Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 988/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Nr. 2101 liegen bei einem Maschinenbediener nicht vor, der nur eine einschlägige Belastung von 6 Minuten je Arbeitsstunde vorweisen kann und im Übrigen abwechslungsreiche Tätigkeiten oder Aufsichtstätigkeiten ausübt.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit (Erkrankungen der Sehnen-scheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der am geborene Kläger arbeitete von 1980 bis 1986 als Schweißer und seit 1986 in der Glasproduktion (1986 - 2012 in und ab 2013 bei ). Die dort ausgeübten Beschäftigun-gen waren hinsichtlich ihrer Anforderungen und der körperlichen Belastungen des Klägers im Wesentlichen ähnlich.
Der Bevollmächtigte des Klägers teilte mit Schreiben vom 06.07.2015 mit, dass bei dem Kläger eine Epicondylitis humeri radialis [sogenannter "Tennisellenbogen", schmerzhafter Reizzustand der Sehnenansätze von Muskeln des Unterarms] links festgestellt worden sei. Es werde davon ausgegangen, dass es sich um eine BK handele, die durch die ständigen monotonen Bewegungen des Klägers unter schwierigsten Verhältnissen an seinem Arbeitsplatz hervorgerufen worden sei. Vorgelegt wurde ein Röntgenbefund des Chirurgen Dr. M. vom 28.10.2014 mit der genannten Diagnose. Dr. M. berichtete von einer seit einem halben Jahr bestehenden Beschwerdesymptomatik und Therapieresistenz.
Mit Schreiben vom 22.07.2015 wies der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass der ärztliche Bericht des Dr. M. einen Fehler enthalte, da es sich um den rechten Arm handele.
Der Hausarzt Dr. H. (Arzt für Allgemeinmedizin) berichtete am 24.07.2015 ebenfalls von einer Epicondylitis, welche den rechten Ellenbogen betreffe. Er gehe von einer einschlä-gigen beruflichen Belastung und auch von einem Alterungsprozess des Klägers als Ursache aus. Dr. H. legte einen Bericht der Neurologin und Psychiaterin Dr. W. vom 20.07.2015 mit den Diagnosen Schmerzen im rechten Oberarm, nicht neurologisch, sowie gelegentliches Carpaltunnel-Syndrom vor.
In seiner Selbstauskunft vom 21.07.2015 gab der Kläger u. a. an, dass die Erkrankung sich erstmals ca. 1992 oder 1993 bemerkbar gemacht habe.
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei der bei.
Das Mutterunternehmen der (Tätigkeitszeitraum von 1986 bis 2012), die GmbH & Co.KG, teilte mit Stellungnahme vom 15.10.2015 mit, dass der Kläger als Maschinenführer und Linienleiter in der Produktion beschäftigt gewesen sei. Die Art der gesundheitsgefähr-denden Einwirkungen wurde mit Paletten zwischenlagern und vorbereiten, Einlegen von Zwischenlagern im Packer, Abnahme von Gläsern vom Kühlofenband, Wechsel von Formen und Mechanismen und händischem Schmieren der Formen beschrieben. Ein Zeitanteil pro Schicht dieser Tätigkeiten lasse sich "so nicht bestimmen". Als technische Schutzmaßnah-men/persönliche Schutzausrüstung hätten Handschuhe und Tragehilfen zur Verfügung ge-standen.
Die Präventionsbedienstete F. nahm am 02.11.2015 zur Arbeitsplatzexposition insgesamt Stellung, nachdem sie am 26.10.2015 in Gegenwart der Personalabteilung den zweiten Ar-beitsplatz des Klägers (Tätigkeitszeitraum ab 2103) bei der besichtigt hatte. In dem Be-richt wurde angegeben, dass der Kläger am Heißende der Hohlglasproduktion an einer IS-Maschine ["Individual Section Machine"; in der Hohlglasproduktion weit verbreitete Maschine, die hauptsächlich zur Produktion von Getränkeflaschen verwendet wird] beschäf-tigt sei, wo flüssiges Glas in einer Vorform getropft, angeblasen, in eine weitere Form über-führt und dort fertig geblasen werde. Der überwiegende Anteil der Tätigkeit sei die Beobachtung der Maschine auf korrekten Ablauf. Daneben falle noch in geringem Umfang das Abschmieren der Formen an; damit die Glasmasse nicht an der Form anhafte, müsse die Form in regelmäßigen Abständen mit Öl geschmiert werden. Diese Tätigkeit werde etwa alle 20 Minuten durchgeführt, wozu eine Bürste in das Öl getaucht und die Form mit Auf- und Abbewegungen und einer Drehung der Bürste mit Öl versorgt werde. Eine IS-Maschine weise ca. 10 oder 12 Vorformen sowie die gleiche Anzahl Formen auf. Das Abschmieren einer Form dauere ca. 3 bis 5 Sekunden, so dass die Drehbewegung, die als Einwirkung im Sinne der BK 2101 angesehen werden könne, maximal dreimal für 2 Minuten insgesamt pro Stunde ausgeführt werde. Dies sei nicht als einseitige, langdauernde mechanische Beanspruchung zu bewerten. Die Tätigkeit sei auch auf "dem von dem Kläger zur Verfügung gestellten Video" zu beobachten. Gelegentlich würden Proben aus der Produktion gezogen und optisch auf Einschlüsse oder andere Fehler überprüft, wozu einige Glaskörper mit einer Zange aus dem Produktionsprozess entnommen, zum Abkühlen abgestellt und später unter Licht betrachtet würden. Wenn von einer Glasform auf eine andere umgestellt werde, müssten die Formen ausgetauscht werden, was bei der Produktionsumstellung durch einen "Formenwechseltrupp" durchgeführt werde. Etwa zwei- bis dreimal pro Tag sei das Wechseln von Einzelformen erforderlich, das vom Maschinenbediener durchgeführt werde. Bei der Tätigkeit des Klägers sei keine Einwirkung im Sinne der BK 2101 zu erkennen, da keine einseitigen lang dauernden mechanischen Beanspruchungen zu erkennen seien. Die Tätigkeiten seien von kurzer Dauer und würde durch reine Beobachtung an der Maschine länger unterbrochen als sie selbst andauerten.
Zu der vom 18.01.1986 bis zum 31.12.2012 bei der ausgeübten Tätigkeit seien vom Ar-beitgeber verschiedene Tätigkeiten für den Kläger angegeben worden. Auch hier sei nicht davon auszugehen, dass Einwirkungen im Sinne der BK 2101 bestanden hätten. Es handele sich um auf verschiedene Arten beanspruchende Tätigkeiten, die somit nicht einseitig und lang andauernd gewesen seien, von ungewohnten Arbeiten bei fehlender oder gestörter An-passung des Körpers könne beim erstmaligen Auftreten der Beschwerden nach ca. 18jähriger Tätigkeit nicht ausgegangen werden.
Der Allgemeinmediziner Dr. M. teilte am 07.12.2015 mit, dass eine einseitige Belastung des rechten und linken Armes ohne Ausgleich vorliege, die nach seiner Auffassung nach durch die berufliche Tätigkeit verursacht sei.
Mit Bescheid vom 09.12.2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 2101 ab. Die Beklagte stütze sich hierzu auf die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes. Die ausge-übten Tätigkeiten seien von kurzer Dauer und würden durch reine Beobachtung an der Ma-schine länger unterbrochen, als sie selbst andauerten. Von ungewohnten Arbeiten bei fehlen-der oder gestörter Anpassung des Körpers könne beim jetzigen erstmaligen Auftreten der Beschwerden nach langjähriger Tätigkeit seit 1986 nicht ausgegangen werden.
Der staatliche Gewerbearzt gab die ihm zugeleiteten Akten der Beklagten am 07.12.2015 mit der Bemerkung zurück, dass eine gewerbeärztliche Bearbeitung nicht stattgefunden habe.
Der am 15.12.2015 eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, dass die vom TAD be-schriebenen Arbeitsvorgänge nicht richtig dargestellt worden seien. Es wirkten ganz andere Kräfte auf die Armgelenke. Es habe eine extreme Beanspruchung der Gliedmaßen unter wid-rigsten Umständen vorgelegen, bei der die extreme Hitze das Ihrige dazu getan habe. Vorge-legt wurden mit dem Widerspruch eine Tätigkeitsbeschreibung des Klägers selbst sowie Stellungnahmen der beiden früheren Vorgesetzten des Klägers D. und U. bei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Aus den vorgelegten Tätigkeitsbeschreibungen ergäben sich keine neuen Erkenntnisse zur Feststellung einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne der geltend gemachten BK. Der TAD habe die Tätigkeiten des Klägers bewertet und insbesondere keine einseitig lang andauernde mechanische Beanspruchung festgestellt. Weiterhin könne auch von ungewohnten Arbeiten bei fehlender gestörter Anpassung des Körpers beim jetzigen erstmaligen Auftreten der Beschwerden nach der langjährigen Tätigkeit nicht ausgegangen werden. Der Einwand der extremen Hitze habe zudem keine Bedeutung für die Feststellung der geltend gemachten BK.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 23.03.2016 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Die Beklagte habe den detaillierten Vortrag des Klägers zu seinen beruflichen Belastungen nicht ausreichend berücksichtigt, wozu auf die vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibungen Bezug genommen und die Vernehmung der Zeugen Dinger und Mustafa beantragt worden ist.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 15.03.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Berufskrank-heit nach der Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und wiederholt im Wesentli-chen ihr bisheriges Vorbringen.
Die Kammer hat das vom TAD erwähnte Arbeitsplatzvideo des Klägers bei der Beklagten angefordert, woraufhin ein USB-Stick mit 11 Videos vorgelegt worden ist.
In der mündlichen Verhandlung sind die vorgelegten Videos - soweit einschlägig - gemein-sam mit den Beteiligten in Augenschein genommen worden. Zudem wurden als Zeugen die früheren Vorgesetzten des Klägers D. und U. vernommen, ebenso die TAD-Bedienstete F.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 6/12 R –, SozR 4-2700 § 9 Nr 22, Rn. 13), aber nicht begründet.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV sind Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Seh-nengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkei-ten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anerkannt.
Diese Erkrankungen können, insbesondere auch in Form der bei dem Kläger festgestellten Epicondylitis, durch einseitige, langdauernde mechanische Beanspruchung und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen. Überwiegend sind die oberen Extremitäten, insbesondere die Unterarme, betroffen (vgl. das Merkblatt zur BK Nr. 43 [jetzt 2101] der Anl. 1 zur 7. BKVO, Bek. des BMA v. 18.2.1963, BArbBl. Fachteil Ar-beitsschutz 1963, 24, unter Berücksichtigung der Änderungen vom 1.12.2007, Bek. d. BMAS v. 1.12.2007 - IVa 4-45222 – 2101/3).
Voraussetzung für die Anerkennung dieser BK ist einerseits das Vorliegen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen (berufliche Belastung / Exposition) sowie einer einschlägigen Erkrankung aufgrund dieser Belastung. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß sowie die entsprechende Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 - B 2 U 33/03 R -). Die geltend gemachte BK erfordert zudem das Vorliegen eines Unterlassungszwangs, welcher nach der Tätigkeitsaufgabe durch den Kläger vorliegt.
Eine ausreichende einschlägige Belastung des Klägers an seinen beiden Arbeitsplätzen in der Glasproduktion liegt jedoch nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht vor, weswegen die Beklagte die Anerkennung der geltend gemachten BK zu Recht abgelehnt hat.
Ursächlich für eine BK Nr. 2101 können sein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeits-unfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 1165 f.; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2013 – L 3 U 28/10 –, Rn. 25, juris) 1. kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungs-frequenz (wie z.B. beim Maschinenschreiben und Klavierspielen, mindestens 3 gleichförmige Bewegungsabläufe pro Sekunde), 2. hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung des Handgelenks (wie z.B. beim Stricken, ggf. auch die Verwendung von Tastatur und Maus als Eingabegeräte am Computer), 3. die Überbeanspruchung bei ungewohnten Tätigkeiten aller Art bei fehlender oder ge-störter Anpassung bzw. bei repetitiver Verrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige, von der Ruhestellung der Hand stark abweichende Haltung erforderlich ist, mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftaufwendung (z.B. Drehen, Montieren, Bügeln, Obst pflücken), 4. eine forcierte Dorsalextension der Hand (etwa Rückschlag beim Tennis, Hämmern), und 5. monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms (etwa beim Betätigen eines Schraubendrehers).
Langjährige Schwerarbeit, auch eintönige "Fließarbeit" kommt hierfür nicht in Betracht, da hier eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) anzunehmen ist. Die tägliche Einwirkungsdauer sollte mindestens drei Stunden, die Gesamtbelastungszeit in der Regel fünf Jahre betragen (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 1166).
Da der Kläger die Tätigkeiten an der IS-Maschine durchgängig von 1986 bis 2015 ausgeübt hat, geht die Kammer von einem Trainingseffekt der oben genannten Art aus, weswegen bereits insofern die Anerkennung der geltend gemachten BK fraglich ist.
Entscheidend ist indes, dass bei genauer Betrachtung die Tätigkeit des Klägers sich unter keine der oben genannten Fallgruppen fassen lässt, da nur ein kleiner Ausschnitt der vom Kläger verlangten Handgriffe als belastend im Sinne der geltend gemachten BK angesehen werden kann, welcher eine arbeitstägliche zeitliche Belastungsdauer von mindestens drei Stunden nicht erreicht. Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass als belastend im Sinne der BK Nr. 2101 nur das Abschmieren der Formen hierfür grundsätzlich in Betracht kommt, da hierbei zur Verteilung des Schmiermittels eine das Handgelenk in besonderer Weise belastende Drehbewegung erforderlich war, um das Schmiermittel gleichmäßig in der Form zu verteilen. Einschlägig ist insoweit die oben genannte Fallgruppe Nr. 5, evtl. auch - abhängig vom Kraftaufwand - die Fallgruppe Nr. 3.
Die Drehbewegung betrifft hierbei, wie aus den in Augenschein genommenen Videos hervorgeht, jedoch nur einen Teil der in diesem Arbeitsschritt vorgenommenen Handgriffe. Hierauf hat die sachverständige Zeugin F. in der mündlichen Verhandlung überzeugend hingewiesen. Denn das Einführen und Herausziehen der Bürste erfolgt ohne Drehbewegung, ebenso erfolgt, was auch für die weiteren hierbei zu beobachtenden Arbeitsschritte wie das Abklopfen der Form und die Körper/Arm-Drehung zur nächsten Form betrifft. Diese weiteren Handgriffe und Bewegungen, die oben und seitlich der jeweiligen Form vorgenommen wurden, sind einerseits unterschiedlich und abwechslungsreich, andererseits bieten sie der Hand die Möglichkeit, sich von der Belastung durch die Drehbewegung zu erholen.
