Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 958/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2382/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 25.04.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Der am 1972 geborene Kläger erlernte keinen Beruf. Nach Tätigkeiten in verschiedenen Berufsbereichen, u.a. als Holzdrechsler, Verkäufer, Maschinenbediener, CNC-Fräser und Maschineneinrichter versuchte er zuletzt eine Existenzgründung im Marketingbereich. Seit September 2011 bezieht er Arbeitslosengeld II.
Der Kläger leidet seit Jahren an Schmerzen am ganzen Körper, Ängsten, Zwängen und Depressivität. Er wurde deshalb vom 21.11. bis 11.12.2012 stationär in der Fachklinik I. , Fachbereich Orthopädie/Unfallchirurgie, Interdisziplinäres Schmerzzentrum, schmerztherapeutisch behandelt.
Am 19.12.2012 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und machte körperliche und psychische Probleme geltend. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. , der den Kläger im Februar 2013 untersuchte und eine kombinierte Persönlichkeitsvariante mit antisozialen, ängstlichen und asthenischen Persönlichkeitsmerkmalen, eine Somatisierung, Anpassungsstörungen (zum Untersuchungszeitpunkt ohne depressive Symptomatik mit Relevanz für das Leistungsvermögen) und (anamnestisch) ein Schlafapnoe-Syndrom diagnostizierte. Er beschrieb Aggravation bei der körperlichen Untersuchung und der Anamneseerhebung mit ausweichendem Verhalten auf Nachfrage zum Tagesablauf und verwies auf diskrepant zu den Verschwielungen der Hände berichtete Beschwerden. Dr. H. erachtete den Kläger für in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne erhöhten Zeitdruck und ohne Verantwortung für Personen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Mit Bescheid vom 08.02.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er könne nach medizinischer Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein und sei im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen daher nicht erwerbsgemindert. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.02.2014).
Am 24.03.2014 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es sei keine ordnungsgemäße Untersuchung erfolgt. Auch habe die Beklagte den weiteren Verlauf seiner Erkrankung ab März 2013 unberücksichtigt gelassen. Er legte den Arztbrief der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C. vom 28.10.2013 vor, Fotografien seiner Wohnung, die seine gesundheitliche Problematik deutlich machten, sowie Informationen über den Bruno Gröning- Freundeskreis ("Heilung auf dem geistigen Weg - medizinisch beweisbar") und die "IntensivEMDR Traumatherapie und kreative Lebenskunst".
Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Facharzt für Allgemeinmedizin L. hat über Vorstellungen des Klägers seit Oktober 2013 wegen einer Somatisierungs- und Persönlichkeitsstörung berichtet. Der Kläger habe berichtet, es gehe ihm langsam etwas besser, er sei ruhiger und psychisch stabiler geworden. Zur Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit hat er sich nicht in der Lage gesehen und diese eher auf vier bis maximal sechs Stunden täglich eingeschätzt. Dr. C. hat im Mai 2014 über Behandlungen seit Oktober 2013 und die gestellten Diagnosen (kombinierte Persönlichkeitsstörung [emotional instabile, ängstliche und selbstunsichere Persönlichkeit], belastende Ereignisse in der Kindheit, V.a. Zwangsstörung [Messi-Syndrom], V.a. somatoforme Schmerzstörung, Tinnitus beidseits, Schlafapnoe-Syndrom) berichtet. Aktuell hat sie den Kläger nicht für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Sie hat verschiedene Arztbriefe beigefügt, u.a. den Bericht der S. Klinik vom 06.03.2014 über das im Februar 2014 erfolgte ambulante Vorgespräch zur Indikationsstellung einer stationären Behandlung, wonach von dortiger Seite keine Möglichkeit für ein erfolgversprechendes Behandlungsangebot gesehen wurde, eher sei eine intensive sozialpsychiatrische Betreuung mit intensiver Unterstützung bezüglich des Messi-Syndroms sowie eine kontinuierliche Verhaltenstherapie, eventuell auch stationär, indiziert. Das SG hat sodann das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. eingeholt, die den Kläger im November 2014 untersucht hat. Die Sachverständige hat eine komplexe Persönlichkeitsstörung sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und die Fähigkeit des Klägers beschrieben, andere Menschen zu manipulieren und für seine Zwecke zu gewinnen (u.a. zielgerichtetes Aufsuchen von Ärzten [bspw. der Psychiaterin zur Erlangung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ohne dass eine Therapie stattfindet], von Kliniken [zur Bestätigung, keine Persönlichkeitsstörung zu haben bzw. Kostenübernahme weiterer Therapien durch die Krankenkasse], Psychotherapeuten und Homöopathen, ohne dass zielgerichtet eine Therapie stattfindet). Sie hat sich im Wesentlichen den Ausführungen der S. Klinik im Bericht vom 06.03.2014 angeschlossen. Aus nervenärztlicher Sicht sei der Kläger in der Lage mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden seien Nachtarbeit sowie Tätigkeiten im Team.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2015 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. A. , die mit der Leistungsbeurteilung des Dr. H. übereinstimme, abgewiesen. Die Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger neben der intensiven Beschäftigung unter Aufarbeitung seiner Erkrankung bei Therapeuten durchaus noch sozial integriert sei und auch trotz der Persönlichkeitsstörung u.a. jahrelang gearbeitet habe, weshalb er auch weiterhin nicht gehindert sei, einer beruflichen Tätigkeit zumindest sechs Stunden täglich nachzugehen. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere schon an dem Geburtsjahr des Klägers.
