Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AL 106/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 27/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. November 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für die Arbeitnehmerin S S (im Folgenden AN).
Die Klägerin betreibt ein Versicherungsgewerbe (Gewerbeanmeldung vom 14. März 2013). Am 24. Februar 2014 schloss sie mit der AN für die Zeit ab 15. März 2014 einen Arbeitsvertrag, wonach die AN im Rahmen einer Vollzeitstelle als Bürokraft mit einem monatlichen Bruttolohn von 1.550 EUR angestellt wurde. Die 1990 geborene AN, eine medizinische Fachangestellte (Abschluss der Ausbildung 2010), war von Juni 2010 bis zu ihrer Kündigung zum 31. Oktober 2013 in diesem Beruf beschäftigt und vom 10. April bis 31. Oktober 2013 arbeitsunfähig erkrankt. In ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 2. Oktober 2013 gab die AN an, dass gesundheitliche Gründe ihre Verfügbarkeit nicht einschränken würden. Die Beklagte bewilligte ihr Alg, und zwar nach verlängerter Arbeitsunfähigkeit vom 14. November 2013 bis 13. November 2014 (Bescheid vom 3. Dezember 2013; Aufhebungsbescheid ab 15. März 2014 wegen Beschäftigungsaufnahme vom 17. März 2014). Am 12. März 2014 beantragte die Klägerin für die AN die Zahlung eines Eingliederungszuschusses (nachfolgend: EGZ) und gab an, die AN verfüge nicht über die branchenüblichen Kenntnisse sowohl bei Verträgen wie auch bei Kundengesprächen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. April 2014 ab mit der Begründung, bei der AN seien keine Vermittlungshemmnisse in dem Beruf als medizinische Fachangestellte zu erwarten. Das marktübliche Einarbeiten in einen anderen Berufszweig sei nicht förderfähig. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die AN würde mindestens einmal im Jahr für etwa acht Wochen krankheitsbedingt wegen einer Neuroborreliose ausfallen. Im Jahr 2014 sei bei dieser darüber hinaus eine genetische Erkrankung mit der Folge starker Schmerzen festgestellt worden. Die AN würde durch ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen keinen anderen Arbeitgeber finden. Sie, die Klägerin, habe sie nur eingestellt, weil die AN im Umfang von bis zu 70 % zu Hause arbeiten könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der AN sei nicht von Vermittlungshemmnissen auszugehen. Trotz der gesundheitlichen Einschränkungen bestehe Beschäftigungsfähigkeit im Zielberuf als Arzthelferin. Die bisher gegebenenfalls fehlenden Kenntnisse könnten während der normalen Einarbeitungszeit vermittelt werden.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine fehlerhafte Ermessensentscheidung gerügt. Aufgrund der immer wieder eintretenden Arbeitsunfähigkeit sei die AN nicht in den Beruf als Arzthelferin vermittelbar. Ein GdB von 50 sei bei jener zwischenzeitlich festgestellt worden.
Das Sozialgericht Neuruppin (SG) hat die Klage mit Urteil vom 26. November 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die krankheitsbedingten Ausfälle der AN, etwa 9 Wochen in einem Jahr, ließen nicht auf ein Vermittlungshemmnis schließen. Eine Vermittlung im Ausbildungsberuf der AN, die Vorrang habe, wäre möglich gewesen. Auch eine Förderbedürftigkeit bestehe nicht. Dass die Klägerin keine Fachkraft finanzieren könne, rechtfertige nicht die Gewährung des EGZ. Die Beklagte habe sämtliche Umstände im Rahmen ihrer Entscheidung berücksichtigt.
