Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 2628/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Bescheide der Beklagten vom 12.09.2013 und vom 04.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2015 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015 hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Landeshauptstadt A-Stadt als Klimaschutzmanager von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015.
Er ist ausgebildeter Architekt und war bei der Landeshauptstadt A-Stadt (LHM) für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015 als Klimaschutzmanager befristet angestellt.
Der Kläger ist seit dem 27.02.2002 gesetzliches Pflichtmitglied in der Bayerischen Architektenkammer und Pflichtmitglied bei der Bayerischen Architektenversorgung als berufsständischem Versorgungswerk. Er beantragte am 15.06.2013 (Eingang am 03.07.2013) die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht mit Wirkung ab 15.07.2013.
Der Kläger legte den Arbeitsvertrag vom 14.06.2013, die Stellenbeschreibung als Klimaschutzmanager sowie die Arbeitsplatzbeschreibung vor. Insoweit wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 12.09.2013 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil es sich bei der Beschäftigung als Klimaschutzmanager um keine berufsspezifische Tätigkeit als Architekt handeln würde. Eine Befreiung könne nur für die Be-schäftigung erfolgen, wegen der der Versicherte aufgrund Gesetzes Mitglied einer öffent-lich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe und Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Es müsse also ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die die Befreiung begehrt werde, und dem Versicherungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung bestehen. Ein solcher innerer Zusammenhang werde durch das Merkmal "berufsspezifisch" gewährleistet. Bei der vom Kläger ausgeübten Beschäftigung handle es sich um keine berufsspezifische Tätigkeit, weil für diese Tätigkeit die Hochschulausbildung eines Architekten nicht zwingende Vo-raussetzung sei. Wie aus der Stellenbeschreibung hervorgehe, sei die Tätigkeit auch Hochschulabsolventen der Fachrichtung Gebäudetechnik oder einer vergleichbaren Fach-richtung zugänglich.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger mit am 08.10.2013 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es nach den eigenen Richtlinien der Beklagten (rvLiteratur) ausreichend sei, wenn eine Tätigkeit durch die Ausbildung erworbene Kenntnisse und Qualifikationen erfordern würde und in der Praxis von wesentlichen Elementen einer Architekturtätigkeit geprägt sei. Es sei also keine Tätigkeit erforderlich, die dem Leistungsbild eines Architekten im Sinne der HAOI ent-sprechen würde. Zu den Berufsaufgaben eines Architekten würde die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers in den mit der Planung, Ausführung und Steuerung des Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten sowie die Überwachung der Aus-führung und die Projektentwicklung gehören. Es sei hinreichend für die Befreiung, wenn Kenntnis und Qualifikationen, die im Rahmen des Architekturstudiums erworben wurden, in der beruflichen Praxis wesentlich zur Anwendung kommen würden. Kernbestandteil eines Architekturstudiums sei die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich "gestaltende, technische und wirtschaftliche Planung" (gem. rvLiteratur). Ganz wesentlicher Teil dieses Leistungsbereichs sei die Energieeffizienz von Bauvorhaben vor dem Hintergrund neuer gesetzlicher Vorgaben wie die Energieeinsparverordnung (EnEV) vor dem Hintergrund der Richtlinie 2010/31/EUR des europäischen Parlaments und des Rates vom 19.05.2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben stelle es inzwischen eine ganz wichtige Aufgabe eines Architekten da, für die Einhaltung aller energetischen Richtlinien und Verordnungen innerhalb seiner Tätigkeit zu sorgen. Die Bayerische Architektenkammer würde entsprechend ständig Fortbildungen im Bereich der Energieeffizienz anbieten.
Der Kläger hätte als Klimaschutzmanager der LHM insbesondere seine auf dem Gebiet der Energieeffizienz im Architekturstudium erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen in der Praxis angewendet. Er habe für das Referat für Bildung und Sport, Abteilung Zentrales Immobilien¬management, Immobilienverwaltung gearbeitet. Hier würden 1.500 Bauwerke in 975 Anwesen mit einem Mehrjahresinvestitionsprogramm in Höhe von 1,8 Milliarden EUR für Neubau- und Gebäudesanierung betreut werden. Die Abteilung sei Auftraggeber für energetische Sanierungs- und Instandsetzungsleistungen bei Bildungsimmobilien. Der Kläger habe als Klimaschutzmanager die Bauvorhaben mit den technischen Abteilungen des Bau- und Planungsreferats koordiniert.
Der Kläger habe Grundlagenuntersuchungen im Hinblick auf den Energieverbrauch in den Schulen, Sportanlagen und Kindertageseinrichtungen in A-Stadt durchgeführt. Er habe den bauphysikalischen Zusammenhang von Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit und Kon-densatbildung in Fassadenkonstruktionen bei abgesenkten Temperaturen außerhalb der Nutzungszeit geprüft. Er habe Grundlagenuntersuchungen für nachhaltige Energieeinspa-rungsmöglichkeiten durchgeführt und Grundlagenuntersuchungen für den optimierten Einsatz von Fotovoltaikanlagen koordiniert sowie Kriterien erarbeitet, um Dächer und Fassaden auf deren Geeignetheit für die Installation von Fotovoltaikanlagen zu untersu-chen.
Für die Tätigkeit als Klimaschutzmanager seien nicht nur Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Gebiet der Energieeffizienz erforderlich gewesen. Vielmehr habe der Kläger auch die im Architekturstudium erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Gebiet der Standsicherheit und Baukonstruktion anwenden müssen. Insbesondere Kenntnisse zu Fassadenkonstruktionen, zur Wärmedämmung, zu Analysen der Gebäudesubstanz und zu Baualtersklassen, zu Bauteilanschlüssen, zu Lastreserven von Konstruktionen für die Montage von Fotovoltaikelementen und zur Nutzungsdauer von Bauteilen seien erforder-lich gewesen. Der Kläger habe gemeinsam mit dem Baureferat Grundlagenuntersuchun-gen der 1.200 Bauwerke bezüglich der statischen Reserven, der Nutzungszeit der Dach-dichtung und der Restnutzungszeit des Gebäudes, der Prüfung des Baurechts bezüglich Anforderung an Dachbegrünung und bezüglich der Einteilung in Baualtersklassen durch-geführt. Für diese Untersuchungen seien die im Architekturstudium erworbenen Kenntnis-se zur Standsicherheit und Baukonstruktion erforderlich.
Der Kläger habe mithin tatsächlich eine berufsspezifische Tätigkeit als Architekt ausgeübt.
Beigefügt wurde unter anderem die Beschreibung der Zielsetzung, der Arbeitsschritte und Aufgaben des Klimaschutzmanagers. Hiernach wurde die Stelle geschaffen, um den Aus-bau von Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Schulen, Sportanlagen und Kinderta-geseinrichtungen zu forcieren sowie allgemeine technische Energieeinsparungsmöglich-keiten im Immobilienbereich des Referats für Bildung und Sport umzusetzen. Die Kern-aufgabe der Abteilung Zentrales Immobilienmanagement sei der Betrieb und der Unterhalt der Bauwerke und damit vorrangig die Bereitstellung ordnungsgemäßer und geeigneter Bildungsimmobilien. Die große Masse des Immobilienbestands Stelle energetisch und energietechnisch einen nicht zu unterschätzenden Faktor in der gesamten Klimaschutzbe-trachtung im Stadtgebiet A-Stadt dar. Der Klimaschutzmanager koordiniert hierzu die oben genannten Maßnahmen (insbesondere Grundlagenuntersuchungen), unterstützt diese fachlich bei der Vorbereitung und Umsetzung und koordiniert sämtliche Arbeitsschritte zwischen den Akteuren.
