L 10 R 4150/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 2696/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4150/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.09.2014 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist nur noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2013 bis 30.06.2014 streitig.

Die am 1957 geborene Klägerin absolvierte nach eigenen Angaben keine Ausbildung. Zuletzt war sie bis Dezember 2010 als Stationshilfe in der Altenpflege mit einer Anlernzeit von drei bis sechs Wochen versicherungspflichtig beschäftigt (vgl. Arbeitgeberauskunft des Pflegeheims Frauenalb vom September 2012, Bl. 29 ff. SG-Akte). Seither ist die Klägerin arbeitsunfähig. Sie bezog zunächst Krankengeld und daran anschließend von Juni 2012 bis Dezember 2013 Arbeitslosengeld. Daneben versorgt sie seit Jahren ihre im selben Haus wohnende, zwischenzeitlich nach Pflegestufe 2 pflegebedürftige Mutter (vgl. Bl. 57, 67, 88 Verwaltungsakte - VA -, Bl. 25a LSG-Akte).

Die Klägerin befand sich im März und April 2011 zur stationären Rehabilitation in der R. Bad K. , Abteilung Orthopädie, wo sie unter den Diagnosen akutes radikuläres Schmerzsyndrom L4 rechts, mediolateral rechtsseitiger nach kaudal umgeschlagener Bandscheibenprolaps L3/4, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS), Epicondylopathia radialis humeri rechts und gemischte Hyperlipidämie behandelt, die Leistungsfähigkeit als Altenpflegehelferin mit unter drei Stunden täglich beurteilt und leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne langandauernde wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen und ohne häufiges schweres Heben und Tragen für vollschichtig zumutbar erachtet wurden (vgl. ärztlicher Entlassungsbericht vom 26.04.2011, Bl. 53 ff. VA). An dem angebotenen Berufscoaching zeigte die Klägerin kein Interesse (Bl. 60 VA).

Auf ihren im August 2011 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung holte die Beklagte ein Gutachten bei dem Arzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. H. (Diagnosen: chronische Lumbalgien, lumboradikuläres Schmerzsyndrom L4 rechts, Bandscheibenprolaps L3/4 [mediolateral rechtsseitig mit Belastbarkeitsminderung], vorbeschriebene Angststörung und depressive Episode [ohne psychotische Symptome], Status nach stattgehabter Sprunggelenksfraktur rechts [Unfallereignis 15.03.2006] mit leichter Instabilität und allenfalls mäßiger Funktionseinschränkung; körperlich leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen seien noch sechs Stunden und mehr täglich zumutbar) ein und lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 23.12.2011 und Widerspruchsbescheid vom 20.06.2012 ab.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.07.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes seit Rentenantragstellung geltend gemacht. Auf Grund ihrer psychischen Labilität sowie der Einnahme starker Medikamente sei sie nicht mehr in der Lage, auch nur eine leichte Tätigkeit stundenweise auszuüben.

Das Sozialgericht hat zunächst Auskünfte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Arzt für Innere Medizin Prof. Dr. A. hat von einer einmaligen Vorstellung im Juli 2012 zur angiologischen Diagnostik, einer lediglich leichtgradigen Erweiterung oberflächlicher Venen (sog. Besenreiservarikosis) ohne Einschränkungen bezüglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes und einer Stammvarikose der Vena saphena magna rechts, auf Grund derer konstant stehende Tätigkeiten zu meiden seien, berichtet. Der Facharzt für Urologie Dr. R. hat von einer gemischten Urge- und Belastung-Harninkontinenz mit der Notwendigkeit eines häufigen Wasserlassen und einem dadurch bedingten gehäuften Aufsuchen einer Toilette berichtet. Abgesehen vom Zeitaufwand für die Toilettengänge bestünden keine wesentlichen Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittlere Belastungen für die Dauer von sechs Stunden und mehr. Der Facharzt für Orthopädie M. hat die von Januar 2011 bis September 2012 erhobenen Befunde und gestellten Diagnosen mitgeteilt (insoweit wird auf Bl. 37 f. SG-Akte Bezug genommen) und die Leistungsfähigkeit der Klägerin auf unter drei Stunden täglich eingeschätzt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. B.-O. hat Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit im orthopädischen und psychischen Bereich gesehen, mangels Informationen über die fachärztliche Behandlung der Klägerin jedoch keine Einschätzung der Leistungsfähigkeit vornehmen können. Der Facharzt für Psychiatrie Dr. G. hat von einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome und einem Abhängigkeitssyndrom von Sedativa berichtet, das Durchhaltevermögen, die Konzentrationsfähigkeit, die Anpassungsfähigkeit und die Stresstoleranz durch die psychischen und körperlichen Erkrankungen als stark herabgesetzt beschrieben und lediglich noch eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich gesehen.

