L 4 KR 136/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 1296/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 136/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 22. Juni 1998 hinaus streitig.

Der am 1975 geborene Kläger war durch den Bezug von Leistungen des Arbeitsamtes (AA) pflichtversichertes Mitglied der Beklagten.

Am 20. Januar 1998 tötete der Kläger im Zustand einer akuten schizophrenen Psychose seinen Vater C. T. und verletzte seine Mutter schwer. Am selben Tag wurde er vorläufig festgenommen und im Kreiskrankenhaus R. vorgestellt, von wo er sogleich ins Zentrum für Psychiatrie (ZfP) E. überwiesen wurde. Dort wurde er zunächst aufgrund des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts (AG) R. vom 21. Januar 1998 gemäß § 126a der Strafprozeßordnung (StPO) untergebracht, später nach seiner Verurteilung gemäß § 63 des Strafgesetzbuches (StGB).

Mit Auszahlscheinen für Krg bescheinigte das ZfP E., unter dem 26. März, 15. April, 06. und 27. Mai, 22. Juni, 29. Juli, 28. August, 23. September und 23. Oktober 1998 das Fortbestehen von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Nach Ende der Leistungsfortzahlung durch das AA gewährte die Beklagte ab 03. März 1998 zunächst bis 22. Juni 1998 Krg. Im Anschluß hieran holte sie die ärztliche Auskunft des ZfP E. vom 21. Juli 1998 ein, zog eine Kopie des Unterbringungsbefehls vom 21. Januar 1998, die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft B.-B. vom 14. August 1998 an das Landgericht - Schwurgericht - B.-B. sowie den Kurzarztbrief des Kreiskrankenhauses R. über die Notfallbehandlung des Klägers am 20. Januar 1998 bei. Diese Unterlagen legte sie dem Medizinischen Dienst der Kran¬kenversicherung (MDK) mit der Bitte um Prüfung vor, ob beim Kläger Arbeitsunfähigkeit (AU) im Sinne des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) vorliege. In ihrer Stellungnahme vom 05. Oktober 1998 führte Dr. E. aus, daß bei stationärer Behandlungsbedürftigkeit einer schizophrenen Psychose auch von AU auszugehen sei.

Im Februar 1999 wandte sich der Kläger unter Hinzuziehung der Diplom-Sozialarbeiterin (FH) S. gegen die Einstellung des Krg zum 22. Juni 1998, worauf die Beklagte dieser mit Schreiben vom 24. Februar 1999 mitteilte, der Kläger habe nach dem 22. Juni 1998 keinen Anspruch auf Krg mehr. Das bis 22. Juni 1998 gewährte Krg in Höhe von 5.130,42 DM sei vielmehr zu Unrecht gezahlt worden, nachdem der Anspruch gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ruhe. Nachdem die Beklagte den Kläger im Hinblick auf die beabsichtigte Rückforderung des vom 03. März bis 22. Juni 1998 gewährten Krg mit Schreiben vom 26. Februar 1999 angehört und die Auskunft der Staatsanwaltschaft B.-B. vom 31. Mai 1999 eingeholt hatte, führte sie dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 04. Juni 1999 unter Hinweis auf § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V aus, daß sein Anspruch auf Krg ruhe. Zwar sehe die Gesundheitsfürsorge für Gefangene Krg oder eine vergleichbare Entgeltersatzleistung nicht vor, weshalb der Anspruch auf Krg durch eine freiheitsentziehende Maßregel im Sinne der genannten Regelung nicht berührt werde. Doch könne ein Krg-Anspruch nur in den Fällen realisiert werden, in denen während einer AU die Haft angetreten werde. Ein solcher Sachverhalt liege jedoch nicht vor, nachdem der Kläger bereits am Tag des Beginns der AU am 20. Januar 1998 vorläufig festgenommen worden sei. Zwar sehe sie unter Vertrauensgesichtspunkten von der Rückforderung des gewährten Krg ab, aus den dargelegten Gründen könne über den 22. Juni 1998 hinaus jedoch weiteres Krg nicht gewährt werden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der bei der Beklagten eingesetzte Widerspruchsausschuß mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 1999 als unzulässig zurück.