Weiter legte der Kläger als Anlage 3 einen Nachweis vor, dass er in der Architekturausbildung in den Fächern Bauphysik, Tragwerkslehre, Baukonstruktion und technischer Aus-bau ausgebildet worden ist.
Mit Bescheid vom 04.06.2014 wurde seitens der Beklagten entschieden, dass der Kläger auch nicht gemäß § 6 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu befreien sei, da die Beschäftigung bei der LHM berufsfremd sei und eine erstmalige Befreiung für berufsfremde Beschäftigungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus-scheiden würde.
Hintergrund ist, dass die Beklagte die vor Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 01.10.2010 bis zum 14.07.2013 bei der B&O Wohnungswirtschaft GmbH Bayern nicht als berufsspezifisch bewertete. Nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag (Blatt 135 der Beklag-tenakte) war der Kläger als Bauleiter angestellt und war zudem für die Arbeitsvorbereitung und Angebotskalkulation zuständig. Der Tätigkeitsbereich habe im wesentlichen die ren-table, fachgerechte und zügige technische Entwicklung/Ausarbeitung von Angeboten so-wie die rentable, fachgerechte und zügige technische Abwicklung der Baustelle sowie die verantwortliche Überwachung des eingesetzten Personals, Materials und der Geräte sowie Erledigung der Verwaltungsarbeiten umfasst. Die vom Kläger umfasste Position sei dem Unternehmensbereich Komplettbausanierung zugeordnet. Intern wurde von der Beklagten als Entscheidungsvorlage diese Tätigkeit als berufsspezifisch angesehen (Blatt 137 der Beklagtenakte). Der Endzeichner vertrat dann jedoch die Auffassung, dass die im Anstellungsvertrag aufgeführte Tätigkeit als Bauleiter dem Berufsbild des Bauleiters wie im Berufenet beschrieben entsprechen würde. Ein Architekturstudium oder die Bauvorla-geberechtigung seien für eine Beschäftigung als Bauleiter nicht erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wurde der Widerspruch gegen die oben genannten Bescheide zurückgewiesen. Der Kläger müsse für die Befreiung auch eine dem Kammerberuf entsprechende berufsspezifische Tätigkeit, also eine für einen Architekten typische Berufstätigkeit, ausüben. Nur solche Tätigkeiten seien befreiungsfähig, die tat-sächlich die Merkmale einer Tätigkeit als Architekt aufweisen würde und ausschließlich für Personen mit diesem beruflichen Hintergrund zugänglich sei.
Eine befreiungsfähige Architektentätigkeit sei nur dann zu bejahen, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Eintragung in die Liste der Architekten und damit ein Studium der Ar-chitektur und eine praktische Tätigkeit nach Art. 4 Abs. 2 BayBauKaG voraussetzt sowie gleichzeitig dem typischen Berufsbild des Architekten entsprechen würde. Nach Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG sei Berufsaufgabe der Architekten die gestaltende, technische, wirt-schaftliche, umweltgerechte und soziale Planung von Bauwerken sowie die Orts- und Stadtplanung innerhalb der Fachrichtung. Aus der Stellenbeschreibung gehe hervor, dass für die Besetzung der Stelle als Klimaschutzmanager ein abge¬schlossenes Universitäts-studium als Diplom-Ingenieur für den Bereich Solar- und Solarthermietechnik gefordert worden sei. Daher sei für die Ausübung der Tätigkeit eine Architektenausbildung nicht zwingend erforderlich.
Das Leistungsbild der Architekten sei in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) genau definiert. Es umfasse für die Gebäudeplanung und -realisierung die Leis-tungsphasen der Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungs-planung, Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe, Objektüberwachung (Bauüberwachung und Bauoberleitung), Objektbetreuung und Doku-mentation (§ 3 Abs. 4 HOAI).
Für die konkrete Tätigkeit des Klägers mag es sein, dass Kenntnisse der Planung und Ausführung von baulichen Leistungen gefordert werden würden. Jedoch würden die Leis-tungsphasen der HOAI nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum bilden.
Auch eine Befreiung nach § 6 Abs. 5 S. 2 SGB V käme nicht in Betracht. Bei einer neben der berufsgruppenspezifischen Tätigkeit im Kammerberuf ausgeübten befristeten Tätigkeit sei für die Befreiung erforderlich, dass ein in der Vergangenheit erteilter Befreiungsbescheid im Hinblick auf die berufsgruppenspezifische Tätigkeit noch aktuell wirksam sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme eine Erstreckung der Befrei-ung nur noch dann in Betracht, wenn unmittelbar vor der Aufnahme einer versicherungs-pflichtigen berufsfremden Beschäftigung oder daneben eine befreite berufsspezifische Beschäftigung ausgeübt wurde. Der Kläger habe in der Zeit vom 15.07.2013 bis zum 14.07.2016 eine befristete Beschäftigung ausgeübt. Der Kläger sei für die Zeit vom 27.02.2002 bis zum 30.09.2012 befreit gewesen. In der Zeit vom 01.10.2012 bis zum 14.07.2013 sei er als Bauleiter bei der B&W Wohnungswirtschaft GmbH in A-Stadt tätig gewesen. Für diese Beschäftigung sei zu keiner Zeit die Befreiung beantragt worden. Es habe sich auch nicht um eine berufsspezifische Beschäftigung gehandelt, da ein Architek-turstudium oder die Bauvorlageberechtigung für die Ausübung der Beschäftigung als Bau-leiter nicht erforderlich sei. Somit habe unmittelbar vor der Aufnahme der am 15.07.2013 aufgenommenen Beschäftigung bei der LHM keine aktuell wirksame Grundbefreiung für eine Erstreckung der Befreiung vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 29.12.2015. Zur Begründung wird im wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Der Kläger beantragt: 1. Die Bescheide der Beklagten vom 12.09.2013 und vom 04.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 werden aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015 hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Landeshauptstadt A-Stadt als Klimaschutzmanager von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei von der LHM als Klimaschutzmanager beschäftigt worden. In der Stellen-ausschreibung (Bl. 62 der Beklagtenakte) sei eine engagierte Persönlichkeit mit abgeschlossenem Hochschulstudium auf Master-Niveau der Fachrichtung Architektur bzw. Gebäudetechnik oder einer vergleichbaren Fachrichtung gesucht worden. Eine Zu-satzqualifikation im Bereich Solar- und Solarthermietechnik, Energieplanung und/oder Umwelt-/Klimaschutztechnik sei von Vorteil. Nach der Arbeitsbeschreibung für die einge-nommene Stelle (Bl. 63-77 der Verwaltungsakte) seien die Fachkenntnisse, die für die Aufgabenwahrnehmung erforderlich seien, wie folgt benannt worden (Bl. 64 Mitte der Be-klagtenakte): Abgeschlossenes Universitätsstudium oder Universitätsstudium als Diplom-Ingenieur für den Bereich Solar-und Solarthermietechnik (gegebenenfalls mit Zusatzqualifikation).
Die Aufgaben des Klägers könnten mit entsprechender Zusatzqualifikation mit Kenntnissen und Fähigkeiten aus einem Architekturstudium bewältigt werden. Sie seien jedoch nicht ausschließlich von einem bauvorlageberechtigten Architekten ausführbar.
Für die Tätigkeit des Klimaschutzmanagers bei der LHM sei eine Bauvorlageberechtigung und damit die Eintragung in die Architektenliste der Bayerischen Architektenkammer nicht Voraussetzung. Eine Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Architektenkammer sei für die Erfüllung dieser Aufgabe erlässlich. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung bestehe daher nicht, die Befreiungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt.