Gegen den ihm am 08.05.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.06.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Dr. C. vom 04.05.2015 und 08.01.2016, das Attest des Allgemeinarztes P. (zur Vorlage an die Krankenkasse), in dem Bezug genommen wird auf die Mitbehandlung durch Herrn T. und Frau B. und um entsprechende Kostenübernahme gebeten wird, sowie das Schreiben der Psychotherapeutin Dipl.-Psych. H. vom 10.11.2015, wonach eine tiefenpsychologisch fundierte Einzelpsychotherapie nicht für ausreichend prognostisch günstig erachtet werde, vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 25.04.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Entlassungsbericht der Fachklinik I. , Fachbereich Orthopädie/Unfallchirurgie, Interdisziplinäres Schmerzzentrum, beigezogen, wo der Kläger vom 28.01. bis 11.02.2016 im Rahmen einer stationären Behandlung mittels multimodaler Schmerztherapie behandelt worden ist sowie den Entlassungsbericht der m. I. , wo er vom 10.03. bis 01.04.2016 unter den Diagnosen Fibromyalgie, posttraumatische Belastungsstörung, psychovegetative Erschöpfung, gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, generalisierte Angststörung eine ambulante Rehabilitation durchgeführt hat, aus der er mit einem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten von sechs Stunden und mehr entlassen worden ist.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat verhandelt und entschieden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn die Beteiligten sind mit Hinweis auf diese Möglichkeit geladen worden. Der Senat ist auch nicht durch die vom Kläger gestellten Anträge auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung an einer Entscheidung gehindert gewesen. Bereits in Bezug auf das Schreiben der Dr. C. vom 06.10.2016 hat der Senatsvorsitzende dem Kläger mitgeteilt, dass die von Dr. C. aufgestellte Behauptung einer Verhandlungsunfähigkeit nicht geeignet ist, einen solchen Zustand nachzuweisen. Es ist auch nicht annähernd erkennbar, welche Befunde und welche Diagnosen dieser Behauptung zu Grunde liegen sollen. Tatsächlich haben - wie nachfolgend darzulegen ist - alle mit der (neutralen) Begutachtung des Klägers betrauten Gutachter - anders als von Dr. C. in ihrer Auskunft gegenüber dem SG angegeben - keine wesentlichen Leistungseinschränkungen gefunden und den Kläger für in der Lage erachtet, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr auszuüben. Entsprechend erschließt sich nicht, aus welchen Gründen der Kläger nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrzunehmen. Darüber hinaus hat Dr. A. herausgearbeitet, dass der Kläger die Fähigkeit besitzt, andere Menschen zu manipulieren und für seine Zwecke zu gewinnen. Sie hat insoweit auch Dr. C. in Bezug auf die ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einbezogen. Dies relativiert die Behauptung einer Verhandlungsunfähigkeit zusätzlich. Auch in Bezug auf die weiteren Anträge auf Aufhebung des Termins hat der Kläger keine konkreten gesundheitlichen Gründe einer Verhandlungsunfähigkeit geltend gemacht. Soweit er auf Schreiben von Dr. G. vom Juni 2016 und der Dipl.-Psych. H. verweist, ergeben sich hieraus keinerlei Befunde und auch keine sonstigen Aspekte, die die Einschätzungen der Gutachter in Zweifel ziehen. Entsprechend den vorigen Ausführungen vermag der Senat insgesamt keinen gesundheitlichen Grund zu erkennen, der den Kläger gehindert hätte, am Termin teilzunehmen.