Nach Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Medizinaldirektors Lemmerhofer (Arzt für Innere Medizin und Sozialmedizin), der anhand der vom Orthopäden M. mitgeteilten Befunde eine rentenberechtigende Leistungseinschränkung nicht hat nachvollziehen können und auf psychiatrischem Fachgebiet eine weitere Sachaufklärung empfohlen hat, hat das Sozialgericht ein Gutachten bei dem Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eingeholt. Dr. S. hat auf Grund einer Untersuchung der Klägerin im Mai 2013 - auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet - eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, eine abhängige Persönlichkeitsakzentuierung sowie Spannungskopfschmerzen und - als sonstige Diagnosen - eine Harn-Teilinkontinenz (Zustand nach mehreren gynäkologischen Eingriffen), ein Wirbelsäulensyndrom (keine signifikanten sensomotorischen Ausfälle) und eine Fettstoffwechselstörung (medikamentös therapiert) diagnostiziert. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten, in verschiedenen Arbeitshaltungen und in Tagesschicht hat der Sachverständige - auf Grund des vermehrten Erschöpfungs- bzw. Ermüdungsfaktors - lediglich noch drei bis unter sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Tätigkeiten unter Akkordbedingungen, mehr als nur gelegentlich unter widrigen klimatischen Bedingungen und mit vermehrter Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit hat er nicht mehr für zumutbar erachtet. Den Beginn der zeitlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit hat der Sachverständige auf das Datum der Aufnahme der Klägerin in die Neurologische Abteilung des Klinikums K. (22.03.2013) datiert und einen Crescendo-Charakter der psychischen Symptomatik gesehen. Eine Intensivierung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung hat der Sachverständige - bei bisher noch nicht erfolgter ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und nicht ausgeschöpften Möglichkeiten der Psychopharmako-Therapie - für möglich und vertretbar erachtet, eine ambulante therapeutische Maßnahme, gegebenenfalls auch eine tagesklinische psychiatrische Behandlung empfohlen und den Zeitrahmen für eine signifikante Besserung des Gesundheitszustandes mit relevanter Besserung der Leistungsfähigkeit auf zwölf Monate geschätzt.

Die Beklagte hat zu dem Gutachten des Dr. S. eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom Juli 2013 vorgelegt, wonach die Leistungseinschätzung des Dr. S. nicht plausibel sei (Inkonsistenzen in den anamnestischen Angaben, Diskrepanzen zwischen psychometrischer Testung und explorativem Eindruck, erste psychiatrisch-stationäre Therapie im Jahr 2013, suboptimale Therapie, Entlassung aus der stationären Behandlung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie S. im Mai 2013 in etwas stabilisiertem Zustand). Das Sozialgericht hat hierzu eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. S. eingeholt, der den Zeitpunkt des Beginns des eingeschränkten zeitlichen Leistungsvermögens (Aufnahme in der Neurologischen Klinik des Klinikums K. ) mit den Angaben der Klägerin (seit etwa sechs Monaten gehe es ihr so wie jetzt) begründet, erneut auf die noch vorhandenen therapeutischen Optionen und den Crescendo-Charakter der psychischen Symptomatik hingewiesen und seine ursprüngliche Leistungseinschätzung (eingeschränktes zeitliches Leistungsvermögen für ein Jahr) bestätigt hat. Die Beklagte hat hierzu erneut eine sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. E. vom Januar 2014 vorgelegt, die wiederum auf die nur suboptimale Nutzung der therapeutischen Optionen, Inkonsistenzen, Verdeutlichungs- oder gar Aggravationstendenzen und die im Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie S. beschriebene Teilremission hingewiesen hat.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 03.09.2014 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2013 bis 30.06.2014 zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat sich dabei den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. angeschlossen und die Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig erachtet. Die von Dr. E. geäußerten Bedenken hat das Sozialgericht nicht geteilt. Auf Grund der von Dr. S. beschriebenen, noch vorhandenen Besserungsmöglichkeiten im Gesundheitszustand und der Leistungsfähigkeit innerhalb von zwölf Monaten hat das Sozialgericht lediglich die Voraussetzungen für eine befristete Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente ausgehend von dem vom Sachverständigen Dr. S. bezeichneten Zeitpunkt (Aufnahme in die Neurologische Abteilung des Klinikums K. am 22.03.2013) für gegeben erachtet. Insoweit hat sich das Sozialgericht der Einschätzung des behandelnden Psychiaters Dr. G. , der eine rentenberechtigende Leistungseinschränkung bereits seit 2011 und auf Dauer gesehen hat, nicht angeschlossen. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat das Sozialgericht angesichts des bisherigen Berufs der Klägerin als unausgebildete Angestellte verneint.

Gegen den ihr am 08.09.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 01.10.2014 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. S. (lediglich Testung durch Beck-Depressions-Inventar und nicht mittels Fremdbeurteilung, keine Plausibilitätsprüfung der lediglich pauschalen Angaben der Klägerin zum Tagesablauf, widersprüchliche Angaben bezüglich der Toilettengänge, aus dem Versicherungsverlauf würden sich Pflichtbeiträge für eine Pflegetätigkeit der Klägerin für das gesamte Jahr 2013 ergeben, wohingegen die Klägerin gegenüber Dr. S. geäußert habe, dass nicht sie, sondern ihre Freundin die Mutter versorge, der Urlaub der Klägerin sei nicht mit einem sozialen Rückzugsverhalten oder einer eingeschränkten affektiver Resonanzfähigkeit zu vereinbaren, Ablehnung einer Psychotherapie durch die Klägerin, längere Behandlungsintervalle bei Dr. G. , nicht ausgeschöpfte medikamentöse Behandlung und zu erwartende Besserung der seelisch bedingten Störungen innerhalb eines halben Jahres) vorgebracht, eine erneute sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. E. vom August 2015 sowie einen aktuellen Versicherungsverlauf (Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit ab September 2011, vgl. Bl. 99 LSG-Akte) vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.09.2014 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Ihre ursprünglich eingelegte Berufung hat die Klägerin nach Einholung des Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. E. und auf Hinweis des Senats zurückgenommen. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung nunmehr für zutreffend.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat ein Gutachten bei dem Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. S. eingeholt. Prof. Dr. S. hat auf Grund einer Untersuchung der Klägerin im April 2015 - bei einer seit Dezember 2014 durchgeführten ambulanten Psychotherapie - eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode und eine nicht-krankheitswerte Persönlichkeitsakzentuierung mit ängstlich-vermeidenden und abhängigen Zügen diagnostiziert. Der Sachverständige hat - als Hinweise auf Aggravation - klinisch und psychometrisch Hinweise auf negative Antwortverzerrungen und instruktionswidrige Anstrengungsminderleistungen beschrieben. Leichte bis überwiegend mittelschwere Tätigkeiten unter Vermeidung erhöhter psychovegetativer Stressbelastung (etwa durch erhöhten Zeitdruck wie Akkord, durch unphysiologische psychovegetative Belastung, z.B. Nachtarbeit, mit hohen Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen) und Vermeidung von Gruppenkontakten hat der Sachverständige noch vollschichtig für zumutbar erachtet.

