Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SB 3197/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 67/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.11.2015 aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt wurde, bei der Klägerin ab dem 07.03.2013 die Merkzeichen G und B festzustellen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G und B vorliegen.
Bei der 1936 geborenen Klägerin hatte der Beklagte zuletzt einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit 04.11.2008 [Bescheid vom 24.11.2008, Bl. 48/49 der Verwaltungsakten des Beklagten (VA)] festgestellt. Dem lagen die Funktionsbeeinträchtigungen - Gebrauchseinschränkung des linken Armes, Teil-GdB 40, - Gleichgewichtsstörungen, Hirndurchblutungsstörungen, Teil-GdB 30, - Harninkontinenz, Teil-GdB 20, - Depression, psychovegetativen Störungen, Schwindel, Teil-GdB 20, - koronare Herzkrankheit, Stentimplantation, Bluthochdruck, Teil-GdB 20, - Verlust der Eierstöcke, Teil-GdB 10 zugrunde.
Am 07.03.2013 beantragte die Klägerin beim Landratsamt Alb-Donau-Kreis – Fachdienst Versorgung – (LRA) zum wiederholten Mal die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung der Merkzeichen G und B. Zur Begründung führte sie einen Zustand nach mehreren Synkopen, degenerative Veränderungen von HWS/LWS mit Nacken-KS und L Ischialgie, Depression und somatoforme Schmerzstörung an und legte ärztliche Bescheinigungen des Internisten Dr. M. des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W. und der Frauenärztin Dr. G. (Bl. 199/201 VA) sowie den Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 26.02.2013 (Bl. 202 VA) vor.
Das LRA zog die Berichte des Dr. W. vom 11.02.2013 und 06.06.2013 (Bl. 206/207 VA) bei.
Der Versorgungsarzt Dr. H. bewertete unter dem 09.07.2013 (Bl. 210/211 VA) zusätzlich zur bisherigen Bewertung die Funktionsbeeinträchtigungen - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung mit einem Teil-GdB von 20, - Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke mit einem Teil-GdB von 10 und - einen Beckenschaden mit einem Teil-GdB von 10 sowie den Gesamt-GdB mit 70. Eine Gebrauchseinschränkung beider Hände und funktionelle Kreislaufstörungen bewirkten keinen GdB von wenigstens 10. Merkzeichen G und B sei nicht begründbar.
Mit Bescheid vom 12.07.2013 (Bl. 212/214 VA) hob der Beklagte den Bescheid vom 03.09.2012, mit dem ein vorrangegangener Änderungsantrag abgelehnt worden war, auf, stellte einen GdB von 70 seit 07.03.2013 fest und lehnte die Zuerkennung der Merkzeichen G und B ab.
Am 08.08.2013 legte die Klägerin gegen den Bescheid unter Hinweis auf Kraftlosigkeit, Schmerzen am Arm, im Bein und Rücken sowie Schwindelzuständen und Vorlage des Attestes des Dr. L. vom 29.07.2013 (Bl. 218 VA) sowie den Berichten des Dr. W. vom 30.07.2013 und des Arztes für Augenheilkunde Dr. G. vom 31.07.2013 (Bl. 219, 220 VA) Widerspruch ein.
Die Versorgungsärztin Dr. L.-S. bewertete in der Stellungnahme vom 27.08.2013 (Bl. 221/222 VA) zusätzlich die Funktionsbeeinträchtigung eingepflanzte Kunstlinse links mit einem Teil-GdB von 10 und den Gesamt-GdB weiterhin mit 70. Eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke bedinge keinen GdB von mindestens 10.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2013 (Bl. 225/228 VA) wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück.
Am 08.10.2013 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) und legte die bereits bei Antragstellung vorgelegten Bescheinigungen und Berichte vor.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W. stimmte unter dem 28.11.2013 (Bl. 21/23 SG-Akte) der Einschätzung des Versorgungsarztes Dr. H. zu. Der Internist Dr. M. führte im Schreiben vom 04.12.2013 (Bl. 24/64 SG Akte) aus, die Klägerin könne nach anamnestischen Angaben ca. 500 Meter selbstständig gehen. Gehstrecken über einen Kilometern seien nach subjektiven Angaben wegen Unsicherheit, Schwindel, Koordinationsstörungen nicht zu bewältigen. Der Augenarzt Dr. G. äußerte sich im Schreiben vom 12.12.2013 (Bl. 65/67 SG-Akte) zur GdB Bewertung nicht. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. verneinte unter dem 09.12.2013 (Bl. 68/70 SG-Akte) eine Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin seit März 2013.
Das SG beauftragte Dr. S. mit der Erstattung eines sozialmedizinischen Gutachtens unter Einholung eines Zusatzgutachtens durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B ... Der Gutachter B. erachtete nach Untersuchung der Klägerin am 18.09.2014 im Gutachten vom 03.10.2014 (Bl. 95/116 SG-Akte) diese zur Bewältigung von ihr bekannten Wegstrecken von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde für in der Lage; in unbekannter Umgebung werde sie sich verlaufen und könne sich schon allein aufgrund der kognitiven Einschränkungen nicht orientieren. Zumindest außerhalb eines Radius von maximal einem Kilometer um die Wohnung der Klägerin herum sei eine Begleitung erforderlich, um die Störungen der demenzbedingten räumlichen Orientierung zu kompensieren. Der Gutachter Dr. S. schlug in seinem Gutachten vom 06.10.2014 nach Untersuchung der Klägerin am 18.09.2014 unter Einbeziehung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens einen Gesamt-GdB von 80 vor und gab an, die Gebrauchseinschränkung der Beine vermindere das Gehtempo so stark, dass ein über eine halbe Stunde anhaltendes Durchschnittstempo von mindestens 4 km/h auf keinen Fall erreicht werden könne. Ebenfalls durch die demenzielle Symptomatik mit erheblichen Orientierungsproblemen sei die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt.
Der Beklagte unterbreitete unter Berufung auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. C. vom 17.12.2014 (Bl. 122/125 SG-Akte) das Vergleichsangebot vom 14.01.2015 (Bl. 121 SG Akte), den GdB mit 80 ab 07.02.2013 zu bewerten.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 07.02.2015 (Bl. 127/129 SG-Akte) zu den Ausführungen des Dr. C. hielt Dr. S. an seiner Einschätzung fest.
In der mündlichen Verhandlung anerkannte der Beklagte die Feststellung eines GdB von 80 ab 07.03.2013. Mit Urteil vom 11.11.2015 verurteilte das SG den Beklagten, bei der Klägerin ab dem 07.03.2013 einen GdB von 80 nebst den Merkzeichen G und B festzustellen und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung bezog es sich auf das Gutachten des Dr. S ... Die Klägerin erklärte anschließend die Zurücknahme der Klage, soweit ein höherer GdB als 80 begehrt wurde.