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin die Neubescheidung ihres EGZ-Antrags. Aus der dem Schriftsatz vom 7. März 2016 beigefügten Aufstellung, auf die verwiesen wird, gehe hervor, dass die AN im Jahr 2014 in dem bis dahin erst neuneinhalbmonatigen Angestelltenverhältnis achteinhalb Wochen nicht oder nur eingeschränkt arbeitsfähig gewesen sei. Im Jahr 2015 habe die AN 16 Wochen nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können. Im Rahmen der Heimarbeit könne die AN nur eingeschränkt für sie tätig sein; im Übrigen sei ein Mehraufwand auch für sie, die Klägerin gegeben, indem sie die notwendigen Unterlagen und Posteingänge der AN zu Hause zur Verfügung stellen müsse. Die festgestellte Schwerbehinderung untermauere das Vermittlungshemmnis. Anders als bei anderen Arbeitnehmern stehe bei der AN von vornherein fest, dass erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten auftreten würden, zumal sie in ihrem Ausbildungsberuf keine Tätigkeiten von zu Hause würde durchführen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 zu verpflichten, ihren Antrag auf Zahlung eines Eingliederungszuschusses für die Arbeitnehmerin S S unter Beachtung der Rechtsauffassung der Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, der dargelegte Umfang der Arbeitsunfähigkeitszeiten von neun Wochen im Jahr (2014: 38 Arbeitstage bzw. 2015: 37 Arbeitstage) deute nicht auf ein Vermittlungshindernis hin, da Ausfälle in diesem Umfang bei jedem Arbeitnehmer auftreten könnten. Zeiten der Heimarbeit seien nicht zu berücksichtigen. Jedenfalls wäre eine Vermittlung der AN in ihrem Ausbildungsberuf möglich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten nebst die AN betreffende Leistungsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Gegenstand des Verfahrens ist der mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 2 SGG) geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung des EGZ-Antrages. Das einen solchen Anspruch der Klägerin abweisende Urteil des SG sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Ermessensentscheidung auf Gewährung eines EGZ ist § 88 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III (idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl I 2854]). Nach dieser Vorschrift können Arbeitgeber zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt zum Ausgleich einer Minderleistung erhalten. Die Höhe und Dauer der Förderung richten sich nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes. Der EGZ kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen (§ 89 Sätze 1 und 2 SGB III).
Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen sind hier, wie vom SG zutreffend entschieden worden ist, nicht gegeben. Die AN ist zwar als Arbeitnehmerin grundsätzlich förderungsfähig. Auch wurde der Antrag auf EGZ rechtzeitig von der Klägerin vor Aufnahme der Beschäftigung gestellt (vgl. § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III). In der Person der AN lagen jedoch im Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns keine Vermittlungshemmnisse vor, die einer erfolgreichen Wiedereingliederung ins Erwerbsleben entgegengestanden hätten.
Für das Vorliegen eines Vermittlungshemmnisses ist zwar im Hinblick auf den Zweck des EGZ, für mutmaßliche Minderleistungen des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber einen kompensatorischen Ausgleich zukommen zu lassen (vgl. BT-Drs. 13/4941 S 192 zu § 215 SGB III aF) ausreichend, dass dem Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Bewerbern, mit denen er auf dem für ihn in Betracht kommenden räumlichen und fachlichen Arbeitsmarkt konkurriert, unter persönlichen Wettbewerbsnachteilen leidet. Insofern sind die noch in § 218 Abs. 1 SGB III aF geregelten Fallgruppen nicht mehr Voraussetzung für eine Förderung, bieten jedoch eine Orientierung für das Vorliegen entsprechender persönlicher Wettbewerbsnachteile (vgl. Kühl in Brand, SGB III, 7. Auflage 2015, § 88 Rn. 9). Entsprechende Umstände – etwa das Erfordernis einer besonderen Einarbeitung zur Eingliederung, eine erschwerte Vermittlung wegen in der Person liegender Umstände (zB Langzeitarbeitslosigkeit, Schwerbehinderung, oder Arbeitnehmer mit vollendetem 55. Lebensjahr bei zuvor bestehender Langzeitarbeitslosigkeit) – lagen jedoch bei der AN vor Beginn der Beschäftigung bei der Klägerin am 15. März 2013 nicht vor (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 11. Dezember 2006 – L 9 AL 148/06 – juris Rn. 25 ff). Entsprechende Umstände ergeben sich weder aus den Akten noch hat die Klägerin solche konkret vorgetragen.