In der mündlichen Verhandlung beschrieb der Kläger sein Tätigkeitsfeld im streitgegenständlichen Zeitraum wie folgt: "Ich stand als Architekt auf der Seite des Bauherren (Stadt A-Stadt) und war mit der ener-getischen Planung sowohl der Bestandsimmobilien als auch der Neubauten befasst. Bzgl. der Neubauten habe ich die Möglichkeit des Anbringens von Photovoltaikanlagen in Ab-stimmung mit dem Planungsreferat (welche Flächen sind für Photovoltaikanlagen vorhanden?) geprüft. Bzgl. der Bestandsimmobilien wurde von mir die Möglichkeit der Nachrüs-tung mit Photovoltaikanlagen geprüft. Hierzu musste ich z.B. die Lastreserven der Dach-konstruktionen begutachten, ob die Dächer das aushalten. Die Statik hierzu haben Statiker ausgerechnet. Auch musste ich die Restnutzungsdauer eines Daches nach umfassender Prüfung vor Ort schätzen, um zu entscheiden, ob sich die Anbringung einer Pho-tovoltaikanlage noch lohnt oder nicht. Für diesbezügliche Planungsfehler wäre ich verant-wortlich. Ich habe aufgrund von Messungen und Prüfungen an den konkreten Immobilien Einsparpotentiale identifiziert, indem ich das Verhältnis von Kosten (Neuinvestitionen) zu Nutzen (Einsparpotential) abschätzte. Ich war an der Entscheidung maßgeblich beteiligt, ob eine energetische Grund- oder Teilinstandsetzung in Frage kommt. 50 % meiner Ar-beitszeit habe ich mit der Frage nach der Installation von Photovoltaikanlagen in Bestands- und Neubau-Immobilien verbracht, weitere 50 % mit allgemeinen bautechnischen Prüfungen und Objektbegutachtungen. Als in der Liste eingetragener Architekt verfügte ich über die große Bauvorlageberechtigung. Da ich auf Seiten des Bauherrn stand, der die Planungen aus haftungsrechtlichen Gründen an externe Architekturbüros vergab, musste ich von meiner Bauvorlageberechtigung keinen Gebrauch machen. Ich stimmte mich aber eng mit den an der Planung beteiligten Architekturbüros ab. Meine Aufgabe war schließlich, diese zu kontrollieren und mit diesen zusammenzuarbeiten, da die Verwal-tungsmitarbeiter der LHM, die gerade keine Architekten sind, dazu naturgemäß nicht in der Lage sind. Bei der B&O Wohnungswirtschaft GmbH war ich für die Objektüberwachung (Bauleitung) (Leistungsphalse 8 nach der HOAI 2009) zuständig. Diese kann von einem Bauingenieur oder von einem Architekten übernommen werden. Bei der B&O Wohnungswirtschaft GmbH war ich als Architekt zuständig."
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Gerichtsakte und die beige-zogene Verwaltungsakte der Beklagten, welche allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs-klage ist zulässig und begründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie rechtswidrig sind.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung hinsichtlich seiner Tätigkeit als bei der LHM angestellter Klima-schutzmanager für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015.
Grundsätzlich sind gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversiche-rung versicherungspflichtig, § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Von der Versicherungspflicht werden jedoch Beschäftigte für die Beschäftigung befreit, wegen der sie auf-grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mit-glied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzli-cher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezoge-ne Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Voraussetzung der Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Architektenkammer ist für Architekten die Eintragung in die Architektenliste (Art. 12 Abs. 3 mit Art. 4 Bayerisches Bau-kammerngesetz - BayBauKaG). Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum in die Architektenliste eingetragen und somit Pflichtmitglied sowohl in der Bayerischen Architek-tenkammer als auch in dem entsprechenden Versorgungswerk (Bayerische Architektenversorgung). Aufgrund dieser Mitgliedschaft waren einkommensgerechte Beiträge an das Versorgungswerk zu leisten mit der Folge, dass Leistungen für den Fall verminderter Er-werbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht werden.
Weiter war der Kläger auch gerade wegen der hier zu beurteilenden Beschäftigung als Klimaschutzmanager im streitgegenständlichen Zeitraum Pflichtmitglied beim Versor-gungswerk und der Bayerischen Architektenkammer. Der erforderliche tätigkeitsbezoge-ne, innere Zusammenhang zwischen der Beschäftigung des Klägers und der Mitglied-schaft besteht.
Maßgeblich ist hierbei darauf abzustellen, ob die Beschäftigung des Klägers die fachlichen Voraussetzungen zur Eintragung in die Architektenliste erfüllen würde (vgl. Art. 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BayBauKaG), d.h. ob der Kläger Berufsaufgaben im Sinne von Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG wahrgenommen hat (ebenso SG Reutlingen, Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2016 – S 8 R 985/14 –, Rn. 30, juris).
Die Berufsaufgaben ergeben sich aus Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG. Damit ist der Architekt für die gestaltende, technische, wirtschaftliche, umweltgerechte und soziale Planung von Bauwerken sowie die Orts- und Stadtplanung zuständig.Der Architekt muss sich durch Fortbildung über die Entwicklung innerhalb seines Fachgebietes unterrichten. Die Vielfalt der Leistungsbilder erfordert eine ständige Information über neueste Entwicklungen und Standards auf zuverlässige Art aus seriösen Quellen und durch Fortbildungsangebote der Bayerischen Architektenkammer unter folgenden Schwerpunkten: - Wirtschaftlichkeit, - Management, - Rechtskunde und Verwaltungstechnik, - Technik, - Umweltverträglichkeit, - künstlerische und ganzheitliche Betrachtungsweise (Berufsordnung der Bayerischen Ar-chitektenkammer vom 4. Dezember 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 1980 (StAnz Nr. 30/1980), neu verkündet mit Bekanntmachung vom 18. August 1992 (StAnz Nr. 37/1992), zuletzt geändert durch Beschluss der Vertreterversammlung der Bayerischen Architektenkammer vom 20. November 2015 (StAnz Nr. 49/2015), Erläute-rung zu Ziffer 1.2). Die geschäftliche Tätigkeit des Architekten greift über den Bereich der Berufsaufgaben nach Art. 3 BauKaG dann hinaus, wenn sie sich nicht auf die dort ge-kennzeichneten Architektenleistungen beschränkt (Berufsordnung der Bayerischen Archi-tektenkammer, a.a.O., Erläuterung zu Ziffer 3.2).
Zu den Berufsaufgaben können auch Sachverständigen-, Forschungs-, Lehr- und Entwicklungstätigkeiten sowie sonstige Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen, bei der Nutzung von Bauwerken sowie die Wahrnehmung der damit verbundenen sicherheits- und gesundheitstechnischen Belange gehören, ebenso Überwachungstätigkeiten im Hinblick auf die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften (SG Reutlingen, a.a.O., Rn. 32).
Im Hinblick auf diese Maßgaben ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Tätigkeit des Klägers als berufsspezifische Architektentätigkeit einzustufen ist. Der Kläger war verantwortlich für den Ausbau von Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Schulen, Sportanlagen und Kindertageseinrichtungen sowohl bei Bestands- als auch bei Neubauten. Die konkrete Tätigkeit des Klägers war gekennzeichnet durch die Anwendung der im Architekturstudium erworbenen Kenntnisse auf dem Gebiet der Energieeffizienz sowie auf den Gebieten der Standsicherheit und Baukonstruktion. Er koordinierte als Klimaschutz-manager die Bauvorhaben mit den technischen Abteilungen des Bau- und Planungsrefe-rats und arbeitete eng mit externen Planungsbüros zusammen.