Gegen das ihm am 17.12.2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 08.01.2016 hinsichtlich der Verurteilung zur Feststellung der Merkzeichen G und B Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B lägen nicht vor. Zur Begründung berief er sich auf die Stellungnahme des Dr. W. vom 30.12.2015 (Bl. 14 der Senatsakte). Im Übrigen sei die Terminsvertreterin des Beklagten am 11.11.2015 nach Urteilsverkündung der Klägerin auf der Straße begegnet, wobei diese flüssig und schnell ohne Begleitung auf die Haltestelle der Straßenbahn zugelaufen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.11.2015 insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als der Beklagte verurteilt wurde, die Merkzeichen G und B festzustellen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sei am 11.11.2015 weder mit der Straßenbahn gekommen noch zurückgefahren. Auch sei sie nicht ohne Rollator oder Gehstock unterwegs. Sie legte das Attest des Dr. L. vom 11.04.2016 (Bl. 17 der Senatsakte) vor, wonach bei ihr Durchblutungsstörungen zerebral und ein Bandscheibenleiden mit erheblichen Gehstörungen vorlägen sowie Carotisstenosen bekannt seien. Die Merkzeichen G und B seien auf alle Fälle sinnvoll.
Der Senat hat das nervenfachärztliche Gutachten der Dr. M. vom 22.08.2016 (Bl. 30/48 der Senatsakte) eingeholt. Nach Untersuchung der Klägerin am 27.06.2016 stellte die Gutachterin folgende Diagnosen: - Dysthymie, - vaskuläre Enzephalopathie mit leichter Koordinationsstörung und leichten kognitiven Defiziten, - Polyneuropathie. Es bestehe eine leichte Störung der Gehfähigkeit im Sinne einer leichten Unsicherheit bei den erschwerten Gangprüfungen, die durch eine Durchblutungsstörungen des Gehirns sowie das Vorliegen einer leichten Polyneuropathie hervorgerufen sei. Die Klägerin könne im Ortsverkehr unter Zuhilfenahme eines Gehstockes Wegstrecken von etwa zwei Kilometer in einer halben Stunde zurücklegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden können, denn die ordnungsgemäß geladene Klägerin war mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG-).
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist allein die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G und B ab 07.03.2013. Die Verurteilung zur Feststellung eines GdB von 80, die auch dem erklärten Anerkenntnis entspricht, hat der Beklagte nicht angefochten.
Das SG hat den Beklagten zu Unrecht zur Feststellung der Merkzeichen G und B verurteilt. Bei der Klägerin liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G und B nicht vor.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind, § 146 Abs. 2 SGB IX. Nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX wird eine Begleitperson eines schwerbehinderten Mensch i.S.d. § 145 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist und dies im Schwerbehindertenausweis eingetragen ist. Schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 145 Abs. 1 SGB IX sind Personen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, hilflos oder gehörlos sind, denen also das Merkzeichen G, H oder Gl zuerkannt ist.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 – 9/9a RVs 1/91, BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 – 9 RVs 4/95, SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R, BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 – 9a/9 RVs 7/89, BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten.
Bislang konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen G und B nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die VG (Teil D Nr. 1 und 2) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten nach Auffassung des Senats weder § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis 30.06.2011 bzw. § 30 Abs. 16 BVG in der ab 01.07.2011 gültigen Fassung, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche war bislang auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zu den Nachteilsausgleichen G und B waren damit nach ständiger Rechtsprechung des Senats mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 – L 8 SB 3119/08 und vom 14.08.2009 – L 8 SB 1691/08, beide veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; so auch der ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständige 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 – L 6 SB 2556/09, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 – L 3 SB 523/12 unveröffentlicht). Rechtsgrundlage waren daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen. Zwischenzeitlich hat jedoch der Gesetzgeber mit Wirkung zum 15.01.2015 in § 70 Abs. 2 SGB IX eine Verordnungsermächtigung eingeführt und in § 159 Abs. 7 SGB IX eine Übergangsregelung getroffen (eingefügt durch Art. 1a des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015; BGBl. II S. 15). Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung der Merkzeichen G und B geschaffen, die jedoch keine Rückwirkung entfaltet, sondern erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam ist (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 – L 8 SB 70/13, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Voraussetzungen des Merkzeichens G sind weder nach den vor dem 15.01.2015 geltenden gesetzlichen Vorschriften noch nach den danach geltenden Regelungen erfüllt.
Nach den zu den vor dem 15.01.2015 geltenden gesetzlichen Vorschriften von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens G entwickelten Kriterien umfasst das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG, Urteil vom 10.12.1987 – 9a RVs 11/87, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG, Urteil vom 13.08.1997 – 9 RVS 1/96 , SozR 3 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei Kilometern in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f.) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei Kilometern zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG, Urteil vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs Kilometern pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.).
Nach den ab 15.01.2015 geltenden VG heißt es in Teil D Nr. 1 lit. b): In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunden zurückgelegt wird. Unter Teil D Nr. 1 lit. d) bis f) VG heißt es weiter: Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.
Der Senat konnte nach den medizinischen Ermittlungen und den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht feststellen, dass bei der Klägerin eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens vorliegt.
Weder ist ein für Lendenwirbelsäulenbeeinträchtigungen und/oder Funktionsbehinderungen der unteren Extremitäten festzustellender GdB von 50 gegeben noch finden sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionseinschränkungen.
Nach den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. W. besteht bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule ein degeneratives Lumbalsyndrom. Laut seinem Befundbericht vom 11.02.2013 besteht röntgenologisch eine rechtskonvexe Lumbalskoliose, eine deutliche Verschmälerung der lumbosakralen Bandscheibe sowie eine Spondylarthrose. Schwerwiegende Funktionseinschränkungen folgen daraus nicht. Nach dem Bericht vom 11.02.2013 betrug der Finger-Boden-Abstand 20 cm, Seitneigen war lediglich endgradig schmerzhaft und neurologische Ausfälle bestanden nicht. Ein neurologisches Defizit hat auch Dr. L. gemäß dem Bericht vom 26.02.2013 (Bl. 34 der SG-Akte) nicht festgestellt und auch in seiner sachverständigen Zeugenaussage verneint. Nach dem Gutachten des Dr. S. war die Lendenwirbelsäule ohne wesentliche Schmerzangaben ohne Einschränkungen beweglich. Der Gutachter B. hat keine relevanten neurologischen Ausfälle festgestellt. Der Laseguè war beidseits negativ. Klinisch neurologisch hat er zwar – gegenüber Dr. Milz, die keine umschriebenen Wurzelkompressionsymptomatik verifiziert hat – eine L4-Kompression rechtsseitig, jedoch mit allenfalls diskreten Paresen und Sensibilitätsstörungen festgestellt. Insbesondere war die Hüftgelenksflexion rechts ohne eindeutige Parese und die Kniegelenksextension rechts mit 5-/5 nur geringfügig kraftgemindert. Es bestanden kein Tremor und keine pathologischen Tonus-Veränderungen. Lediglich die erschwerten Gangprüfungen waren bei Fersen- und Zehenspitzengang beidseits, rechts betont, eingeschränkt. Darüber hinaus bestand am rechten Bein eine dem Dermatom L4 zuzuordnende Sensibilitätsstörung. Die Gutachterin Dr. M. hat keine Paresen festgestellt; Tonus und Trophik waren unauffällig. Lediglich beim Strichgang bestand eine leichte Unsicherheit. Sensibilitätsstörungen hat sie nicht erhoben. Das von Dr. L. in seiner sachverständigen Zeugenaussage angegebene erhebliche Schmerzsyndrom der Wirbelsäule ist nach den von den Gutachtern erhobenen Befunden nicht zu objektivieren. Auch Dr. L. hat Befunde hierzu nicht angegeben. Die bestehenden funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind danach allenfalls mittelgradig und bedingen somit für sich allein nach Teil B Nr. 18.9 VG keinen höheren GdB als 20.