Auf Antrag und Kosten der Klägerin nach § 109 SGG hat der Senat darüber hinaus ein Gutachten bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. eingeholt. Dr. E. hat auf Grund einer Untersuchung der Klägerin im Februar 2016 eine rezidivierende depressive Episode (mittelschwer), eine abhängige Persönlichkeitsakzentuierung, ein LWS-Syndrom bei NPP L3/4 ohne neurologische Ausfälle und einen Spannungskopfschmerz diagnostiziert. Die Sachverständige hat Widersprüche in der Biografie und bei anderen Angaben, Hinweise auf suboptimales Antwortverhalten in den durchgeführten Symptomvalidierungstests und Inkonsistenzen bezüglich der Medikamenteneinnahme beschrieben. Dr. E. hat die Klägerin für fähig erachtet, leichte bis kurzzeitig mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen oder überwiegend sitzend, ohne permanente Zwangshaltung, insbesondere ohne ständige Rumpfvorneige, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, ohne Tätigkeiten mit Übernahme besonderer Verantwortung, ohne Tätigkeiten, die hohe Anforderungen an Konzentration, Merkfähigkeit, Anpassungs- und Umstellungsvermögen oder die Notwendigkeit sozialer Interaktionen erforderten, vollschichtig zu verrichten. Die Leistungseinschätzung des Dr. S. hat Dr. E. nicht nachvollziehen können, vor allem unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit und auch aktuell durchgeführten Symptomvalidierungstests, der Inkonsistenzen in der Anamneseerhebung und des erhobenen Medikamentenspiegels.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sacherhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach den §§ 143, 144 statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet.

Das Sozialgericht hätte die Beklagte nicht unter Aufhebung des Bescheids vom 23.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2012 verurteilen dürfen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.10.2013 bis 30.06.2014 zu gewähren. Denn die angefochtenen Bescheide erweisen sich nicht als rechtswidrig und verletzten die Klägerin daher auch nicht in ihren Rechten. Dass die Klägerin auf Grund der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im streitigen Zeitraum nicht mehr in der Lage gewesen ist, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens drei Stunden täglich zu verrichten und sie im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen daher voll erwerbsgemindert gewesen ist, ist nicht festzustellen. Ebenso wenig ist festzustellen, dass die Klägerin leichte berufliche Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen keine sechs Stunden täglich mehr hat verrichten können - wovon Dr. S. und ihm folgend das Sozialgericht ausgegangen ist - und damit teilweise Erwerbsminderung vorgelegen hat, was bei anzunehmender Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung begründet hätte. Entsprechend steht der Klägerin keine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Grund eines im März 2013 eingetretenen Leistungsfalls im Zeitraum von Oktober 2013 bis Juni 2014 zu.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Hierbei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11). Entsprechend geht die Nichterweislichkeit quantitativer Einschränkungen zu Lasten der Klägerin.

Hier liegen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht vor. Denn es ist nicht festzustellen, dass die Klägerin im hier zu beurteilenden Zeitraum (Oktober 2013 bis Juni 2014) leichte berufliche Tätigkeiten bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen keine sechs Stunden täglich mehr hat verrichten können. Entsprechend ist die Berufung der Beklagten erfolgreich.

Ebenso wie das Sozialgericht und die Klägerin selbst geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin im Wesentlichen durch Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Hier leidet die Klägerin an einer rezidivierenden depressiven Störung, welche in der Vergangenheit zum Teil mit leichtgradigen depressiven Episoden (so der Sachverständige Prof. Dr. S. ) und zum Teil mit mittelgradigen depressiven Episoden (so die Sachverständigen Dr. S. und Dr. E. ) einhergegangen ist, an einer Persönlichkeitsakzentuierung mit ängstlich-vermeidenden und abhängigen Zügen und Spannungskopfschmerzen. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. , Prof. Dr. S. und Dr. E ... Soweit der behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. G. demgegenüber vom Vorliegen einer schweren depressiven Episode ausgegangen ist, überzeugt dies nicht. Medizinaldirektor L. und die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. E. haben zutreffend dargelegt, dass sich aus dem von Dr. G. dokumentierten aktuellen psychopathologischen Befund (zwar depressiv, aber Antrieb, Wahrnehmung, Denken, Mnestik und Kontaktverhalten nicht beeinträchtigt) die Diagnose einer schweren depressiven Episode nicht ableiten lässt. Soweit auch die behandelnden Ärzte des Klinikums K. -L. (Zentrum für Neurologie und Frührehabilitation) anlässlich eines stationären Aufenthaltes der Klägerin wegen Kopfschmerzen im März und April 2013 eine schwere depressive Episode bei Verdacht auf rezidivierende depressive Störung diagnostiziert haben (vgl. Ärztlicher Bericht vom 26.03.2013, Bl. 114 SG-Akte), hat Dr. E. zutreffend dargelegt, dass dies angesichts des dort erhobenen psychiatrischen Befundes nicht nachvollziehbar ist. Dr. E. hat zutreffend weiter darauf hingewiesen, dass eine derart schwerwiegende Diagnose nicht mit einer Vorstellung bei dem behandelnden Psychiater in vier- bis sechswöchigem Abstand, einer bis April 2013 fehlenden stationären psychiatrischen Behandlung, einer unveränderten Medikation und einem niedrig dosierten Einsatz von Antidepressiva vereinbar ist. Das Vorliegen einer schweren depressiven Episode hat sich im Übrigen durch die vom Sozialgericht und dem Senat durchgeführte Sachaufklärung auch nicht bestätigt. Die Sachverständigen Dr. S. und Dr. E. haben lediglich eine mittelgradige Episode, der Sachverständige Prof. Dr. S. gar nur eine leichtgradige depressive Episode beschrieben und auch die behandelnden Ärzte der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie S. haben auf Grund des stationären Aufenthaltes der Klägerin im April und Mai 2013 (lediglich) eine rezidivierende depressive Episode, gegenwärtig mittelgradige Episode, diagnostiziert (vgl. Bl. 109 SG-Akte) und damit die von Dr. G. und den behandelnden Ärzten des Klinikums K. -L. gestellte Diagnose widerlegt.