Zwar können Behinderungen und Krankheiten, wie sie bei der AN zwischenzeitlich festgestellt wurden, grundsätzlich Vermittlungshemmnisse in vorstehendem Sinn darstellen, wenn dadurch die Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt ist. Vorliegend kann jedoch dahinstehen, ob Entsprechendes bei der – fortdauernd bei der Klägerin beschäftigten AN – zwischenzeitlich nach Feststellung ihrer Schwerbehinderung ab 29. April 2014 (befristet bis Dezember 2016) der Fall wäre. Anhaltspunkte, dass dies schon im Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme ihre Vermittelbarkeit eingeschränkt hätte, bestehen nicht. Die AN hat mit ihrem Arbeitslosengeldantrag vom 2. Oktober 2013 trotz der seit Juli 2013 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit angegeben, aus gesundheitlichen Gründen nicht lediglich eingeschränkt verfügbar zu sein. Aus dem Kündigungsschreiben der früheren Arbeitgeberin der AN vom 11. September 2013 folgen solche Umstände ebenso wenig. Wie sich schließlich aus der von der Klägerin ausgefüllten Anlage zum Antrag auf EGZ vom 24. Februar 2014 ergibt, waren entsprechende Vermittlungshemmnisse im Zeitpunkt der Anstellung der AN offenbar nicht ansatzweise manifest. Vielmehr begründete die Klägerin die Defizite der AN mit dem Fehlen branchenüblicher Kenntnisse, welches eine Einarbeitung durch sie erforderlich mache sowie gegebenenfalls den Besuch von Qualifikationsmaßnahmen. Insofern ist Einarbeitung die Vermittlung qualifizierender beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten während des Arbeitsverhältnisses. Zur Anerkennung eines Förderbedarfs muss allerdings eine besondere Notwendigkeit der Einarbeitung bestehen, die sich nicht nur auf die betriebsübliche Einweisung am Arbeitsplatz beschränken darf. Erforderlich ist es, dass die an den Arbeitnehmer gestellten Anforderungen aufgrund in seiner Person liegender Umstände – etwa nach Langzeitarbeitslosigkeit – deutlich über diejenigen hinausgehen, denen sich ein durchschnittlicher Arbeitnehmer bei einer betriebsüblichen Einweisung stellen müsste. Zusammenfassend kommt es darauf an, ob der Arbeitsuchende im Vergleich zu anderen, mit ihm auf dem Arbeitsmarkt konkurrierenden Bewerbern infolge persönlicher Umstände Erschwernisse in seiner Vermittelbarkeit aufweist, mithin seine Wettbewerbsfähigkeit wegen in seiner Person liegender Umstände beeinträchtigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2008 – B 7/7a AL 16/07 R – Rn. 19; Kühl, aaO Rn 9). Solches ist indes vorliegend nicht feststellbar.
Dass bei der im Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns bei der Klägerin erst 24jährigen AN, die bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung als medizinische Fachangestellte sowie entsprechende knapp dreijährige Berufserfahrung verfügte und nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit lediglich von November 2013 bis März 2014 arbeitslos war, ein besonderer, förderwürdiger Einarbeitungsbedarf gegeben war, ist nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht ansatzweise plausibel dargelegt worden, so dass sich der Senat zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen nicht gedrängt sehen musste (vgl. § 103 SGG). Hinweise für besondere Qualifizierungsmaßnahmen bestehen nicht. Die grundsätzlich gegebene Notwendigkeit einer Einarbeitung an einem neuen Arbeitsplatz sowie fehlende entsprechende Berufserfahrung begründen ein in der Person des Arbeitnehmers liegendes Vermittlungserschwernis allerdings ebenso wenig wie das Erfordernis einer Einarbeitung wegen besonderer betrieblicher Umstände (vgl. Kühl, aaO Rn. 14). Insbesondere dient der EGZ nicht dazu, dem Arbeitgeber die Einarbeitung berufsfremder Arbeitskräfte zu erleichtern, sondern soll individuellen Leistungsdefizite des Arbeitnehmers ausgleichen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 3. Mai 2012 – L 18 AL 246/10 – juris Rn. 25). Anhaltspunkte für solche individuellen Leistungsdefizite der AN im Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns liegen indes, wie ausgeführt, nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für die Arbeitnehmerin S S (im Folgenden AN).