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen rechtlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (ohne Nachtarbeit, ohne Tätigkeiten im Team) zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Gleichermaßen zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) bereits im Hinblick auf das Geburtsjahr des Klägers ausgeschlossen ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen sind die genannten qualitativen Einschränkungen um die von Dr. H. zusätzlich aufgeführten Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck und Verantwortung für Personen.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, das gestützt auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. A. ausgeführt hat, dass die festgestellte Persönlichkeits- und Somatisierungsstörung den Kläger nicht hinderten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere berufliche Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Aus dem im Berufungsverfahren beigezogenen Entlassungsbericht der Fachklinik I. , wo der Kläger im Januar/Februar 2016 behandelt worden ist, ergibt sich nichts anderes. So hat sich bei der Aufnahmeuntersuchung des Klägers mit Ausnahme von paravertebralen Myogelosen im BWS-Bereich beidseits, einem Druckschmerz im Bereich des Epicondylus ulnaris beidseits und der Handgelenke beidseits ein im Wesentlichen unauffälliger Befund gezeigt. Darüber hinaus ist der Kläger im Vergleich zu dem Aufenthalt im Jahr 2012 als deutlich agiler und wohl gestimmter beschrieben worden und auch der Kläger selbst hat angegeben, dass er sich wesentlich besser fühle als 2012, sich mehr freuen könne, glücklicher sei, zuversichtlich in die Zukunft blicke und davon ausgehe, dass er seine Problematik in den nächsten ein, zwei Jahren bearbeitet und abgeschlossen haben werde. Passend hierzu ist dokumentiert, dass sich beim Kläger keine Hinweise auf eine erhöhte Angst, Anspannung oder depressive Symptomatik ergeben hätten. Auf schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen und eine rentenrelevante Leistungsminderung weist all dies nicht hin. Dass der Kläger aus dieser Behandlung gleichwohl arbeitsunfähig entlassen wurde, ist im Hinblick auf die im Streit stehende Erwerbsminderungsrente ohne Relevanz. Denn ob der Kläger in der Lage ist, Tätigkeiten in dem von den behandelnden Ärzten offenbar zu Grunde gelegten Bezugsberuf des Maschinenbaumechanikers zu verrichten, ist für die vorliegend zu beurteilende Erwerbsminderung nicht von Belang. Denn Maßstab hierfür ist der allgemeine Arbeitsmarkt, nicht aber eine ganz konkrete Tätigkeit, wie sie vom Kläger möglicherweise in der Vergangenheit ausgeübt wurde.
Auch die Ausführungen im Entlassungsbericht der nachfolgend im März/April 2016 durchgeführten ganztägigen ambulanten Rehabilitation in der m. I. weisen nicht auf gesundheitliche Einschränkungen hin, die der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit entgegen stehen. In diesem Sinne haben die behandelnden Ärzte den Kläger auch für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Dass die Tätigkeit eines Maschinenbaumechanikers mit den vom Kläger angegebenen Anforderungen nicht vollständig mit dem seitens der behandelnden Ärzten beschriebenen Leistungsbild in Einklang steht - so die Ausführungen im Entlassungsbericht - ist, wie oben bereits dargelegt, in Bezug auf die vorliegend im Streit stehende Erwerbsminderungsrente i.S. § 43 SGB VI nicht von Bedeutung.
Schließlich lässt sich auch aus den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine für ihn günstige Beurteilung ableiten. Denn hieraus lässt sich weder eine Leistungsminderung in einem rentenrelevanten Ausmaß ableiten, noch dass eine solche auf Dauer besteht. Entsprechendes gilt für das vorgelegte Attest des Allgemeinarztes P. und das Schreiben der Dipl.-Psych. H ...
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.