Die bei der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet festzustellenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen - dies gilt auch für den streitigen Zeitraum - zu einer Minderung der Stressbelastbarkeit, sodass der Klägerin berufliche Tätigkeiten, die mit einer erhöhten psychovegetativen Belastung einhergehen - etwa durch Zeitdruck (z.B. Akkord- und Fließbandarbeit) oder durch unphysiologische psychovegetative Belastung (z.B. Nachtarbeit) - oder mit der Übernahme besonderer Verantwortung verbunden sind, nicht mehr zuzumuten sind. Des Weiteren sind wegen der gelegentlich verminderten Konzentration und Aufmerksamkeit und dem etwas verlangsamten Gedankengang Tätigkeiten mit anhaltend hohen Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen, die Merkfähigkeit und das Anpassungs- und Umstellungsvermögen nicht mehr leidensgerecht. Auf Grund der depressiven Symptomatik im Zusammenwirken mit der akzentuierten Persönlichkeitsstörung neigt die Klägerin zu sozialem Rückzug und meidet Gruppensituationen, weshalb ferner Tätigkeiten, die mit hohen Anforderungen an die Kontaktfähigkeit und die souveräne Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen - etwa im unmittelbaren Kundenkontakt oder bei regelmäßigem Kontakt mit Menschengruppen - nicht mehr in Betracht kommen. Dies haben die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. E. überzeugend herausgearbeitet und dargelegt.

Eine darüber hinausgehende, und zwar quantitative Leistungsminderung vermag der Senat aus den psychischen Beeinträchtigungen auch für den noch streitigen Zeitraum nicht abzuleiten. Soweit der Sachverständige Dr. S. - im Gegensatz zu den Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. E. - auch leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen lediglich noch drei bis unter sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet hat, überzeugt dies nicht. Dr. S. hat die zeitliche Leistungseinschränkung mit einer vermehrten Erschöpfung bzw. Ermüdung und damit einhergehenden somatischen Störungen (Kopfdruck, Mattigkeit, Gliederschmerzen) begründet (vgl. Bl. 103 f. SG-Akte). Hierbei hat sich der Sachverständige im Wesentlichen auf die subjektiven Angaben der Klägerin (sie habe Konzentrationsstörungen, sie könne gar nichts mehr machen, die Freundin versorge die Mutter, vgl. Bl. 88 SG-Akte; die Freundin mache die Hauswirtschaft, sie lege sich meistens nach dem Frühstück wieder für zwei Stunden hin, Rückzugstendenzen, vgl. Bl. 91 SG-Akte; früher habe sie gerne Gartenarbeit gemacht, sie habe jetzt keine Hobbys mehr, sie fühle sich insgesamt tagsüber müde und matt, vgl. Bl. 92 SG-Akte) gestützt. Die subjektiven Angaben der Klägerin können indes nicht Grundlage einer validen Leistungsbeurteilung sein. Dr. S. hat - trotz des bereits aus dem Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie S. erkennbaren Rentenwunsches der Klägerin (vgl. Bl. 110 SG-Akte), worauf Dr. E. in ihrer Stellungnahme vom Juli 2013 und die Sachverständige Dr. E. zutreffend hingewiesen haben - keine Validierung der Beschwerdeangaben der Klägerin mittels Fremdbeurteilungsverfahren durchgeführt. Er hat vielmehr lediglich einen Selbstbeurteilungsbogen (Beck`sches Depressionsinventar - BDI) herangezogen, welcher mit 51 Punkten eine schwere Ausprägung der depressiven Symptomatik ergeben hat (vgl. Bl. 98 SG-Akte). Zur Verifizierung der subjektiven Angaben der Klägerin mittels eines Fremdbeurteilungsverfahrens hätte sich Dr. S. vorliegend umso mehr gedrängt sehen müssen, weil sich - wie Dr. E. in ihrer Stellungnahme vom Juli 2013 zutreffend dargelegt hat - auch im Rahmen der Untersuchung durch Dr. S. eine Diskrepanz zwischen Selbstbeurteilung der Klägerin (BDI: schwere Ausprägung der depressiven Symptomatik) und klinischem Bild (laut Dr. S.: mittelgradige depressive Episode) gezeigt hat. Entsprechend hat Dr. S. selbst darauf hingewiesen, dass sich das Ergebnis des BDI nicht mit dem Ausmaß des klinischen Eindrucks gedeckt hat (vgl. Bl. 102 SG-Akte). Damit sind auch für den Sachverständigen Dr. S. hinreichend Anhaltspunkte vorhanden gewesen, die Anlass zur Klärung, ob Aggravation vorliegt, jedenfalls aber zur kritischen Hinterfragung der eigenen Angaben der Klägerin gegeben hätten. Damit hat der Sachverständige die Beschwerdeangaben der Klägerin nicht hinreichend verifiziert und keiner kritischen Prüfung unterzogen.

