L 8 SB 3744/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 710/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3744/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen 30.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" (Befreiung/Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht; Merkzeichen "RF").

Bei dem 1948 geborenen Kläger, deutscher Staatsangehöriger, stellte das Landratsamt R. (LRA) mit Bescheid vom 14.08.2009 einen GdB von 100 seit 01.03.2009 sowie die gesundheitlichen Merkmale zur Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G", "B" und "aG" fest (Blatt 48/51 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbehinderungen laut versorgungsärztlicher Stellungnahme Dr. F. vom 10.08.2009, Blatt 46/48 der Beklagtenakte: Lungenerkrankung in Heilungsbewährung: Einzel-GdB 100; Funktionsbehinderung der Wirbelsäule: Einzel-GdB 10). Die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" wurde abgelehnt.

Mit seinem Änderungsantrag vom 15.03.2012 (Blatt 54/55 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger die Feststellung des Merkzeichens "RF". Hierzu gab er Schmerzen in den Beinen, Luftnot durch Lungenerkrankung, Wirbelsäulenleiden sowie an, der Besuch von Kino, Varieté usw. sei wegen dieser Erkrankungen nicht möglich. Außerdem teilte er ein Aneurysma in der Hauptschlagader mit.

Das LRA zog vom Facharzt für Allgemeinmedizin S. Befundunterlagen bei (dazu vgl. Blatt 57/69 der Beklagtenakte) und holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. A.-F. (Stellungnahme vom 05.09.2012, Blatt 72/73 der Beklagtenakte) ein. Dieser bewertete die Lungenerkrankung (in Heilungsbewährung) mit einem Einzel-GdB von 100, das Aneurysma mit einem Einzel-GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" sah er als nicht gegeben an.

Mit Bescheid vom 17.09.2012 lehnte das LRA daraufhin die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" ab.

Am 25.10.2012 erschien der Kläger persönlich beim LRA und erhob Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.09.2012. Er sei bis 17.10.2012 in Kur gewesen und erst am 18.10.2012 nach Hause zurückgekehrt.

Das LRA zog nunmehr den Entlassbericht der O. Klinik P. vom 17.10.2012 bei (Blatt 80/85 der Beklagtenakte). Darin wird über eine Kur vom 19.09.2012 bis zum 17.10.2012 berichtet.

Als der Versorgungsarzt Dr. A.-F. in seiner Stellungnahme vom 30.11.2012 (Blatt 87 der Beklagtenakte) die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" weiterhin für nicht gegeben ansah, wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.02.2013, Blatt 88/90 der Beklagtenakte).

Hiergegen hat der Kläger am 11.03.2013 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben. Bei ihm sei der linke Lungenflügel komplett entfernt worden, sodass beim Besuch von öffentlichen Veranstaltungen die Gefahr der Ansteckung und Bedrohung des rechten Lungenflügels sehr hoch sei. Seit Ende Januar 2013 mache er eine Immunsuppression wegen einer Entzündung des Aneurysmas. In geschlossenen Räumen bekomme er Atemnot, Schweißausbrüche und Panikattacken sowie das Gefühl zu ersticken.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 25/71, 73/124 und 134/141 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. hat in seiner Antwort vom 06.06.2013 zunächst Kopien der ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen übersandt. In seinem Schreiben vom 20.10.2013 hat er dann ausgeführt, der Kläger sei nicht in der Lage an Kino-, Theater-, Konzert-, Vortrags- und kirchlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Dieser habe Probleme auf "4 Etagen": Im Fußbereich wegen der erheblichen Beschwerden der Achilles-Sehnensituation, im Bereich des Rückens habe er multiple Beschwerdeherde die mit einem Stützmieder behandelt seien, im Bereich der Atmung sei er sehr schwer eingeschränkt und hinzutrete eine depressive Komponente. Der Facharzt für Innere Medizin/Pneumologie, medik. Tumortherapie, Palliativmedizin, Schlafmedizin und Notfallmedizin Dr. Sp. hat dem SG am 06.06.2013 geschrieben, für den Kläger sei es schon schwierig für die kleinen Verrichtungen des Alltags außer Haus zu kommen, d.h. vieles sei anstrengend und bringe ihn an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Längere Teilnahme an sozialen Aktivitäten und öffentlichen Veranstaltungen seien sicher nicht möglich und realistisch. Auch habe der Kläger den Verlust seiner Lebensgefährtin an den Folgen einer Brustkrebserkrankung nicht wirklich verkraftet.

Das SG hat des Weiteren ärztliche Berichte der Fachkliniken H. (dazu vgl. Blatt 149/150 der SG-Akte) und der Universitätsklinik T. , Medizinische Klinik (dazu vgl. Blatt 152/160 der SG-Akte) und der Orthopädischen Klinik (dazu vgl. Blatt 161/162 der SG-Akte) beigezogen.

Der Kläger legte Berichte des Universitätsklinikums T. – Medizinische Klinik – vom 22.01.2014, der Orthopädischen Klinik T. vom 03.02.2014, des Universitätsklinikums T. vom 22.01.2014 vor (Blatt 164/169 der SG-Akte), die Pflegegutachten des MDK vom 10.07.2013 (Blatt 174/178 der SG-Akte) und 11.06.2014 (Blatt 183RS/184, 190/192 der SG-Akte) sowie den Bericht der Orthopädischen Klinik T. vom 19.03.2014 (Blatt 180 der SG-Akte).