Auch im Bereich der unteren Extremitäten sind schwere Funktionseinschränkungen nicht feststellbar. Im Bereich der Hüftgelenke lässt sich aufgrund des Zustands nach Beckenbruch eine nach Teil B Nr. 18.14 VG GdB-relevante Funktionseinschränkung nicht feststellen. Nach dem Gutachten des Dr. S. ist die Beweglichkeit der Hüftgelenke nicht relevant eingeschränkt. GdB-relevante Bewegungseinschränkungen lassen sich auch den sonst vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Insbesondere war nach dem Befundbericht des Dr. W. vom 11.02.2013 die Hüftbeweglichkeit seitengleich nur endgradig schmerzhaft. Auch im Bereich der Kniegelenke liegen Bewegungseinschränkungen, ausgeprägte Knorpelschäden oder eine Instabilität, die nach Teil B Nr. 18.14 VG einen GdB bedingen würden, nicht vor. Nach den Feststellungen des Dr. S. war die Beweglichkeit frei, die Bandführung fest und die Bewegung ohne retropatellares Knirschen oder Reiben. Ebenso waren die Sprunggelenke nach den Feststellungen des Gutachters Dr. S. frei beweglich. Auch aufgrund einer Polyneuropathie ist die Funktion der unteren Extremitäten nicht wesentlich eingeschränkt. Sie bedingt keinen höheren GdB als 10. Nach den Feststellungen des Gutachters B. ist die Polyneuropathie lediglich leichtgradig. Er hat lediglich eine craniocaudale Reflexabschwächung mit bilateralem fehlendem Achillessehnenreflex und eine Reduktion der Pallästhesie bimalleolär festgestellt, was sich nach den Ausführungen des Gutachters funktionell allenfalls geringgradig einschränkend auf das Gehvermögen auswirkt.
Danach sind im Bereich von Lendenwirbelsäule und Beinen keine die Gehfähigkeit wesentlich beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen feststellbar. Die Annahme einer einen GdB von 50 bedingenden Gebrauchsminderung der Beine durch einen Nervenschaden rechts, Zustand nach Beckenbruch und Funktionsbehinderung der Hüftgelenke durch Dr. S. ist für den Senat nicht schlüssig. Ein derart schwerer Nervenschaden ist nicht feststellbar. Dr. S. führt diesen offenbar allein auf die bestehende Muskelminderung im Bereich des rechten Oberschenkels zurück. Der Gutachter B. hat die bestehende Atrophie am rechten Oberschenkel allerdings als leichtgradig eingeschätzt und führt diese auf eine Foramenstenose L4/5 und ein klinisch-neurologisches L4-Kompressionssyndrom zurück. Dieses beeinträchtigt nach den Ausführungen des Gutachters die Gehfähigkeit der Klägerin jedoch nur leichtgradig bis mittelgradig durch daraus erklärbare, belastungsabhängige Schmerzen. Eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit wird hierdurch bei den nur geringen funktionellen Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und der Beine jedoch nicht begründet. Weitergehende Befunde hat auch Dr. S. nicht erhoben. Soweit Dr. S. den angenommenen GdB von 50 auch auf eine im Rahmen von Fahrradergometrien sich zeigende Schwäche der Beine bei Bestehen einer Muskelminderung des rechten Beines stützt, ist dies für den Senat ebenfalls nicht überzeugend. Nach Teil A Nr. 2 lit. d) VG ist die GdB-Bewertung insbesondere trainingsunabhängig. Damit hat auch die Feststellung von Merkzeichen, die vom Bestehen GdB-relevanter Funktionsbeeinträchtigungen und deren Ausmaß abhängig ist, unabhängig vom Trainingszustand zu erfolgen. Bei Fehlen feststellbarer insgesamt einen GdB von 50 rechtfertigenden Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und der Beine bzw. sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirkender objektiv feststellbarer Behinderungen kann daher nicht auf eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens geschlossen werden. Der Einschätzung des Dr. S. kann der Senat daher nicht folgen.
Innere Leiden, welche die Gehfähigkeit der Klägerin erheblich einschränken, kann der Senat ebenfalls nicht feststellen. Nach dem Gutachten des Dr. S. besteht bei der Klägerin eine koronare Herzkrankheit, ein Stentimplantat sowie Bluthochdruck. Eine nach Teil B Nr. 9.1 VG einen GdB von 50 rechtfertigende Einschränkung der Herzleistung besteht nicht. Dr. S. konnte die Untersuchung der Klägerin im Rahmen einer Fahrradergometrie zwar nicht abschließen. Im EKG-Verlauf fanden sich aber bei einer Belastung von 25 Watt bis zum Abbruch keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Rhythmusstörungen. Die Limitierung der Belastung auf 25 Watt ist nach den Ausführungen des Gutachters nicht auf die koronare Herzkrankheit zurückzuführen. Auch im Stehen hat der Gutachter keine Rhythmusstörungen während der Messungen von Blutdruck und Puls festgestellt. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Herzleistung lässt sich auch nicht den Angaben des verständigen Zeugen Dr. M. und den sonst vorliegenden medizinischen Unterlagen entnehmen. Nach den Ausführungen des sachverständigen Zeugen ist eine Ergometrie bis knapp 50 Watt durchführbar, wobei die Einschränkung auf einer schnellen Erschöpfung und Ermüdung der Beine beruht. Ein eindeutiges Beschwerdeäquivalent einer vorliegenden Belastungsangina konnte Dr. M. nicht bestätigen. Nach seinen Karteikarteneinträgen (Bl. 26 der SG-Akte) zeigte sich am 04.07.2013 farbdopplerechokardiographisch zwar eine umschriebene Hypokinesie, sonst aber eine allseits gute LV-Wandbewegung mit normaler Globalfunktion und keine Hypertrophie. Zudem findet sich in den Karteikarteneinträgen zum 03.12.2013 außer Angaben zu einem durchgeführten Belastungs-EKG der Hinweis, dass die Klägerin von zu Hause zu Fuß komme. Die Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und der Praxis des Dr. M. beträgt 2,2 Kilometer Fußweg (recherchiert unter: www.google.de/maps). Da Beschwerdeangaben der Klägerin in diesem Zusammenhang nicht vermerkt sind, spricht dies gegen eine durch eine Einschränkung der Herzleistung begründete Einschränkung der Gehstrecke. Insgesamt kann eine mehr als leichtgradige Funktionseinschränkung des Herzens, was auch der Einschätzung des Dr. S. entspricht, nicht festgestellt werden.