Der Kläger führte weiter Grundlagenuntersuchungen im Hinblick auf den Energieverbrauch in den Schulen, Sportanlagen und Kindertageseinrichtungen in A-Stadt durch. Hierfür wurde der bauphysikalische Zusammenhang von Raumtemperatur, Luftfeuchtig-keit und Kondensatbildung in Fassadenkonstruktionen bei abgesenkten Temperaturen außerhalb der Nutzungszeit geprüft. Weiter verantwortete der Kläger Grundlagenuntersuchungen für nachhaltige Energieeinsparungsmöglichkeiten und Grundlagenuntersuchun-gen für den optimierten Einsatz von Fotovoltaikanlagen und erarbeitete Kriterien, um Dächer und Fassaden auf deren Geeignetheit für die Installation von Fotovoltaikanlagen zu untersuchen. Er war damit als interner Sachverständiger auf dem Gebiet der Architektur tätig.
Für diese Tätigkeit waren Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Gebiet der Standsicherheit und Baukonstruktion unerlässlich. Insbesondere Kenntnisse zu Fassadenkon-struktionen, zur Wärmedämmung, zu Analysen der Gebäudesubstanz und zu Baualters-klassen, zu Bauteilanschlüssen, zu Lastreserven von Konstruktionen für die Montage von Fotovoltaikelementen und zur Nutzungsdauer von Bauteilen (insbesondere den Dächern) waren erforderlich. Der Kläger führte gemeinsam mit dem Baureferat Grundlagenuntersu-chungen der 1.200 Bauwerke bezüglich der statischen Reserven, der Nutzungszeit der Dachdichtung und der Restnutzungszeit des Gebäudes, der Prüfung des Baurechts bezüglich Anforderung an Dachbegrünung und bezüglich der Einteilung in Baualtersklassen durch.
Diese vom Kläger bereits schriftsätzlich vorgetragene Tätigkeit, die sich in der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigte, entspricht nach der Feststellung der Kammer einer Tätigkeit im Bereich der umweltgerechten Planung von Bauwerken und ist Teil der Stadtplanung der LHM und umfasst damit Kernbereiche der Berufsaufgaben nach Art. 3 Abs. 1 BayBauKG (ebenso für Nordrhein-Westfalen SG Aachen, Entscheidung vom 17.10.2014, S 21 R 907/12 in Bezug auf die Tätigkeit als Energieberater).
Verfehlt ist die Auffassung der Beklagte, dass das Architekturstudium zwingende Voraus-setzung für die Tätigkeit sein müsse oder – noch weitergehend – dass die große Bauvor-lageberechtigung (Art. 61 Abs. 2 Bayerische Bauordnung) für die Tätigkeit notwendig sein müsse. Beides lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und von Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG entnehmen. Berufsspezifische Tätig-keiten des Architekten können auch solche sein, die von verwandten Berufen ebenfalls ausgeführt werden können. Dies lässt sich bereits anhand der Leistungsphase 8 gem. § Abs. 4 HOAI 2009 (Objektüberwachung (Bauüberwachung oder Bauoberleitung)) bzw. Leistungsphase 8 nach der HOAI -2013 (in Kraft seit 17. Juli 2013) in der Anlage 12 bei Ingenieurbauwerken entnehmen (vgl. auch zur Bauleiterhaftung von Architekten, OLG Koblenz, Urteil vom 01. Juni 2012 – 10 U 1376/11 –, Rn. 42, juris). Hiernach werden Auf-gaben für die planenden und überwachenden Architekten und Ingenieure als Kontrolle und Überwachung der Bauausführung im Auftrag des Bauherrn bzw. Auftraggebers festgelegt, und zwar im Sinne der Objektüberwachung und Dokumentation zum Baugeschehen mit zugeordneten Grundleistungen und besonderen Leistungen (http://www.bauprofessor.de/Bauoberleitung/). Zudem würde die Beschränkung des Be-rufsbilds auf "Tätigkeiten, bei denen die große Bauvorlageberechtigung zur Anwendung kommt" jegliche Sachverständigen-Tätigkeiten oder – wie vorliegend – architektonische Tätigkeiten für den Bauherrn ausschließen.
Nicht berücksichtigt hat die Beklagte insoweit auch die Tatsache, dass die LHM für die Besetzung der Stelle einen Architekten bzw. einen Absolventen einer vergleichbaren Fachrichtung suchte. Die Architektur befasst sich mit Querschnittsaufgaben, in denen viele Disziplinen interdisziplinär zusammenarbeiten. Dieser enge Zusammenhang wird sowohl vom bayerischen Gesetzgeber mit dem BayBauKaG als auch vom Bundesgesetzgeber mit der HOAI berücksichtigt, da beide Normwerke den Tätigkeitsbereich sowohl der Architekten als auch der Bauingenieure regeln. Das "Ausschließlichkeitskriterium" der Beklagten ignoriert diese Zusammenhänge zulasten der betroffenen freien Berufe, die in einem interdisziplinären Aufgabengebiet arbeiten.
Entscheidend ist daher darauf abzustellen, ob die Tätigkeit noch dem Kernbereich der (versorgungs- und kammerrechtlich definierten) Berufsaufgaben zugeordnet werden kann (so bereits die Kammerrechtsprechung zum ebenfalls interdisziplinär ausgelegten Berufs-bild des Apothekers, SG A-Stadt, Urteil vom 05. Februar 2015 – S 15 R 928/14 –, juris; SG A-Stadt, Urteil vom 10. März 2016 – S 15 R 10/16 –, juris; ablehnend in Bezug auf die Approbationspflichtigkeit einer apothekerlichen Tätigkeit als Befreiungsvoraussetzung auch SG Berlin, Urteil vom 25.01.2016, S 10 R 3345/14; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. April 2016 – L 1 KR 347/15 –, juris; ablehnend zum Negativkriterium der Möglichkeit der Berufsausübung durch andere verwandte Berufe auch Hessisches Lan-dessozialgericht, Urteil vom 06. Februar 2014 – L 1 KR 8/13 –, Rn. 62, juris zum freien Beruf des Tierarztes). Dies ist – wie oben dargelegt – vorliegend für die zu prüfende Tä-tigkeit des Klägers der Fall.
Die Befreiung wirkt vom 15.07.2013 an, da an diesem Tag die vorgenannten Vorausset-zungen vorlagen, der Antrag rechtzeitig gestellt wurde und der Kläger erstmals die Tätigkeit aufnahm, für welche er die Befreiung beantragt hatte, vgl. § 6 Abs. 4, 5 SGB VI.
Nicht mehr zu entscheiden ist die Frage, ob der Kläger auch nach § 6 Abs. 5 SGB VI zu befreien wäre. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Argumentation der Beklagten auch hierzu nicht überzeugend ist. Die Beklagte hat keine weitergehende Amtsermittlung dahingehend angestellt, ob der Kläger in der Vorbeschäftigung als Bauleiter eine Berufsaufgabe im o.g. Sinne erfüllt hat. Trotz entsprechenden Votums des Sachbearbeiters wurde diese vom Endzeichner mit dem Hinweis auf die Beschreibung des Bauleiters im Berufenet abgelehnt. Dies ist jedoch schon alleine deshalb unzureichend, da diese Frage nicht abstrakt, sondern nur konkret auf die jeweilige Beschäftigung beantwortet werden kann. Die Bauoberleitung gehört zum klassischen Aufgabenbereich eines Architekten. Die Erforderlichkeit der Bauvorlageberechtigung als Befreiungskriterium ist – wie obend dargelegt - dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und berücksichtigt den Verfahrensausgang.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015 hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Landeshauptstadt A-Stadt als Klimaschutzmanager von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015.