Der Beklagte sah unter Auswertung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 23.12.2014 (Blatt 198 der SG-Akte) die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" weiterhin nicht als gegeben an.

Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 25.03.2015, in dem der Kläger selbst anwesend war und vom Gericht befragt wurde (vgl. zur Niederschrift Blatt 200/201 der SG-Akte) und in dem der Bericht des Universitätsklinikums T. – Medizinische Klinik- vom 02.03.2015 vorgelegt wurde (Blatt 202/205 der SG-Akte), verwies der Kläger mit Schreiben vom 27.04.2015 (Blatt 208/209 = 210/211 der SG-Akte) u.a. darauf, dass es ihm nicht möglich sei, längere Zeit in geschlossenen Räumen bei Veranstaltungen zu verbringen. Im Freien habe er Probleme bei engstehenden Gruppen, insbesondere wenn noch geraucht würde. Er zeige einen reduzierten Zustand und leide immer noch an den Spätfolgen in den weiteren progredienten Lungenfunktionseinschränkungen, am ehesten bedingt durch einen schweren RVSV-Infekt zwischen den Jahren. Seine Mobilität sei unverändert schwerst eingeschränkt. Er sei von den Erkrankungen und den Komplikationen nachfolgender Therapien gezeichnet.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 30.07.2015 die Klage abgewiesen. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen und der persönliche Eindruck des Gerichts vom Kläger belegten, dass dieser nicht zum RF-berechtigten Personenkreis gehöre. Es bestehe eine noch vorhandene Mobilität und eine Fähigkeit sich unter Menschen zu begeben. Anhaltspunkte für die angegebene Ansteckungsgefahr seien den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 04.08.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.09.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zwar stütze das SG sich auf den persönlichen Eindruck, sowie auf vorliegende medizinische Unterlagen, doch habe eine Befragung der behandelnden Ärzte ergeben, dass sowohl der behandelnde Arzt S. als auch Dr. Sp. zu dem Ergebnis gekommen seien, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" vorlägen. Soweit im Urteil darauf verwiesen werde, dass es ihm möglich gewesen sei, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen, werde darauf verwiesen, dass das persönliche Erscheinen angeordnet gewesen sei und er dies auf sich genommen habe. Tatsächlich sei eine Teilnahme an einem Erörterungstermin, der nicht öffentlich sei, nicht vergleichbar mit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Außerdem sei auch die Aussage, dass alle zwei Wochen Einkäufe möglich seien, deshalb auch die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen möglich sei, nicht nachvollziehbar. Soweit im Urteil darauf verwiesen werde, er könne einen Rollstuhl benutzen, werde dies ohne medizinische Bestätigung aufgeführt. Die Aussagen der behandelnden eigenen Ärzte ergäben eindeutig das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens "RF".

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.07.2015 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" seit ab 17.09.2012 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 34/37, 42/43, 47/115 der Senatsakte Bezug genommen. Der Internist, Pneumologe Dr. Sp. von der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universität T. – Abteilung Innere Medizin II – hat in seiner Antwort vom 29.02.2016 ausgeführt, den Kläger seit 2009 regelmäßig in dreimonatigen Abständen gesehen zu haben. Letztendlich sei der Kläger als Folge seiner Krebserkrankung bzw. deren Therapie und der zusätzlich bestehenden Probleme durch die Gefäßentzündung und darüber hinaus die Wirbelsäulenprobleme konstant und chronisch beeinträchtigt. Nach der Pneumektomie auf der linken Seite mit insgesamt eher schlechtem Ergebnis, stehe ihm maximal die Hälfte der sonst üblichen Luftmenge zur Verfügung, was in Kombination mit den anderen Problemen zu einer massiven Beeinträchtigung der Belastbarkeit und Mobilität führe. Ab 2012 habe sich ein inflammatorisches Aortenaneurysma gezeigt, dessen Therapie mit hochdosierten Cortisonpräparaten über nun viele Jahre gedauert habe, und auch die Infektprobleme, die damit assoziiert gewesen seien, hätten zu massiven Folgeproblemen mit beidseitigen Achillessehnenrupturen und über viele Monate bestehenden Beschwerden und Einschränkungen und Mobilitätseinschränkungen geführt. Aggraviert werde die Problematik durch die bereits vorbestehenden Wirbelsäulen-Veränderungen mit Bandscheibenvorfällen und Beschwerden. Aufgrund der eingeschränkten Lungenfunktion mit einer Vitalkapazität und einem Restlungenvolumen von max. 50% des Sollwertes habe der Kläger eine schwere restriktive Ventilationsstörung mit entsprechender Einschränkung und Belastbarkeit, die durch die Problematik der Folgen des inflammatorischen Aortenaneurysmas mit Zustand nach Achillessehnenruptur beidseits und durch die Wirbelsäulenproblematik verschlimmert werden, so dass die Mobilität und Belastbarkeit stark eingeschränkt seien. Der Kläger habe nur eingeschränkt Reserven. Die Belastbarkeit sei dahingehend eingeschränkt, dass er maximal zwei Stockwerke mit Gehstütze steigen könne. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. hat in seiner Antwort vom 01.06.2016 angegeben, es habe sich eine Verschlechterung der Lungenfunktion ergeben. Trotzdem habe sich in den drei Jahren eine leichte subjektive klinische Verbesserung gezeigt, z.B. dadurch, dass er nicht mehr auf den Rollator angewiesen sei, sondern mit Gehstöcken begrenzte Strecken gehen könne (mit 2 Gehstöcken Entfernungen bis zu 1 km). Mit kleinen Pausen bewältige er ein bis zwei Stockwerke über die Treppen. Trotz der Verschlechterung der Wirbelsäulensituation durch die im Januar 2014 festgestellten Deckplatteneinbrüche von BWK 10; BWK 11 sowie LWK 5 sei es mit intensiver Therapie gelungen, die Beweglichkeit der Wirbelsäule und die Belastungsfähigkeit in etwa auf dem Niveau von 2013 zu erhalten.

In der vom Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 29.07.2016 (Blatt 118/119 der Senatsakte) führt der Versorgungsarzt Dr. G. u.a. aus, dass angesichts des derzeit dokumentierten Ausprägungsgrades der Lungenfunktionseinschränkung die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" gemäß D Nr. 3 VG nicht als erfüllt angesehen werden. Auch die Angaben von Dr. S. sprächen nicht für den Ausprägungsgrad einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (nicht auf Rollator angewiesen, mit zwei Gehstöcken bis zu 1 km, Gehstrecke in langsamen Tempo möglich). Die Annahme eines generellen Ausschlusses von allen öffentlichen Veranstaltungen sei bei derzeitiger Befundlage weiterhin nicht zu begründen.

Nach Zustellung der Terminsladung zum 24.10.2016 am 09.09.2016 hat der Kläger (Schreiben vom 13.09.2016 (Blatt 125/127 = 128/130 der Senatsakte) darauf hingewiesen, dass in der Stellungnahme des Dr. G. das Fachgebiet fehle, außerdem bilde er einen Gesamt-GdB und mache Ausführungen zu dem Merkzeichen "G", "B" und "aG". Im vorliegenden Rechtsstreit gehe es jedoch um die Anerkennung des Merkzeichens "RF" und nicht um die Herabsetzung des GdB von 100 und der anerkannten Merkzeichen. Insoweit sei der Stellungnahme keine Erklärung zu entnehmen, weshalb das Merkzeichen "RF" nicht vorliegen solle. Dr. W. Sp. gebe in seiner gerichtlichen Befragung noch einmal ausdrücklich an, dass die Lungenfunktion eingeschränkt sei. Auch der Hausarzt S. teile mit, dass eine Verschlechterung der Lungenfunktion vorliege und eine Verschlechterung der Wirbelsäulensituation. Beides zusammen führe dazu, dass er nicht mehr in der Lage sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Außerdem werde verwiesen auf die zusammenfassende Beurteilung des Berichtes vom 18.01.2016 des Universitätsklinikums T ... Aufgrund der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigung ist es ihm nicht möglich an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Er bekomme Atemnot in geschlossenen Räumen, Schweißausbrüche und Panikattacken. Zusätzlich sei aufgrund der multiplen Bandscheibenvorfälle ein Sitzen nahezu unmöglich. Insoweit greife auch nicht die Möglichkeit einen Rollstuhl zu verwenden. Die auftretende Atemnot werde nicht nur dadurch ausgelöst, dass er Unterarmgehstützen verwende. Es werde im Rahmen von § 106 SGG beantragt, ein Gutachten auf "pneumologischem Fachgebiet zur Frage der Lungenfunktion und das Verbleiben in geschlossenen Räumen für den Hintergrund der schwersteingeschränkten respiratorischen Reserve und der sicher erhöhten Infektionsanfälligkeit durchzuführen."

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 27.09.2016 (Blatt 131/132 der Senatsakte) angeführt, dass die Einschränkung der Lungenfunktion anhand der lungenfunktionell dokumentierten mittel- bis schwergradigen Restriktion aktuell mit einem GdB von 60 zu bewerten sei. Ein Überprüfungsverfahren hinsichtlich der Heilungsbewährung werde nach Abschluss des hier anhängigen Berufungsverfahrens vorgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des LRA vom 30.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 11.02.2013 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" seit ab 17.09.2012.

Die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" sind nach § 69 Abs. 5 SGB IX i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweis-Verordnung (SchwbAwV) landesrechtlich und daher in Baden-Württemberg für die Zeit bis 31.12.2012 in § 6 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) vom 15.10.2004 geregelt, der ab dem 01.04.2005 in der Fassung des Gesetzes vom 17.03.2005 (GBl. S. 189) und seit dem 01.01.2009 in der Fassung des Zwölften Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 18.12.2008 (GBl. 2009, S. 131) gilt. Für die Zeit ab dem 01.01.2013 regelt dies nunmehr der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15.12.2010, der in Baden-Württemberg durch das Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18.10.2011 (GBl S. 477 ff.) zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt worden ist. Nach § 4 Abs. 2 RBStV wird bei gesundheitlichen Einschränkungen keine Befreiung mehr gewährt, es werden lediglich die Rundfunkbeiträge auf ein Drittel ermäßigt. Die medizinischen Voraussetzungen wurden jedoch nicht geändert. Gleichermaßen ist in § 4 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 RBStV, zuvor § 6 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 RGebStV, vorausgesetzt, dass es sich um - (Nr. 1 bzw. Nr. 7. a) blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von (wenigstens) 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung, - (Nr. 2 bzw. Nr. 7. b) hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, oder - (Nr. 3 bzw. Nr. 8) behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigsten 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, handelt.

Ein Anspruch scheitert nicht schon daran, dass dem Kläger nach Art. 5 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge, dort § 6, bzw. § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 des RBStV vom 15.12.2010 Anspruch haben könnte, als Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe), als Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches) oder als Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches auf Antrag Anspruch auf eine vollständige Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht haben könnte. Der Senat kann nicht feststellen, dass der Kläger eine der genannten Leistungen im streitigen Zeitraum ab 17.09.2012 in Anspruch genommen hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft dargelegt, dass er entsprechende Anträge nicht gestellt hat. Ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "RF" mit Wirkung für die Vergangenheit und für die Zukunft liegt vor.

Der Kläger hat deswegen keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF, weil er weder blind noch hörgeschädigt ist und auch nicht außerstande ist, wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig teilnehmen können. Zwar ist ihm zwar in Heilungsbewährung aber nicht nur vorübergehend ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen "G", "B" und "aG" zuerkannt, weshalb es auch nicht auf die Frage ankommt, ob auch bei einem GdB von unter 80 eine Zuerkennung des Merkzeichens "RF" möglich ist (dazu vgl. BSG 16.02.2012, B 9 SB 2/11 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 14 = juris). Doch ist neben einem entsprechenden GdB auch Voraussetzung des Merkzeichens "RF", dass der Kläger wegen seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Der behinderte Mensch muss gerade wegen seines Leidens allgemein und umfassend von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, d.h. von Zusammenkünften politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender Art ausgeschlossen sein, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen können. Das ist vorliegend zu verneinen.

Die Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen sind nicht derart, dass der Kläger deswegen allgemein und ständig von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen wäre.

Eine psychische Erkrankung, die den Kläger hindert ständig und allgemein solche öffentlichen Veranstaltungen zu besuchen, ist nicht dokumentiert. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" sollen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG Baden-Württemberg (19.12.2013 - L 6 SB 1436/13 -) bei Vorliegen einer generalisierten Angststörung mit depressiver Symptomatik erfüllt sein, wenn der Betroffene aufgrund dessen nur noch an einem nicht nennenswerten Teil aller öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Das ist aber beim Kläger nicht der Fall. Dass der Kläger den Tod seiner Lebensgefährtin noch nicht überwunden hat, ist zwar dargelegt, stellt jedoch keine psychische Erkrankung i.S. eines klassifizierten Diagnosemanuals dar. Auch hindert ihn dies nicht per se öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Soweit der Hausarzt S. z.B. für den 23.10.2012 (Blatt 28 der SG-Akte) eine leichte depressive Episode und für den 06.01.2013 (Blatt 30 der SG-Akte, ebenso für den 09.04.2013 Blatt 35 der SG-Akte) eine Depression und eine leichte depressive Episode beschrieben hat, handelt es sich nicht um einen überdauernden und den Kläger in seiner Teilhabefähigkeit hinsichtlich von öffentlichen Veranstaltungen relevant einschränkenden Befund. Dafür spricht vor allem auch, dass der Kläger damals (23.10.2012) zugleich dermatologisch mit dem Ziel behandelt wurde, wenigstens ins Schwimmbad gehen zu können (Blatt 28 der SG-Akte). Soweit der Kläger daher auf den Bericht des Universitätsklinikums T. – Medizinische Klinik – Abteilung Innere Medizin II – vom 04.11.2013 (Blatt 153/162 der SG-Akte) verweisend eine seelisch prekäre Situation und deutlich und ausgeprägtere depressive Stimmungslage vorträgt, konnte der Senat nicht feststellen, dass diese durchgehend bestehen würde und ihn am Besuch öffentlicher Veranstaltungen allgemein und ständig hindern würde. Die vom Kläger angegebenen Panikstörungen sind nicht ärztlich objektiviert bzw. beschrieben, weshalb der Senat hieraus keine Einschränkung der Teilnahmefähigkeit an öffentlichen Veranstaltungen ableiten kann.

Auch die vom Kläger vorgebrachten Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule berechtigen nicht zur Inanspruchnahme des Merkzeichens "RF". Zwar leidet der Kläger an Deckplatteneinbrüchen von BWK 10, 11 sowie LWK 5 nach vorbekannter osteoporotischer Sinterungsfraktur LWK 2 und früheren Deckplatteneinbrüchen BWK 12 und LWK 1. Insoweit ist zwar eine Beeinträchtigung der Wirbelsäulenfunktion nachvollziehbar. Auch die Einschränkungen beim Tragen von Gegenständen über 3 kg, wie sie der Hausarzt S. angegeben hat, sind nachvollziehbar. Darüber hinaus konnten aber weder der Hausarzt S. noch Dr. Sp. Befunde mitteilen, die über die Tatsache dieser wohl auch schmerzhaften Deckplatteneinbrüche bzw. Bandscheibenschäden hinaus wesentliche Einschränkungen hinsichtlich der Teilnahmefähigkeit an öffentlichen Veranstaltungen darlegen würden. So ist auch dem Bericht des Orthopäden B. vom Januar 2012 ein solcher Befund nicht zu entnehmen. Im Bericht der Orthopädischen Klinik des Universitätsklinikums T. vom 22.05.2013 (Blatt 82 der SG-Akte) sind lediglich neu aufgetretene Kreuzschmerzen ohne Ausstrahlung in die Beine und ohne sensomotorische Folgen genannt. Nicht ärztlich dokumentiert und objektivierbar nachvollziehbar ist daher die Angabe des Klägers nicht (im Rollstuhl) sitzen zu können. Auch aus den im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgelegten ärztlichen Berichten lassen sich weder eine relevante orthopädische Behandlung des Wirbelsäulenleidens entnehmen noch wesentliche, über Schmerzen hinausgehende Beeinträchtigungen.

Auch die Achillessehnenruptur, die auf einen Treppensturz im Frühjahr 2013 zurückzuführen ist (vgl. Blatt 85 der SG-Akte), bedeutet lediglich eine vorübergehende wesentliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit des Klägers. Doch bedeutet das nicht, dass der Kläger damit an öffentlichen Veranstaltungen allgemein und ständig nicht teilnehmen kann. So ist dem Bericht der Orthopädischen Klinik der Universitätsklinik T. vom 21.11.2013 (Blatt 161 ff. der SG-Akte) zu entnehmen , dass mit der Achillessehne keine Probleme mehr bestehen. Spätere Beschwerden wurden mit einer vacoped-Versorgung angegangen, also einer die Beweglichkeit fördernden Versorgung.

Soweit der Kläger in Folge der Behandlungen über Krämpfe und Schmerzen in den Beinen (Waden und Kniekehle) geklagt hat, hat ihn diese nicht an der Gehfähigkeit gehindert. So hat er in der Orthopädischen Klinik der Universitätsklinik T. angegeben, diese Schmerzen dauerten ca. 400 bis 500 m Gehstrecke an (vgl. Blatt 118 der SG-Akte). Eine weitergehende Schmerzhaftigkeit und damit eine weitergehende Einschränkung der Gehfähigkeit ist damit nicht dargetan.

Insgesamt wird eine wesentliche Einschränkung der Teilnahmefähigkeit an öffentlichen Veranstaltungen auch nicht durch die Berichte des Universitätsklinikums T. – Medizinische Klinik Abteilung - Innere Medizin II – z.B. vom 22.01.2014 und 29.04.2014 dargetan. Denn dort werden zwar multiple Bandscheibenvorfälle und die osteoporotische Sinterungsfraktur LWK 2 bzw. multisegmentale Deckplatteneinbrüche von BWK 10 bis LWK 2 und LWK 5 angegeben. Insgesamt wird dort aber eine verbesserte Mobilität beschrieben (vgl. Blatt 57 der Senatsakte, Blatt 61 der Senatsakte). Diese Verbesserung der Gehfähigkeit zeigt sich auch daran, dass die Universitätsklinik T. – Medizinische Klinik – Abteilung Innere Medizin II – im Bericht vom 17.11.2014 nicht mehr die Benutzung eines Rollators sondern nunmehr den Übergang zu Gehstützen und Laufen in der Wohnung beschrieben hat (Blatt 66, 68 der Senatsakte: "erfreulicherweise wird die Mobilität langsam besser"); lediglich eine Leistenzerrung behindere die Gehfähigkeit. Aus dem Bericht vom 12.10.2015 (Blatt 85 der Senatsakte) ergibt sich, dass der Kläger nunmehr mit Gehstock etwa zwei Stockwerke steigen konnte, was auch im Bericht vom 18.01.2016 wiederholend angeführt ist. Aus dem Bericht der Orthopädischen Klinik des Universitätsklinikum T. vom 19.03.2014 ergeben sich bei einer frischen Wirbelkörperfraktur LWK 5 und älteren Frakturen der BWK 10 bis LWK 2 bei Osteoporose Schmerzen bei der Mobilität (Blatt 109 der Senatsakte) und deutliche Muskelverspannungen im Bereich der LWS, dagegen war das Lasègue’sche Zeichen negativ, auch Durchblutungs- oder Sensomotorikstörungen ergaben; verordnet wurde das Tragen eines Mieders (Stützkorsett). Soweit das Gutachten des MDK vom 10.07.2013 angibt (Blatt 175 RS der SG-Akte, Seite 4 des Gutachtens), das Stützkorsett schränke die Mobilität erheblich ein, bezieht sich dies auf eine allgemeine körperliche Beweglichkeit z.B. beim Säubern nach der Darmentleerung und nicht auf die Fähigkeit zu gehen, denn insoweit wird ausdrücklich auf die Fähigkeit zu gehen auf der Ebene mit einem Rollator und mit Hilfen bei Transfers verwiesen. Auch die dort genannte erhebliche Mobilitätseinschränkung bei multiplen Bandscheibenvorfällen und Frakturen der LWK bedeutet nicht, dass der Kläger nicht mehr gehen kann. Das ergibt sich auch aus dem Gutachten des MDK, als dort (Seite 7 des Gutachtens = Blatt 177 der SG-Akte) eine Unterstützungs-/Hilfebedürftigkeit beim Treppensteigen und beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung verneint wird. Im späteren Gutachten vom 11.06.2014 (Blatt 184 ff. der SG-Akte) wird das Gehen zwar als kleinschrittig und sehr unsicher beschrieben, doch – ggf. mit Unterstützung - als möglich. Auch hier ist beim Treppensteigen und beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung eine Unterstützung als nicht erforderlich angesehen worden (Seite 7 des Gutachtens = Blatt 191 der SG-Akte). Soweit der Kläger daher auf den Bericht des Universitätsklinikums T. – Medizinische Klinik – Abteilung Innere Medizin II – vom 04.11.2013 (Blatt 153/162 der SG-Akte) verweisend in Folge der Wirbelkörpersinterung und einer Achillessehnenruptur vom Sommer 2013 ein noch stark eingeschränktes Gehen, das außer Haus nur mit Mühe möglich sei, so ist daraus allenfalls ein langsamer Heilungsverlauf hinsichtlich der Achillessehnenruptur abzulesen. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der hier anwesende Kläger beschrieben, dass er nunmehr an einer bzw. zwei Gehstützen mobil ist, woraus der Senat insgesamt eine Verbesserung der Gehfähigkeit entnimmt. Allerdings kann der Senat diesen Befunden und Umständen nicht zu entnehmen, dass der Kläger öffentliche Veranstaltungen ständig und allgemein nicht mehr besuchen könnte.

Das inflammatorische Aortenaneurysma war zuletzt ohne Wachstum und ohne Entzündung beschrieben worden. Dieses bedingt weder eine Beeinträchtigung der Gehfähigkeit noch der Fähigkeit an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Hinsichtlich der Lunge besteht nach Entfernung eines Lungenflügels durchgehend eine nur noch maximal 50%ige Lungenfunktion bei ansonsten stabiler Situation (in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger 49% angegeben). Zwar hat Dr. Sp. gegenüber dem Senat eine Tendenz zur Verschlechterung angegeben, doch lässt sich diese den objektivierbaren Lungenfunktionsparametern nicht entnehmen. So hat der Bericht des Universitätsklinikums T. –Medizinische Klinik – Abteilung Innere Medizin II – vom 18.01.2016, Blatt 93, 96 der Senatsakte eine Stabilisierung auf niedrigen Niveau beschrieben. Die Diffusionskapazität betrug noch immer mit ++1,21 mmol/min/kPa/l entsprechend 93,3 % des Sollwertes. Zwar besteht eine insoweit nachvollziehbare Belastungsdyspnoe, doch schränkt diese nicht die Teilnahme an Veranstaltungen an sich ein, sondern vielmehr allenfalls die Fähigkeit den Veranstaltungsort zu Fuß aufzusuchen. Dies mag eine tatsächliche Erschwernis beim Aufsuchen des Veranstaltungsort darstellen, verursacht jedoch nicht die medizinisch zu begründende Unfähigkeit an öffentlichen Veranstaltungen überhaupt teilzunehmen, worauf es allein ankommt (vgl. Senatsurteil vom 20.09.2013 – L 8 SB 858/12 – juris Rn. 33). Dem Kläger stehen Gehhilfen, gegebenenfalls auch die Nutzung eines Rollstuhls, zur Verfügung und die Heranziehung einer Begleitperson ist ihm ebenso möglich; ihm ist das Merkzeichen "B" zuerkannt. Darüber hinaus sind bei ihm die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" festgestellt, so dass er bei Aufsuchen eines Veranstaltungsortes mit einem Kfz nur noch kurze Wege zu Fuß zurücklegen muss. Eine Atemnot bei Veranstaltungen, wie vom Kläger angeben, konnte ärztlicherseits nicht objektiviert werden. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, er bekomme in geschlossenen Räumen, vor allem auch bei größeren Menschenansammlungen, wegen der damit einhergehenden verbrauchten Luft Atemnot, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Beurteilung, dass ihm dadurch der Zugang zu der überwiegenden Zahl der in Betracht kommenden Veranstaltungen und der dortige Verbleib unmöglich ist. Der Kläger hat ungefragt darauf verwiesen, dass ihm der Aufenthalt im Sitzungssaal wegen des für ihn spürbaren Luftaustauschs über die Klimaanlage und der geringen Anzahl der sich im Sitzungssaal aufhaltenden Personen möglich sei. Der Senat hat während des Verlaufs der mündlichen Verhandlung beim Kläger auch keine Atembeschwerden beobachten können, was nach den medizinischen Befunden und dem Klägervorbringen auch insoweit zu erwarten war. Demgemäß ist davon auszugehen, dass dem Kläger Besuche von Veranstaltungen in klimatisierten Räumen, was u.a. für die meisten, fensterlosen Theatersäle zutreffen dürfte, möglich sind, wie auch die Teilnahme an Veranstaltungen, die gewöhnlich keine große Teilnehmerzahl aufweisen, z.B. Vorträge oder Kleinkunstveranstaltungen, die erwartungsgemäß nur einen kleinen Interessentenkreis ansprechen.

Jedoch wurde wegen der Behandlung des Aneurysmas mit immunsuppressiven Medikamenten (hochdosierte Cortison-Therapie) eine Infektanfälligkeit grds. erhöht (dazu vgl. die Auskunft von Dr. Sp. gegenüber dem Senat; Bericht des Universitätsklinikums T. –Medizinische Klinik – Abteilung Innere Medizin II – vom 18.01.2016, Blatt 93, 96 der Senatsakte: Risiko einer Pneumokokken-Infektion), doch hat sich dieses Risiko seit Feststellung des Aneurysmas nicht im Ansatz verwirklicht – in den regelmäßigen Nachsorgeberichten ist lediglich kurz vor Weihnachten 2014/"zwischen den Jahren" 2014/2015 eine Grippe bzw. eine RSV-Bronchitis beschrieben (vgl. Bericht der Universitätsklinik T. – Medizinische Klinik – Abteilung Innere Medizin II – vom 02.03.2015 (Blatt 70 ff. der Senatsakte), die aber zu keiner relevanten überdauernden Beeinträchtigung geführt hat. Hieraus leitet der Senat ab, dass die Immunabwehr des Klägers zwar herabgesetzt war, jedoch ein völliger Ausfall der Immunabwehr, mit der Folge absoluter Infektanfälligkeit und schwerer Verlaufsformen auch von banalen Infektionserkrankungen, beim Kläger unter der immunsuppressiven Medikationstherapie gerade nicht vorlag. Dass eine solche herabgesetzte Immunabwehr weiterbesteht, konnte der Senat nicht feststellen. Ein immunsuppressives Medikament im Rahmen der Behandlung des Aneurysmas nimmt der Kläger nicht mehr ein. Der hierzu vom Senat befragte Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die langsame Herabsetzung der Cortison-Gabe habe sich zwar verzögert, sei jedoch jetzt abgeschlossen. Lediglich ein bei Bedarf benutztes Asthmaspray enthalte noch eine geringe Menge Cortison. Zudem war auch in der Vergangenheit eine die Infektionsgefahr mindernde, geeignete Prävention medizinisch möglich und diese ist dem Kläger auch zu Gute gekommen. Im Bericht vom 18.01.2016 war eine für Ende Januar 2016 avisierte Pneumokokken-Vakzinierung, die Erzeugung einer aktiven Immunität (aktive Immunisierung) gegen Pneumokokken, vorgeschlagen worden; diese hat der Kläger ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf den von ihm übersandten Arztbrief auch durchführen lassen. Eine Influenzia-Vakzinierung hat somit stattgefunden (Blatt 95 der Senatsakte). Auch führt das Fehlen eines Lungenflügels vorliegend nicht zu einem relevanten spezifischen Infektionsrisiko bei der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, denn die behandelnden Ärzte haben ein solches allenfalls und alleine auf die Cortisonbehandlung wegen des Aneurysmas zurückgeführt. Die bloße Möglichkeit einer Erhöhung des Infektrisikos bedeutet außerdem nicht, dass dadurch grds. eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen allgemein und ständig unmöglich wird. Zwar mag insoweit eine Einschränkung bei bestimmten Witterungslagen oder bestimmten Veranstaltungen bestehen, doch besteht ein Infektrisiko nicht bei allen öffentlichen Veranstaltungen und auch nicht bei allen Wetterlagen (z.B. weniger im Frühjahr, Sommer und Herbst). Insoweit konnte der Senat gerade kein im Verhältnis zum allgemeinen Leben und dem Alltag des Klägers, der durch seine Teilnahme am allgemeinen Verkehr durch Arztbesuche, Einkäufe, Behördenbesuche, Familienfeiern (wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat) usw., mithin durch den ungeschützten Kontakt mit anderen Menschen, geprägt ist, gesteigertes Infektrisiko beim Besuch von öffentlichen Veranstaltungen feststellen.

Insgesamt konnte der Senat feststellen, dass der Kläger zwar in Folge seiner Gesundheitsstörungen körperlich erheblich eingeschränkt ist. Eine Unfähigkeit, allgemein und ständig an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, konnte der Senat dagegen nicht feststellen. Der Senat konnte aber auch das Vorliegen eines gesundheitlich bedingten Härtefalls i.S.d. § 4 Abs. 6 RBStV nicht feststellen. Dieser Härtefall gehört zwar nach der Rechtsprechung des BSG (BSG 16.02.2012 – B 9 SB 2/11 R – SozR 4-3250 § 69 Nr 14 = juris RdNr. 24) zu den gesundheitlichen Merkmalen, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "Rundfunkgebührenbefreiung" sind und die gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX den für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden obliegt. Nach Auffassung des erkennenden Senats liegt ein gesundheitlich bedingter Härtefall mit der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) regelmäßig dann vor, wenn eine Person mit einem GdB von weniger als 80 wegen eines besonderen psychischen Leidens ausnahmsweise an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Eine solche Gesundheitsstörung konnte der Senat ebenso wenig feststellen, wie eine vergleichbar schwere andere Erkrankung, die den Kläger an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ständig und allgemein hindert.

Soweit der Kläger in Folge seiner Behinderungen zwar schwach und im Aktionsradius eingeschränkt ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass er öffentliche Veranstaltungen allgemein und ständig nicht mehr besuchen kann. Denn die mit dieser Schwäche und den Behinderungen einhergehende erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit/Gehfähigkeit im Straßenverkehr sowie die Erforderlichkeit von Hilfen bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln wird bereits durch die ihm zuerkannten Merkzeichen "G" und "B" sowie "aG" erfasst und ausgeglichen. Das Merkzeichen "RF" erfasst dagegen Fälle, in denen ein Verbleiben am Ziel, nämlich die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, allgemein und ständig nicht möglich ist. Dass der Kläger aber allgemein Ziele erreichen kann, ergibt sich schon daraus, dass er in der Lage ist, z.B. seine Ärzte, das LRA und das Gericht sowie Kureinrichtungen zu erreichen und er Einkäufe bei Bedarf selbst erledigen kann; vor dem Senat hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass er dreimal in der Woche außer Haus Krankengymnastik erhält. Zwar handelt es sich bei Arztbesuchen und der Teilnahme an einem nichtöffentlichen Erörterungstermin beim SG – wie der Kläger zutreffend mitteilt – nicht um öffentliche Veranstaltungen, doch zeigen sie, dass der Kläger gerade nicht an seine Wohnung "gefesselt" , sondern im allgemeinen Verkehr mobil ist. Kann der Kläger aber diese allgemeinen Ziele erreichen, kann er auch öffentliche Veranstaltungsorte erreichen. Dass der Kläger aber nach Erreichen des Veranstaltungsortes an öffentlichen Veranstaltungen behinderungsbedingt nicht teilnehmen kann, weil er z.B. dort nicht verbleiben kann oder wegen einer bei solchen Veranstaltungen gesteigerten Infektanfälligkeit daran schon gar nicht teilnehmen kann, konnte der Senat aber nicht feststellen.

Insbesondere lässt sich den ärztlichen Unterlagen nicht entnehmen, dass der Kläger, wie vom SG angegeben, z.B. nicht im Rollstuhl sitzend eine öffentliche Veranstaltung besuchen kann. Warum er – nach eigener Behauptung – nicht im Rollstuhl sitzen kann, konnte der Kläger nicht darlegen und der Senat im Rahmen der Beweisaufnahme nicht feststellen. Vielmehr hat die Beweisaufnahme ergeben, dass keine medizinischen Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Sitzfähigkeit bestehen. So ist z.B. den Gutachten des MDK nicht zu entnehmen, dass der Kläger dauerhaft bettlägerig wäre oder nicht sitzen könnte. Solches haben auch die befragten Ärzte nicht mitgeteilt. Der Kläger war auch für die Dauer des Verhandlungstermins vor dem Senat durchgehend auf einem Stuhl gesessen, was ihm keine erkennbaren Beschwerden verursacht hat. Abgesehen davon hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er die meiste Zeit zu Hause verbringe und zu Hause wechselnde Positionen mit Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen einnehme. Besondere Probleme hinsichtlich einzelner Körperhaltungen waren diesem Vorbringen aber gerade nicht zu entnehmen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.

Auch ein pneumologisches Gutachten war nicht von Amts wegen einzuholen. Das vom Kläger zur "Frage der Lungenfunktion und dem Verbleiben in geschlossenen Räumen vor dem Hintergrund der schwersteingeschränkten respiratorischen Reserve und der sicher erhöhten Infektionsanfälligkeit" beantragte Gutachten war daher nicht von Amts wegen einzuholen. Die erhöhte Infektionsanfälligkeit ist bereits den Aussagen von Dr. Sp. und den Berichten der Universitätsklinik T. zu entnehmen, führt vorliegend aber nicht dazu, dass der Kläger nicht in geschlossenen Räumen verbleiben kann – die Unfähigkeit, an Veranstaltungen in geschlossenen Räumen teilzunehmen, aber als wahr unterstellt, bedeutete dies aber auch keine allgemeine und ständige Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen, denn gerade der Besuch von öffentlichen Veranstaltungen außerhalb geschlossener Räume bliebe noch möglich. Gleiches gilt für die Behauptung einer schwersteingeschränkten respiratorischen Reserve. Die vorhandene respiratorische Reserve, wie auch die Lungenfunktionswerte sind den vorliegenden Berichten über die regelmäßigen, in dreimonatigen Abständen erfolgenden Nachsorgeuntersuchungen zu entnehmen, sodass hierüber nicht weiter Beweis zu erheben ist. Auch die vorhandene respiratorische Reserve, wie auch die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Lungenfunktionswerte, deuten nicht auf eine allgemeine und ständige Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen hin. Denn weder bedeuten die von den Ärzten mitgeteilten Daten, dass der Kläger sich nicht in geschlossenen Räumen aufhalten kann, noch wäre insoweit – eine solche Unmöglichkeit des Verweilens in geschlossenen Räumen als wahr unterstellt - eine allgemeine und ständige Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen dargetan, denn auch hier bliebe der Besuch von öffentlichen Veranstaltungen außerhalb geschlossener Räume möglich. Dass der Kläger aber auch an solchen Veranstaltungen allgemein und ständig nicht teilnehmen kann, hat weder er selbst vorgetragen, noch konnte der Senat solches feststellen. Soweit der Kläger in seiner Klage angegeben hat, auch im Freien Probleme zu haben, so bezieht er diese ausdrücklich auf "engstehende Gruppen, insbesondere wenn in diesen noch geraucht" werde. Solche Situationen sind aber auch bei öffentlichen Veranstaltungen im Freien nicht grds. zwingend und immer gegeben. Vielmehr besteht auch in vielen Freiluftarenen wegen des Brandschutzes ein generelles Rauchverbot. Und bei vielen Außenveranstaltungen, z.B. Parkfeste etc., besteht ausreichend Raum, um Rauchergruppen ausweichen zu können. Damit schließt selbst der Vortrag des Klägers die Möglichkeit ständig und allgemein an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen nicht aus.

Einen Antrag auf Begutachtung nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt, sodass über die Einholung eines Gutachtens insoweit nicht entscheiden werden muss.

Konnte der Senat eine allgemeine und ständige Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht feststellen, liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" nicht vor, weshalb die Berufung zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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