Zur Überzeugung des Senats ist eine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit auch nicht aufgrund von Schwindelerscheinungen bzw. Koordinationsstörungen aufgrund der vaskulären Enzephalopathie festzustellen. Im Rahmen der neurologisch-psychiatrischen Untersuchung durch den Gutachter B. hat die Klägerin zwar einen Drehschwindel beklagt. Der Gutachter konnte jedoch insbesondere einen paroxysmalen Lagerungsschwindel im Rahmen der neurologischen Untersuchung nicht nachweisen. Freies Gehen ohne Schuhwerk war auf Zimmerebene sicher und zügig möglich, der Romberger sicher gestanden und der Unterberger ohne pathologische Abweichung. Bei Untersuchung durch Dr. S. hat die Klägerin nach zügigem Aufrichten im Stehen keinen Schwindel thematisiert, auch Schwanken hat der Gutachter nicht beobachtet. Die Klägerin hat das Auftreten des Schwindels gegenüber dem Gutachter B. auch als nur selten und kurzfristig angegeben. Dr. M. hat lediglich beim Strichgang eine leichte Unsicherheit beobachtet, die sie auf die vaskuläre Enzephalopathie zurückführt. Eine schwere Gangstörung konnte sie nicht objektivieren und eine Sturzneigung nicht feststellen. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens kann daraus nicht hergeleitet werden.
Der Senat kann eine Einschränkung des Gehvermögens auch nicht aufgrund eines Anfallsleidens feststellen. Gegenüber dem Gutachter B. konnte die Klägerin keine Angaben zur Häufigkeit der anamnestisch berichteten, von dem Gutachter als synkopale Ereignisse gewerteten Bewusstseinsverluste machen, weshalb der Gutachter nachvollziehbar von einem nur seltenen Auftreten solcher Ereignisse ausgeht. Ein häufiges Auftreten von Synkopen geht auch aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht vor. Zuletzt war im Bericht des Universitätsklinikums Ulm vom 23.12.2009 (Bl. 144/147 VA) das Auftreten einer Synkope angegeben, wobei diese aktuell vernachlässigbar sei. In späteren Berichten findet sich nur noch ein Hinweis auf einen Zustand nach Synkope. Insbesondere waren nach dem Bericht des Dr. L. vom 01.10.2013 (Bl. 33 SG-Akte) Synkopen nicht mehr aufgetreten. Anhaltspunkte, die die Annahme einer mittleren Anfallshäufigkeit, die einen GdB von wenigstens 70 rechtfertigen könnte, liegen danach nicht vor.
Schließlich kann der Senat keine die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung des Gehvermögens rechtfertigenden Orientierungsstörung feststellen.
Eine schwere Sehbehinderung, die einen GdB von wenigstens 50 bedingen würde, was bei zusätzlichem Vorliegen von Störungen der Ausgleichfunktionen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr rechtfertigen könnte, liegt bei der Klägerin nicht vor. Der sachverständige Zeuge Dr. G. hat die Sehschärfe der Klägerin mit 0,4 für das rechte Auge und 0,5 für das linke Auge angegeben. Aus der Tabelle nach Teil B Nr. 4.3 VG ergibt sich daraus lediglich ein GdB von 10. Ein höherer GdB ist auch aufgrund der von Dr. G ... angegebenen erfolgten Cataract-Extraktion mit Hinterkammerlinse links nicht gerechtfertigt. Nach Teil B Nr. 4.2 VG ist im Falle eines durch intraokulare Kunstlinse oder Kontaktlinse korrigierten Linsenverlustes eines Auges bei einer Sehschärfe 0,4 und mehr ein GdB von 10 anzusetzen. Eine Sehbehinderung, die die Annahme einer das Merkzeichen G rechtfertigenden Orientierungsstörung begründen könnte, liegt damit nicht vor.
Auch eine schwere geistige Behinderung, die eine entsprechende Orientierungsstörung begründen könnte, liegt nicht vor. Die Gutachterin Dr. M. konnte bei der Klägerin keine manifeste demenzielle Entwicklung mit dadurch verursachter räumlicher Orientierungsstörung feststellen. Auch aus dem Gutachten B. kann das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht hergeleitet werden. Zwar hat der Gutachter B. das Bestehen einer räumlichen Orientierungsstörung im Sinne einer subkortikalen Demenz angegeben. Allerdings hat er die Demenz als nur leichtgradig eingestuft und im Zusammenhang mit der vaskulären Enzephalopathie mit einem GdB von 50 bewertet. Dass es sich bei der Klägerin um einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, der bereits die Annahme einer eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bedeutenden Störung der Orientierungsfähigkeit rechtfertigen würde, kann dem Gutachten nicht entnommen werden. Zwar hat der Gutachter angegeben, die Klägerin würde sich in unbekannter Umgebung verlaufen und könne sich aufgrund kognitiver Einschränkungen auch nicht orientieren. Diese Einschätzung stützt der Gutachter im Wesentlichen auf die Angaben der Tochter der Klägerin, wonach diese nur zwischen Wohnung und Kaufladen gehe, sich in der Stadt nicht auskenne und sich nicht orientieren können. Gleichzeitig hat die Tochter aber angegeben, es sei schon immer so gewesen, dass sich die Klägerin nicht habe orientieren können, was in letzter Zeit jedoch schlimmer geworden sei. Die Klägerin selbst hat ihre Gedächtnisfunktion subjektiv als gut eingeschätzt. Dass die Gefahr des Verlaufens für die Klägerin nach den Ausführungen des Gutachters B. in unbekannter Umgebung besteht, genügt nicht für die Annahme einer schweren Orientierungsstörung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin sich zumindest durch Nachfragen in fremder Umgebung noch orientieren kann. So hat die Klägerin angegeben, sich vor ca. anderthalb Jahren einmal verlaufen zu haben, daran orientiert, dass sie in der Nähe des Arbeitsamtes wohne, aber durch Fragen wieder zurückgefunden zu haben. Dies spricht nicht für eine generelle Orientierungslosigkeit. Zudem war ihr, obgleich sie dem Gutachter den Namen der Straße, in der sie wohnt, nicht mitteilen konnte, bewusst, dass sie einen Zettel mit der Adresse in der Tasche habe. Bei der vom Gutachter festgestellten nur leichtgradigen Demenz kann vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen werden, dass die bei der Klägerin vorliegende Orientierungsstörung, soweit sie überhaupt behinderungsbedingt ist, derjenigen im Fall einer schwergradigen geistigen Behinderung entspricht.
Der Senat konnte sich danach nicht davon überzeugen, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen für sich allein oder in ihrer Gesamtheit ihr Gehvermögen erheblich beeinträchtigen. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G sind somit zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.
Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens B, welches nur zuerkannt werden kann, wenn G, H oder Gl zuerkannt ist (BSG, Urteil vom 11.11.1987 – 9a RVs 6/86, SozR 3870 § 38 Nr. 2), liegen nicht vor. Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung) konnte der Senat nicht feststellen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H (Hilflosigkeit) oder Gl (gehörlos) liegen nicht vor. Hilflosigkeit oder Gehörlosigkeit wurden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Damit kann der Klägerin das Merkzeichen B bereits aus diesem Grunde nicht zugesprochen werden.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen der Merkzeichens G und B. Nachdem schon nach dem medizinischen Sachverhalt die Voraussetzungen des Merkzeichens G objektiv nicht festzustellen waren, kann dahinstehen, ob die Klägerin nach der mündlichen Verhandlung vor dem SG zügig und ohne Begleitung von der Terminsvertreterin des Beklagten gesehen wurde, weshalb der Senat nicht gehalten war, den Sachverhalt insoweit durch Zeugenbefragungen aufzuklären.
Nach alledem war die Berufung begründet und das Urteil des SG hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Feststellung der Merkzeichen G und B aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Der Beklagte hat der Klägerin 1/5 der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G und B vorliegen.