Er ist ausgebildeter Architekt und war bei der Landeshauptstadt A-Stadt (LHM) für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015 als Klimaschutzmanager befristet angestellt.
Der Kläger ist seit dem 27.02.2002 gesetzliches Pflichtmitglied in der Bayerischen Architektenkammer und Pflichtmitglied bei der Bayerischen Architektenversorgung als berufsständischem Versorgungswerk. Er beantragte am 15.06.2013 (Eingang am 03.07.2013) die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht mit Wirkung ab 15.07.2013.
Der Kläger legte den Arbeitsvertrag vom 14.06.2013, die Stellenbeschreibung als Klimaschutzmanager sowie die Arbeitsplatzbeschreibung vor. Insoweit wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 12.09.2013 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil es sich bei der Beschäftigung als Klimaschutzmanager um keine berufsspezifische Tätigkeit als Architekt handeln würde. Eine Befreiung könne nur für die Be-schäftigung erfolgen, wegen der der Versicherte aufgrund Gesetzes Mitglied einer öffent-lich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe und Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Es müsse also ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die die Befreiung begehrt werde, und dem Versicherungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung bestehen. Ein solcher innerer Zusammenhang werde durch das Merkmal "berufsspezifisch" gewährleistet. Bei der vom Kläger ausgeübten Beschäftigung handle es sich um keine berufsspezifische Tätigkeit, weil für diese Tätigkeit die Hochschulausbildung eines Architekten nicht zwingende Vo-raussetzung sei. Wie aus der Stellenbeschreibung hervorgehe, sei die Tätigkeit auch Hochschulabsolventen der Fachrichtung Gebäudetechnik oder einer vergleichbaren Fach-richtung zugänglich.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger mit am 08.10.2013 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es nach den eigenen Richtlinien der Beklagten (rvLiteratur) ausreichend sei, wenn eine Tätigkeit durch die Ausbildung erworbene Kenntnisse und Qualifikationen erfordern würde und in der Praxis von wesentlichen Elementen einer Architekturtätigkeit geprägt sei. Es sei also keine Tätigkeit erforderlich, die dem Leistungsbild eines Architekten im Sinne der HAOI ent-sprechen würde. Zu den Berufsaufgaben eines Architekten würde die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers in den mit der Planung, Ausführung und Steuerung des Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten sowie die Überwachung der Aus-führung und die Projektentwicklung gehören. Es sei hinreichend für die Befreiung, wenn Kenntnis und Qualifikationen, die im Rahmen des Architekturstudiums erworben wurden, in der beruflichen Praxis wesentlich zur Anwendung kommen würden. Kernbestandteil eines Architekturstudiums sei die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich "gestaltende, technische und wirtschaftliche Planung" (gem. rvLiteratur). Ganz wesentlicher Teil dieses Leistungsbereichs sei die Energieeffizienz von Bauvorhaben vor dem Hintergrund neuer gesetzlicher Vorgaben wie die Energieeinsparverordnung (EnEV) vor dem Hintergrund der Richtlinie 2010/31/EUR des europäischen Parlaments und des Rates vom 19.05.2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben stelle es inzwischen eine ganz wichtige Aufgabe eines Architekten da, für die Einhaltung aller energetischen Richtlinien und Verordnungen innerhalb seiner Tätigkeit zu sorgen. Die Bayerische Architektenkammer würde entsprechend ständig Fortbildungen im Bereich der Energieeffizienz anbieten.
Der Kläger hätte als Klimaschutzmanager der LHM insbesondere seine auf dem Gebiet der Energieeffizienz im Architekturstudium erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen in der Praxis angewendet. Er habe für das Referat für Bildung und Sport, Abteilung Zentrales Immobilien¬management, Immobilienverwaltung gearbeitet. Hier würden 1.500 Bauwerke in 975 Anwesen mit einem Mehrjahresinvestitionsprogramm in Höhe von 1,8 Milliarden EUR für Neubau- und Gebäudesanierung betreut werden. Die Abteilung sei Auftraggeber für energetische Sanierungs- und Instandsetzungsleistungen bei Bildungsimmobilien. Der Kläger habe als Klimaschutzmanager die Bauvorhaben mit den technischen Abteilungen des Bau- und Planungsreferats koordiniert.
Der Kläger habe Grundlagenuntersuchungen im Hinblick auf den Energieverbrauch in den Schulen, Sportanlagen und Kindertageseinrichtungen in A-Stadt durchgeführt. Er habe den bauphysikalischen Zusammenhang von Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit und Kon-densatbildung in Fassadenkonstruktionen bei abgesenkten Temperaturen außerhalb der Nutzungszeit geprüft. Er habe Grundlagenuntersuchungen für nachhaltige Energieeinspa-rungsmöglichkeiten durchgeführt und Grundlagenuntersuchungen für den optimierten Einsatz von Fotovoltaikanlagen koordiniert sowie Kriterien erarbeitet, um Dächer und Fassaden auf deren Geeignetheit für die Installation von Fotovoltaikanlagen zu untersu-chen.
Für die Tätigkeit als Klimaschutzmanager seien nicht nur Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Gebiet der Energieeffizienz erforderlich gewesen. Vielmehr habe der Kläger auch die im Architekturstudium erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Gebiet der Standsicherheit und Baukonstruktion anwenden müssen. Insbesondere Kenntnisse zu Fassadenkonstruktionen, zur Wärmedämmung, zu Analysen der Gebäudesubstanz und zu Baualtersklassen, zu Bauteilanschlüssen, zu Lastreserven von Konstruktionen für die Montage von Fotovoltaikelementen und zur Nutzungsdauer von Bauteilen seien erforder-lich gewesen. Der Kläger habe gemeinsam mit dem Baureferat Grundlagenuntersuchun-gen der 1.200 Bauwerke bezüglich der statischen Reserven, der Nutzungszeit der Dach-dichtung und der Restnutzungszeit des Gebäudes, der Prüfung des Baurechts bezüglich Anforderung an Dachbegrünung und bezüglich der Einteilung in Baualtersklassen durch-geführt. Für diese Untersuchungen seien die im Architekturstudium erworbenen Kenntnis-se zur Standsicherheit und Baukonstruktion erforderlich.
Der Kläger habe mithin tatsächlich eine berufsspezifische Tätigkeit als Architekt ausgeübt.
Beigefügt wurde unter anderem die Beschreibung der Zielsetzung, der Arbeitsschritte und Aufgaben des Klimaschutzmanagers. Hiernach wurde die Stelle geschaffen, um den Aus-bau von Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Schulen, Sportanlagen und Kinderta-geseinrichtungen zu forcieren sowie allgemeine technische Energieeinsparungsmöglich-keiten im Immobilienbereich des Referats für Bildung und Sport umzusetzen. Die Kern-aufgabe der Abteilung Zentrales Immobilienmanagement sei der Betrieb und der Unterhalt der Bauwerke und damit vorrangig die Bereitstellung ordnungsgemäßer und geeigneter Bildungsimmobilien. Die große Masse des Immobilienbestands Stelle energetisch und energietechnisch einen nicht zu unterschätzenden Faktor in der gesamten Klimaschutzbe-trachtung im Stadtgebiet A-Stadt dar. Der Klimaschutzmanager koordiniert hierzu die oben genannten Maßnahmen (insbesondere Grundlagenuntersuchungen), unterstützt diese fachlich bei der Vorbereitung und Umsetzung und koordiniert sämtliche Arbeitsschritte zwischen den Akteuren.
Weiter legte der Kläger als Anlage 3 einen Nachweis vor, dass er in der Architekturausbildung in den Fächern Bauphysik, Tragwerkslehre, Baukonstruktion und technischer Aus-bau ausgebildet worden ist.