Das Vorliegen von Aggravation hat sich durch die weitere Sachaufklärung des Senates bestätigt. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat überzeugend auf Grund der klinischen Exploration und den psychometrischen Untersuchungen auf eine instruktionswidrige Anstrengungsminderleistung und eine negative Antwortverzerrung der Klägerin geschlossen. Er hat dabei zu Recht auf verschiedene Widersprüche hingewiesen. So hat zwar die psychometrische Testung der Klägerin erhebliche Auffälligkeiten gezeigt mit einer weit unterdurchschnittlichen Gesamtleistung im Aufmerksamkeits- und Konzentrationstest d2-R und extremen Beeinträchtigungsgraden in Bezug z.B. auf häusliche Aufgaben im Schmerzevaluationsbogen SEB. Allerdings hat die Klägerin gleichzeitig zu der behaupteten extremen Beeinträchtigung bei der Erledigung häuslicher Aufgaben auch angegeben, dass sie zwar Putzarbeiten durch eine Bekannte verrichten lasse, den Rest jedoch selbständig erledige, was auf keine extreme Beeinträchtigung in Bezug auf häusliche Aufgaben schließen lässt. Daneben steht auch die von der Klägerin im d2-R-Test demonstrierte geringe Konzentrationsgesamtleistung - so Prof. Dr. S. - klar im Widerspruch zu der gezeigten altersentsprechend durchschnittlichen Konzentrationsleistung im Rahmen der mehrstündigen Explorationssitzung. Dass die subjektiven Angaben der Klägerin keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Leistungsvermögen zulassen, wird ferner durch die von Prof. Dr. S. durchgeführten testpsychologischen Beschwerdevalidierungsverfahren bestätigt. Diese haben massive Auffälligkeiten gezeigt, die auf eine instruktionswidrige Anstrengungsbereitschaft der Klägerin hinweisen. So hat die Klägerin im Verfahren SFSS 28 Wertungspunkte erzielt und hat damit weit über dem als noch unauffällig eingeschätzten cut-off-Wert von 16 Punkten gelegen. Die von der Klägerin im weiteren Beschwerdevalidierungsverfahren MWT gezeigten Leistungen entsprechen - so Prof. Dr. S. - Ergebnissen auf Zufallsniveau. Prof. Dr. S. hat unter Berücksichtigung all dieser Umstände überzeugend dargelegt, dass die von der Klägerin in den psychometrischen Testungen erzielten sehr geringen Leistungen vor diesem Hintergrund nicht Ausdruck tatsächlicher Funktionsdefizite, sondern vielmehr das Resultat einer instruktionswidrigen Anstrengungsminderleistung sind.

Dieser Einschätzung hat sich die nach § 109 SGG beauftragte Sachverständige Dr. E. angeschlossen, die zwar auch Auffälligkeiten, z.B. in der neuropsychologischen Untersuchung beschrieben hat, welche auf eine beginnende dementielle Entwicklung/Pseudodemenz hinweisen könnten. Zeitgleich hat sie jedoch auch auf den dazu im Widerspruch stehenden klinischen Befund hingewiesen, der keine Hinweise auf kognitive und mnestische Defizite ergeben hat (vgl. Bl. 136 LSG-Akte). Die von Dr. E. durchgeführten Symptomvalidierungstests (SFSS und Rey-Test) haben überdies - wie bereits bei Prof. Dr. S. - Hinweise auf ein suboptimales Antwortverhalten der Klägerin gegeben. Darüber hinaus hat Dr. E. Inkonsistenzen bezüglich der Medikamenteneinnahme aufgedeckt. So sind die von der Klägerin nach eigenen Angaben eingenommenen Medikamente Venlafaxin und Quetiapin überhaupt nicht nachweisbar gewesen, was sich - so Dr. E. - auch nicht durch eine laut Klägerin wegen Übelkeit einmalige Nichteinnahme am Vorabend bzw. Morgen des Untersuchungstages erklären lässt. Nachvollziehbar hat daher auch Dr. E. im Hinblick auf den von der Klägerin präsentierten Ausprägungsgrad der psychischen Beeinträchtigungen Zweifel geäußert.