Bei der 1936 geborenen Klägerin hatte der Beklagte zuletzt einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit 04.11.2008 [Bescheid vom 24.11.2008, Bl. 48/49 der Verwaltungsakten des Beklagten (VA)] festgestellt. Dem lagen die Funktionsbeeinträchtigungen - Gebrauchseinschränkung des linken Armes, Teil-GdB 40, - Gleichgewichtsstörungen, Hirndurchblutungsstörungen, Teil-GdB 30, - Harninkontinenz, Teil-GdB 20, - Depression, psychovegetativen Störungen, Schwindel, Teil-GdB 20, - koronare Herzkrankheit, Stentimplantation, Bluthochdruck, Teil-GdB 20, - Verlust der Eierstöcke, Teil-GdB 10 zugrunde.
Am 07.03.2013 beantragte die Klägerin beim Landratsamt Alb-Donau-Kreis – Fachdienst Versorgung – (LRA) zum wiederholten Mal die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung der Merkzeichen G und B. Zur Begründung führte sie einen Zustand nach mehreren Synkopen, degenerative Veränderungen von HWS/LWS mit Nacken-KS und L Ischialgie, Depression und somatoforme Schmerzstörung an und legte ärztliche Bescheinigungen des Internisten Dr. M. des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W. und der Frauenärztin Dr. G. (Bl. 199/201 VA) sowie den Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 26.02.2013 (Bl. 202 VA) vor.
Das LRA zog die Berichte des Dr. W. vom 11.02.2013 und 06.06.2013 (Bl. 206/207 VA) bei.
Der Versorgungsarzt Dr. H. bewertete unter dem 09.07.2013 (Bl. 210/211 VA) zusätzlich zur bisherigen Bewertung die Funktionsbeeinträchtigungen - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung mit einem Teil-GdB von 20, - Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke mit einem Teil-GdB von 10 und - einen Beckenschaden mit einem Teil-GdB von 10 sowie den Gesamt-GdB mit 70. Eine Gebrauchseinschränkung beider Hände und funktionelle Kreislaufstörungen bewirkten keinen GdB von wenigstens 10. Merkzeichen G und B sei nicht begründbar.
Mit Bescheid vom 12.07.2013 (Bl. 212/214 VA) hob der Beklagte den Bescheid vom 03.09.2012, mit dem ein vorrangegangener Änderungsantrag abgelehnt worden war, auf, stellte einen GdB von 70 seit 07.03.2013 fest und lehnte die Zuerkennung der Merkzeichen G und B ab.
Am 08.08.2013 legte die Klägerin gegen den Bescheid unter Hinweis auf Kraftlosigkeit, Schmerzen am Arm, im Bein und Rücken sowie Schwindelzuständen und Vorlage des Attestes des Dr. L. vom 29.07.2013 (Bl. 218 VA) sowie den Berichten des Dr. W. vom 30.07.2013 und des Arztes für Augenheilkunde Dr. G. vom 31.07.2013 (Bl. 219, 220 VA) Widerspruch ein.
Die Versorgungsärztin Dr. L.-S. bewertete in der Stellungnahme vom 27.08.2013 (Bl. 221/222 VA) zusätzlich die Funktionsbeeinträchtigung eingepflanzte Kunstlinse links mit einem Teil-GdB von 10 und den Gesamt-GdB weiterhin mit 70. Eine Funktionsbehinderung beider Kniegelenke bedinge keinen GdB von mindestens 10.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2013 (Bl. 225/228 VA) wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück.
Am 08.10.2013 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) und legte die bereits bei Antragstellung vorgelegten Bescheinigungen und Berichte vor.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. W. stimmte unter dem 28.11.2013 (Bl. 21/23 SG-Akte) der Einschätzung des Versorgungsarztes Dr. H. zu. Der Internist Dr. M. führte im Schreiben vom 04.12.2013 (Bl. 24/64 SG Akte) aus, die Klägerin könne nach anamnestischen Angaben ca. 500 Meter selbstständig gehen. Gehstrecken über einen Kilometern seien nach subjektiven Angaben wegen Unsicherheit, Schwindel, Koordinationsstörungen nicht zu bewältigen. Der Augenarzt Dr. G. äußerte sich im Schreiben vom 12.12.2013 (Bl. 65/67 SG-Akte) zur GdB Bewertung nicht. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. verneinte unter dem 09.12.2013 (Bl. 68/70 SG-Akte) eine Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin seit März 2013.
Das SG beauftragte Dr. S. mit der Erstattung eines sozialmedizinischen Gutachtens unter Einholung eines Zusatzgutachtens durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B ... Der Gutachter B. erachtete nach Untersuchung der Klägerin am 18.09.2014 im Gutachten vom 03.10.2014 (Bl. 95/116 SG-Akte) diese zur Bewältigung von ihr bekannten Wegstrecken von zwei Kilometern innerhalb einer halben Stunde für in der Lage; in unbekannter Umgebung werde sie sich verlaufen und könne sich schon allein aufgrund der kognitiven Einschränkungen nicht orientieren. Zumindest außerhalb eines Radius von maximal einem Kilometer um die Wohnung der Klägerin herum sei eine Begleitung erforderlich, um die Störungen der demenzbedingten räumlichen Orientierung zu kompensieren. Der Gutachter Dr. S. schlug in seinem Gutachten vom 06.10.2014 nach Untersuchung der Klägerin am 18.09.2014 unter Einbeziehung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens einen Gesamt-GdB von 80 vor und gab an, die Gebrauchseinschränkung der Beine vermindere das Gehtempo so stark, dass ein über eine halbe Stunde anhaltendes Durchschnittstempo von mindestens 4 km/h auf keinen Fall erreicht werden könne. Ebenfalls durch die demenzielle Symptomatik mit erheblichen Orientierungsproblemen sei die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt.
Der Beklagte unterbreitete unter Berufung auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. C. vom 17.12.2014 (Bl. 122/125 SG-Akte) das Vergleichsangebot vom 14.01.2015 (Bl. 121 SG Akte), den GdB mit 80 ab 07.02.2013 zu bewerten.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 07.02.2015 (Bl. 127/129 SG-Akte) zu den Ausführungen des Dr. C. hielt Dr. S. an seiner Einschätzung fest.
In der mündlichen Verhandlung anerkannte der Beklagte die Feststellung eines GdB von 80 ab 07.03.2013. Mit Urteil vom 11.11.2015 verurteilte das SG den Beklagten, bei der Klägerin ab dem 07.03.2013 einen GdB von 80 nebst den Merkzeichen G und B festzustellen und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung bezog es sich auf das Gutachten des Dr. S ... Die Klägerin erklärte anschließend die Zurücknahme der Klage, soweit ein höherer GdB als 80 begehrt wurde.
Gegen das ihm am 17.12.2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 08.01.2016 hinsichtlich der Verurteilung zur Feststellung der Merkzeichen G und B Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B lägen nicht vor. Zur Begründung berief er sich auf die Stellungnahme des Dr. W. vom 30.12.2015 (Bl. 14 der Senatsakte). Im Übrigen sei die Terminsvertreterin des Beklagten am 11.11.2015 nach Urteilsverkündung der Klägerin auf der Straße begegnet, wobei diese flüssig und schnell ohne Begleitung auf die Haltestelle der Straßenbahn zugelaufen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.11.2015 insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als der Beklagte verurteilt wurde, die Merkzeichen G und B festzustellen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sei am 11.11.2015 weder mit der Straßenbahn gekommen noch zurückgefahren. Auch sei sie nicht ohne Rollator oder Gehstock unterwegs. Sie legte das Attest des Dr. L. vom 11.04.2016 (Bl. 17 der Senatsakte) vor, wonach bei ihr Durchblutungsstörungen zerebral und ein Bandscheibenleiden mit erheblichen Gehstörungen vorlägen sowie Carotisstenosen bekannt seien. Die Merkzeichen G und B seien auf alle Fälle sinnvoll.