Mit Bescheid vom 04.06.2014 wurde seitens der Beklagten entschieden, dass der Kläger auch nicht gemäß § 6 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu befreien sei, da die Beschäftigung bei der LHM berufsfremd sei und eine erstmalige Befreiung für berufsfremde Beschäftigungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus-scheiden würde.
Hintergrund ist, dass die Beklagte die vor Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 01.10.2010 bis zum 14.07.2013 bei der B&O Wohnungswirtschaft GmbH Bayern nicht als berufsspezifisch bewertete. Nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag (Blatt 135 der Beklag-tenakte) war der Kläger als Bauleiter angestellt und war zudem für die Arbeitsvorbereitung und Angebotskalkulation zuständig. Der Tätigkeitsbereich habe im wesentlichen die ren-table, fachgerechte und zügige technische Entwicklung/Ausarbeitung von Angeboten so-wie die rentable, fachgerechte und zügige technische Abwicklung der Baustelle sowie die verantwortliche Überwachung des eingesetzten Personals, Materials und der Geräte sowie Erledigung der Verwaltungsarbeiten umfasst. Die vom Kläger umfasste Position sei dem Unternehmensbereich Komplettbausanierung zugeordnet. Intern wurde von der Beklagten als Entscheidungsvorlage diese Tätigkeit als berufsspezifisch angesehen (Blatt 137 der Beklagtenakte). Der Endzeichner vertrat dann jedoch die Auffassung, dass die im Anstellungsvertrag aufgeführte Tätigkeit als Bauleiter dem Berufsbild des Bauleiters wie im Berufenet beschrieben entsprechen würde. Ein Architekturstudium oder die Bauvorla-geberechtigung seien für eine Beschäftigung als Bauleiter nicht erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2015 wurde der Widerspruch gegen die oben genannten Bescheide zurückgewiesen. Der Kläger müsse für die Befreiung auch eine dem Kammerberuf entsprechende berufsspezifische Tätigkeit, also eine für einen Architekten typische Berufstätigkeit, ausüben. Nur solche Tätigkeiten seien befreiungsfähig, die tat-sächlich die Merkmale einer Tätigkeit als Architekt aufweisen würde und ausschließlich für Personen mit diesem beruflichen Hintergrund zugänglich sei.
Eine befreiungsfähige Architektentätigkeit sei nur dann zu bejahen, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Eintragung in die Liste der Architekten und damit ein Studium der Ar-chitektur und eine praktische Tätigkeit nach Art. 4 Abs. 2 BayBauKaG voraussetzt sowie gleichzeitig dem typischen Berufsbild des Architekten entsprechen würde. Nach Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG sei Berufsaufgabe der Architekten die gestaltende, technische, wirt-schaftliche, umweltgerechte und soziale Planung von Bauwerken sowie die Orts- und Stadtplanung innerhalb der Fachrichtung. Aus der Stellenbeschreibung gehe hervor, dass für die Besetzung der Stelle als Klimaschutzmanager ein abge¬schlossenes Universitäts-studium als Diplom-Ingenieur für den Bereich Solar- und Solarthermietechnik gefordert worden sei. Daher sei für die Ausübung der Tätigkeit eine Architektenausbildung nicht zwingend erforderlich.
Das Leistungsbild der Architekten sei in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) genau definiert. Es umfasse für die Gebäudeplanung und -realisierung die Leis-tungsphasen der Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungs-planung, Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe, Objektüberwachung (Bauüberwachung und Bauoberleitung), Objektbetreuung und Doku-mentation (§ 3 Abs. 4 HOAI).
Für die konkrete Tätigkeit des Klägers mag es sein, dass Kenntnisse der Planung und Ausführung von baulichen Leistungen gefordert werden würden. Jedoch würden die Leis-tungsphasen der HOAI nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum bilden.
Auch eine Befreiung nach § 6 Abs. 5 S. 2 SGB V käme nicht in Betracht. Bei einer neben der berufsgruppenspezifischen Tätigkeit im Kammerberuf ausgeübten befristeten Tätigkeit sei für die Befreiung erforderlich, dass ein in der Vergangenheit erteilter Befreiungsbescheid im Hinblick auf die berufsgruppenspezifische Tätigkeit noch aktuell wirksam sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme eine Erstreckung der Befrei-ung nur noch dann in Betracht, wenn unmittelbar vor der Aufnahme einer versicherungs-pflichtigen berufsfremden Beschäftigung oder daneben eine befreite berufsspezifische Beschäftigung ausgeübt wurde. Der Kläger habe in der Zeit vom 15.07.2013 bis zum 14.07.2016 eine befristete Beschäftigung ausgeübt. Der Kläger sei für die Zeit vom 27.02.2002 bis zum 30.09.2012 befreit gewesen. In der Zeit vom 01.10.2012 bis zum 14.07.2013 sei er als Bauleiter bei der B&W Wohnungswirtschaft GmbH in A-Stadt tätig gewesen. Für diese Beschäftigung sei zu keiner Zeit die Befreiung beantragt worden. Es habe sich auch nicht um eine berufsspezifische Beschäftigung gehandelt, da ein Architek-turstudium oder die Bauvorlageberechtigung für die Ausübung der Beschäftigung als Bau-leiter nicht erforderlich sei. Somit habe unmittelbar vor der Aufnahme der am 15.07.2013 aufgenommenen Beschäftigung bei der LHM keine aktuell wirksame Grundbefreiung für eine Erstreckung der Befreiung vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 29.12.2015. Zur Begründung wird im wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Der Kläger beantragt: 1. Die Bescheide der Beklagten vom 12.09.2013 und vom 04.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 werden aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015 hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Landeshauptstadt A-Stadt als Klimaschutzmanager von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei von der LHM als Klimaschutzmanager beschäftigt worden. In der Stellen-ausschreibung (Bl. 62 der Beklagtenakte) sei eine engagierte Persönlichkeit mit abgeschlossenem Hochschulstudium auf Master-Niveau der Fachrichtung Architektur bzw. Gebäudetechnik oder einer vergleichbaren Fachrichtung gesucht worden. Eine Zu-satzqualifikation im Bereich Solar- und Solarthermietechnik, Energieplanung und/oder Umwelt-/Klimaschutztechnik sei von Vorteil. Nach der Arbeitsbeschreibung für die einge-nommene Stelle (Bl. 63-77 der Verwaltungsakte) seien die Fachkenntnisse, die für die Aufgabenwahrnehmung erforderlich seien, wie folgt benannt worden (Bl. 64 Mitte der Be-klagtenakte): Abgeschlossenes Universitätsstudium oder Universitätsstudium als Diplom-Ingenieur für den Bereich Solar-und Solarthermietechnik (gegebenenfalls mit Zusatzqualifikation).
Die Aufgaben des Klägers könnten mit entsprechender Zusatzqualifikation mit Kenntnissen und Fähigkeiten aus einem Architekturstudium bewältigt werden. Sie seien jedoch nicht ausschließlich von einem bauvorlageberechtigten Architekten ausführbar.
Für die Tätigkeit des Klimaschutzmanagers bei der LHM sei eine Bauvorlageberechtigung und damit die Eintragung in die Architektenliste der Bayerischen Architektenkammer nicht Voraussetzung. Eine Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Architektenkammer sei für die Erfüllung dieser Aufgabe erlässlich. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung bestehe daher nicht, die Befreiungsvoraussetzungen seien nicht erfüllt.