Am 25. Februar 2000 beantragte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten die Überprüfung des Bescheids vom 04. Juni 1999 gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X). Der Anspruch auf Krg werde durch eine freiheitsentziehende Maßregel nicht berührt. Leistungsansprüche seien vielmehr nur insoweit ausgeschlossen, als Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach anderen Vorschriften bestehe, was hinsichtlich des Krg jedoch nicht der Fall sei. Ungeachtet dessen sei er auch bereits bei seiner stationären Aufnahme arbeitsunfähig (au) gewesen, was sich auch aus dem auszugsweise vorgelegten Urteil des Landgerichts (LG) Baden-Baden (Ks 2/98) entnehmen lasse. Mit Bescheid vom 08. März 2000 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 04. Juni 1999 mit der Begründung ab, dieser Bescheid sei nicht zu beanstanden. Nach erneuter Überprüfung des Sachverhalts sei festzustellen, daß der Kläger vor dem 20. Januar 1998 nicht au gewesen sei. Er habe sich bis einschließlich 20. Januar 1998, 14.16 Uhr, dem AA R. zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt. Somit sei eine Maßnahme nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht während der AU angetreten worden. Ein Anspruch auf weiteres Krg über den 22. Juni 1998 hinaus bestehe daher nicht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der bei der Beklagten eingesetzte Widerspruchsausschuß mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2000 im wesentlichen unter Wiederholung der Ausführungen im Bescheid vom 04. Juni 1999 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 20. April 2000 beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage erhoben und geltend gemacht, eine freiheitsentziehende Maßregel berühre grundsätzlich den Anspruch auf Krg nicht. Voraussetzung hierfür sei lediglich, daß die AU bereits vor Antritt der Haft bestanden habe, was durch ärztliche Atteste bestätigt werde. Ent¬sprechendes sei auch der Begründung des LG Baden-Baden im Urteil vom 09. Novem¬ber 1998 zu entnehmen.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechter¬haltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen.

Das SG hat Dr. E. und Dr. T., Ärztinnen im ZfP E., schriftlich als sachverständige Zeugen angehört (Auskunft vom 25. Juli 2000) und die Beklagte mit Urteil vom 23. November 2000 unter Aufhebung des Bescheids vom 08. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2000 verurteilt, den Bescheid vom 04. Juni 1999 zurückzunehmen und dem Kläger über den 22. Juni 1998 hinaus Krg zu gewähren. Zur Begründung führte das SG im wesentlichen aus, daß die Ruhensvorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V den Anspruch auf Krg nicht erfasse, da Leistungen nur insoweit ruhten, als ein Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG) bestehe oder sonstige Gesundheitsfürsorge bezogen werde, diese Leistungen Krg jedoch nicht beinhalteten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des der Beklagten am 14. Dezember 2000 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Hiergegen hat die Beklagte am 09. Januar 2001 schriftlich durch Fernkopie beim Lan-dessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, die Kosten der stationären Krankenhausbehandlung im Kreiskrankenhaus Rastatt sowie im ZfP E. seien von ihr nur am 20. Januar 1998 übernommen worden. Nachdem der Kläger auf ihre Kosten daher nur an diesem Tag stationär behandelt worden sei, habe Anspruch auf Krg gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB V nur für diesen Tag bestanden, wobei der Krg-Anspruch im Hinblick auf die Fortzahlung des Arbeitslosen¬geldes geruht habe. Im übrigen habe das Krg gemäß § 47 Abs. 3 SGB V Entgeltersatzfunktion, was einen Krg-Anspruch gleichfalls ausschließe. Denn wäre der Kläger während seines Aufenthalts im ZfP E. ab 21. Januar 1998 nicht au gewesen, hätte er weder Arbeitsentgelt noch Arbeitslosengeld erhalten. Im Hinblick auf die genannte Vorschrift bestehe ab 21. Januar 1998 selbst dann kein Anspruch auf Krg, wenn er au wäre. Nachdem die Kosten der Unterbringung im ZfP E. seit 21. Januar 1998 aus Steuergeldern getragen würden, könne der Kläger nicht noch zusätzlich einen Anspruch auf Krg haben. Schließlich habe sie im Hinblick auf das vom Kläger verübte Verbrechen für seinen Vater Aufwendungen von 14.422,19 DM und für seine Mutter von mindestens 16.274,90 DM gehabt. Sie habe ein Recht darauf, nicht mit vermeidbaren Ausgaben belastet zu werden. Solche entstünden dann, wenn sich der einzelne nicht so verhalte, wie es die Versichertengemeinschaft billigerweise von ihm erwarten dürfe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig. Von der Ruhensvorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V sei der Anspruch auf Krg nicht erfaßt. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne aus der Entgeltersatzfunktion des Krg nicht geschlossen werden, daß es dann nicht zu bezahlen sei, wenn der Anspruchsteller au erkrankt sei. Denn Voraussetzung für die Krg-Gewährung sei gerade, daß der Empfänger erkrankt und nicht arbeitsfähig sei. Darüber hinaus sei eine gesetzliche Regelung für die von der Beklagten herangezogenen Billigkeitserwägungen nicht vorhanden. Diese gingen im übrigen ohnehin ins Leere, da er in einem die Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand gehandelt habe.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2000 zu Recht verurteilt den Bescheid vom 04. Juni 1999 zurückzunehmen und dem Kläger Krg über den 22. Juni 1998 hinaus zu gewähren. Nachdem der Kläger seit 20. Januar 1998 ohne Unterbrechung stationär im ZfP E. stationär behandelt wird und jedenfalls bis Juli 2000 AU vorgelegen hat, hat der Kläger Ansprach auf Krg über den 22. Juni 1998 hinaus bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB V.

