich deswegen in intensiver psychotherapeutischer, auch stationärer Behandlung befand, augenscheinlich eingetreten bzw. die PTBS wurde von der von Dr. Sch. erkannten anderen psychischen Erkrankung abgelöst.

Soweit die psychologischen und psychiatrischen Behandler der Klägerin eine andauernde PTBS sehen (vgl. Dr. H. und Dr. H. als sachverständige Zeugen beim SG), muss der therapeutische Ansatz der behandelnden Ärzte bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, welche ganz anders als der Forensiker ein Vertrauensverhältnis zum Patienten aufbauen müssen, demzufolge die Angaben des Patienten in der Regel nicht kritisch in Frage gestellt werden (so auch St., DSM-V: Bedeutung für die Begutachtung, Der Medizinische Sachverständige 2015, S. 162 ff.). Deswegen kommt auch nach der Rechtsprechung der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu (vgl. auch Urteil des Senats vom 25. August 2016 - L 6 VG 3508/12 und LSG Baden-Württemberg vom 17. Januar 2012 - L 11 R 4953/10).

Dem Wahl-Gutachten von Dr. S. folgt der Senat - wie auch schon das SG - nicht. Für das in seinem Gutachten angenommene hirnorganische Syndrom konnte er keinen Nachweis führen, was er letztlich selbst eingesteht. Die Klägerin hatte die Schläge mit dem Gegenstand nach eigenen Angaben durch ihren linken Unterarm abgefangen. Eine Verletzung des Schädels wurde im D-Arztbericht vom Tattag ausdrücklich verneint. Äußerliche Verletzungsspuren hätten insoweit auch auffallen müssen. Das ein Jahr später angefertigte MRT hat dementsprechend nur auf eine prinzipielle Möglichkeit einer traumatischen Ursache für die Schädelveränderungen hingedeutet. Sofern Dr. S. darüber hinaus eine komplexe Trauma-Folgestörung annimmt und hier auf Dauer einen GdS-Wert von 80 empfiehlt, konnte dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Beim Gutachten von Dr. S. fehlt bereits die wichtige differenzierte Erhebung von posttraumatischen Symptomen und Kriterien, wie es u.a. Dr. Sch. vorgenommen hat. Er diagnostiziert eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10: F62.0) als Trauma-Folgestörung. Hierfür sind Belastungen katastrophalen Ausmaßes wie etwa Terrorismus, andauernde Gefangenschaft, Folter oder Konzentrationslagererfahrungen erforderlich. Derartig Gravierendes, das über den beschriebenen Überfall der Klägerin im Oktober 2007 deutlich hinausgehen müsste, wird von Dr. S. aber weder aufgezeigt noch ist es sonst ersichtlich. Gleiches gilt für die weiteren Voraussetzungen nach dem ICD-10 für F62.0 in Form von u.a. einer feindlichen oder misstrauischen Haltung gegenüber der Welt, eines sozialen Rückzugs, Gefühlen der Leere oder Hoffnungslosigkeit und eines chronischen Gefühls der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl. Diese Symptome lassen sich dem (knappen) psychischen Befund des Gutachters in der erforderlichen schwerwiegenden Form gerade nicht entnehmen. Der Affekt der Klägerin war danach wechselnd. Sie war teilW. freundlich zugewandt und angstbetont-ablehnend. Angst und Zorn standen im Vordergrund. Ein ständiges Bedrohtsein, Misstrauen gegenüber der Welt und ein sozialer Rückzug werden hingegen gerade nicht beschrieben. Soweit Dr. S. wohl von einer (vorausgegangenen) PTBS ausgeht, fehlt hierfür ebenfalls die zwingend nötige Auseinandersetzung bzw. Feststellung mit den einzelnen Kriterien, wie Wiedererinnerungs- und Vermeidungskriterien, die von Dr. Sch. nicht objektiviert werden konnten. Auch ist - worauf der Beklagte zutreffend verweist - nicht nachvollziehbar, warum bei traumatisierten Menschen nicht deutlich erkennbare massive Verdeutlichungstendenzen beachtet werden sollten oder sogar müssen. Diese werden nicht nur in dem Gutachten von Dr. Sch., sondern auch von Prof. Dr. St. unter Berücksichtigung des psychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psych. Th. und dem Gutachten von Prof. Dr. W. bemerkt. In den Vorgutachten ist dies für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. So lassen sich der behauptete soziale Rückzug mit den familiären Aktivitäten und der Freundschaft zur Nachbarin, die Adipositas mit der angeblichen Nahrungsverweigerung, die berichtete Konzentrationsschwäche mit den PC-Spielen nicht in Einklang bringen. Letztlich übernimmt Dr. S. die Angaben der Klägerin vollständig und hinterfragt die Richtigkeit nicht ausreichend bzw. prüft nicht hinreichend Inkonsistenzen, wie es etwa Dr. Sch. getan hat (vgl. Bl. 45 ff. seines Gutachtens). Insbesondere wäre zu erwarten gewesen, dass Dr. S. sich in diesem Zusammenhang auch mit einem möglichen Lerneffekt der Klägerin, der durch die beiden vorangegangenen nervenärztlichen Gutachten durchaus eingetreten seien kann, auseinandersetzt.

Insgesamt ist somit im allein streitigen Zeitraum von Mai bis Dezember 2009 die bestehende psychische Erkrankung der Klägerin nicht auf die Gewalttat vom Oktober 2007 zurückzuführen. Einer Anerkennung einer psychoreaktiven Störung als weiterer Schädigungsfolge fehlt damit die Grundlage. Es verbleibt bei der vom Beklagten anerkannten Schädigungsfolge der endgradigen Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, die keinen höheren GdS als 10 zur Folge hat und damit auch keine Beschädigtengrundrente nachsichzieht.

Die Berufung des Beklagten war daher erfolgreich, das Urteil des SG war im angegriffenen Umfang aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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