Die Klägerin betreibt ein Versicherungsgewerbe (Gewerbeanmeldung vom 14. März 2013). Am 24. Februar 2014 schloss sie mit der AN für die Zeit ab 15. März 2014 einen Arbeitsvertrag, wonach die AN im Rahmen einer Vollzeitstelle als Bürokraft mit einem monatlichen Bruttolohn von 1.550 EUR angestellt wurde. Die 1990 geborene AN, eine medizinische Fachangestellte (Abschluss der Ausbildung 2010), war von Juni 2010 bis zu ihrer Kündigung zum 31. Oktober 2013 in diesem Beruf beschäftigt und vom 10. April bis 31. Oktober 2013 arbeitsunfähig erkrankt. In ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg) vom 2. Oktober 2013 gab die AN an, dass gesundheitliche Gründe ihre Verfügbarkeit nicht einschränken würden. Die Beklagte bewilligte ihr Alg, und zwar nach verlängerter Arbeitsunfähigkeit vom 14. November 2013 bis 13. November 2014 (Bescheid vom 3. Dezember 2013; Aufhebungsbescheid ab 15. März 2014 wegen Beschäftigungsaufnahme vom 17. März 2014). Am 12. März 2014 beantragte die Klägerin für die AN die Zahlung eines Eingliederungszuschusses (nachfolgend: EGZ) und gab an, die AN verfüge nicht über die branchenüblichen Kenntnisse sowohl bei Verträgen wie auch bei Kundengesprächen.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. April 2014 ab mit der Begründung, bei der AN seien keine Vermittlungshemmnisse in dem Beruf als medizinische Fachangestellte zu erwarten. Das marktübliche Einarbeiten in einen anderen Berufszweig sei nicht förderfähig. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die AN würde mindestens einmal im Jahr für etwa acht Wochen krankheitsbedingt wegen einer Neuroborreliose ausfallen. Im Jahr 2014 sei bei dieser darüber hinaus eine genetische Erkrankung mit der Folge starker Schmerzen festgestellt worden. Die AN würde durch ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen keinen anderen Arbeitgeber finden. Sie, die Klägerin, habe sie nur eingestellt, weil die AN im Umfang von bis zu 70 % zu Hause arbeiten könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der AN sei nicht von Vermittlungshemmnissen auszugehen. Trotz der gesundheitlichen Einschränkungen bestehe Beschäftigungsfähigkeit im Zielberuf als Arzthelferin. Die bisher gegebenenfalls fehlenden Kenntnisse könnten während der normalen Einarbeitungszeit vermittelt werden.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine fehlerhafte Ermessensentscheidung gerügt. Aufgrund der immer wieder eintretenden Arbeitsunfähigkeit sei die AN nicht in den Beruf als Arzthelferin vermittelbar. Ein GdB von 50 sei bei jener zwischenzeitlich festgestellt worden.
Das Sozialgericht Neuruppin (SG) hat die Klage mit Urteil vom 26. November 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die krankheitsbedingten Ausfälle der AN, etwa 9 Wochen in einem Jahr, ließen nicht auf ein Vermittlungshemmnis schließen. Eine Vermittlung im Ausbildungsberuf der AN, die Vorrang habe, wäre möglich gewesen. Auch eine Förderbedürftigkeit bestehe nicht. Dass die Klägerin keine Fachkraft finanzieren könne, rechtfertige nicht die Gewährung des EGZ. Die Beklagte habe sämtliche Umstände im Rahmen ihrer Entscheidung berücksichtigt.