Der am 1972 geborene Kläger erlernte keinen Beruf. Nach Tätigkeiten in verschiedenen Berufsbereichen, u.a. als Holzdrechsler, Verkäufer, Maschinenbediener, CNC-Fräser und Maschineneinrichter versuchte er zuletzt eine Existenzgründung im Marketingbereich. Seit September 2011 bezieht er Arbeitslosengeld II.
Der Kläger leidet seit Jahren an Schmerzen am ganzen Körper, Ängsten, Zwängen und Depressivität. Er wurde deshalb vom 21.11. bis 11.12.2012 stationär in der Fachklinik I. , Fachbereich Orthopädie/Unfallchirurgie, Interdisziplinäres Schmerzzentrum, schmerztherapeutisch behandelt.
Am 19.12.2012 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und machte körperliche und psychische Probleme geltend. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. , der den Kläger im Februar 2013 untersuchte und eine kombinierte Persönlichkeitsvariante mit antisozialen, ängstlichen und asthenischen Persönlichkeitsmerkmalen, eine Somatisierung, Anpassungsstörungen (zum Untersuchungszeitpunkt ohne depressive Symptomatik mit Relevanz für das Leistungsvermögen) und (anamnestisch) ein Schlafapnoe-Syndrom diagnostizierte. Er beschrieb Aggravation bei der körperlichen Untersuchung und der Anamneseerhebung mit ausweichendem Verhalten auf Nachfrage zum Tagesablauf und verwies auf diskrepant zu den Verschwielungen der Hände berichtete Beschwerden. Dr. H. erachtete den Kläger für in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne erhöhten Zeitdruck und ohne Verantwortung für Personen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Mit Bescheid vom 08.02.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, er könne nach medizinischer Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein und sei im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen daher nicht erwerbsgemindert. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.02.2014).
Am 24.03.2014 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es sei keine ordnungsgemäße Untersuchung erfolgt. Auch habe die Beklagte den weiteren Verlauf seiner Erkrankung ab März 2013 unberücksichtigt gelassen. Er legte den Arztbrief der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C. vom 28.10.2013 vor, Fotografien seiner Wohnung, die seine gesundheitliche Problematik deutlich machten, sowie Informationen über den Bruno Gröning- Freundeskreis ("Heilung auf dem geistigen Weg - medizinisch beweisbar") und die "IntensivEMDR Traumatherapie und kreative Lebenskunst".
Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Facharzt für Allgemeinmedizin L. hat über Vorstellungen des Klägers seit Oktober 2013 wegen einer Somatisierungs- und Persönlichkeitsstörung berichtet. Der Kläger habe berichtet, es gehe ihm langsam etwas besser, er sei ruhiger und psychisch stabiler geworden. Zur Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit hat er sich nicht in der Lage gesehen und diese eher auf vier bis maximal sechs Stunden täglich eingeschätzt. Dr. C. hat im Mai 2014 über Behandlungen seit Oktober 2013 und die gestellten Diagnosen (kombinierte Persönlichkeitsstörung [emotional instabile, ängstliche und selbstunsichere Persönlichkeit], belastende Ereignisse in der Kindheit, V.a. Zwangsstörung [Messi-Syndrom], V.a. somatoforme Schmerzstörung, Tinnitus beidseits, Schlafapnoe-Syndrom) berichtet. Aktuell hat sie den Kläger nicht für in der Lage erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Sie hat verschiedene Arztbriefe beigefügt, u.a. den Bericht der S. Klinik vom 06.03.2014 über das im Februar 2014 erfolgte ambulante Vorgespräch zur Indikationsstellung einer stationären Behandlung, wonach von dortiger Seite keine Möglichkeit für ein erfolgversprechendes Behandlungsangebot gesehen wurde, eher sei eine intensive sozialpsychiatrische Betreuung mit intensiver Unterstützung bezüglich des Messi-Syndroms sowie eine kontinuierliche Verhaltenstherapie, eventuell auch stationär, indiziert. Das SG hat sodann das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. eingeholt, die den Kläger im November 2014 untersucht hat. Die Sachverständige hat eine komplexe Persönlichkeitsstörung sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert und die Fähigkeit des Klägers beschrieben, andere Menschen zu manipulieren und für seine Zwecke zu gewinnen (u.a. zielgerichtetes Aufsuchen von Ärzten [bspw. der Psychiaterin zur Erlangung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ohne dass eine Therapie stattfindet], von Kliniken [zur Bestätigung, keine Persönlichkeitsstörung zu haben bzw. Kostenübernahme weiterer Therapien durch die Krankenkasse], Psychotherapeuten und Homöopathen, ohne dass zielgerichtet eine Therapie stattfindet). Sie hat sich im Wesentlichen den Ausführungen der S. Klinik im Bericht vom 06.03.2014 angeschlossen. Aus nervenärztlicher Sicht sei der Kläger in der Lage mittelschwere Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden seien Nachtarbeit sowie Tätigkeiten im Team.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2015 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. A. , die mit der Leistungsbeurteilung des Dr. H. übereinstimme, abgewiesen. Die Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger neben der intensiven Beschäftigung unter Aufarbeitung seiner Erkrankung bei Therapeuten durchaus noch sozial integriert sei und auch trotz der Persönlichkeitsstörung u.a. jahrelang gearbeitet habe, weshalb er auch weiterhin nicht gehindert sei, einer beruflichen Tätigkeit zumindest sechs Stunden täglich nachzugehen. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere schon an dem Geburtsjahr des Klägers.