In der mündlichen Verhandlung beschrieb der Kläger sein Tätigkeitsfeld im streitgegenständlichen Zeitraum wie folgt: "Ich stand als Architekt auf der Seite des Bauherren (Stadt A-Stadt) und war mit der ener-getischen Planung sowohl der Bestandsimmobilien als auch der Neubauten befasst. Bzgl. der Neubauten habe ich die Möglichkeit des Anbringens von Photovoltaikanlagen in Ab-stimmung mit dem Planungsreferat (welche Flächen sind für Photovoltaikanlagen vorhanden?) geprüft. Bzgl. der Bestandsimmobilien wurde von mir die Möglichkeit der Nachrüs-tung mit Photovoltaikanlagen geprüft. Hierzu musste ich z.B. die Lastreserven der Dach-konstruktionen begutachten, ob die Dächer das aushalten. Die Statik hierzu haben Statiker ausgerechnet. Auch musste ich die Restnutzungsdauer eines Daches nach umfassender Prüfung vor Ort schätzen, um zu entscheiden, ob sich die Anbringung einer Pho-tovoltaikanlage noch lohnt oder nicht. Für diesbezügliche Planungsfehler wäre ich verant-wortlich. Ich habe aufgrund von Messungen und Prüfungen an den konkreten Immobilien Einsparpotentiale identifiziert, indem ich das Verhältnis von Kosten (Neuinvestitionen) zu Nutzen (Einsparpotential) abschätzte. Ich war an der Entscheidung maßgeblich beteiligt, ob eine energetische Grund- oder Teilinstandsetzung in Frage kommt. 50 % meiner Ar-beitszeit habe ich mit der Frage nach der Installation von Photovoltaikanlagen in Bestands- und Neubau-Immobilien verbracht, weitere 50 % mit allgemeinen bautechnischen Prüfungen und Objektbegutachtungen. Als in der Liste eingetragener Architekt verfügte ich über die große Bauvorlageberechtigung. Da ich auf Seiten des Bauherrn stand, der die Planungen aus haftungsrechtlichen Gründen an externe Architekturbüros vergab, musste ich von meiner Bauvorlageberechtigung keinen Gebrauch machen. Ich stimmte mich aber eng mit den an der Planung beteiligten Architekturbüros ab. Meine Aufgabe war schließlich, diese zu kontrollieren und mit diesen zusammenzuarbeiten, da die Verwal-tungsmitarbeiter der LHM, die gerade keine Architekten sind, dazu naturgemäß nicht in der Lage sind. Bei der B&O Wohnungswirtschaft GmbH war ich für die Objektüberwachung (Bauleitung) (Leistungsphalse 8 nach der HOAI 2009) zuständig. Diese kann von einem Bauingenieur oder von einem Architekten übernommen werden. Bei der B&O Wohnungswirtschaft GmbH war ich als Architekt zuständig."
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Gerichtsakte und die beige-zogene Verwaltungsakte der Beklagten, welche allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs-klage ist zulässig und begründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie rechtswidrig sind.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung hinsichtlich seiner Tätigkeit als bei der LHM angestellter Klima-schutzmanager für die Zeit vom 15.07.2013 bis zum 30.06.2015.
Grundsätzlich sind gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversiche-rung versicherungspflichtig, § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Von der Versicherungspflicht werden jedoch Beschäftigte für die Beschäftigung befreit, wegen der sie auf-grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mit-glied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzli-cher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezoge-ne Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Voraussetzung der Pflichtmitgliedschaft in der Bayerischen Architektenkammer ist für Architekten die Eintragung in die Architektenliste (Art. 12 Abs. 3 mit Art. 4 Bayerisches Bau-kammerngesetz - BayBauKaG). Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum in die Architektenliste eingetragen und somit Pflichtmitglied sowohl in der Bayerischen Architek-tenkammer als auch in dem entsprechenden Versorgungswerk (Bayerische Architektenversorgung). Aufgrund dieser Mitgliedschaft waren einkommensgerechte Beiträge an das Versorgungswerk zu leisten mit der Folge, dass Leistungen für den Fall verminderter Er-werbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht werden.
Weiter war der Kläger auch gerade wegen der hier zu beurteilenden Beschäftigung als Klimaschutzmanager im streitgegenständlichen Zeitraum Pflichtmitglied beim Versor-gungswerk und der Bayerischen Architektenkammer. Der erforderliche tätigkeitsbezoge-ne, innere Zusammenhang zwischen der Beschäftigung des Klägers und der Mitglied-schaft besteht.
Maßgeblich ist hierbei darauf abzustellen, ob die Beschäftigung des Klägers die fachlichen Voraussetzungen zur Eintragung in die Architektenliste erfüllen würde (vgl. Art. 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BayBauKaG), d.h. ob der Kläger Berufsaufgaben im Sinne von Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG wahrgenommen hat (ebenso SG Reutlingen, Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2016 – S 8 R 985/14 –, Rn. 30, juris).
Die Berufsaufgaben ergeben sich aus Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG. Damit ist der Architekt für die gestaltende, technische, wirtschaftliche, umweltgerechte und soziale Planung von Bauwerken sowie die Orts- und Stadtplanung zuständig.Der Architekt muss sich durch Fortbildung über die Entwicklung innerhalb seines Fachgebietes unterrichten. Die Vielfalt der Leistungsbilder erfordert eine ständige Information über neueste Entwicklungen und Standards auf zuverlässige Art aus seriösen Quellen und durch Fortbildungsangebote der Bayerischen Architektenkammer unter folgenden Schwerpunkten: - Wirtschaftlichkeit, - Management, - Rechtskunde und Verwaltungstechnik, - Technik, - Umweltverträglichkeit, - künstlerische und ganzheitliche Betrachtungsweise (Berufsordnung der Bayerischen Ar-chitektenkammer vom 4. Dezember 1972 in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juli 1980 (StAnz Nr. 30/1980), neu verkündet mit Bekanntmachung vom 18. August 1992 (StAnz Nr. 37/1992), zuletzt geändert durch Beschluss der Vertreterversammlung der Bayerischen Architektenkammer vom 20. November 2015 (StAnz Nr. 49/2015), Erläute-rung zu Ziffer 1.2). Die geschäftliche Tätigkeit des Architekten greift über den Bereich der Berufsaufgaben nach Art. 3 BauKaG dann hinaus, wenn sie sich nicht auf die dort ge-kennzeichneten Architektenleistungen beschränkt (Berufsordnung der Bayerischen Archi-tektenkammer, a.a.O., Erläuterung zu Ziffer 3.2).
Zu den Berufsaufgaben können auch Sachverständigen-, Forschungs-, Lehr- und Entwicklungstätigkeiten sowie sonstige Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen, bei der Nutzung von Bauwerken sowie die Wahrnehmung der damit verbundenen sicherheits- und gesundheitstechnischen Belange gehören, ebenso Überwachungstätigkeiten im Hinblick auf die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften (SG Reutlingen, a.a.O., Rn. 32).
Im Hinblick auf diese Maßgaben ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Tätigkeit des Klägers als berufsspezifische Architektentätigkeit einzustufen ist. Der Kläger war verantwortlich für den Ausbau von Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Schulen, Sportanlagen und Kindertageseinrichtungen sowohl bei Bestands- als auch bei Neubauten. Die konkrete Tätigkeit des Klägers war gekennzeichnet durch die Anwendung der im Architekturstudium erworbenen Kenntnisse auf dem Gebiet der Energieeffizienz sowie auf den Gebieten der Standsicherheit und Baukonstruktion. Er koordinierte als Klimaschutz-manager die Bauvorhaben mit den technischen Abteilungen des Bau- und Planungsrefe-rats und arbeitete eng mit externen Planungsbüros zusammen.
