L 8 R 853/16 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 1430/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 853/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 9.9.2016 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird in beiden Rechtzügen auf 19.554,09 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht am 26.9.2016 (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 13.9.2016 zugestellten Beschluss des SG Düsseldorf vom 9.9.2016 ist unbegründet.

Der Senat kann dabei offen lassen, ob dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs die Rechtskraft des Beschlusses vom 3.6.2016 entgegensteht (vgl. dazu LSG NRW, Beschluss v. 4.3.2014, L 19 AS 183/14 B ER, juris; Bayrisches LSG, Beschluss v. 9.7.2012, L 11 AS 333/12 ER; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 86b Rdnr. 19a m.w.N.; Senat, Beschluss v. 30.5.2016, L 8 LW 5/15 B ER, juris), denn jedenfalls rechtfertigt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin auch unter Würdigung der nunmehr im Beschwerdeverfahren beigebrachten neuerlichen Beweismittel keine andere Entscheidung.

1. Soweit die Antragstellerin die mangelnde Betreibung des Hauptsacheverfahrens moniert, ist sie diesbezüglich auf den Rechtsbehelf der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zu verweisen und sich daran ggf. anschließende Vollstreckungsmaßnahmen auf Vollzug einer etwaigen Entscheidung zu ihren Gunsten. Ein entsprechendes Verfahren wurde nach Rücknahme der ersten Untätigkeitsklage (Sozialgericht [SG] Düsseldorf, S 26 R 1070/14) nunmehr erneut unter dem 25.7.2016 (SG Düsseldorf, S 26 R 1215/16) eingeleitet.

2. Der vorgelegten Zahlungsaufforderung ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin die durch den Senat mit Beschluss vom 3.6.2016 angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Nachforderung für Frau B H beachtet. Die Vollstreckung droht hinsichtlich der Nachforderung für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 15.4.2012 in Höhe von 56.031,97 Euro zzgl. Säumniszuschlägen betreffend Herrn B1 H.

3. Die nunmehr vorgelegte Bescheinigung der Polizeidirektion von Thessaloniki v. 9.9.2016 bezieht sich zunächst lediglich auf einen Teilzeitraum des Streitzeitraums, denn sie verhält sich nur für die Zeit vom 31.8.2005 bis zum 22.4.2009. Verstöße, die auf eine Aktivität der Gaststätte hindeuten, werden nur im Zeitraum vom 6.9.2005 bis zum 28.12.2007 bescheinigt. Dabei kann der Bescheinigung zudem zwar die Eigentümerstellung des Herrn B1 H entnommen werden, nicht allerdings, dass er vor Ort auch die Gaststätte betrieben hat. Auf die durch den Senat im Beschluss v. 3.6.2016 aufgeworfenen Fragen geht die Antragstellerin nicht ein.

4. Weiterhin besteht nach dem Vortrag der Antragstellerin keine unzumutbare Härte. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelänge darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 287/11 B ER, juris). Daran fehlt es hier jedoch, denn die Antragstellerin verweist darauf, bereits jetzt und damit unabhängig von der Forderung der Antragsgegnerin zahlungsunfähig zu sein.

5. Soweit die Antragstellerin auf mögliche gesundheitliche Gefährdungen durch eine Forderungsrealisierung verweist, ist diesem Gesichtspunkt - auch mit Blick auf den Grundrechtsschutz der Antragstellerin aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - ggf. im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 6.7.2016, 2 BvR 5448/16, FamRZ 2016, 1645), unter Umständen über eine vorläufige Einstellung des Vollstreckungsverfahrens gemäß § 5 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz i.V.m. § 258 Abgabenordnung (AO) - vgl. hierzu BFH, Beschluss v. 20.6.2005, VII S 15/05, juris - oder durch die Ausgestaltung der Zwangsvollstreckung im Einzelfall. Einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bedarf es dafür nicht (Senat, Beschluss v. 14.9.2016, L 8 R 221/14 B ER).

Das möglicherweise in diesem Sinne zu verstehende hilfsweise Begehren der Antragstellerin, die Zwangsvollstreckung gegen sie einzustellen, kann sie im vorliegenden Verfahren nicht erreichen, weil es insoweit an einem Anordnungsanspruch fehlt, für den die Antragsgegnerin passiv legitimiert wäre (Senat, Beschluss v. 23.9.2015, L 8 R 677/14 B ER, juris). Rückständige Beitragsansprüche werden von der Einzugsstelle als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags eingezogen (§ 28h Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]). Die Vollstreckung richtet sich nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch. Zuständig sind bei der Vollstreckung von Geldforderungen die Hauptzollämter als Vollstreckungsbehörden (§ 249 Abs. 1 Satz 3 AO).

Nichts anderes gilt, wenn die rückständigen Beitragsansprüche vom prüfenden Rentenversicherungsträger im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt worden sind (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV). Die Zuständigkeit der Einzugsstelle bei der Einziehung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wird nach dieser Vorschrift nur für die Dauer der Betriebsprüfung und nur hinsichtlich der Feststellung von Versicherungspflicht sowie Beitragshöhe suspendiert. Alle weiteren Zuständigkeiten, namentlich diejenigen im Rahmen des Forderungseinzugs, wie etwa für Stundung, Erlass oder Niederschlagung der Beitragsforderung (§ 76 Abs. 3 SGB IV) und die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 257 AO), verbleiben bei der Einzugsstelle. Dahingehende Ansprüche kann die Antragstellerin daher nur im gegen die Einzugsstelle gerichteten Verfahren verfolgen (Senat, Beschluss v. 23.9.2015, a.a.O.). Bislang hat die Antragstellerin ein derartiges Verfahren indes offenbar noch nicht eingeleitet sondern lediglich außergerichtlich mit der Einzugsstelle korrespondiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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