Soweit Dr. S. auf Grund der Angaben der Klägerin zu ihrer Tages- und Freizeitgestaltung (sie könne gar nichts mehr machen, die Freundin versorge die Mutter, vgl. Bl. 88 SG-Akte; die Freundin mache die Hauswirtschaft, sie lege sich meistens nach dem Frühstück wieder für zwei Stunden hin, Rückzugstendenzen, vgl. Bl. 91 SG-Akte; früher habe sie gerne Gartenarbeit gemacht, sie habe jetzt keine Hobbys mehr, vgl. Bl. 92 SG-Akte) auf eine vermehrte Erschöpfung bzw. Ermüdung und damit einhergehenden somatischen Störungen geschlossen hat, überzeugt dies auch deshalb nicht, weil Dr. S. hier auf Grund der vagen, pauschalen, unvollständigen und zum Teil auch unrichtigen Angaben der Klägerin von einer gravierenderen Beeinträchtigung der Tages- und Freizeitgestaltung ausgegangen ist, als tatsächlich vorhanden. Denn diese gegenüber Dr. S. gemachten Angaben der Klägerin stehen in krassem Widerspruch zu ihren Angaben bei Prof. Dr. S. und Dr. E. (sie versorge ihre pflegebedürftige Mutter, helfe ihr z.B. beim Anziehen und Waschen, vgl. Bl. 116 LSG-Akte; lese ihr ab und zu vor und unterhalte sich mit ihr, sie lese zwei bis drei Stunden täglich in der Bibel, in christlichen Zeitschriften oder in anderen Büchern, vgl. Bl. 66 LSG-Akte; sie mache Handarbeit, vgl. Bl. 125 LSG-Akte; sie gehe nachmittags bei schönem Wetter in ihren Garten, gieße und pflege ihre Blumen und zupfe Unkraut, erledige Einkäufe zum Teil mit einer Freundin zusammen, erledige die anfallende Hausarbeit [außer Putzarbeiten] selbst, Bl. 66 LSG-Akte; habe Kontakt zu einer überkonfessionellen Bibelkonferenzstätte, verfolge sonntags den Gottesdienst im Internet, nehme - wenn auch wenig - am Gemeindeleben teil, gehe mit Freunden essen, und sei im Jahr 2014 mit einer Freundin eine Woche am Kaiserstuhl gewesen, was sie genossen habe, vgl. Bl. 67 LSG-Akte), die keine wesentlichen Beeinträchtigungen erkennen lassen. Dass sich zwischen den jeweiligen Untersuchungen die Alltagsgestaltung geändert hätte, hat auch die Klägerin nicht behauptet.

Objektivierbare Befunde, die die von ihm postulierte zeitliche Leistungseinschränkung stützen könnten, hat Dr. S. ohnehin nicht mitgeteilt. Insoweit hat Dr. E. zutreffend darauf hingewiesen, dass der von Dr. S. erhobene psychopathologische Befund im Wesentlichen mit dem von ihr erhobenen Befund übereinstimmt, der zwar - so Dr. E. nachvollziehbar - eine qualitative, jedoch keine quantitative Leistungseinschränkung rechtfertigt. Insbesondere hat Dr. S. von keiner im Rahmen der Untersuchung tatsächlich aufgetretenen vermehrten Erschöpfung oder Ermüdung und damit einhergehenden somatischen Störungen (Kopfdruck, Mattigkeit, Gliederschmerzen) berichtet, welche - so der Sachverständige - Grund für die von ihm vorgenommene zeitliche Leistungseinschränkung sein sollen.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch bei einer - wie von Dr. S. behaupteten - Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich seit März 2013 kein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung in dem vom Sozialgericht festgestellten Umfang bestünde. Denn die durch eine psychische Störung bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit muss voraussichtlich auf längere Dauer, d.h. für länger als sechs Monate vorliegen. Denn seelisch bedingte Störungen scheiden für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, die der Betroffene bei der ihm zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66 in SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61 in SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (BSG a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die bei der Klägerin in Betracht kommenden Therapieoptionen sind auch zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. bei Weitem nicht ausgeschöpft gewesen. Hiervon ist auch Dr. S. ausgegangen, der eine Intensivierung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung bei bisher unterbliebener ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und nicht ausgeschöpften Möglichkeiten der Psychopharmako-Therapie für angezeigt und eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes für möglich erachtet hat. Soweit er für diese Besserung einen Zeitraum von zwölf Monaten veranschlagt hat, überzeugt dies nicht. Eine Begründung hierfür hat Dr. S. nicht angeführt, seine Einschätzung ist auch angesichts der bis zum damaligen Zeitpunkt völlig unzureichenden Therapie (nur sporadische Termine bei dem Facharzt für Psychiatrie Dr. G. , keine ambulante Psychotherapie, nur einmalige stationäre Behandlung) nicht nachvollziehbar. Die Einschätzung des Dr. S. ist jedenfalls dadurch widerlegt, dass die von der Klägerin seit Dezember 2014 (vgl. Bl. 63 LSG-Akte) durchgeführte ambulante Psychotherapie - bei unterstellter vorheriger zeitlicher Leistungseinschränkung - zu einer Besserung des Leistungsvermögens (leichte bis überwiegend mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig zumutbar, so die überzeugende Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. S. ) innerhalb von weniger als sechs Monaten, nämlich spätestens bis zur gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. S. im April 2015 geführt hat.

Auch aus den auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen lässt sich keine rentenberechtigende Leistungseinschränkung im hier noch streitigen Zeitraum ableiten. Davon ist zuletzt auch die Klägerin selbst nicht mehr ausgegangen, die - bei insoweit im Wesentlichen unverändert vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen - ihre auf Gewährung einer Dauerrente gerichtete Berufung zurückgenommen hat.

Sie ist zwar auch auf Grund der orthopädischen Erkrankungen - ein Wirbelsäulensyndrom bei NPP L3/4, eine Epicondylopathia radialis humeri rechts und ein Zustand nach stattgehabter Sprunggelenksfraktur rechts im März 2006 (so die von den behandelnden Ärzten in der R. Bad K. und dem Gutachter Dr. H. gestellten Diagnosen) - in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewesen. Im Rahmen der Untersuchung durch Dr. H. zeigte sich eine leichte Instabilität und eine mäßige Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Sprunggelenks. Die Inklination der Wirbelsäule war bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 20 cm möglich. Es bestand ein leichter Druckschmerz im Bereich des Epicondylus radialis humeri rechts.