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin die Neubescheidung ihres EGZ-Antrags. Aus der dem Schriftsatz vom 7. März 2016 beigefügten Aufstellung, auf die verwiesen wird, gehe hervor, dass die AN im Jahr 2014 in dem bis dahin erst neuneinhalbmonatigen Angestelltenverhältnis achteinhalb Wochen nicht oder nur eingeschränkt arbeitsfähig gewesen sei. Im Jahr 2015 habe die AN 16 Wochen nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können. Im Rahmen der Heimarbeit könne die AN nur eingeschränkt für sie tätig sein; im Übrigen sei ein Mehraufwand auch für sie, die Klägerin gegeben, indem sie die notwendigen Unterlagen und Posteingänge der AN zu Hause zur Verfügung stellen müsse. Die festgestellte Schwerbehinderung untermauere das Vermittlungshemmnis. Anders als bei anderen Arbeitnehmern stehe bei der AN von vornherein fest, dass erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten auftreten würden, zumal sie in ihrem Ausbildungsberuf keine Tätigkeiten von zu Hause würde durchführen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. November 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 zu verpflichten, ihren Antrag auf Zahlung eines Eingliederungszuschusses für die Arbeitnehmerin S S unter Beachtung der Rechtsauffassung der Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, der dargelegte Umfang der Arbeitsunfähigkeitszeiten von neun Wochen im Jahr (2014: 38 Arbeitstage bzw. 2015: 37 Arbeitstage) deute nicht auf ein Vermittlungshindernis hin, da Ausfälle in diesem Umfang bei jedem Arbeitnehmer auftreten könnten. Zeiten der Heimarbeit seien nicht zu berücksichtigen. Jedenfalls wäre eine Vermittlung der AN in ihrem Ausbildungsberuf möglich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten nebst die AN betreffende Leistungsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Gegenstand des Verfahrens ist der mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 und 2 SGG) geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung des EGZ-Antrages. Das einen solchen Anspruch der Klägerin abweisende Urteil des SG sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Ermessensentscheidung auf Gewährung eines EGZ ist § 88 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III (idF des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl I 2854]). Nach dieser Vorschrift können Arbeitgeber zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt zum Ausgleich einer Minderleistung erhalten. Die Höhe und Dauer der Förderung richten sich nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes. Der EGZ kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen (§ 89 Sätze 1 und 2 SGB III).
Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen sind hier, wie vom SG zutreffend entschieden worden ist, nicht gegeben. Die AN ist zwar als Arbeitnehmerin grundsätzlich förderungsfähig. Auch wurde der Antrag auf EGZ rechtzeitig von der Klägerin vor Aufnahme der Beschäftigung gestellt (vgl. § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III). In der Person der AN lagen jedoch im Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns keine Vermittlungshemmnisse vor, die einer erfolgreichen Wiedereingliederung ins Erwerbsleben entgegengestanden hätten.
Für das Vorliegen eines Vermittlungshemmnisses ist zwar im Hinblick auf den Zweck des EGZ, für mutmaßliche Minderleistungen des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber einen kompensatorischen Ausgleich zukommen zu lassen (vgl. BT-Drs. 13/4941 S 192 zu § 215 SGB III aF) ausreichend, dass dem Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Bewerbern, mit denen er auf dem für ihn in Betracht kommenden räumlichen und fachlichen Arbeitsmarkt konkurriert, unter persönlichen Wettbewerbsnachteilen leidet. Insofern sind die noch in § 218 Abs. 1 SGB III aF geregelten Fallgruppen nicht mehr Voraussetzung für eine Förderung, bieten jedoch eine Orientierung für das Vorliegen entsprechender persönlicher Wettbewerbsnachteile (vgl. Kühl in Brand, SGB III, 7. Auflage 2015, § 88 Rn. 9). Entsprechende Umstände – etwa das Erfordernis einer besonderen Einarbeitung zur Eingliederung, eine erschwerte Vermittlung wegen in der Person liegender Umstände (zB Langzeitarbeitslosigkeit, Schwerbehinderung, oder Arbeitnehmer mit vollendetem 55. Lebensjahr bei zuvor bestehender Langzeitarbeitslosigkeit) – lagen jedoch bei der AN vor Beginn der Beschäftigung bei der Klägerin am 15. März 2013 nicht vor (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 11. Dezember 2006 – L 9 AL 148/06 – juris Rn. 25 ff). Entsprechende Umstände ergeben sich weder aus den Akten noch hat die Klägerin solche konkret vorgetragen.