Die von den Zeugen D. und U. genannten weiteren Tätigkeiten - Herausnahme von Stichproben (1 Mal je Stunde) - Gewichtskontrolle (alle 15 Minuten) - Formenwechsel (1Mal je Schicht) - Systemwechsel (2-3 Mal je Woche) erfüllen nicht die Kriterien der oben genannten Fallgruppen von einschlägigen Belastungen. Es handelt sich hierbei ausweislich der Zeugenaussagen und der Beweisvideos nicht um kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungsfrequenz oder hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung des Handgelenks. Auch liegt keine Überbeanspruchung bei ungewohnten Tätigkeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung bzw. bei repetitiver Verrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen vor, weil weder eine von der Ruhestellung der Hand stark abweichende Haltung erforderlich ist noch - nach Tätigkeitsausübung seit 1986 - insoweit von einer fehlenden Anpassung ausgegangen werden kann. Schließlich liegen insoweit auch keine forcierten Dorsalextensionen der Hand oder monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms vor.
Den Zeitanteil des teilweise BK-relevanten Arbeitsschritts "Schmieren der Glasformen" - bezogen alleine auf die für die BK einschlägige Drehbewegung - hat die sachverständige Zeugin F. in überzeugender Weise mit ca. 6 Minuten je Arbeitsschicht angegeben, nämlich mit drei Arbeitseinsätzen je 2 Minuten. Damit lag jedoch je Arbeitstag nur eine Belastung von insgesamt rund 48 Minuten vor. Eine einschlägige Belastung von 3 Stunden wurde hier-durch - auch bei Berücksichtigung eines erheblichen Sicherheitszuschlags bzw. einer worst-case-Betrachtung - bei weitem nicht erreicht. Zudem war in den belastungsfreien Zeiten auch eine Erholung der beanspruchten Körperregionen möglich.
Sofern die Zeugen D. und U. für das Schmieren der Formen 10 Minuten pro Arbeitseinsatz und somit 30 Minuten je Stunde angegeben haben, steht dies nicht in einem Widerspruch zu den voranstehenden Ausführungen. Zunächst ist hierzu festzustellen, dass die Zeugen ebenso wie die Zeugin F. einen insgesamt glaubwürdigen Eindruck auf das Gericht gemacht haben. Allenfalls ist durch das offenbar gute Verhältnis, welches die beiden Zeugen D. und U. zu dem Kläger haben, der Eindruck entstanden, dass die Zeugen D. und U. die zeitliche Arbeitsbelastung in noch vertretbarer Weise großzügig im Sinne des klägerischen Antrags geschätzt haben. Die Kammer geht - auch aufgrund der Zeitdauer der in den vorgelegten Videos zu sehenden Arbeitsschritte - davon aus, dass das Abschmieren der Formen allerhöchstens 5 - 10 Minuten insgesamt und durchschnittlich für einen langjährig erfahrenen Maschinenbediener wie den Kläger tendenziell eher 5 als 10 Minuten insgesamt gedauert hat. Hierzu hat der Zeuge U. auf Nachfrage auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass abhängig von der Geschicklichkeit 5 - 10 Minuten ausreichend waren.
Ein Widerspruch zu den von der Zeugin F. angegebenen 2 Minuten Belastung je Abschmier-vorgang und somit 6 Minuten Belastung je Arbeitsstunde liegt deswegen nicht vor, weil auch die Zeugen D. und U. bestätigt haben, dass der nach ihrer Aussage 10 Minuten bzw. 5-10 Minuten andauernde Arbeitseinsatz beim Schmieren der Formen nicht nur aus Drehbewegungen mit Belastungen für das Handgelenk bestand. Dies ergibt sich auch zwingend aus der Natur der Sache, weil nach erfolgtem Schmieren einer Form die Bürste zunächst zu der nächsten Form bewegt werden musste.
Insoweit weist die Kammer auch darauf hin, dass sowohl der Zeuge U. als auch der Zeuge D. die Tätigkeit des Klägers als insgesamt abwechslungsreich bezeichnet haben; als eintönig bzw. monoton wurde von ihnen nur das zeitlich beschränkte Schmieren bzw. Abschmieren der Formen bezeichnet. Das Gesamtbild einer insgesamt abwechslungsreichen Tätigkeit ergibt sich insgesamt auch aus den 11 in Augenschein genommenen Videos vom Arbeitsplatz des Klägers, welche durchaus auch Aufsichtstätigkeiten, Schreibtätigkeiten und einen gewissen Leerlauf bei der Tätigkeit (Beobachtung der arbeitenden Maschine) von zeitlich bedeutendem Umfang beinhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit (Erkrankungen der Sehnen-scheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der am geborene Kläger arbeitete von 1980 bis 1986 als Schweißer und seit 1986 in der Glasproduktion (1986 - 2012 in und ab 2013 bei ). Die dort ausgeübten Beschäftigun-gen waren hinsichtlich ihrer Anforderungen und der körperlichen Belastungen des Klägers im Wesentlichen ähnlich.