Das SG hat zu Recht ausgeführt, daß der Ansprach des Klägers auf Krg im Hinblick auf den Unterbringungsbefehl nach § 126a StPO vom 21. Januar 1998 nicht ab diesem Zeitpunkt im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V geruht hat. Denn nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich in Untersuchungshaft befinden, nach § 126a StPO einstweilen untergebracht sind oder gegen sie eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird, nur, soweit die Versicherten als Gefangene Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem StVollzG haben oder sonstige Gesundheitsfürsorge erhalten. Da der Kläger weder Ansprach auf solche, dem Krg entsprechende Leistungen hat, noch entsprechende Leistungen erhält, liegen die Voraussetzungen dieses Ruhenstatbestandes nicht vor. Dem Kläger steht, nachdem er die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Krg erfüllt, daher auch während seiner einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO bzw. des Vollzugs der freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gemäß § 63 StGB Krg zu.

Sollte der Gesetzgeber, wofür die Materialien zum Gesundheitsreformgesetz (GRG) spre¬chen könnten, etwas anderes beabsichtigt haben, so hat dies jedenfalls im geltenden Recht keinen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden.

Die Anmerkung zu § 16 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT-Drucksache 11/2237 S. 165) lautet wie folgt:

" ... Nummer 4 übernimmt Regelungen aus § 216 Abs. 1 Nr. 1 RVO und führt zwei inhaltliche Änderungen ein. Die ausdrückliche Aufführung der gemäß § 126a StPO Untergebrachten berücksichtigt das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. März 1987 - 3 RK 23/86 -. In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht festgestellt, daß bei Versicherten, die gemäß § 126a StPO einstweilig untergebracht sind, die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ruhen. Der jetzt angefügte letzte Halbsatz berücksichtigt ferner, daß Strafgefangenen gemäß § 39 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz gestattet werden kann, ein freies Beschäftigungsverhältnis einzugehen, und daß sie deshalb krankenversichert sein können. Die mit Artikel 48 dieses Entwurfs eingeführte Vorschrift des § 62a StVollzG und die Änderung des § 78 StVollzG lassen für diese Gefangenen den Anspruch auf Leistungen nach den §§ 57, 58, 61, 76 und 77 Strafvollzugsgesetz ruhen. Entsprechend nimmt Nummer 4 diese Gefangenen von dem Ruhen der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Nummer 4 berücksichtigt ferner, daß auch Gefangene, deren Vollzug nicht von den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes geregelt wird, gestattet werden kann, ein freies Beschäftigungsverhältnis einzugehen; sie unterliegen damit der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gilt namentlich für Gefan¬gene im Jugendstrafvollzug. Auch diese Gefangenen sollen von dem Ruhen des Anspruchs ausgenommen werden, wenn sie keine Gesundheitsfürsorge von seiten der Anstalt erhalten. Für die Aufrechterhaltung des § 216 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz RVO bestand - auch im Hinblick auf §§49 und 50 SGB I - kein Bedürfnis mehr. § 216 Abs. 1 Nr. 4 RVO, der für Rentner und ihre Angehörigen das Ruhen des Anspruchs bei Heimunterbringung vorsieht, wird nicht übernommen, weil diese Regelung in der Praxis durch Änderung der Pflegevertragsbedingungen unterlaufen werden kann und zunehmend als Diskriminierung von Pflegebedürftigen angesehen wird." Der im weiteren Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 11/249) gemachte Ergänzungsvorschlag des Bundesrats (vgl. Nr. 14, S. 10) hat keine Berücksichtigung gefunden. Dieser lautet:

"In § 16 Abs. 1 Nr. 4 sind nach den Worten oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung die Worte nach § 61 Nr. 3 Strafgesetzbuch einzufügen". In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drs. 11/3320) erhielt lediglich Satz 1 des § 16 SGB V eine neue Fassung ("Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange Versicherte ..."); im übrigen blieb die Vorschrift unverändert und wurde in den weiteren Beratungen nicht weiter erörtert. Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die Auswirkung der gewählten Formulierung, daß nämlich in Fällen wie dem vorliegenden Krg zu zahlen ist, bedacht hat. Andererseits spricht aber der Hinweis auf die Vorschriften der §§ 49, 50 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB I) in den Materialien gegen das "Ruhen" des Anspruchs auf Krg. Denn ein Anspruch der "ruht", also an sich besteht, aber nicht erfüllt werden darf, kann auch nicht gegenüber den in §§ 49, 50 SGB I Genannten erfüllt werden. Sollte etwas anderes gemeint sein, hätte es nahegelegen, diese Vorschriften durch einen Satz zu ergänzen, demzufolge in einem solchen Fall auch ein ruhender An¬spruch zu erfüllen ist. Zudem hätte es für den Gesetzgeber keines nennenswerten Aufwands bedurft, eine volle Übernahme des früheren Rechts durch die Verwendung des Wortes "wenn" anstelle von "soweit" zu erreichen. Deswegen folgt der Senat der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. die Zusammenfassung bei Hauck/Haines Kommentar zu § 16 SGB V RdNr. 46). Offen gelassen wird diese Frage von Karl Peters in KassKomm § 16 RdNr. 12 im Hinblick auf die Wortwahl des Gesetzgebers ("soweit").

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, die Regelung greife nur dann nicht ein, wenn die Haft während einer AU angetreten werde, findet diese einschränkende Interpretation im Gesetz keinerlei Stütze. Der Senat sieht weder im Wortlaut Anhaltspunkte, die eine derartige Auslegung rechtfertigen könnten, noch sind Gründe ersichtlich, die nach Sinn und Zweck der Regelung eine derartige Auslegung geboten erscheinen lassen könnten. Soweit im Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 09. Dezember 1988 zu § 16 SGB V im Anschluß an die Feststellung, der Anspruch auf das Krg werde durch eine freiheitsentziehende Maßregel im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht berührt, ausgeführt wird, ein Krg-Anspruch könne mithin in den Fällen realisiert werden, in denen während einer AU die Haft angetreten werde, ist dies offensichtlich als Beispiel für einen fortbestehenden Krg-Anspruch zu verstehen. Demgegenüber lassen die Ausführungen nicht den Rückschluß zu, daß ein Krg-Anspruch ausschließlich unter den dort genannten Voraussetzungen realisiert werden könne.

Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren geltend gemacht hat, der Anspruch auf Krg sei bereits im Hinblick auf die Entgeltersatzfunktion des Krg ausgeschlossen, verkennt sie, daß die Gewährung von Krg gerade nicht voraussetzt, daß zeitgleich auch ohne die AU jedenfalls ein Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitslosengeld bestanden haben muß. Denn zweifellos endet beispielsweise auch ein Krg-Anspruch durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Beginn der AU nicht automatisch mit dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis endet und kein Anspruch auf Leistungen des AA besteht.

Letztlich stehen auch die von der Beklagten im Berufungsverfahren geltend gemachten Billigkeitsgesichtspunkte dem Krg-Anspruch des Klägers nicht entgegen. Denn das Gesetz kennt keine Regelung, die grundsätzlich bestehende Leistungsansprüche dann versagt, wenn der Versichertengemeinschaft durch Handlungen des Versicherten finanzieller Schaden zugefügt wird.

Da die Berufung nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimißt.
Rechtskraft
Aus
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