Gegen den ihm am 08.05.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.06.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Dr. C. vom 04.05.2015 und 08.01.2016, das Attest des Allgemeinarztes P. (zur Vorlage an die Krankenkasse), in dem Bezug genommen wird auf die Mitbehandlung durch Herrn T. und Frau B. und um entsprechende Kostenübernahme gebeten wird, sowie das Schreiben der Psychotherapeutin Dipl.-Psych. H. vom 10.11.2015, wonach eine tiefenpsychologisch fundierte Einzelpsychotherapie nicht für ausreichend prognostisch günstig erachtet werde, vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 25.04.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Entlassungsbericht der Fachklinik I. , Fachbereich Orthopädie/Unfallchirurgie, Interdisziplinäres Schmerzzentrum, beigezogen, wo der Kläger vom 28.01. bis 11.02.2016 im Rahmen einer stationären Behandlung mittels multimodaler Schmerztherapie behandelt worden ist sowie den Entlassungsbericht der m. I. , wo er vom 10.03. bis 01.04.2016 unter den Diagnosen Fibromyalgie, posttraumatische Belastungsstörung, psychovegetative Erschöpfung, gastroösophageale Refluxkrankheit mit Ösophagitis, generalisierte Angststörung eine ambulante Rehabilitation durchgeführt hat, aus der er mit einem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten von sechs Stunden und mehr entlassen worden ist.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat verhandelt und entschieden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn die Beteiligten sind mit Hinweis auf diese Möglichkeit geladen worden. Der Senat ist auch nicht durch die vom Kläger gestellten Anträge auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung an einer Entscheidung gehindert gewesen. Bereits in Bezug auf das Schreiben der Dr. C. vom 06.10.2016 hat der Senatsvorsitzende dem Kläger mitgeteilt, dass die von Dr. C. aufgestellte Behauptung einer Verhandlungsunfähigkeit nicht geeignet ist, einen solchen Zustand nachzuweisen. Es ist auch nicht annähernd erkennbar, welche Befunde und welche Diagnosen dieser Behauptung zu Grunde liegen sollen. Tatsächlich haben - wie nachfolgend darzulegen ist - alle mit der (neutralen) Begutachtung des Klägers betrauten Gutachter - anders als von Dr. C. in ihrer Auskunft gegenüber dem SG angegeben - keine wesentlichen Leistungseinschränkungen gefunden und den Kläger für in der Lage erachtet, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr auszuüben. Entsprechend erschließt sich nicht, aus welchen Gründen der Kläger nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrzunehmen. Darüber hinaus hat Dr. A. herausgearbeitet, dass der Kläger die Fähigkeit besitzt, andere Menschen zu manipulieren und für seine Zwecke zu gewinnen. Sie hat insoweit auch Dr. C. in Bezug auf die ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einbezogen. Dies relativiert die Behauptung einer Verhandlungsunfähigkeit zusätzlich. Auch in Bezug auf die weiteren Anträge auf Aufhebung des Termins hat der Kläger keine konkreten gesundheitlichen Gründe einer Verhandlungsunfähigkeit geltend gemacht. Soweit er auf Schreiben von Dr. G. vom Juni 2016 und der Dipl.-Psych. H. verweist, ergeben sich hieraus keinerlei Befunde und auch keine sonstigen Aspekte, die die Einschätzungen der Gutachter in Zweifel ziehen. Entsprechend den vorigen Ausführungen vermag der Senat insgesamt keinen gesundheitlichen Grund zu erkennen, der den Kläger gehindert hätte, am Termin teilzunehmen.