Der Bevollmächtigte des Klägers teilte mit Schreiben vom 06.07.2015 mit, dass bei dem Kläger eine Epicondylitis humeri radialis [sogenannter "Tennisellenbogen", schmerzhafter Reizzustand der Sehnenansätze von Muskeln des Unterarms] links festgestellt worden sei. Es werde davon ausgegangen, dass es sich um eine BK handele, die durch die ständigen monotonen Bewegungen des Klägers unter schwierigsten Verhältnissen an seinem Arbeitsplatz hervorgerufen worden sei. Vorgelegt wurde ein Röntgenbefund des Chirurgen Dr. M. vom 28.10.2014 mit der genannten Diagnose. Dr. M. berichtete von einer seit einem halben Jahr bestehenden Beschwerdesymptomatik und Therapieresistenz.
Mit Schreiben vom 22.07.2015 wies der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass der ärztliche Bericht des Dr. M. einen Fehler enthalte, da es sich um den rechten Arm handele.
Der Hausarzt Dr. H. (Arzt für Allgemeinmedizin) berichtete am 24.07.2015 ebenfalls von einer Epicondylitis, welche den rechten Ellenbogen betreffe. Er gehe von einer einschlä-gigen beruflichen Belastung und auch von einem Alterungsprozess des Klägers als Ursache aus. Dr. H. legte einen Bericht der Neurologin und Psychiaterin Dr. W. vom 20.07.2015 mit den Diagnosen Schmerzen im rechten Oberarm, nicht neurologisch, sowie gelegentliches Carpaltunnel-Syndrom vor.
In seiner Selbstauskunft vom 21.07.2015 gab der Kläger u. a. an, dass die Erkrankung sich erstmals ca. 1992 oder 1993 bemerkbar gemacht habe.
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei der bei.
Das Mutterunternehmen der (Tätigkeitszeitraum von 1986 bis 2012), die GmbH & Co.KG, teilte mit Stellungnahme vom 15.10.2015 mit, dass der Kläger als Maschinenführer und Linienleiter in der Produktion beschäftigt gewesen sei. Die Art der gesundheitsgefähr-denden Einwirkungen wurde mit Paletten zwischenlagern und vorbereiten, Einlegen von Zwischenlagern im Packer, Abnahme von Gläsern vom Kühlofenband, Wechsel von Formen und Mechanismen und händischem Schmieren der Formen beschrieben. Ein Zeitanteil pro Schicht dieser Tätigkeiten lasse sich "so nicht bestimmen". Als technische Schutzmaßnah-men/persönliche Schutzausrüstung hätten Handschuhe und Tragehilfen zur Verfügung ge-standen.
Die Präventionsbedienstete F. nahm am 02.11.2015 zur Arbeitsplatzexposition insgesamt Stellung, nachdem sie am 26.10.2015 in Gegenwart der Personalabteilung den zweiten Ar-beitsplatz des Klägers (Tätigkeitszeitraum ab 2103) bei der besichtigt hatte. In dem Be-richt wurde angegeben, dass der Kläger am Heißende der Hohlglasproduktion an einer IS-Maschine ["Individual Section Machine"; in der Hohlglasproduktion weit verbreitete Maschine, die hauptsächlich zur Produktion von Getränkeflaschen verwendet wird] beschäf-tigt sei, wo flüssiges Glas in einer Vorform getropft, angeblasen, in eine weitere Form über-führt und dort fertig geblasen werde. Der überwiegende Anteil der Tätigkeit sei die Beobachtung der Maschine auf korrekten Ablauf. Daneben falle noch in geringem Umfang das Abschmieren der Formen an; damit die Glasmasse nicht an der Form anhafte, müsse die Form in regelmäßigen Abständen mit Öl geschmiert werden. Diese Tätigkeit werde etwa alle 20 Minuten durchgeführt, wozu eine Bürste in das Öl getaucht und die Form mit Auf- und Abbewegungen und einer Drehung der Bürste mit Öl versorgt werde. Eine IS-Maschine weise ca. 10 oder 12 Vorformen sowie die gleiche Anzahl Formen auf. Das Abschmieren einer Form dauere ca. 3 bis 5 Sekunden, so dass die Drehbewegung, die als Einwirkung im Sinne der BK 2101 angesehen werden könne, maximal dreimal für 2 Minuten insgesamt pro Stunde ausgeführt werde. Dies sei nicht als einseitige, langdauernde mechanische Beanspruchung zu bewerten. Die Tätigkeit sei auch auf "dem von dem Kläger zur Verfügung gestellten Video" zu beobachten. Gelegentlich würden Proben aus der Produktion gezogen und optisch auf Einschlüsse oder andere Fehler überprüft, wozu einige Glaskörper mit einer Zange aus dem Produktionsprozess entnommen, zum Abkühlen abgestellt und später unter Licht betrachtet würden. Wenn von einer Glasform auf eine andere umgestellt werde, müssten die Formen ausgetauscht werden, was bei der Produktionsumstellung durch einen "Formenwechseltrupp" durchgeführt werde. Etwa zwei- bis dreimal pro Tag sei das Wechseln von Einzelformen erforderlich, das vom Maschinenbediener durchgeführt werde. Bei der Tätigkeit des Klägers sei keine Einwirkung im Sinne der BK 2101 zu erkennen, da keine einseitigen lang dauernden mechanischen Beanspruchungen zu erkennen seien. Die Tätigkeiten seien von kurzer Dauer und würde durch reine Beobachtung an der Maschine länger unterbrochen als sie selbst andauerten.