Der Senat hat das nervenfachärztliche Gutachten der Dr. M. vom 22.08.2016 (Bl. 30/48 der Senatsakte) eingeholt. Nach Untersuchung der Klägerin am 27.06.2016 stellte die Gutachterin folgende Diagnosen: - Dysthymie, - vaskuläre Enzephalopathie mit leichter Koordinationsstörung und leichten kognitiven Defiziten, - Polyneuropathie. Es bestehe eine leichte Störung der Gehfähigkeit im Sinne einer leichten Unsicherheit bei den erschwerten Gangprüfungen, die durch eine Durchblutungsstörungen des Gehirns sowie das Vorliegen einer leichten Polyneuropathie hervorgerufen sei. Die Klägerin könne im Ortsverkehr unter Zuhilfenahme eines Gehstockes Wegstrecken von etwa zwei Kilometer in einer halben Stunde zurücklegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden können, denn die ordnungsgemäß geladene Klägerin war mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG-).
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist allein die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G und B ab 07.03.2013. Die Verurteilung zur Feststellung eines GdB von 80, die auch dem erklärten Anerkenntnis entspricht, hat der Beklagte nicht angefochten.
Das SG hat den Beklagten zu Unrecht zur Feststellung der Merkzeichen G und B verurteilt. Bei der Klägerin liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen G und B nicht vor.
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind, § 146 Abs. 2 SGB IX. Nach § 145 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX wird eine Begleitperson eines schwerbehinderten Mensch i.S.d. § 145 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich im öffentlichen Nahverkehr befördert, wenn die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist und dies im Schwerbehindertenausweis eingetragen ist. Schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 145 Abs. 1 SGB IX sind Personen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, hilflos oder gehörlos sind, denen also das Merkzeichen G, H oder Gl zuerkannt ist.
Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 – 9/9a RVs 1/91, BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 – 9 RVs 4/95, SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R, BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 – 9a/9 RVs 7/89, BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten.
Bislang konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung der Merkzeichen G und B nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die VG (Teil D Nr. 1 und 2) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten nach Auffassung des Senats weder § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis 30.06.2011 bzw. § 30 Abs. 16 BVG in der ab 01.07.2011 gültigen Fassung, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche war bislang auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zu den Nachteilsausgleichen G und B waren damit nach ständiger Rechtsprechung des Senats mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 – L 8 SB 3119/08 und vom 14.08.2009 – L 8 SB 1691/08, beide veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; so auch der ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständige 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 – L 6 SB 2556/09, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 – L 3 SB 523/12 unveröffentlicht). Rechtsgrundlage waren daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen. Zwischenzeitlich hat jedoch der Gesetzgeber mit Wirkung zum 15.01.2015 in § 70 Abs. 2 SGB IX eine Verordnungsermächtigung eingeführt und in § 159 Abs. 7 SGB IX eine Übergangsregelung getroffen (eingefügt durch Art. 1a des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015; BGBl. II S. 15). Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung der Merkzeichen G und B geschaffen, die jedoch keine Rückwirkung entfaltet, sondern erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam ist (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 – L 8 SB 70/13, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Voraussetzungen des Merkzeichens G sind weder nach den vor dem 15.01.2015 geltenden gesetzlichen Vorschriften noch nach den danach geltenden Regelungen erfüllt.
Nach den zu den vor dem 15.01.2015 geltenden gesetzlichen Vorschriften von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens G entwickelten Kriterien umfasst das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG, Urteil vom 10.12.1987 – 9a RVs 11/87, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG, Urteil vom 13.08.1997 – 9 RVS 1/96 , SozR 3 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei Kilometern in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f.) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei Kilometern zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG, Urteil vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs Kilometern pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.).
Nach den ab 15.01.2015 geltenden VG heißt es in Teil D Nr. 1 lit. b): In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalls an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein – d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen – noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunden zurückgelegt wird. Unter Teil D Nr. 1 lit. d) bis f) VG heißt es weiter: Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.
Der Senat konnte nach den medizinischen Ermittlungen und den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht feststellen, dass bei der Klägerin eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens vorliegt.
Weder ist ein für Lendenwirbelsäulenbeeinträchtigungen und/oder Funktionsbehinderungen der unteren Extremitäten festzustellender GdB von 50 gegeben noch finden sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionseinschränkungen.
Nach den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. W. besteht bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule ein degeneratives Lumbalsyndrom. Laut seinem Befundbericht vom 11.02.2013 besteht röntgenologisch eine rechtskonvexe Lumbalskoliose, eine deutliche Verschmälerung der lumbosakralen Bandscheibe sowie eine Spondylarthrose. Schwerwiegende Funktionseinschränkungen folgen daraus nicht. Nach dem Bericht vom 11.02.2013 betrug der Finger-Boden-Abstand 20 cm, Seitneigen war lediglich endgradig schmerzhaft und neurologische Ausfälle bestanden nicht. Ein neurologisches Defizit hat auch Dr. L. gemäß dem Bericht vom 26.02.2013 (Bl. 34 der SG-Akte) nicht festgestellt und auch in seiner sachverständigen Zeugenaussage verneint. Nach dem Gutachten des Dr. S. war die Lendenwirbelsäule ohne wesentliche Schmerzangaben ohne Einschränkungen beweglich. Der Gutachter B. hat keine relevanten neurologischen Ausfälle festgestellt. Der Laseguè war beidseits negativ. Klinisch neurologisch hat er zwar – gegenüber Dr. Milz, die keine umschriebenen Wurzelkompressionsymptomatik verifiziert hat – eine L4-Kompression rechtsseitig, jedoch mit allenfalls diskreten Paresen und Sensibilitätsstörungen festgestellt. Insbesondere war die Hüftgelenksflexion rechts ohne eindeutige Parese und die Kniegelenksextension rechts mit 5-/5 nur geringfügig kraftgemindert. Es bestanden kein Tremor und keine pathologischen Tonus-Veränderungen. Lediglich die erschwerten Gangprüfungen waren bei Fersen- und Zehenspitzengang beidseits, rechts betont, eingeschränkt. Darüber hinaus bestand am rechten Bein eine dem Dermatom L4 zuzuordnende Sensibilitätsstörung. Die Gutachterin Dr. M. hat keine Paresen festgestellt; Tonus und Trophik waren unauffällig. Lediglich beim Strichgang bestand eine leichte Unsicherheit. Sensibilitätsstörungen hat sie nicht erhoben. Das von Dr. L. in seiner sachverständigen Zeugenaussage angegebene erhebliche Schmerzsyndrom der Wirbelsäule ist nach den von den Gutachtern erhobenen Befunden nicht zu objektivieren. Auch Dr. L. hat Befunde hierzu nicht angegeben. Die bestehenden funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind danach allenfalls mittelgradig und bedingen somit für sich allein nach Teil B Nr. 18.9 VG keinen höheren GdB als 20.