Allerdings haben die Rückenbeschwerden und die Beschwerden am rechten Ellenbogen und im rechten Sprunggelenk nur zu qualitativen Leistungseinschränkungen geführt. So sind der Klägerin nur noch körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne permanente Zwangshaltung, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und nur gelegentlich unter widrigen klimatischen Bedingungen zumutbar gewesen. Funktionsbeeinträchtigungen, die eine weitere, insbesondere zeitliche Leistungseinschränkung zur Folge gehabt haben könnten, sind nicht nachgewiesen. So zeigte sich das Gangbild der Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. H. völlig unauffällig, ebenso das Sitzverhalten während der Anamneseerhebung (kein Sitzpositionswechsel, kein Zwischendurch-Aufstehen). Die Klägerin konnte sich selbst Ent- und Ankleiden, ohne Auffälligkeiten, die Rückenposition auf der Untersuchungsliege frei einnehmen, sich hieraus frei zum Sitzen ohne Abstützen und ohne Hilfe hochhangeln und sich zum Langsitz einrollen, wobei sie beidseits mit ihren Händen die Vorfüße erreichte. Bei angegebenen Missempfindungen im Bereich des rechten Beins hat Dr. S. keine sensomotorischen Ausfälle feststellen können und es haben keine Hinweise auf latente oder manifeste Paresen an den Extremitäten bestanden. In Übereinstimmung hierzu hat auch Dr. E. bei angegebenen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule keinen Hinweis auf eine akute oder chronische radikuläre Schädigung oder eine Schädigung peripherer Nerven gesehen. Im Rahmen der Untersuchung durch Dr. S. und Dr. E. sind Muskelrelief und -tonus allseits regelgerecht und alle Gelenke der oberen und unteren Extremitäten aktiv und passiv frei beweglich gewesen.

Dass die seit Jahren bestehende Epicondylopathia radialis humeri rechts und der Zustand nach stattgehabter Sprunggelenksfraktur rechts im März 2006 einer beruflichen Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich (unter Berücksichtigung der bereits genannten qualitativen Leistungseinschränkungen) nicht entgegen gestanden haben, ergibt sich für den Senat im Übrigen daraus, dass die Klägerin trotz dieser Beschwerden sogar ihre körperlich stark belastende Tätigkeit als Stationshilfe in der Altenpflege (Pflege von bettlägerigen Patienten mit entsprechendem Erfordernis von häufigem schweren Heben und Bewegen von Lasten und vielfachen Zwangshaltungen, vgl. Bl. 57 Rückseite VA) mit Versorgung einer Epicondylitisspange (vgl. Bl. 55 Rückseite VA) bis zu ihrer wegen Rückenbeschwerden seit Dezember 2010 bestehenden Arbeitsunfähigkeit ausüben konnte.

Soweit der behandelnde Orthopäde M. - bei im Wesentlichen übereinstimmenden Diagnosen - eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden auch für leichte körperliche Tätigkeiten gesehen hat, überzeugt dies nicht. Insoweit hat Medizinaldirektor L. zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der vom Orthopäden M. mitgeteilte Befund kaum von dem Befund unterscheidet, den die behandelnden Ärzte der R. Bad K. erhobenen haben und die daraus nachvollziehbar keine rentenrelevante Leistungseinschränkung abgeleitet haben. Darüber hinaus ließ die durch Dr. H. durchgeführte Untersuchung - so Medizinaldirektor L. weiter zutreffend - keine wesentlichen Funktionseinschränkungen am Bewegungsapparat erkennen, sodass auch Medizinaldirektor L. nachvollziehbar lediglich qualitative, aber keine quantitative Leistungseinschränkung auf Grund der orthopädischen Beschwerden gesehen hat.

Ferner haben auch die Beschwerden auf internistischem Fachgebiet - Harn-Teilinkontinenz, leichtgradige Erweiterung oberflächlicher Venen (sog. Besenreiservarikosis), Stammvarikose der Vena saphena magna rechts, und Fettstoffwechselstörung (so die Diagnosen des Sachverständigen Dr. S. und der behandelnden Ärzte Dr. R. und Prof. Dr. A. ) - keine rentenberechtigenden Leistungseinschränkungen zur Folge gehabt. Dies ergibt sich für den Senat aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. und der behandelnden Ärzte Dr. R. und Prof. Dr. A. , wonach die Fettstoffwechselstörung medikamentös therapiert gewesen ist, die Besenreiservarikosis zu keinen Einschränkungen bezüglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes geführt hat, die Stammvarikose der Vena saphena magna rechts lediglich eine qualitative Leistungseinschränkung (keine konstant stehenden Tätigkeiten) bedingt hat und auch die Harn-Teilinkontinenz keine wesentlichen Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittlere Belastungen für die Dauer von täglich sechs Stunden und mehr zur Folge gehabt hat.

Die Klägerin hat daher im noch streitigen Zeitraum zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen unter Beachtung der von den Sachverständigen Dr. S. , Prof. Dr. S. und Dr. E. genannten qualitativen Einschränkungen (ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne permanente Zwangshaltung, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, nur gelegentlich unter widrigen klimatischen Bedingungen, ohne Zeitdruck [z.B. Akkord- und Fließbandarbeit], ohne Nachtarbeit, ohne besondere Verantwortung, ohne hohe Anforderungen an das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen, die Merkfähigkeit, das Anpassungs- und Umstellungsvermögen, die Kontaktfähigkeit und die souveräne Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen [z.B. unmittelbarer Kundenkontakt oder regelmäßiger Kontakt mit Menschengruppen]) sechs Stunden täglich ausüben können. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert gewesen. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz hätte vermittelt werden können, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie die Klägerin mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall der Klägerin. Auch bei ihr wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihr nur noch leichte Arbeiten zugemutet worden sind.

