Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 13 U 142/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 213/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 8/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.06.2001 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2000 verurteilt, das Unternehmen der Klägerin an die Beigeladene zu überweisen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird um die Überweisung des Unternehmens der Klägerin von der Beklagten in die Zuständigkeit der Beigeladenen geführt.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Unternehmen, dessen Zweck nach § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 18.12.1989 die Übernahme und Durchführung aller Maßnahmen ist, die geeignet sind, Ärzte und Zahnärzte, die zur ärztlichen Tätigkeit zugelassen sind, sowie Vereinigungen solcher Personen in Laborgemeinschaften, Apparategemeinschaften und ärztlich geleiteten medizinischen Instituten sowie Heilanstalten und Krankenhäuser unter Wahrung der Schweigepflicht und Beachtung der ärztlichen Berufsordnung von den mit dem Ärzteberuf notwendig verbundenen Büro- und Verwaltungsarbeiten sowei organisatorischen Fragen jeder Art zu entlasten. Alleiniger Gesellschafter ist nach § 1 des Gesellschaftsvertrages der eingetragene Verein Privatärztlicher Verrechnungsstelle Westfalen- Nord. Dieser war bis zum 31.12.1951 Mitglied der Berufgenossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung, der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Auf Wunsch des Verbandes der privatärztlichen Verrechnungsstellen wurde unter anderem die Privatärztliche Verrechnungsstelle Westfalen-Nord e.V. rückwirkend zum 01.01.1952 an die Beklagte überwiesen.
Im Februar 1998 beantragte die Klägerin die Überweisung ihres Unternehmens nach § 136 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) an die Beigeladene. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.1999 mit der Begründung ab, sie sei der für die Klägerin zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 121 Abs. 1, § 122 SGB VII in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ihrer Satzung sei sie zuständig für Betriebe, Einrichtungen und Tätigkeiten im Gesundheitswesen. Durch die Bekanntmachung des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 12.04.1943 (Amtliche Nachrichten für die Reichsversicherungsordnung - AN -, Reichsarbeitsblatt 1943, II 183) sei sie auch für die Ärztekammern, die Kassenärztlichen Vereinigungen samt Verrechnungsstellen zuständig. Entsprechendes gelte für privatärztliche Verrechnungsstellen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund seien die im Jahre 1952 bereits bestehenden privatärztlichen Verrechnungsstellen an sie überwiesen worden. Nach § 136 Abs. 1 SGB VII erfolge eine Überweisung nur dann, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig gewesen sei oder sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen geändert habe. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, Art und Gegenstand ihres Unternehmens lägen ausschließlich auf dem Gebiet der Verwaltungstätigkeiten. Sie übe für die ihr angeschlossenen Ärzte Tätigkeiten aus, die im Einzelnen den Tätigkeiten von Inkasso-Unternehmen, Banken, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern entsprächen. Da im Rahmen des § 122 SGB VII Art und Gegenstand des Unternehmens jeweils mit Blick auf die fachspezifische Unfallverhütung zu bewerten sei, ergebe sich zweifelsfrei die Zugehörigkeit der Klägerin zur Beigeladenen. Die mit den von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten verbundenen Gefahren im Hinblick auf die Unfallverhütung seien ausschließlich durch verwaltende Tätigkeiten geprägt. Dagegen habe die Tätigkeit der Klägerin im Hinblick auf die fachspezifische Unfallverhütung nichts mit Tätigkeiten aus dem Bereich Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zu tun. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Selbstverständnis gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ihrer Satzung für Einrichtungen im Gesundheitswesen generell zuständig sei. Eine privatärztliche Verrechnungsstelle als übergeordnete Einrichtung gehöre aber nicht zum Gesundheitswesen. Die Zuständigkeitsbestimmung des RAM vom 12.04.1943 habe in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Zum einen könne eine Verordnung aus dem Jahre 1943 nicht als Verordnung im Sinne des § 122 Abs. 1 SGB VII angesehen werden, zum anderen betreffe die Verordnung lediglich die Kassenärztlichen Vereinigungen und Verrechnungsstellen, nicht aber privatärztlicher Verrechnungsstellen. Mithin seien die Voraussetzungen für eine Überweisung nach § 136 SGB VII erfüllt. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.06.2000).
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der Klage zum Sozialgericht Münster weiterverfolgt. Sie sei eine Verrechnungsstelle, die für ihre Mitglieder Honorarforderungen aus ärztlicher Privatbehandlung berechne und einziehe. Darüber hinaus übernehme sie alle berufsbedingten Büro- und Verwaltungsarbeiten von Ärzten, berate diese in Fragen der elektronischen Datenverarbeitung, der Praxisorganisation und deren Durchführung. Ebenso erfolge eine Beratung und Vertretung der Ärzte in Honorarfragen sowie wirtschaftlichen Fragen der Arztpraxis. Ihre Mitarbeiter übten eine reine Bürotätigkeit aus, wie die Mitarbeiter von Inkassounternehmen, Banken, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern. Bezüglich der Unfallverhütung, des Arbeitsverfahrens und der Betriebseinrichtung entspreche die Art ihres Unternehmens exakt den vorbezeichneten Unternehmen, für die die Beigeladene zuständig sie. Im Hinblick auf die fachspezifische Unfallverhütung habe ihre Tätigkeit nichts mit Tätigkeiten aus dem Bereich Gesundheitsdienst, und Wohlfahrtspflege zu tun. Insbesondere sei sie keine übergeordnete Einrichtung des Gesundheitswesens sondern eine privatrechtlich organisierte Dienstleiterin. Die Bestimmung des RAM aus dem Jahre 1943 betreffe lediglich den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie sei eine privatärztliche und dazu noch privatrechtlich organisierte Verrechnungsstelle. Die Zuordnung zu der Beklagten widerspreche eindeutig und nachhaltig den tatsächlichen und rechtlichen Zuordnungsregeln. Sie sei von Anfang an unrichtig gewesen, so dass die Voraussetzungen des § 136 SGB VII erfüllt seien.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten und ergänzend vorgetragen, Nachteile in der Prävention habe die Klägerin nicht zu befürchten, weil die Beklagte infolge der Vielzahl der Geschäfts- und Verwaltungsstellen in ihrem Kataster in der Lage sei, ihre Prävention darauf auszurichten. Die möglicherweise geringere Beitragsbelastung der Klägerin bei der Beigeladenen stelle keine schwerwiegende Unzuträglichkeit dar.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27.06.2001, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Sie hat die Satzung der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Westfalen-Nord e.V. vorgelegt und die Auffassung vertreten, es sei eine erhebliche organisatorische und inhaltliche Änderung ihrer Tätigkeit eingetreten, weil dieser Verein mit Gesellschaftsvertrag vom 20.11.1989 das gesamte operative Geschäft auf die Klägerin übertragen habe. Nach der Zuständigkeitsregelung im Erlass des RAM vom 16.03.1942 sei ihr Unternehmen eindeutig dem Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zuzuordnen, weil diese für versicherte Personen in Banken, Krediteinrichtungen, Versicherungsunternehmen, Verbänden, Kanzleien und ähnlichen Unternehmen zuständig sei. Ihre Beschäftigten übten exakt eben solche Tätigkeiten aus. Die Beigeladene habe eine höhere Kompetenz im Bereich der Unfallverhütung. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übten reine Bürotätigkeiten aus, die damit verbundenen Unfallgefahren und Gefahren einer Berufskrankheit bezögen sich daher im Wesentlichen auf die Risiken, die eine überwiegend im Sitzen ausgeübte Tätigkeit sowie eine Bildschirmtätigkeit mit sich brächten. Die Beklagte hingegen betreue schwerpunktmäßig Mitglieder, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig nicht überwiegend mit einer im Sitzen ausgeübten Bürotätigkeit betraut seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27. Juni 2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2000 zu verpflichten, sie an die Beigeladene zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hat ihre Satzung vom 09.06.1958 vorgelegt und die Auffassung vertreten, es könne weder ein eindeutiger Widerspruch zu den geltenden Zuständigkeitsregelungen noch eine schwerwiegende Unzuträglichkeit angenommen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf eigenen Wunsch in die Zuständigkeit der Beklagten übernommen worden sei. Der Sachzusammenhang der Tätigkeit der Klägerin mit dem Gesundheitswesen sei auf jeden Fall gegeben. Insoweit liege eine Annexzuständigkeit vor. Dies ergebe sich in analoger Anwendung aus dem Erlass des Reichsarbeitsministers vom 12.04.1943. Die Beklagte sei auch sehr wohl in der Lage Unternehmen wie das der Klägerin präventiv zu betreuen. Sie führe insgesamt 9956 Geschäfts- und Verwaltungsstellen in ihrem Unternehmerverzeichnis. Die Klägerin hat dies bestritten.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat einen Auszug aus ihrer 1943 gültigen Satzung sowie das Mitgliederverzeichnis nach § 2 ihrer Satzung - Stand 01.01.1952 - vorgelegt sowie einen Vermerk vom 16.02.1943 über ein Gespräch zwischen Vertretern der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin über die Zuordnung unter anderem der Kassenärztlichen Verrechnungsstellen. Die Beigeladene hat vorgetragen, zur Mitgliedschaft der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Westfalen-Nord e.V. lägen keine archivierten Vorgänge mehr vor. Von der Namensgebung durchaus vergleichbare Unternehmen seien bei ihr eingetragen. Dies sei aber rechtssystematisch mit dem Fall der Klägerin nicht zu vergleichen, da entscheidend sei, ob die damalige Eintragung eindeutig den Zuständigkeitsregelungen widersprochen habe oder aber zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten geführt habe. Beides sei nicht erkennbar.
Das Gericht hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung eingeholt, wonach weder dort noch im Bundesarchiv Materialien zur Anordnung des Reichsarbeitsministers vom 12.04.1943 vorliegen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Beklagte hat es mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht abgelehnt, das Unternehmen der Klägerin an die Beigeladene zu überweisen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, dann überweist nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII der Unfallversicherungsträger dieses Unternehmen an den zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an den Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Diese Regelung übernimmt die Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift § 664 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach war die Berichtigung einer Eintragung eines Unternehmens in das Unternehmerverzeichnis einer Berufsgenossenschaft nur dann zulässig, wenn sie seinerzeit aufgrund eines so gröblichen Irrtums erfolgt war, dass die weitere Belassung des Betriebes bei der formal zuständig gewordenen Berufsgenossenschaft der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig zuwiderlaufen würde oder wenn schwerwiegende Unzuträglichkeiten nachweisbar wären, welche die Belassung des Betriebes bei der Berufsgenossenschaft als unbillige Härte erscheinen ließe. Diese Aufforderungen hatte das BSG in Anbetracht des seit jeher im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Grundsatzes der Katasterstetigkeit aufgestellt (BSG vom 11.08.1998 - B 2 U 31/97 R -, HVBG-Info 1998, 27, 57 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Angesichts der häufigen Unschärfe der historisch gewachsenen Zuständigkeitsregelungen ist ein eindeutiger Widerspruch zu Zuständigkeitsregelungen nur ausnahmsweise anzunehmen. In Zweifelsfällen ist keine offensichtliche Unrichtigkeit anzunehmen (so zutreffend KassKomm-Ricke Anmerkung 18 zu § 136 SGB VII). Dem folgt der Senat. Auch bei Anlegung eines solch strengen Maßstabs an die Voraussetzungen des § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII widerspricht die durch Überweisung im Jahre 1952 begründete Zuständigkeit der Beklagten in eindeutiger Weise den damals wie auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Regelungen der sachlichen Zuständigkeit. Es ist frei von jedem Zweifel die Zuständigkeit der Beigeladenen begründet.
Das SGB VII wie auch die RVO in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung enthalten keine eigenständige Regelung hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Nach § 122 Abs. 2 SGB VII bleibt jede Berufsgenossenschaft für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war. Eine Rechtsverordnung zur Regelung der sachlichen Zuständigkeit ist weder auf der Grundlage des § 122 Abs. 1 S. 1 SGB VII noch der Vorgängervorschrift § 646 Abs. 2 RVO erlassen worden. Nach Artikel 4 § 11 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (UVNG) vom 30.04.1963 blieb jeder Träger der Unfallversicherung für die Unternehmen zuständig, für die er bisher zuständig war. Nach § 623 RVO in der Fassung des 6. Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 09.03.1942 (RGBl. I, S. 107) umfassten die Berufsgenossenschaften als Träger der Versicherung die Unternehmer der versicherten Betriebe und Tätigkeiten. Mitglied der Berufsgenossenschaft war nach § 649 RVO jeder Unternehmer, dessen Betrieb zu dem ihr zugewiesenen Gewerbezweig gehörte und in deren Bezirk er seinen Sitz hatte. Regelungen über die Zuweisung zu den Gewerbezweigen enthielt die RVO nicht.