Auch im Bereich der unteren Extremitäten sind schwere Funktionseinschränkungen nicht feststellbar. Im Bereich der Hüftgelenke lässt sich aufgrund des Zustands nach Beckenbruch eine nach Teil B Nr. 18.14 VG GdB-relevante Funktionseinschränkung nicht feststellen. Nach dem Gutachten des Dr. S. ist die Beweglichkeit der Hüftgelenke nicht relevant eingeschränkt. GdB-relevante Bewegungseinschränkungen lassen sich auch den sonst vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht entnehmen. Insbesondere war nach dem Befundbericht des Dr. W. vom 11.02.2013 die Hüftbeweglichkeit seitengleich nur endgradig schmerzhaft. Auch im Bereich der Kniegelenke liegen Bewegungseinschränkungen, ausgeprägte Knorpelschäden oder eine Instabilität, die nach Teil B Nr. 18.14 VG einen GdB bedingen würden, nicht vor. Nach den Feststellungen des Dr. S. war die Beweglichkeit frei, die Bandführung fest und die Bewegung ohne retropatellares Knirschen oder Reiben. Ebenso waren die Sprunggelenke nach den Feststellungen des Gutachters Dr. S. frei beweglich. Auch aufgrund einer Polyneuropathie ist die Funktion der unteren Extremitäten nicht wesentlich eingeschränkt. Sie bedingt keinen höheren GdB als 10. Nach den Feststellungen des Gutachters B. ist die Polyneuropathie lediglich leichtgradig. Er hat lediglich eine craniocaudale Reflexabschwächung mit bilateralem fehlendem Achillessehnenreflex und eine Reduktion der Pallästhesie bimalleolär festgestellt, was sich nach den Ausführungen des Gutachters funktionell allenfalls geringgradig einschränkend auf das Gehvermögen auswirkt.
Danach sind im Bereich von Lendenwirbelsäule und Beinen keine die Gehfähigkeit wesentlich beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen feststellbar. Die Annahme einer einen GdB von 50 bedingenden Gebrauchsminderung der Beine durch einen Nervenschaden rechts, Zustand nach Beckenbruch und Funktionsbehinderung der Hüftgelenke durch Dr. S. ist für den Senat nicht schlüssig. Ein derart schwerer Nervenschaden ist nicht feststellbar. Dr. S. führt diesen offenbar allein auf die bestehende Muskelminderung im Bereich des rechten Oberschenkels zurück. Der Gutachter B. hat die bestehende Atrophie am rechten Oberschenkel allerdings als leichtgradig eingeschätzt und führt diese auf eine Foramenstenose L4/5 und ein klinisch-neurologisches L4-Kompressionssyndrom zurück. Dieses beeinträchtigt nach den Ausführungen des Gutachters die Gehfähigkeit der Klägerin jedoch nur leichtgradig bis mittelgradig durch daraus erklärbare, belastungsabhängige Schmerzen. Eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit wird hierdurch bei den nur geringen funktionellen Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und der Beine jedoch nicht begründet. Weitergehende Befunde hat auch Dr. S. nicht erhoben. Soweit Dr. S. den angenommenen GdB von 50 auch auf eine im Rahmen von Fahrradergometrien sich zeigende Schwäche der Beine bei Bestehen einer Muskelminderung des rechten Beines stützt, ist dies für den Senat ebenfalls nicht überzeugend. Nach Teil A Nr. 2 lit. d) VG ist die GdB-Bewertung insbesondere trainingsunabhängig. Damit hat auch die Feststellung von Merkzeichen, die vom Bestehen GdB-relevanter Funktionsbeeinträchtigungen und deren Ausmaß abhängig ist, unabhängig vom Trainingszustand zu erfolgen. Bei Fehlen feststellbarer insgesamt einen GdB von 50 rechtfertigenden Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und der Beine bzw. sich besonders auf die Gehfähigkeit auswirkender objektiv feststellbarer Behinderungen kann daher nicht auf eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens geschlossen werden. Der Einschätzung des Dr. S. kann der Senat daher nicht folgen.
Innere Leiden, welche die Gehfähigkeit der Klägerin erheblich einschränken, kann der Senat ebenfalls nicht feststellen. Nach dem Gutachten des Dr. S. besteht bei der Klägerin eine koronare Herzkrankheit, ein Stentimplantat sowie Bluthochdruck. Eine nach Teil B Nr. 9.1 VG einen GdB von 50 rechtfertigende Einschränkung der Herzleistung besteht nicht. Dr. S. konnte die Untersuchung der Klägerin im Rahmen einer Fahrradergometrie zwar nicht abschließen. Im EKG-Verlauf fanden sich aber bei einer Belastung von 25 Watt bis zum Abbruch keine Auffälligkeiten, insbesondere keine Rhythmusstörungen. Die Limitierung der Belastung auf 25 Watt ist nach den Ausführungen des Gutachters nicht auf die koronare Herzkrankheit zurückzuführen. Auch im Stehen hat der Gutachter keine Rhythmusstörungen während der Messungen von Blutdruck und Puls festgestellt. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Herzleistung lässt sich auch nicht den Angaben des verständigen Zeugen Dr. M. und den sonst vorliegenden medizinischen Unterlagen entnehmen. Nach den Ausführungen des sachverständigen Zeugen ist eine Ergometrie bis knapp 50 Watt durchführbar, wobei die Einschränkung auf einer schnellen Erschöpfung und Ermüdung der Beine beruht. Ein eindeutiges Beschwerdeäquivalent einer vorliegenden Belastungsangina konnte Dr. M. nicht bestätigen. Nach seinen Karteikarteneinträgen (Bl. 26 der SG-Akte) zeigte sich am 04.07.2013 farbdopplerechokardiographisch zwar eine umschriebene Hypokinesie, sonst aber eine allseits gute LV-Wandbewegung mit normaler Globalfunktion und keine Hypertrophie. Zudem findet sich in den Karteikarteneinträgen zum 03.12.2013 außer Angaben zu einem durchgeführten Belastungs-EKG der Hinweis, dass die Klägerin von zu Hause zu Fuß komme. Die Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und der Praxis des Dr. M. beträgt 2,2 Kilometer Fußweg (recherchiert unter: www.google.de/maps). Da Beschwerdeangaben der Klägerin in diesem Zusammenhang nicht vermerkt sind, spricht dies gegen eine durch eine Einschränkung der Herzleistung begründete Einschränkung der Gehstrecke. Insgesamt kann eine mehr als leichtgradige Funktionseinschränkung des Herzens, was auch der Einschätzung des Dr. S. entspricht, nicht festgestellt werden.