Der Kläger führte weiter Grundlagenuntersuchungen im Hinblick auf den Energieverbrauch in den Schulen, Sportanlagen und Kindertageseinrichtungen in A-Stadt durch. Hierfür wurde der bauphysikalische Zusammenhang von Raumtemperatur, Luftfeuchtig-keit und Kondensatbildung in Fassadenkonstruktionen bei abgesenkten Temperaturen außerhalb der Nutzungszeit geprüft. Weiter verantwortete der Kläger Grundlagenuntersuchungen für nachhaltige Energieeinsparungsmöglichkeiten und Grundlagenuntersuchun-gen für den optimierten Einsatz von Fotovoltaikanlagen und erarbeitete Kriterien, um Dächer und Fassaden auf deren Geeignetheit für die Installation von Fotovoltaikanlagen zu untersuchen. Er war damit als interner Sachverständiger auf dem Gebiet der Architektur tätig.
Für diese Tätigkeit waren Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Gebiet der Standsicherheit und Baukonstruktion unerlässlich. Insbesondere Kenntnisse zu Fassadenkon-struktionen, zur Wärmedämmung, zu Analysen der Gebäudesubstanz und zu Baualters-klassen, zu Bauteilanschlüssen, zu Lastreserven von Konstruktionen für die Montage von Fotovoltaikelementen und zur Nutzungsdauer von Bauteilen (insbesondere den Dächern) waren erforderlich. Der Kläger führte gemeinsam mit dem Baureferat Grundlagenuntersu-chungen der 1.200 Bauwerke bezüglich der statischen Reserven, der Nutzungszeit der Dachdichtung und der Restnutzungszeit des Gebäudes, der Prüfung des Baurechts bezüglich Anforderung an Dachbegrünung und bezüglich der Einteilung in Baualtersklassen durch.
Diese vom Kläger bereits schriftsätzlich vorgetragene Tätigkeit, die sich in der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung bestätigte, entspricht nach der Feststellung der Kammer einer Tätigkeit im Bereich der umweltgerechten Planung von Bauwerken und ist Teil der Stadtplanung der LHM und umfasst damit Kernbereiche der Berufsaufgaben nach Art. 3 Abs. 1 BayBauKG (ebenso für Nordrhein-Westfalen SG Aachen, Entscheidung vom 17.10.2014, S 21 R 907/12 in Bezug auf die Tätigkeit als Energieberater).
Verfehlt ist die Auffassung der Beklagte, dass das Architekturstudium zwingende Voraus-setzung für die Tätigkeit sein müsse oder – noch weitergehend – dass die große Bauvor-lageberechtigung (Art. 61 Abs. 2 Bayerische Bauordnung) für die Tätigkeit notwendig sein müsse. Beides lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und von Art. 3 Abs. 1 BayBauKaG entnehmen. Berufsspezifische Tätig-keiten des Architekten können auch solche sein, die von verwandten Berufen ebenfalls ausgeführt werden können. Dies lässt sich bereits anhand der Leistungsphase 8 gem. § Abs. 4 HOAI 2009 (Objektüberwachung (Bauüberwachung oder Bauoberleitung)) bzw. Leistungsphase 8 nach der HOAI -2013 (in Kraft seit 17. Juli 2013) in der Anlage 12 bei Ingenieurbauwerken entnehmen (vgl. auch zur Bauleiterhaftung von Architekten, OLG Koblenz, Urteil vom 01. Juni 2012 – 10 U 1376/11 –, Rn. 42, juris). Hiernach werden Auf-gaben für die planenden und überwachenden Architekten und Ingenieure als Kontrolle und Überwachung der Bauausführung im Auftrag des Bauherrn bzw. Auftraggebers festgelegt, und zwar im Sinne der Objektüberwachung und Dokumentation zum Baugeschehen mit zugeordneten Grundleistungen und besonderen Leistungen (http://www.bauprofessor.de/Bauoberleitung/). Zudem würde die Beschränkung des Be-rufsbilds auf "Tätigkeiten, bei denen die große Bauvorlageberechtigung zur Anwendung kommt" jegliche Sachverständigen-Tätigkeiten oder – wie vorliegend – architektonische Tätigkeiten für den Bauherrn ausschließen.
Nicht berücksichtigt hat die Beklagte insoweit auch die Tatsache, dass die LHM für die Besetzung der Stelle einen Architekten bzw. einen Absolventen einer vergleichbaren Fachrichtung suchte. Die Architektur befasst sich mit Querschnittsaufgaben, in denen viele Disziplinen interdisziplinär zusammenarbeiten. Dieser enge Zusammenhang wird sowohl vom bayerischen Gesetzgeber mit dem BayBauKaG als auch vom Bundesgesetzgeber mit der HOAI berücksichtigt, da beide Normwerke den Tätigkeitsbereich sowohl der Architekten als auch der Bauingenieure regeln. Das "Ausschließlichkeitskriterium" der Beklagten ignoriert diese Zusammenhänge zulasten der betroffenen freien Berufe, die in einem interdisziplinären Aufgabengebiet arbeiten.
Entscheidend ist daher darauf abzustellen, ob die Tätigkeit noch dem Kernbereich der (versorgungs- und kammerrechtlich definierten) Berufsaufgaben zugeordnet werden kann (so bereits die Kammerrechtsprechung zum ebenfalls interdisziplinär ausgelegten Berufs-bild des Apothekers, SG A-Stadt, Urteil vom 05. Februar 2015 – S 15 R 928/14 –, juris; SG A-Stadt, Urteil vom 10. März 2016 – S 15 R 10/16 –, juris; ablehnend in Bezug auf die Approbationspflichtigkeit einer apothekerlichen Tätigkeit als Befreiungsvoraussetzung auch SG Berlin, Urteil vom 25.01.2016, S 10 R 3345/14; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. April 2016 – L 1 KR 347/15 –, juris; ablehnend zum Negativkriterium der Möglichkeit der Berufsausübung durch andere verwandte Berufe auch Hessisches Lan-dessozialgericht, Urteil vom 06. Februar 2014 – L 1 KR 8/13 –, Rn. 62, juris zum freien Beruf des Tierarztes). Dies ist – wie oben dargelegt – vorliegend für die zu prüfende Tä-tigkeit des Klägers der Fall.
Die Befreiung wirkt vom 15.07.2013 an, da an diesem Tag die vorgenannten Vorausset-zungen vorlagen, der Antrag rechtzeitig gestellt wurde und der Kläger erstmals die Tätigkeit aufnahm, für welche er die Befreiung beantragt hatte, vgl. § 6 Abs. 4, 5 SGB VI.
Nicht mehr zu entscheiden ist die Frage, ob der Kläger auch nach § 6 Abs. 5 SGB VI zu befreien wäre. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Argumentation der Beklagten auch hierzu nicht überzeugend ist. Die Beklagte hat keine weitergehende Amtsermittlung dahingehend angestellt, ob der Kläger in der Vorbeschäftigung als Bauleiter eine Berufsaufgabe im o.g. Sinne erfüllt hat. Trotz entsprechenden Votums des Sachbearbeiters wurde diese vom Endzeichner mit dem Hinweis auf die Beschreibung des Bauleiters im Berufenet abgelehnt. Dies ist jedoch schon alleine deshalb unzureichend, da diese Frage nicht abstrakt, sondern nur konkret auf die jeweilige Beschäftigung beantwortet werden kann. Die Bauoberleitung gehört zum klassischen Aufgabenbereich eines Architekten. Die Erforderlichkeit der Bauvorlageberechtigung als Befreiungskriterium ist – wie obend dargelegt - dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und berücksichtigt den Verfahrensausgang.
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