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist im Sinne der maßgeblichen rechtlichen Regelungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weshalb ihm weder Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (ohne Nachtarbeit, ohne Tätigkeiten im Team) zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Gleichermaßen zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) bereits im Hinblick auf das Geburtsjahr des Klägers ausgeschlossen ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Zu ergänzen sind die genannten qualitativen Einschränkungen um die von Dr. H. zusätzlich aufgeführten Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck und Verantwortung für Personen.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, das gestützt auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. A. ausgeführt hat, dass die festgestellte Persönlichkeits- und Somatisierungsstörung den Kläger nicht hinderten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere berufliche Tätigkeiten im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten. Aus dem im Berufungsverfahren beigezogenen Entlassungsbericht der Fachklinik I. , wo der Kläger im Januar/Februar 2016 behandelt worden ist, ergibt sich nichts anderes. So hat sich bei der Aufnahmeuntersuchung des Klägers mit Ausnahme von paravertebralen Myogelosen im BWS-Bereich beidseits, einem Druckschmerz im Bereich des Epicondylus ulnaris beidseits und der Handgelenke beidseits ein im Wesentlichen unauffälliger Befund gezeigt. Darüber hinaus ist der Kläger im Vergleich zu dem Aufenthalt im Jahr 2012 als deutlich agiler und wohl gestimmter beschrieben worden und auch der Kläger selbst hat angegeben, dass er sich wesentlich besser fühle als 2012, sich mehr freuen könne, glücklicher sei, zuversichtlich in die Zukunft blicke und davon ausgehe, dass er seine Problematik in den nächsten ein, zwei Jahren bearbeitet und abgeschlossen haben werde. Passend hierzu ist dokumentiert, dass sich beim Kläger keine Hinweise auf eine erhöhte Angst, Anspannung oder depressive Symptomatik ergeben hätten. Auf schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen und eine rentenrelevante Leistungsminderung weist all dies nicht hin. Dass der Kläger aus dieser Behandlung gleichwohl arbeitsunfähig entlassen wurde, ist im Hinblick auf die im Streit stehende Erwerbsminderungsrente ohne Relevanz. Denn ob der Kläger in der Lage ist, Tätigkeiten in dem von den behandelnden Ärzten offenbar zu Grunde gelegten Bezugsberuf des Maschinenbaumechanikers zu verrichten, ist für die vorliegend zu beurteilende Erwerbsminderung nicht von Belang. Denn Maßstab hierfür ist der allgemeine Arbeitsmarkt, nicht aber eine ganz konkrete Tätigkeit, wie sie vom Kläger möglicherweise in der Vergangenheit ausgeübt wurde.
Auch die Ausführungen im Entlassungsbericht der nachfolgend im März/April 2016 durchgeführten ganztägigen ambulanten Rehabilitation in der m. I. weisen nicht auf gesundheitliche Einschränkungen hin, die der Ausübung einer leichten beruflichen Tätigkeit entgegen stehen. In diesem Sinne haben die behandelnden Ärzte den Kläger auch für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Dass die Tätigkeit eines Maschinenbaumechanikers mit den vom Kläger angegebenen Anforderungen nicht vollständig mit dem seitens der behandelnden Ärzten beschriebenen Leistungsbild in Einklang steht - so die Ausführungen im Entlassungsbericht - ist, wie oben bereits dargelegt, in Bezug auf die vorliegend im Streit stehende Erwerbsminderungsrente i.S. § 43 SGB VI nicht von Bedeutung.
Schließlich lässt sich auch aus den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine für ihn günstige Beurteilung ableiten. Denn hieraus lässt sich weder eine Leistungsminderung in einem rentenrelevanten Ausmaß ableiten, noch dass eine solche auf Dauer besteht. Entsprechendes gilt für das vorgelegte Attest des Allgemeinarztes P. und das Schreiben der Dipl.-Psych. H ...
Die Berufung des Klägers kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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