Die Harn-Teilinkontinenz mit - so Dr. R. - der Notwendigkeit eines häufigen Wasserlassen und dadurch bedingtem gehäuften Aufsuchen einer Toilette, hat auch nicht zu betriebsunüblichen Pausen geführt. In § 4 Arbeitszeitgesetz sind Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr sechs Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden vorgesehen. Dies bedeutet, dass bei bis zu sechs Stunden Arbeit eine Ruhepause nicht vorgeschrieben ist. Allerdings ist es angesichts üblicher menschlicher Bedürfnisse ausgeschlossen, dass damit der notwendige Gang zur Toilette unterbleiben muss. Vielmehr geht der Gesetzgeber wie selbstverständlich davon aus, dass derart dringende persönliche Bedürfnisse während der Arbeitszeit verrichtet werden. Im Übrigen haben die bei der Klägerin während eines sechsstündigen Arbeitstages erforderlichen Toilettenbesuche insgesamt - auch im noch streitigen Zeitraum - nicht den Rahmen der von den Arbeitgebern den Arbeitnehmern zugestandenen persönlichen "Verteilzeiten" (zusätzliche Arbeitsunterbrechungen) überschritten. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin - so ihre eigenen Angaben - ungefähr jede Stunde zur Toilette gemusst hat (vgl. Bl. 88 SG-Akte und Bl. 115 LSG-Akte). Zweifel bestehen insoweit deshalb, weil beispielsweise die Sachverständige Dr. E. von keiner von der Klägerin benötigten Toilettenpause während der von 8.30 Uhr bis 15 Uhr dauernden Untersuchung (vgl. insoweit den von der Klägerin eingereichten Kostenerstattungsantrag vom 02.02.2016, unblattierter Teil der Kostenakte) berichtet hat, der Sachverständige Prof. Dr. S. eine selbstmotivierte Sitzungsunterbrechung während der von 14 Uhr bis 19.40 Uhr dauernden Untersuchung (vgl. insoweit den von der Klägerin eingereichten Kostenerstattungsantrag vom 18.05.2015, Bl. 3 Kostenakte) sogar ausdrücklich verneint hat. Denn auch bei Zugrundelegung stündlicher Toilettengänge haben die bei der Klägerin während eines sechsstündigen Arbeitstages dann allenfalls erforderlichen fünf Toilettenbesuche insgesamt nicht den Rahmen der von den Arbeitgebern den Arbeitnehmern zugestandenen persönlichen "Verteilzeiten" überschritten. Solche zusätzliche Möglichkeiten der Arbeitsunterbrechung für Erholung und persönliche Bedürfnisse über die Arbeitszeitregelungen hinaus sind in betriebsüblichen Arbeitszeitregelungen nach Maßgabe tarifvertraglicher Vereinbarungen vorgesehen (vgl. hierzu und für den Fall der Erforderlichkeit, jederzeit und kurzfristig kleine Pausen von nicht mehr als 5 bis 7 Minuten z. B. zur Einnahme einer kleinen Zwischenmahlzeit bzw. einer Blutzuckerselbstmessung bei diabetischer Stoffwechsellage einzulegen, Urteil des 3. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 05.07.2000, L 3 RJ 847/99). Die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen behauptet im Übrigen auch die Klägerin selbst nicht.

Schließlich vermag sich der Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin auf Grund ihrer Harn-Teilinkontinenz nicht mehr wegefähig, insbesondere nicht mehr in der Lage gewesen ist, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und damit voll erwerbsgemindert gewesen ist.

Zwar kann nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung.

Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach dem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist in ihrer Mobilität nicht in diesem Sinne eingeschränkt gewesen. Sie ist vielmehr in der Lage gewesen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Zwar geht auch der Senat zugunsten der Klägerin und in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. S. und dem behandelnden Urologen Dr. R. davon aus, dass die Klägerin auch im noch streitigen Zeitraum an einer Harn-Teilinkontinenz mit der Notwendigkeit häufigen Wasserlassens gelitten hat. Allein die Notwendigkeit häufigen Wasserlassens reicht jedoch nicht aus, um eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit zu begründen. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben ungefähr jede Stunde zur Toilette gemusst (vgl. Bl. 88 SG-Akte und Bl. 115 LSG-Akte). Selbst bei einer Notwendigkeit eines Toilettengangs ca. alle Stunde ist nicht erkennbar, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, eine Arbeitsstelle zu erreichen. Die Klägerin hat sich nach eigenen Angaben mit Einlagen beholfen (nach eigenen Angabe zehn Einlagen pro Tag, vgl. Bl. 63 LSG-Akte; laut Dr. R. zwei bis drei Einlagen pro Tag, vgl. Bl. 36 SG-Akte) und tatsächlich öffentliche Verkehrsmittel genutzt (vgl. Bl. 125 LSG-Akte). Sofern die Klägerin angemerkt hat, dass sie versuche, dies zu vermeiden, hat sie als Grund hierfür indes nicht die Harn-Teilinkontinenz, sondern die Angst, dass "etwas passieren könnte", angeführt (vgl. Bl. 125 LSG-Akte). Auch gegenüber Dr. H. räumte die Klägerin dementsprechend ein, dass sie zur Anfahrt zum Untersuchungstermin auch öffentliche Verkehrsmittel hätte nutzen können (vgl. Bl. 87 Rückseite VA).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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