Zu der vom 18.01.1986 bis zum 31.12.2012 bei der ausgeübten Tätigkeit seien vom Ar-beitgeber verschiedene Tätigkeiten für den Kläger angegeben worden. Auch hier sei nicht davon auszugehen, dass Einwirkungen im Sinne der BK 2101 bestanden hätten. Es handele sich um auf verschiedene Arten beanspruchende Tätigkeiten, die somit nicht einseitig und lang andauernd gewesen seien, von ungewohnten Arbeiten bei fehlender oder gestörter An-passung des Körpers könne beim erstmaligen Auftreten der Beschwerden nach ca. 18jähriger Tätigkeit nicht ausgegangen werden.
Der Allgemeinmediziner Dr. M. teilte am 07.12.2015 mit, dass eine einseitige Belastung des rechten und linken Armes ohne Ausgleich vorliege, die nach seiner Auffassung nach durch die berufliche Tätigkeit verursacht sei.
Mit Bescheid vom 09.12.2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 2101 ab. Die Beklagte stütze sich hierzu auf die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes. Die ausge-übten Tätigkeiten seien von kurzer Dauer und würden durch reine Beobachtung an der Ma-schine länger unterbrochen, als sie selbst andauerten. Von ungewohnten Arbeiten bei fehlen-der oder gestörter Anpassung des Körpers könne beim jetzigen erstmaligen Auftreten der Beschwerden nach langjähriger Tätigkeit seit 1986 nicht ausgegangen werden.
Der staatliche Gewerbearzt gab die ihm zugeleiteten Akten der Beklagten am 07.12.2015 mit der Bemerkung zurück, dass eine gewerbeärztliche Bearbeitung nicht stattgefunden habe.
Der am 15.12.2015 eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, dass die vom TAD be-schriebenen Arbeitsvorgänge nicht richtig dargestellt worden seien. Es wirkten ganz andere Kräfte auf die Armgelenke. Es habe eine extreme Beanspruchung der Gliedmaßen unter wid-rigsten Umständen vorgelegen, bei der die extreme Hitze das Ihrige dazu getan habe. Vorge-legt wurden mit dem Widerspruch eine Tätigkeitsbeschreibung des Klägers selbst sowie Stellungnahmen der beiden früheren Vorgesetzten des Klägers D. und U. bei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Aus den vorgelegten Tätigkeitsbeschreibungen ergäben sich keine neuen Erkenntnisse zur Feststellung einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne der geltend gemachten BK. Der TAD habe die Tätigkeiten des Klägers bewertet und insbesondere keine einseitig lang andauernde mechanische Beanspruchung festgestellt. Weiterhin könne auch von ungewohnten Arbeiten bei fehlender gestörter Anpassung des Körpers beim jetzigen erstmaligen Auftreten der Beschwerden nach der langjährigen Tätigkeit nicht ausgegangen werden. Der Einwand der extremen Hitze habe zudem keine Bedeutung für die Feststellung der geltend gemachten BK.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 23.03.2016 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Die Beklagte habe den detaillierten Vortrag des Klägers zu seinen beruflichen Belastungen nicht ausreichend berücksichtigt, wozu auf die vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibungen Bezug genommen und die Vernehmung der Zeugen Dinger und Mustafa beantragt worden ist.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 15.03.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Berufskrank-heit nach der Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und wiederholt im Wesentli-chen ihr bisheriges Vorbringen.
Die Kammer hat das vom TAD erwähnte Arbeitsplatzvideo des Klägers bei der Beklagten angefordert, woraufhin ein USB-Stick mit 11 Videos vorgelegt worden ist.
In der mündlichen Verhandlung sind die vorgelegten Videos - soweit einschlägig - gemein-sam mit den Beteiligten in Augenschein genommen worden. Zudem wurden als Zeugen die früheren Vorgesetzten des Klägers D. und U. vernommen, ebenso die TAD-Bedienstete F.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2013 – B 2 U 6/12 R –, SozR 4-2700 § 9 Nr 22, Rn. 13), aber nicht begründet.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
In Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV sind Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Seh-nengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkei-ten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anerkannt.
Diese Erkrankungen können, insbesondere auch in Form der bei dem Kläger festgestellten Epicondylitis, durch einseitige, langdauernde mechanische Beanspruchung und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen. Überwiegend sind die oberen Extremitäten, insbesondere die Unterarme, betroffen (vgl. das Merkblatt zur BK Nr. 43 [jetzt 2101] der Anl. 1 zur 7. BKVO, Bek. des BMA v. 18.2.1963, BArbBl. Fachteil Ar-beitsschutz 1963, 24, unter Berücksichtigung der Änderungen vom 1.12.2007, Bek. d. BMAS v. 1.12.2007 - IVa 4-45222 – 2101/3).
Voraussetzung für die Anerkennung dieser BK ist einerseits das Vorliegen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen (berufliche Belastung / Exposition) sowie einer einschlägigen Erkrankung aufgrund dieser Belastung. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß sowie die entsprechende Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 - B 2 U 33/03 R -). Die geltend gemachte BK erfordert zudem das Vorliegen eines Unterlassungszwangs, welcher nach der Tätigkeitsaufgabe durch den Kläger vorliegt.
Eine ausreichende einschlägige Belastung des Klägers an seinen beiden Arbeitsplätzen in der Glasproduktion liegt jedoch nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht vor, weswegen die Beklagte die Anerkennung der geltend gemachten BK zu Recht abgelehnt hat.
Ursächlich für eine BK Nr. 2101 können sein (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeits-unfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 1165 f.; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2013 – L 3 U 28/10 –, Rn. 25, juris) 1. kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungs-frequenz (wie z.B. beim Maschinenschreiben und Klavierspielen, mindestens 3 gleichförmige Bewegungsabläufe pro Sekunde), 2. hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung des Handgelenks (wie z.B. beim Stricken, ggf. auch die Verwendung von Tastatur und Maus als Eingabegeräte am Computer), 3. die Überbeanspruchung bei ungewohnten Tätigkeiten aller Art bei fehlender oder ge-störter Anpassung bzw. bei repetitiver Verrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige, von der Ruhestellung der Hand stark abweichende Haltung erforderlich ist, mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftaufwendung (z.B. Drehen, Montieren, Bügeln, Obst pflücken), 4. eine forcierte Dorsalextension der Hand (etwa Rückschlag beim Tennis, Hämmern), und 5. monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms (etwa beim Betätigen eines Schraubendrehers).
Langjährige Schwerarbeit, auch eintönige "Fließarbeit" kommt hierfür nicht in Betracht, da hier eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) anzunehmen ist. Die tägliche Einwirkungsdauer sollte mindestens drei Stunden, die Gesamtbelastungszeit in der Regel fünf Jahre betragen (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 1166).
Da der Kläger die Tätigkeiten an der IS-Maschine durchgängig von 1986 bis 2015 ausgeübt hat, geht die Kammer von einem Trainingseffekt der oben genannten Art aus, weswegen bereits insofern die Anerkennung der geltend gemachten BK fraglich ist.
Entscheidend ist indes, dass bei genauer Betrachtung die Tätigkeit des Klägers sich unter keine der oben genannten Fallgruppen fassen lässt, da nur ein kleiner Ausschnitt der vom Kläger verlangten Handgriffe als belastend im Sinne der geltend gemachten BK angesehen werden kann, welcher eine arbeitstägliche zeitliche Belastungsdauer von mindestens drei Stunden nicht erreicht. Nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass als belastend im Sinne der BK Nr. 2101 nur das Abschmieren der Formen hierfür grundsätzlich in Betracht kommt, da hierbei zur Verteilung des Schmiermittels eine das Handgelenk in besonderer Weise belastende Drehbewegung erforderlich war, um das Schmiermittel gleichmäßig in der Form zu verteilen. Einschlägig ist insoweit die oben genannte Fallgruppe Nr. 5, evtl. auch - abhängig vom Kraftaufwand - die Fallgruppe Nr. 3.
Die Drehbewegung betrifft hierbei, wie aus den in Augenschein genommenen Videos hervorgeht, jedoch nur einen Teil der in diesem Arbeitsschritt vorgenommenen Handgriffe. Hierauf hat die sachverständige Zeugin F. in der mündlichen Verhandlung überzeugend hingewiesen. Denn das Einführen und Herausziehen der Bürste erfolgt ohne Drehbewegung, ebenso erfolgt, was auch für die weiteren hierbei zu beobachtenden Arbeitsschritte wie das Abklopfen der Form und die Körper/Arm-Drehung zur nächsten Form betrifft. Diese weiteren Handgriffe und Bewegungen, die oben und seitlich der jeweiligen Form vorgenommen wurden, sind einerseits unterschiedlich und abwechslungsreich, andererseits bieten sie der Hand die Möglichkeit, sich von der Belastung durch die Drehbewegung zu erholen.
Die von den Zeugen D. und U. genannten weiteren Tätigkeiten - Herausnahme von Stichproben (1 Mal je Stunde) - Gewichtskontrolle (alle 15 Minuten) - Formenwechsel (1Mal je Schicht) - Systemwechsel (2-3 Mal je Woche) erfüllen nicht die Kriterien der oben genannten Fallgruppen von einschlägigen Belastungen. Es handelt sich hierbei ausweislich der Zeugenaussagen und der Beweisvideos nicht um kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungsfrequenz oder hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung des Handgelenks. Auch liegt keine Überbeanspruchung bei ungewohnten Tätigkeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung bzw. bei repetitiver Verrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen vor, weil weder eine von der Ruhestellung der Hand stark abweichende Haltung erforderlich ist noch - nach Tätigkeitsausübung seit 1986 - insoweit von einer fehlenden Anpassung ausgegangen werden kann. Schließlich liegen insoweit auch keine forcierten Dorsalextensionen der Hand oder monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms vor.
Den Zeitanteil des teilweise BK-relevanten Arbeitsschritts "Schmieren der Glasformen" - bezogen alleine auf die für die BK einschlägige Drehbewegung - hat die sachverständige Zeugin F. in überzeugender Weise mit ca. 6 Minuten je Arbeitsschicht angegeben, nämlich mit drei Arbeitseinsätzen je 2 Minuten. Damit lag jedoch je Arbeitstag nur eine Belastung von insgesamt rund 48 Minuten vor. Eine einschlägige Belastung von 3 Stunden wurde hier-durch - auch bei Berücksichtigung eines erheblichen Sicherheitszuschlags bzw. einer worst-case-Betrachtung - bei weitem nicht erreicht. Zudem war in den belastungsfreien Zeiten auch eine Erholung der beanspruchten Körperregionen möglich.
Sofern die Zeugen D. und U. für das Schmieren der Formen 10 Minuten pro Arbeitseinsatz und somit 30 Minuten je Stunde angegeben haben, steht dies nicht in einem Widerspruch zu den voranstehenden Ausführungen. Zunächst ist hierzu festzustellen, dass die Zeugen ebenso wie die Zeugin F. einen insgesamt glaubwürdigen Eindruck auf das Gericht gemacht haben. Allenfalls ist durch das offenbar gute Verhältnis, welches die beiden Zeugen D. und U. zu dem Kläger haben, der Eindruck entstanden, dass die Zeugen D. und U. die zeitliche Arbeitsbelastung in noch vertretbarer Weise großzügig im Sinne des klägerischen Antrags geschätzt haben. Die Kammer geht - auch aufgrund der Zeitdauer der in den vorgelegten Videos zu sehenden Arbeitsschritte - davon aus, dass das Abschmieren der Formen allerhöchstens 5 - 10 Minuten insgesamt und durchschnittlich für einen langjährig erfahrenen Maschinenbediener wie den Kläger tendenziell eher 5 als 10 Minuten insgesamt gedauert hat. Hierzu hat der Zeuge U. auf Nachfrage auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass abhängig von der Geschicklichkeit 5 - 10 Minuten ausreichend waren.
Ein Widerspruch zu den von der Zeugin F. angegebenen 2 Minuten Belastung je Abschmier-vorgang und somit 6 Minuten Belastung je Arbeitsstunde liegt deswegen nicht vor, weil auch die Zeugen D. und U. bestätigt haben, dass der nach ihrer Aussage 10 Minuten bzw. 5-10 Minuten andauernde Arbeitseinsatz beim Schmieren der Formen nicht nur aus Drehbewegungen mit Belastungen für das Handgelenk bestand. Dies ergibt sich auch zwingend aus der Natur der Sache, weil nach erfolgtem Schmieren einer Form die Bürste zunächst zu der nächsten Form bewegt werden musste.
Insoweit weist die Kammer auch darauf hin, dass sowohl der Zeuge U. als auch der Zeuge D. die Tätigkeit des Klägers als insgesamt abwechslungsreich bezeichnet haben; als eintönig bzw. monoton wurde von ihnen nur das zeitlich beschränkte Schmieren bzw. Abschmieren der Formen bezeichnet. Das Gesamtbild einer insgesamt abwechslungsreichen Tätigkeit ergibt sich insgesamt auch aus den 11 in Augenschein genommenen Videos vom Arbeitsplatz des Klägers, welche durchaus auch Aufsichtstätigkeiten, Schreibtätigkeiten und einen gewissen Leerlauf bei der Tätigkeit (Beobachtung der arbeitenden Maschine) von zeitlich bedeutendem Umfang beinhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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