Zwar können Behinderungen und Krankheiten, wie sie bei der AN zwischenzeitlich festgestellt wurden, grundsätzlich Vermittlungshemmnisse in vorstehendem Sinn darstellen, wenn dadurch die Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt ist. Vorliegend kann jedoch dahinstehen, ob Entsprechendes bei der – fortdauernd bei der Klägerin beschäftigten AN – zwischenzeitlich nach Feststellung ihrer Schwerbehinderung ab 29. April 2014 (befristet bis Dezember 2016) der Fall wäre. Anhaltspunkte, dass dies schon im Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme ihre Vermittelbarkeit eingeschränkt hätte, bestehen nicht. Die AN hat mit ihrem Arbeitslosengeldantrag vom 2. Oktober 2013 trotz der seit Juli 2013 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit angegeben, aus gesundheitlichen Gründen nicht lediglich eingeschränkt verfügbar zu sein. Aus dem Kündigungsschreiben der früheren Arbeitgeberin der AN vom 11. September 2013 folgen solche Umstände ebenso wenig. Wie sich schließlich aus der von der Klägerin ausgefüllten Anlage zum Antrag auf EGZ vom 24. Februar 2014 ergibt, waren entsprechende Vermittlungshemmnisse im Zeitpunkt der Anstellung der AN offenbar nicht ansatzweise manifest. Vielmehr begründete die Klägerin die Defizite der AN mit dem Fehlen branchenüblicher Kenntnisse, welches eine Einarbeitung durch sie erforderlich mache sowie gegebenenfalls den Besuch von Qualifikationsmaßnahmen. Insofern ist Einarbeitung die Vermittlung qualifizierender beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten während des Arbeitsverhältnisses. Zur Anerkennung eines Förderbedarfs muss allerdings eine besondere Notwendigkeit der Einarbeitung bestehen, die sich nicht nur auf die betriebsübliche Einweisung am Arbeitsplatz beschränken darf. Erforderlich ist es, dass die an den Arbeitnehmer gestellten Anforderungen aufgrund in seiner Person liegender Umstände – etwa nach Langzeitarbeitslosigkeit – deutlich über diejenigen hinausgehen, denen sich ein durchschnittlicher Arbeitnehmer bei einer betriebsüblichen Einweisung stellen müsste. Zusammenfassend kommt es darauf an, ob der Arbeitsuchende im Vergleich zu anderen, mit ihm auf dem Arbeitsmarkt konkurrierenden Bewerbern infolge persönlicher Umstände Erschwernisse in seiner Vermittelbarkeit aufweist, mithin seine Wettbewerbsfähigkeit wegen in seiner Person liegender Umstände beeinträchtigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2008 – B 7/7a AL 16/07 R – Rn. 19; Kühl, aaO Rn 9). Solches ist indes vorliegend nicht feststellbar.
Dass bei der im Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns bei der Klägerin erst 24jährigen AN, die bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung als medizinische Fachangestellte sowie entsprechende knapp dreijährige Berufserfahrung verfügte und nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit lediglich von November 2013 bis März 2014 arbeitslos war, ein besonderer, förderwürdiger Einarbeitungsbedarf gegeben war, ist nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht ansatzweise plausibel dargelegt worden, so dass sich der Senat zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen nicht gedrängt sehen musste (vgl. § 103 SGG). Hinweise für besondere Qualifizierungsmaßnahmen bestehen nicht. Die grundsätzlich gegebene Notwendigkeit einer Einarbeitung an einem neuen Arbeitsplatz sowie fehlende entsprechende Berufserfahrung begründen ein in der Person des Arbeitnehmers liegendes Vermittlungserschwernis allerdings ebenso wenig wie das Erfordernis einer Einarbeitung wegen besonderer betrieblicher Umstände (vgl. Kühl, aaO Rn. 14). Insbesondere dient der EGZ nicht dazu, dem Arbeitgeber die Einarbeitung berufsfremder Arbeitskräfte zu erleichtern, sondern soll individuellen Leistungsdefizite des Arbeitnehmers ausgleichen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 3. Mai 2012 – L 18 AL 246/10 – juris Rn. 25). Anhaltspunkte für solche individuellen Leistungsdefizite der AN im Zeitpunkt des Beschäftigungsbeginns liegen indes, wie ausgeführt, nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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