L 2 AL 59/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 55/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 59/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird als unzulässig verworfen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 4. August 2011.

Der am xxxxx 1961 geborene Kläger, der zuletzt seit dem 1. Januar 2010 in D. bei einem d. Arbeitgeber gearbeitet hatte, meldete sich am 4. August 2011 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Dezember 2011 mit der Begründung ab, ein am 6. Dezember 2008 erworbener Anspruch auf Alg sei erschöpft und einen neuen Anspruch habe der Kläger seither nicht erworben, da er weniger als 12 Monate versicherungspflichtig gewesen sei. Der Kläger legte hiergegen am 12. Januar 2012 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er habe vom 4. Januar 2010 bis zum 23. Dezember 2010 gearbeitet und dafür auch Arbeitsentgelt erhalten. Danach habe er seiner Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachgehen können und sich am 10. Januar 2011 in D1 in ärztliche Behandlung begeben. In dieser Zeit habe er Krankengeld erhalten, während der ersten 14 Tage vom Arbeitgeber und anschließend von der d. Krankenkasse, bei der er versichert gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2012 mit der Begründung zurück, in dem Dokument PD U1 der d. Arbeitsverwaltung sei eine Zeit des Krankengeldbezugs nicht bescheinigt worden, so dass davon auszugehen sei, dass in dieser Zeit keine Versicherungspflicht bestanden habe.

Am 30. Januar 2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat ausgeführt, er habe zunächst vom 24. Dezember 2010 bis zum 15. Januar 2011 unbezahlten Urlaub gehabt, jedoch während der ersten 3 Wochen seiner am 10. Januar 2011 einsetzenden Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber erhalten. Anschließend habe er vom 30. Januar 2011 bis zum 30. April 2011 Krankengeld von der Kommunalverwaltung in V. bezogen. Auch während des Krankengeldbezugs sei er versicherungspflichtig gewesen. Weiterhin sei die aufgeworfene Rechtsfrage für ihn deswegen von Bedeutung, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung zu klären seien.

Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten und insbesondere auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Oktober 2015 (Az. L 3 AL 8/14) verwiesen.

Das Sozialgericht hat eine Auskunft des d. P. in K. eingeholt, wo es heißt, nach d. Recht könnten Zeiten mit Krankentagegeld nicht bei der Berechnung der d. Arbeitslosigkeitsleistungen berücksichtigt werden. Solche Leistungen könnten auch nicht im Dokument PD U1 bestätigt werden.

Durch Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Da der Krankengeldbezug in D. nicht zu einer Versicherungspflicht in der d. Arbeitslosenversicherung geführt habe, sei er auch nicht als Anwartschaft im Sinne des deutschen Arbeitsförderungsrechts zu werten. Andernfalls könnten durch Übersiedlung in einen anderen EU-Staat Ansprüche geschaffen werden, die es in dem Staat, in dem die Zeiten zurückgelegt worden seien, nicht gebe. Dies habe auch mit der aufgrund der europarechtlichen Freizügigkeit gewollten und vereinbarten Anspruchserhaltung nichts zu tun. Der Gerichtsbescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach er mit der Berufung angefochten werden könne und diese innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Landessozialgericht einzulegen sei; auch eine Einlegung beim Sozialgericht wahre die Frist. Die Berufungsschrift müsse innerhalb eines Monats bei einem der Gerichte eingehen. Der Gerichtsbescheid ist dem in N. wohnhaften Kläger ausweislich der zur Prozessakte gelangten Postzustellungsurkunde am 3. November 2015 zugegangen.

Mit seinem Schreiben vom 2. Dezember 2015, das am 4. Dezember 2015 bei Gericht eingegangen ist, hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, es seien neue Informationen aufgetaucht.

Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 7. Januar 2016 darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist mit Ablauf des 3. Dezember 2015 geendet habe und die Berufungsschrift erst am 4. Dezember 2015 bei Gericht eingegangen sei. Die Berufung müsse daher als unzulässig verworfen werden, sofern keine Tatsachen vorlägen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigten. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Kläger ohne Verschulden daran gehindert gewesen sei, rechtzeitig Berufung einzulegen. Die Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags sollten glaubhaft gemacht werden. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert.

Dem Vorbringen des Klägers ist der Antrag zu entnehmen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 4. August 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und führt aus, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. Oktober 2015 (Az. L 3 AL 8/14) sei inzwischen rechtskräftig geworden.

Durch Beschluss vom 30. März 2016 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

In dieser Besetzung hat der Senat sodann am 21. September 2016 über die Berufung mündlich verhandelt. Der ausweislich der zur Prozessakte gelangten Postzustellungsurkunde vom 13. Juli 2016 zum Termin geladene Kläger ist ohne Angabe von Gründen nicht erschienen. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte. Er konnte weiterhin trotz Ausbleiben des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß geladen und ordnungsgemäß darüber belehrt worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

Die Berufung ist unzulässig. Sie ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG statthaft, jedoch nicht fristgerecht erhoben worden. Nach § 153 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist – wie § 153 Abs. 2 Satz 1 SGG bestimmt – auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Der Kläger hat diese Frist nicht eingehalten. Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung. Da die Zustellung ausweislich der zur Prozessakte gelangten Postzustellungsurkunde der 3. November 2015 erfolgt ist, begann der Lauf der Frist am 4. Dezember 2015.

Geendet hat die Frist mit Ablauf des 3. Dezember 2015, denn eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach seiner Zahl dem Tag entspricht, in den das fristlauslösende Ereignis oder der fristauslösende Zeitpunkt fällt, § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG. Fristauslösendes Ereignis war hier die Zustellung des Gerichtsbescheides, so dass die Frist mit Ablauf des 3. Dezember 2015 endete. Da der 3. Dezember 2015 (ein Donnerstag) nicht auf einen Sonntag, Sonnabend oder einen gesetzlichen Feiertag fiel, verlängerte sich die Frist auch nicht gemäß § 64 Abs. 3 SGG. Es kam auch nicht zu einer Verlängerung der Berufungsfrist nach § 66 Abs. 2 SGG, denn die dem Gerichtsbescheid beigefügte Rechtsmittelbehrung war zutreffend und vollständig.

Dem Kläger war auch nicht etwa Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG sollen die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft gemacht werden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Klagefrist gehindert gewesen wäre.

Somit durfte eine Entscheidung in der Sache nicht ergehen. Das Berufungsgericht hat die Rechtzeitigkeit der Berufung als Zulässigkeitsvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen und ist im Verneinensfall an einer inhaltlichen Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch gehindert.

Es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Rechtswirkung des vorliegenden Urteils allein auf einen möglichen Alg-Anspruch erstreckt. Die Frage, ob der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt, ist weder ausdrücklich noch inzident Gegenstand der vorliegenden Entscheidung. Überdies können die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente, insbesondere die nach 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) erforderliche drei-Fünftel-Belegung auch aufgrund anderer Umstände als des Alg-Bezugs erfüllt sein. Im vorliegenden Fall käme insbesondere ein Fall des § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI oder des § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI – jeweils in Verbindung mit § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI – in Betracht. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschriften vorliegen, ist allerdings – wie dargelegt – im Rentenverfahren zu prüfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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