Zur Überzeugung des Senats ist eine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit auch nicht aufgrund von Schwindelerscheinungen bzw. Koordinationsstörungen aufgrund der vaskulären Enzephalopathie festzustellen. Im Rahmen der neurologisch-psychiatrischen Untersuchung durch den Gutachter B. hat die Klägerin zwar einen Drehschwindel beklagt. Der Gutachter konnte jedoch insbesondere einen paroxysmalen Lagerungsschwindel im Rahmen der neurologischen Untersuchung nicht nachweisen. Freies Gehen ohne Schuhwerk war auf Zimmerebene sicher und zügig möglich, der Romberger sicher gestanden und der Unterberger ohne pathologische Abweichung. Bei Untersuchung durch Dr. S. hat die Klägerin nach zügigem Aufrichten im Stehen keinen Schwindel thematisiert, auch Schwanken hat der Gutachter nicht beobachtet. Die Klägerin hat das Auftreten des Schwindels gegenüber dem Gutachter B. auch als nur selten und kurzfristig angegeben. Dr. M. hat lediglich beim Strichgang eine leichte Unsicherheit beobachtet, die sie auf die vaskuläre Enzephalopathie zurückführt. Eine schwere Gangstörung konnte sie nicht objektivieren und eine Sturzneigung nicht feststellen. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gehvermögens kann daraus nicht hergeleitet werden.
Der Senat kann eine Einschränkung des Gehvermögens auch nicht aufgrund eines Anfallsleidens feststellen. Gegenüber dem Gutachter B. konnte die Klägerin keine Angaben zur Häufigkeit der anamnestisch berichteten, von dem Gutachter als synkopale Ereignisse gewerteten Bewusstseinsverluste machen, weshalb der Gutachter nachvollziehbar von einem nur seltenen Auftreten solcher Ereignisse ausgeht. Ein häufiges Auftreten von Synkopen geht auch aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht vor. Zuletzt war im Bericht des Universitätsklinikums Ulm vom 23.12.2009 (Bl. 144/147 VA) das Auftreten einer Synkope angegeben, wobei diese aktuell vernachlässigbar sei. In späteren Berichten findet sich nur noch ein Hinweis auf einen Zustand nach Synkope. Insbesondere waren nach dem Bericht des Dr. L. vom 01.10.2013 (Bl. 33 SG-Akte) Synkopen nicht mehr aufgetreten. Anhaltspunkte, die die Annahme einer mittleren Anfallshäufigkeit, die einen GdB von wenigstens 70 rechtfertigen könnte, liegen danach nicht vor.
Schließlich kann der Senat keine die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung des Gehvermögens rechtfertigenden Orientierungsstörung feststellen.
Eine schwere Sehbehinderung, die einen GdB von wenigstens 50 bedingen würde, was bei zusätzlichem Vorliegen von Störungen der Ausgleichfunktionen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr rechtfertigen könnte, liegt bei der Klägerin nicht vor. Der sachverständige Zeuge Dr. G. hat die Sehschärfe der Klägerin mit 0,4 für das rechte Auge und 0,5 für das linke Auge angegeben. Aus der Tabelle nach Teil B Nr. 4.3 VG ergibt sich daraus lediglich ein GdB von 10. Ein höherer GdB ist auch aufgrund der von Dr. G ... angegebenen erfolgten Cataract-Extraktion mit Hinterkammerlinse links nicht gerechtfertigt. Nach Teil B Nr. 4.2 VG ist im Falle eines durch intraokulare Kunstlinse oder Kontaktlinse korrigierten Linsenverlustes eines Auges bei einer Sehschärfe 0,4 und mehr ein GdB von 10 anzusetzen. Eine Sehbehinderung, die die Annahme einer das Merkzeichen G rechtfertigenden Orientierungsstörung begründen könnte, liegt damit nicht vor.
Auch eine schwere geistige Behinderung, die eine entsprechende Orientierungsstörung begründen könnte, liegt nicht vor. Die Gutachterin Dr. M. konnte bei der Klägerin keine manifeste demenzielle Entwicklung mit dadurch verursachter räumlicher Orientierungsstörung feststellen. Auch aus dem Gutachten B. kann das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht hergeleitet werden. Zwar hat der Gutachter B. das Bestehen einer räumlichen Orientierungsstörung im Sinne einer subkortikalen Demenz angegeben. Allerdings hat er die Demenz als nur leichtgradig eingestuft und im Zusammenhang mit der vaskulären Enzephalopathie mit einem GdB von 50 bewertet. Dass es sich bei der Klägerin um einen besonders gelagerten Einzelfall handelt, der bereits die Annahme einer eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr bedeutenden Störung der Orientierungsfähigkeit rechtfertigen würde, kann dem Gutachten nicht entnommen werden. Zwar hat der Gutachter angegeben, die Klägerin würde sich in unbekannter Umgebung verlaufen und könne sich aufgrund kognitiver Einschränkungen auch nicht orientieren. Diese Einschätzung stützt der Gutachter im Wesentlichen auf die Angaben der Tochter der Klägerin, wonach diese nur zwischen Wohnung und Kaufladen gehe, sich in der Stadt nicht auskenne und sich nicht orientieren können. Gleichzeitig hat die Tochter aber angegeben, es sei schon immer so gewesen, dass sich die Klägerin nicht habe orientieren können, was in letzter Zeit jedoch schlimmer geworden sei. Die Klägerin selbst hat ihre Gedächtnisfunktion subjektiv als gut eingeschätzt. Dass die Gefahr des Verlaufens für die Klägerin nach den Ausführungen des Gutachters B. in unbekannter Umgebung besteht, genügt nicht für die Annahme einer schweren Orientierungsstörung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin sich zumindest durch Nachfragen in fremder Umgebung noch orientieren kann. So hat die Klägerin angegeben, sich vor ca. anderthalb Jahren einmal verlaufen zu haben, daran orientiert, dass sie in der Nähe des Arbeitsamtes wohne, aber durch Fragen wieder zurückgefunden zu haben. Dies spricht nicht für eine generelle Orientierungslosigkeit. Zudem war ihr, obgleich sie dem Gutachter den Namen der Straße, in der sie wohnt, nicht mitteilen konnte, bewusst, dass sie einen Zettel mit der Adresse in der Tasche habe. Bei der vom Gutachter festgestellten nur leichtgradigen Demenz kann vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen werden, dass die bei der Klägerin vorliegende Orientierungsstörung, soweit sie überhaupt behinderungsbedingt ist, derjenigen im Fall einer schwergradigen geistigen Behinderung entspricht.
Der Senat konnte sich danach nicht davon überzeugen, dass die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen für sich allein oder in ihrer Gesamtheit ihr Gehvermögen erheblich beeinträchtigen. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G sind somit zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.
Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens B, welches nur zuerkannt werden kann, wenn G, H oder Gl zuerkannt ist (BSG, Urteil vom 11.11.1987 – 9a RVs 6/86, SozR 3870 § 38 Nr. 2), liegen nicht vor. Einen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung) konnte der Senat nicht feststellen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H (Hilflosigkeit) oder Gl (gehörlos) liegen nicht vor. Hilflosigkeit oder Gehörlosigkeit wurden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Damit kann der Klägerin das Merkzeichen B bereits aus diesem Grunde nicht zugesprochen werden.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen der Merkzeichens G und B. Nachdem schon nach dem medizinischen Sachverhalt die Voraussetzungen des Merkzeichens G objektiv nicht festzustellen waren, kann dahinstehen, ob die Klägerin nach der mündlichen Verhandlung vor dem SG zügig und ohne Begleitung von der Terminsvertreterin des Beklagten gesehen wurde, weshalb der Senat nicht gehalten war, den Sachverhalt insoweit durch Zeugenbefragungen aufzuklären.
Nach alledem war die Berufung begründet und das Urteil des SG hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Feststellung der Merkzeichen G und B aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved