Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SB 5723/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 769/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.02.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung des Merkzeichens Bl (Blindheit).
Bei der 1953 geborenen Klägerin hatte das Landratsamt R. – Geschäftsbereich Soziales – (LRA) zuletzt einen GdB von 100 seit 21.12.2004 sowie – zusätzlich zu dem bereits zuerkannten Merkzeichen G – die Merkzeichen B und RF festgestellt [Bescheid vom 22.04.2005, Bl. 110/111 der Verwaltungsakten des Beklagten (VA)].
Am 14.11.2012 beantragte die Klägerin die Feststellung des Merkzeichens Bl, wobei sie sich auf eine Makuladegeneration mit Erblindung links und einem Sehvermögen von 6 Prozent auf dem rechten Auge, Diabetes, Fibromyalgiesyndrom und eine somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung berief.
Der Beklagte zog den Befundbericht der Augenärztin K. vom 23.11.2012 (Bl. 120 VA) bei, worauf die Versorgungsärztin Dr. F. die Einholung eines Gutachtens bei Dr. S. vorschlug.
Unter dem 28.02.2013 führte Dr. S. nach Untersuchung der Klägerin am 27.02.2013 aus (Bl. 127/128 VA), es sei weder ein Gesichtsfeld noch eine Sehschärfe zu erheben, weshalb der GdB mit 100 zu bewerten sei. Allerdings scheine außer einem objektivierbaren Befund an der Netzhaut zusätzlich noch entweder ein psychisches Problem oder Aggravation vorzulegen, weshalb er die Einholung eines Gutachtens bei der Uniklinik T. empfahl.
Die Versorgungsärztin Dr. F. bewertete unter dem 12.03.2013 (Bl. 129/130 VA) die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt: - Sehminderung beidseits, Teil-GdB 100, - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom, Teil-GdB 30, - Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Teil-GdB 30, - Depression, Teil-GdB 20, - Bronchialasthma, Teil-GdB 20. Blindheit sei nicht festzustellen.
Mit Bescheid vom 12.03.2013 stellte das LRA bei der Klägerin das Vorliegen des Merkzeichens H ab 14.11.2012 fest und lehnte die Feststellung des Merkzeichens Bl ab.
Dagegen legte die Klägerin am 28.03.2013 Widerspruch ein. Sie sei auf dem linken Auge vollkommen erblindet und sehe auf dem rechten Auge nur Schatten, könne aber nichts erkennen.
Das LRA zog den Befundbericht der Augenärztin O. vom 03.05.2013 (Bl. 139 VA), worin zum Visus des rechten und linken Auges jeweils "Fingerzählen" angegeben ist, bei.
Das LRA ließ die Klägerin durch Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. augenärztlich begutachten. Im Gutachten vom 10.07.2014 (Bl. 159/162 VA) konnten die Gutachter aufgrund der widersprüchlichen Befundkonstellation ihre Annahme, dass die Klägerin die Kriterien für gesetzliche Erblindung erfülle, nicht belegen.
Nach Einholung der versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. Si. vom 01.08.2014 (Bl. 104 60/165 VA) wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 (Bl. 167/168 VA) zurück.
Am 22.10.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie meine, dass medizinisch widersprüchliche Befundberichte nicht zu ihren Lasten mit der Konsequenz der Ablehnung des Merkzeichens Bl gehen könnten. Ihrer Auffassung nach müsse bei einer zweifelsfrei feststehenden hohen zentralen Visusminderung das Merkzeichen Bl auch dann zuerkannt werden, wenn hier wissenschaftlich nicht alles geklärt sei und im Gutachten offenbleiben musste, warum bei der Klägerin lehrbuchwidrig kein peripheres Gesichtsfeld vorhanden sei, außerdem ein Visus von lediglich Lichtscheinwahrnehmung und Lichtscheinprojektion.
Das SG befragte PD Dr. D. schriftlich als sachverständigen Zeugen, der unter dem 18.02.2015 (Bl. 25/34 SG-Akten) im Wesentlichen die Ausführungen im Gutachten vom 10.07.2014 wiederholte. Die ebenfalls als sachverständige Zeugin befragte Augenärztin O. verwies mit Schreiben vom 17.04.2015 (Bl. 37 VA) ebenfalls auf die Begutachtung durch Prof. Dr. B. S./PD Dr. D ...
Das SG holte das augenärztliche Gutachten des Prof. Dr. R. und des Prof. Dr. A. vom 06.10.2015 (Bl. 54/67 SG-Akte) ein. Nach Untersuchung der Klägerin am 19.08.2015 gaben die Gutachter an, angesichts von Widersprüchen zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin zum Sehvermögen und dem morphologischen Befund bzw. den elektrophysiologischen Befunden sei die subjektive Angabe einer Sehschärfeminderung auf die Wahrnehmung von Handbewegungen nicht glaubhaft. Der erforderliche Nachweis der Blindheit sei damit nicht erbracht.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2016 wies das SG die Klage ab.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.02.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie sei nach wie vor der festen Überzeugung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens Bl festzustellen seien. Die Einschätzung der Gutachter Prof. Dr. R. und Prof. Dr. A. seien für sie nicht nachvollziehbar. Sie beruft sich auf das Gutachten von Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. , die es für absolut möglich bzw. sogar wahrscheinlich hielten, dass sie die Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl erfülle.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.02.2016 aufzuheben sowie den Bescheid des Landratsamtes R. vom 12.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens Bl festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. – Landesblindenarzt – könne bei der Klägerin aufgrund einer deutlichen Diskrepanz der Aussagen und dem morphologischen bzw. elektrophysiologischen Befund der Nachweis der Blindheit nicht geführt werden, weshalb die Klägerin nicht blind im Sinne des Gesetzes sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Landratsamtes R. vom 12.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 02.02.2016 die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens Bl.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung des Merkzeichens Bl ist § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen Bl einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Nach § 72 Abs. 5 SGB XII stehen Personen blinden Menschen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzusetzende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. § 72 SGB XII enthält jedoch keine Definition des Begriffes "Blindheit", sondern in Abs. 5 eine Gleichstellungsvorschrift.
Nach welchen Maßstäben einzelne Behinderungen zu bewerten sind und welche Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichen Bl maßgeblich sind, richtet sich seit 01.01.2009 nach der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV), die die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), zuletzt Ausgabe 2008 (AHP), ersetzen. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht. So ermächtigt § 30 Abs. 16 BVG das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. In § 35 Abs. 1 BVG sind die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit benannt. § 35 Absatz 1 Satz 6 BVG enthält als Kriterium für die Stufen der Pflegezulage auch den Begriff der Blindheit, weshalb der Senat hierin eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Regelung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs Bl durch den Verordnungsgeber sieht. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen – insbesondere § 69 SGB IX – zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.04.2009 – B 9 SB 3/08 R, Rn. 27, 30 m.w.N.). Die VersMedV (nebst Anlage) ist im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und – bei Verstößen dagegen – nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4 3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.04.2009, a.a.O., Rn. 30).
Nach Teil A Nr. 6 VG ist blind ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch ein behinderter Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung liegt nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft bei folgenden Fallgruppen vor: a) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, b) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, c) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, d) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, e) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist, f) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt, g) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht. Blind ist darüber hinaus auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit), nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen.
Der Senat konnte sich unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, dem vom Beklagten eingeholten Gutachten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme vor dem SG nicht davon überzeugen, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens Bl erfüllt.
Vollständige Blindheit liegt bei der Klägerin nicht vor. Bei Begutachtung durch Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. hat die Klägerin die Wahrnehmung von Handbewegungen, bei Begutachtung durch Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. die Wahrnehmung von Lichtschein angegeben.
Die Klägerin ist auch nicht aufgrund einer Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger auf beiden Augen als blind anzusehen. Eine derartige Herabsetzung der Sehschärfe kann der Senat nicht feststellen. Zwar hat die Klägerin gegenüber den Gutachtern Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. subjektiv eine Herabsetzung der Sehschärfe auf die Wahrnehmung von Handbewegungen angegeben. Eine derartige Sehminderung konnten die Gutachter jedoch nicht objektivieren. Sie haben bei der Klägerin eine fortschreitende trockene altersabhängige Makuladegeneration, die bereits zu einem umschriebenen Schwund der zentralen Netzhaut geführt hat, festgestellt. Insbesondere zeigte sich bei der Untersuchung des Augenhintergrundes an beiden Augen an der Stelle des schärfsten Sehens eine zentrale geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels. Vorstufen einer Netzhautablösung oder von diabetischen Veränderungen konnten sie nicht feststellen. Sie haben dargelegt, dass die Erkrankung zwar eine schwerwiegende Herabsetzung der zentralen Sehschärfe erklärt, eine Reduktion der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger allerdings sehr selten ist. Insbesondere kann nach ihren Ausführungen die Größe des betroffenen Netzhautareals einen Hinweis auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung geben. Danach ist nach Einschätzung der Gutachter aufgrund der auf das Zentrum beschränkten Ausdehnung der Schädigung eine Sehschärfe im Bereich von 0,05 durchaus denkbar. Zwar haben Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. aus erloschenen visuell evozierten Potenzialen auf eine wahrscheinlich vorliegende Reduzierung der Sehschärfe auf 0,02 geschlossen. Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Sehschärfenminderung genügt jedoch bereits nicht zum Nachweis des Vorliegens einer Sehschärfe von maximal 0,02. Zudem haben Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. dargelegt, dass die auch von ihnen festgestellte fehlende Reizantwort im Muster-VEP auch bei einer Sehschärfe von 0,05 erklärbar ist, da allein aufgrund der durch den morphologischen Schaden deutlich geringeren Reizfläche eine fehlende Antwort resultieren kann. Zudem haben die Gutachter darauf hingewiesen, dass die Angaben der Klägerin zur Verminderung ihrer Sehschärfe auch aufgrund des beobachteten Verhaltens nicht glaubhaft sind. So konnte sich die Klägerin bei der Begutachtung im Raum orientieren sowie die Türklinke und auch den nicht von ihr selbst abgelegten Langstock eindeutig finden. Entsprechende Beobachtungen wurden auch bereits von Dr. S. dargestellt. Dass eine derartige Orientierung bei einer Reduktion des Sehvermögens auf Wahrnehmung von Handbewegungen nicht möglich ist, wie von Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. angegeben, ist nachvollziehbar. Auch Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. haben dargelegt, dass der von der Klägerin ihnen gegenüber angegebene Visus von lediglich Lichtscheinwahrnehmung weder morphologisch noch durch die Funktionsdiagnostik hinreichend erklärbar ist. Auch sie gehen von einer lediglich gering reduzierten Funktion der peripheren Netzhaut an beiden Augen aus. Insbesondere muss nach den Ausführungen der Gutachter bei der Art der bei der Klägerin vorliegenden Schädigung davon ausgegangen werden, dass zumindest die Lichtscheinprojektion intakt ist, welche die Klägerin jedoch gegenüber den Gutachtern als nicht vorhanden angegeben hat. Im Übrigen haben Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. darauf hingewiesen, dass aufgrund der vorliegenden krankhaften Veränderungen an den Augen eine Änderung der Sehschärfe, wie sie sich aus der von der Klägerin angegebenen Wahrnehmung lediglich von Lichtschein bei Begutachtung durch Prof. B.-S./PD Dr. D. und der Wahrnehmung von Handbewegungen im Rahmen ihres Gutachtens ergibt, nicht erklärbar ist. Von einer Herabsetzung der Sehschärfe der Klägerin auf maximal 0,02 auf beiden Augen kann sich der Senat vor diesem Hintergrund nicht überzeugen.
Der Senat kann auch keine eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger gleichzusetzende Sehbehinderung bei der Klägerin feststellen. Insbesondere liegt eine eine solche Gleichstellung nach den dargestellten Grundsätzen rechtfertigende Gesichtsfeldeinengung bei der Klägerin nicht vor. Zwar haben Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. eine Sehschärfe von 0,1 oder mehr anhand der erhobenen Befunde ausgeschlossen. Eine Gesichtsfeldeinengung lässt sich aus dem Gutachten jedoch nicht herleiten. Die Gutachter haben lediglich eine eindeutig sichtbare unscharf begrenzte Netzhautschädigung, nicht aber eine Beschädigung der äußeren Netzhaut oder des Sehnerven festgestellt. Für den Senat ist es danach nachvollziehbar, dass es hierdurch lediglich zu einem Verlust im zentralen Gesichtsfeld kommt, dass Gesichtsfeld im Übrigen aber vollkommen normal ist, wie die Gutachter ausgeführt haben, so dass die Orientierung nur gering eingeschränkt ist. Hierauf haben auch bereits die Gutachter Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. hingewiesen, da die von ihnen festgestellte areoläre Atrophie den von der Klägerin im Rahmen der Untersuchung demonstrierten peripheren Gesichtsfeldausfall nicht erklärt, sondern sie von einer gut möglichen Orientierung der Klägerin in vertrauter Umgebung ausgehen. Zudem spricht das von der Klägerin bei der Begutachtung durch Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. wie auch durch Dr. S. gezeigte Orientierungsvermögen mit zielsicherem Ergreifen von Gegenständen gegen einen schwerwiegenden Gesichtsfeldausfall.
Anhaltspunkte für das Bestehen einer Rindenblindheit hat der Senat nicht.
Damit ist für den Senat eine Reduzierung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger bzw. eine Störung des Sehvermögens von einem einer derartigen Reduzierung der Sehschärfe gleichzustellenden Schweregrad nicht erwiesen. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112), hier zu Lasten der Klägerin.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den vom Beklagten und dem SG eingeholten Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens Bl.
Nach alldem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung des Merkzeichens Bl (Blindheit).
Bei der 1953 geborenen Klägerin hatte das Landratsamt R. – Geschäftsbereich Soziales – (LRA) zuletzt einen GdB von 100 seit 21.12.2004 sowie – zusätzlich zu dem bereits zuerkannten Merkzeichen G – die Merkzeichen B und RF festgestellt [Bescheid vom 22.04.2005, Bl. 110/111 der Verwaltungsakten des Beklagten (VA)].
Am 14.11.2012 beantragte die Klägerin die Feststellung des Merkzeichens Bl, wobei sie sich auf eine Makuladegeneration mit Erblindung links und einem Sehvermögen von 6 Prozent auf dem rechten Auge, Diabetes, Fibromyalgiesyndrom und eine somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung berief.
Der Beklagte zog den Befundbericht der Augenärztin K. vom 23.11.2012 (Bl. 120 VA) bei, worauf die Versorgungsärztin Dr. F. die Einholung eines Gutachtens bei Dr. S. vorschlug.
Unter dem 28.02.2013 führte Dr. S. nach Untersuchung der Klägerin am 27.02.2013 aus (Bl. 127/128 VA), es sei weder ein Gesichtsfeld noch eine Sehschärfe zu erheben, weshalb der GdB mit 100 zu bewerten sei. Allerdings scheine außer einem objektivierbaren Befund an der Netzhaut zusätzlich noch entweder ein psychisches Problem oder Aggravation vorzulegen, weshalb er die Einholung eines Gutachtens bei der Uniklinik T. empfahl.
Die Versorgungsärztin Dr. F. bewertete unter dem 12.03.2013 (Bl. 129/130 VA) die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt: - Sehminderung beidseits, Teil-GdB 100, - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom, Teil-GdB 30, - Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung, Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, Teil-GdB 30, - Depression, Teil-GdB 20, - Bronchialasthma, Teil-GdB 20. Blindheit sei nicht festzustellen.
Mit Bescheid vom 12.03.2013 stellte das LRA bei der Klägerin das Vorliegen des Merkzeichens H ab 14.11.2012 fest und lehnte die Feststellung des Merkzeichens Bl ab.
Dagegen legte die Klägerin am 28.03.2013 Widerspruch ein. Sie sei auf dem linken Auge vollkommen erblindet und sehe auf dem rechten Auge nur Schatten, könne aber nichts erkennen.
Das LRA zog den Befundbericht der Augenärztin O. vom 03.05.2013 (Bl. 139 VA), worin zum Visus des rechten und linken Auges jeweils "Fingerzählen" angegeben ist, bei.
Das LRA ließ die Klägerin durch Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. augenärztlich begutachten. Im Gutachten vom 10.07.2014 (Bl. 159/162 VA) konnten die Gutachter aufgrund der widersprüchlichen Befundkonstellation ihre Annahme, dass die Klägerin die Kriterien für gesetzliche Erblindung erfülle, nicht belegen.
Nach Einholung der versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. Si. vom 01.08.2014 (Bl. 104 60/165 VA) wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 (Bl. 167/168 VA) zurück.
Am 22.10.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie meine, dass medizinisch widersprüchliche Befundberichte nicht zu ihren Lasten mit der Konsequenz der Ablehnung des Merkzeichens Bl gehen könnten. Ihrer Auffassung nach müsse bei einer zweifelsfrei feststehenden hohen zentralen Visusminderung das Merkzeichen Bl auch dann zuerkannt werden, wenn hier wissenschaftlich nicht alles geklärt sei und im Gutachten offenbleiben musste, warum bei der Klägerin lehrbuchwidrig kein peripheres Gesichtsfeld vorhanden sei, außerdem ein Visus von lediglich Lichtscheinwahrnehmung und Lichtscheinprojektion.
Das SG befragte PD Dr. D. schriftlich als sachverständigen Zeugen, der unter dem 18.02.2015 (Bl. 25/34 SG-Akten) im Wesentlichen die Ausführungen im Gutachten vom 10.07.2014 wiederholte. Die ebenfalls als sachverständige Zeugin befragte Augenärztin O. verwies mit Schreiben vom 17.04.2015 (Bl. 37 VA) ebenfalls auf die Begutachtung durch Prof. Dr. B. S./PD Dr. D ...
Das SG holte das augenärztliche Gutachten des Prof. Dr. R. und des Prof. Dr. A. vom 06.10.2015 (Bl. 54/67 SG-Akte) ein. Nach Untersuchung der Klägerin am 19.08.2015 gaben die Gutachter an, angesichts von Widersprüchen zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin zum Sehvermögen und dem morphologischen Befund bzw. den elektrophysiologischen Befunden sei die subjektive Angabe einer Sehschärfeminderung auf die Wahrnehmung von Handbewegungen nicht glaubhaft. Der erforderliche Nachweis der Blindheit sei damit nicht erbracht.
Mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2016 wies das SG die Klage ab.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.02.2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie sei nach wie vor der festen Überzeugung, dass bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens Bl festzustellen seien. Die Einschätzung der Gutachter Prof. Dr. R. und Prof. Dr. A. seien für sie nicht nachvollziehbar. Sie beruft sich auf das Gutachten von Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. , die es für absolut möglich bzw. sogar wahrscheinlich hielten, dass sie die Voraussetzungen für das Merkzeichen Bl erfülle.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.02.2016 aufzuheben sowie den Bescheid des Landratsamtes R. vom 12.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens Bl festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. – Landesblindenarzt – könne bei der Klägerin aufgrund einer deutlichen Diskrepanz der Aussagen und dem morphologischen bzw. elektrophysiologischen Befund der Nachweis der Blindheit nicht geführt werden, weshalb die Klägerin nicht blind im Sinne des Gesetzes sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Bescheid des Landratsamtes R. vom 12.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 02.02.2016 die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens Bl.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung des Merkzeichens Bl ist § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen Bl einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder entsprechender Vorschriften ist. Nach § 72 Abs. 5 SGB XII stehen Personen blinden Menschen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als 1/50 beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzusetzende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen. § 72 SGB XII enthält jedoch keine Definition des Begriffes "Blindheit", sondern in Abs. 5 eine Gleichstellungsvorschrift.
Nach welchen Maßstäben einzelne Behinderungen zu bewerten sind und welche Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichen Bl maßgeblich sind, richtet sich seit 01.01.2009 nach der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV), die die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), zuletzt Ausgabe 2008 (AHP), ersetzen. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht. So ermächtigt § 30 Abs. 16 BVG das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln. In § 35 Abs. 1 BVG sind die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit benannt. § 35 Absatz 1 Satz 6 BVG enthält als Kriterium für die Stufen der Pflegezulage auch den Begriff der Blindheit, weshalb der Senat hierin eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zur Regelung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs Bl durch den Verordnungsgeber sieht. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen – insbesondere § 69 SGB IX – zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.04.2009 – B 9 SB 3/08 R, Rn. 27, 30 m.w.N.). Die VersMedV (nebst Anlage) ist im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und – bei Verstößen dagegen – nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4 3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.04.2009, a.a.O., Rn. 30).
Nach Teil A Nr. 6 VG ist blind ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch ein behinderter Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind. Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung liegt nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft bei folgenden Fallgruppen vor: a) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, b) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, c) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, d) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben, e) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist, f) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt, g) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht. Blind ist darüber hinaus auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit), nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen.
Der Senat konnte sich unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, dem vom Beklagten eingeholten Gutachten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme vor dem SG nicht davon überzeugen, dass die Klägerin die Voraussetzungen des Merkzeichens Bl erfüllt.
Vollständige Blindheit liegt bei der Klägerin nicht vor. Bei Begutachtung durch Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. hat die Klägerin die Wahrnehmung von Handbewegungen, bei Begutachtung durch Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. die Wahrnehmung von Lichtschein angegeben.
Die Klägerin ist auch nicht aufgrund einer Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger auf beiden Augen als blind anzusehen. Eine derartige Herabsetzung der Sehschärfe kann der Senat nicht feststellen. Zwar hat die Klägerin gegenüber den Gutachtern Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. subjektiv eine Herabsetzung der Sehschärfe auf die Wahrnehmung von Handbewegungen angegeben. Eine derartige Sehminderung konnten die Gutachter jedoch nicht objektivieren. Sie haben bei der Klägerin eine fortschreitende trockene altersabhängige Makuladegeneration, die bereits zu einem umschriebenen Schwund der zentralen Netzhaut geführt hat, festgestellt. Insbesondere zeigte sich bei der Untersuchung des Augenhintergrundes an beiden Augen an der Stelle des schärfsten Sehens eine zentrale geographische Atrophie des retinalen Pigmentepithels. Vorstufen einer Netzhautablösung oder von diabetischen Veränderungen konnten sie nicht feststellen. Sie haben dargelegt, dass die Erkrankung zwar eine schwerwiegende Herabsetzung der zentralen Sehschärfe erklärt, eine Reduktion der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger allerdings sehr selten ist. Insbesondere kann nach ihren Ausführungen die Größe des betroffenen Netzhautareals einen Hinweis auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung geben. Danach ist nach Einschätzung der Gutachter aufgrund der auf das Zentrum beschränkten Ausdehnung der Schädigung eine Sehschärfe im Bereich von 0,05 durchaus denkbar. Zwar haben Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. aus erloschenen visuell evozierten Potenzialen auf eine wahrscheinlich vorliegende Reduzierung der Sehschärfe auf 0,02 geschlossen. Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Sehschärfenminderung genügt jedoch bereits nicht zum Nachweis des Vorliegens einer Sehschärfe von maximal 0,02. Zudem haben Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. dargelegt, dass die auch von ihnen festgestellte fehlende Reizantwort im Muster-VEP auch bei einer Sehschärfe von 0,05 erklärbar ist, da allein aufgrund der durch den morphologischen Schaden deutlich geringeren Reizfläche eine fehlende Antwort resultieren kann. Zudem haben die Gutachter darauf hingewiesen, dass die Angaben der Klägerin zur Verminderung ihrer Sehschärfe auch aufgrund des beobachteten Verhaltens nicht glaubhaft sind. So konnte sich die Klägerin bei der Begutachtung im Raum orientieren sowie die Türklinke und auch den nicht von ihr selbst abgelegten Langstock eindeutig finden. Entsprechende Beobachtungen wurden auch bereits von Dr. S. dargestellt. Dass eine derartige Orientierung bei einer Reduktion des Sehvermögens auf Wahrnehmung von Handbewegungen nicht möglich ist, wie von Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. angegeben, ist nachvollziehbar. Auch Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. haben dargelegt, dass der von der Klägerin ihnen gegenüber angegebene Visus von lediglich Lichtscheinwahrnehmung weder morphologisch noch durch die Funktionsdiagnostik hinreichend erklärbar ist. Auch sie gehen von einer lediglich gering reduzierten Funktion der peripheren Netzhaut an beiden Augen aus. Insbesondere muss nach den Ausführungen der Gutachter bei der Art der bei der Klägerin vorliegenden Schädigung davon ausgegangen werden, dass zumindest die Lichtscheinprojektion intakt ist, welche die Klägerin jedoch gegenüber den Gutachtern als nicht vorhanden angegeben hat. Im Übrigen haben Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. darauf hingewiesen, dass aufgrund der vorliegenden krankhaften Veränderungen an den Augen eine Änderung der Sehschärfe, wie sie sich aus der von der Klägerin angegebenen Wahrnehmung lediglich von Lichtschein bei Begutachtung durch Prof. B.-S./PD Dr. D. und der Wahrnehmung von Handbewegungen im Rahmen ihres Gutachtens ergibt, nicht erklärbar ist. Von einer Herabsetzung der Sehschärfe der Klägerin auf maximal 0,02 auf beiden Augen kann sich der Senat vor diesem Hintergrund nicht überzeugen.
Der Senat kann auch keine eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger gleichzusetzende Sehbehinderung bei der Klägerin feststellen. Insbesondere liegt eine eine solche Gleichstellung nach den dargestellten Grundsätzen rechtfertigende Gesichtsfeldeinengung bei der Klägerin nicht vor. Zwar haben Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. eine Sehschärfe von 0,1 oder mehr anhand der erhobenen Befunde ausgeschlossen. Eine Gesichtsfeldeinengung lässt sich aus dem Gutachten jedoch nicht herleiten. Die Gutachter haben lediglich eine eindeutig sichtbare unscharf begrenzte Netzhautschädigung, nicht aber eine Beschädigung der äußeren Netzhaut oder des Sehnerven festgestellt. Für den Senat ist es danach nachvollziehbar, dass es hierdurch lediglich zu einem Verlust im zentralen Gesichtsfeld kommt, dass Gesichtsfeld im Übrigen aber vollkommen normal ist, wie die Gutachter ausgeführt haben, so dass die Orientierung nur gering eingeschränkt ist. Hierauf haben auch bereits die Gutachter Prof. Dr. B.-S./PD Dr. D. hingewiesen, da die von ihnen festgestellte areoläre Atrophie den von der Klägerin im Rahmen der Untersuchung demonstrierten peripheren Gesichtsfeldausfall nicht erklärt, sondern sie von einer gut möglichen Orientierung der Klägerin in vertrauter Umgebung ausgehen. Zudem spricht das von der Klägerin bei der Begutachtung durch Prof. Dr. R. /Prof. Dr. A. wie auch durch Dr. S. gezeigte Orientierungsvermögen mit zielsicherem Ergreifen von Gegenständen gegen einen schwerwiegenden Gesichtsfeldausfall.
Anhaltspunkte für das Bestehen einer Rindenblindheit hat der Senat nicht.
Damit ist für den Senat eine Reduzierung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger bzw. eine Störung des Sehvermögens von einem einer derartigen Reduzierung der Sehschärfe gleichzustellenden Schweregrad nicht erwiesen. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112), hier zu Lasten der Klägerin.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den vom Beklagten und dem SG eingeholten Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen des Merkzeichens Bl.
Nach alldem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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