L 7 SO 3456/16 RG

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3456/16 RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Senatsbeschluss vom 31. August 2016 im Verfahren L 7 SO 2937/16 ER-B wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., F., wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Anträge der Antragstellerin haben keinen Erfolg.

1. Die am 9. September 2016 von der Antragstellerin erhobene Anhörungsrüge gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. September 2016 zugestellten, nicht anfechtbaren, Eilbeschluss des Senats vom 31. August 2016 (L 7 SO 2937/16 ER-B), mit dem ihre Beschwerde gegen den - den Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnenden - Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 29. Juli 2016 (S 7 SO 2727/16 ER) zurückgewiesen wurde, ist zulässig. Die Gehörsrüge ist gemäß § 178a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht erhoben und statthaft, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) liegt nicht vor.

Zur Gewährung rechtlichen Gehörs gehört grundsätzlich das Recht der Beteiligten darauf, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt sowie zu der relevanten Rechtslage zu äußern (z.B. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 6. März 2013 - B 6 KA 6/12 C - juris Rdnr. 4). Dabei ist das Gericht ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht verpflichtet, seine (vorläufige) Auffassung zur Sach- und Rechtslage vor der Entscheidung zu erkennen zu geben; es gibt - zumal im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 27. November 2008 - 2 BvR 1012/08 - (juris Rdnr. 6) m.w.N.). Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich auch keine Pflicht des Prozessgerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Ein Verfahrensbeteiligter muss grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2011 - 1 BvR 2553/10 - (juris Rdnr. 35) m.w.N.). Etwas anderes gilt unter dem Gesichtspunkt des Verbots von Überraschungsentscheidungen allerdings beispielsweise dann, wenn das Prozessgericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Oktober 2009 - 1 BvR 178/09 - (juris Rdnr. 8)).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Senat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt und namentlich auch keine Überraschungsentscheidung getroffen. Wie im Senatsbeschluss vom 31. August 2016 dargelegt, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur in Betracht, wenn der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft macht. Die von der Antragstellerin begehrte vorläufige Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) setzt von Rechts wegen voraus, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten kann (§ 27 Abs. 1 SGB XII), also hilfebedürftig ist. Vor diesem Hintergrund musste und konnte die anwaltlich vertretene Antragstellerin nicht damit rechnen, ihr Eilantrag werde unabhängig von der Glaubhaftmachung ihrer Hilfebedürftigkeit Erfolg haben, zumal das SG die Frage der Bedürftigkeit der Antragstellerin im angefochtenen Beschluss vom 29. Juli 2016 von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht problematisieren musste und die Frage der Bedürftigkeit im Übrigen auch - im Rahmen der Prüfung des Prozesskostenhilfegesuchs - ausdrücklich offen gelassen hat. Das Beschwerdegericht hat den im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erhobenen materiellen Leistungsanspruch nicht nur hinsichtlich der Gründe der angefochtenen Entscheidung bzw. des Beschwerdevorbringens zu prüfen - was die Antragstellerin im Ergebnis sinngemäß geltend macht -, sondern vollumfänglich in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht.

Die Antragstellerin konnte auch nicht damit rechnen, dass ihre Hilfebedürftigkeit ausreichend glaubhaft gemacht sei, denn die im Verwaltungs- und SG-Verfahren erfolgte bloße Verneinung von Fragen zu vorhandenem Einkommen oder Vermögen mittels Ankreuzen im Leistungsantrag bzw. im Prozesskostenhilfeformular stellt schon keine Glaubhaftmachung i.S.d. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) dar; im Übrigen wendet sie sich insoweit im Kern gegen die inhaltliche Richtigkeit der Sachentscheidung des Senats, was schon nicht zulässiger Gegenstand einer Anhörungsrüge sein kann (BSG, Beschluss vom 7. Januar 2016 - B 9 V 4 /15 C - (juris Rdnr. 8); Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl. 2014, § 178a Rdnr. 6a m.w.N.). Da auch die im SG-Verfahren von der Antragstellerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 11. Juli 2016 (Blatt 6 der SG-Akte) in wesentlichen Punkten nicht geeignet war, die (gegenwärtige) Hilfebedürftigkeit auch nur plausibel zu machen, durfte der Senat davon ausgehen, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist, ohne dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs zu überspannen (vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. August 2014 - 1 BvR 1453/12 - (juris Rdnr. 12)).

Davon abgesehen bestätigt das Vorbringen der Antragstellerin im Anhörungsrügeverfahren die Auffassung des Senats, dass ihre Bedürftigkeit nicht glaubhaft ist. So bringt sie etwa in ihrer neuerlichen eidesstattlichen Versicherung vom 5. September 2016 (Blatt 5 der Senats-Akte) - auf die die Gehörsrüge freilich schon nicht gestützt werden kann, weil sie erst nach dem Senatsbeschluss vom 31. August 2016 erstellt wurde - vor, sie habe vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet "in W. ca. drei Monate bei einer Freundin gewohnt." In ihrer Beschwerdeschrift vom 5. August 2016 hatte sie indes - wie auch im Verwaltungsverfahren - angegeben, "neun Jahre in Ö. gewohnt" zu haben. Vor diesem Hintergrund fehlen weiterhin nachvollziehbare Angaben dazu, wovon die Antragstellerin in Ö. all die Jahre gelebt hat und insbesondere, was mit ihrem dortigen Hab und Gut geschehen ist, nachdem sie ursprünglich nur für einen zwei- bis dreiwöchigen Besuch in die Bundesrepublik gekommen sein will. Darüber hinaus hat die Klägerin nach wie vor nicht belegt, wer sie in welchem Umfang in welchem Zeitraum finanziell unterstützt hat bzw. weiterhin unterstützt.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 178a Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Anhörungsrüge war daher - nachdem die Antragsgegnerin Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (§ 178a Abs. 3 SGG) - zurückzuweisen (§ 178a Abs. 4 Satz 2 SGG).

2. Der Antrag der Antragstellerin auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Anhörungsrügeverfahren (vgl. dazu BSG, Beschluss vom 25. Februar 2010 - B 11 AL 22/09 C - (juris Rdnr. 6)) ist abzulehnen, weil ihre beabsichtigte Rechtsverfolgung entsprechend der obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die Gewährung von PKH für das Verfahren L 7 SO 2937/16 ER-B bzw. für die Fortführung dieses Verfahrens besteht nach Zurückweisung der Anhörungsrüge schon deshalb kein Raum, weil das Eilverfahren rechtkräftig abgeschlossen ist und das PKH-Gesuch erst nach Verfahrensbeendigung - nämlich mit der Anhörungsrüge - angebracht worden ist (vgl. dazu nur Gottschalk in Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 8. Aufl. 2016, Rdnr. 610 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs. 4 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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