Die sachliche Zuständigkeit war vielmehr geregelt im Bundesratsbeschluss vom 22.05.1885 (AN 1885, 143), der als vorkonstitutionelles Recht weiter gilt (ständige Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, vgl. BSGE 39, 112, 113; BSGE 71, 85, 86; Urteil vom 13.10.1993 - 2 RU 23/92 - HVBG-Info 1993, 26, 77 ff.). In diesem Beschluss ist - entsprechend dem Stand des damaligen Berufs- und Erwerbslebens - ein Gewerbezweig, dem privatärztliche Abrechnungsstellen zugerechnet werden könnten, noch nicht aufgeführt. Ein solcher ist auch nicht in dem vom früheren Reichsversicherungsamt (RVA) aufgestellten "Alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige, welche zu den bis zum 1. Oktober 1885 gebildeten Berufsgenossenschaften gehörten" und seinen vom RVA vorgenommenen Fortschreibungen vermerkt (AN 1885, 254; 1886, 134; 1903, 407; 1906, 477; Handbuch der Unfallversicherung, dargestellt von den Mitgliedern des RVA, 3. Band 1910, S. 20 ff.). Auch das in der Folgezeit die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften regelnde Recht enthält keine Zuordnung solcher Unternehmen in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
Die Beklagte wurde durch Verordnung über Träger der Unfallversicherung vom 17.05.1929 (RGBl I, S. 104) errichtet. Ihr gehörten unter anderem die Betriebe und Tätigkeiten an, die nach § 537 Abs. 1 Nr. 4 b der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des 3. Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20.12.1928 (RGBl. I, S. 405) der Unfallversicherung unterliegen. Dazu gehörten Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten, Entbindungsheime und sonstige Anstalten, die Personen zur Kur oder Pflege aufnehmen, ferner Einrichtungen und Tätigkeiten in der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege und im Gesundheitsdienste. Das Unternehmen der Klägerin stellt weder eine Einrichtung im Gesundheitsdienste dar, noch werden dort Tätigkeiten im Gesundheitsdienste verrichtet. Nach gefestigter Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes sind Einrichtungen und Tätigkeiten im Gesundheitsdienste nur solche, bei denen die Sorge für die Gesundheit den Hauptzweck bildet (AN 1930, S. 22, 506; 1931, S. 74; Krohn/Zschimmer/Knoll/Sauerborn/Bauer, Handkommentar zur Reichsversicherungsordnung, Stand März 1940 Anm. 12a zur § 537 RVO; s. auch Schulte-Holthausen, Unfallversicherung 4. Aufl. 1929, Anm. 34 e zu § 537 RVO). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin ohne jeden Zweifel nicht erfüllt.
Einen grundlegenden Wandel in der gesetzlichen Unfallversicherung brachte dass 6. Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 09.03.1942 (RGBl. I, S. 107). Hing der Versicherungsschutz des Einzelnen bis dahin davon, dass der jeweilige Betrieb versichert war, so war Anknüpfungspunkt nunmehr allein die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit. Zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes vom 09.03.1942 konnte der Reichsarbeitsminister im Einvernehmen mit dem beteiligten Reichsministern Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen. Auf dieser Grundlage traf der RAM mit Erlass vom 12.04.1943 eine Regelung dahingehend, dass versicherte Personen in
a) der Reichsärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands,
b) der deutschen Zahnärzteschaft und der zahnärztlichen Vereinigung Deutschlands,
c) der Reichstierärztekammer,
d) der Reichsapothekerkammer und der deutschen Apothekerschaft,
e) dem Reichsverbande deutscher Dentisten und der kassendentistischen Vereinigung Deutschlands,
f) der Reichshebammenschaft und g) der deutschen Heilpraktikerschaft e.V., sämtlich mit ihren Landes-, Provinzial- und Bezirksgruppen, Geschäftsstellen, Unterverbänden und Verrechnungsstellen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zugeteilt werden.
Privatärztliche Verrechnungsstellen sind nicht aufgeführt.
Demgegenüber gibt es eine zweifelsfreie Zuständigkeitszuweisung zur Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der "Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft 68)". Diese war durch Beschluss des Bundesrates vom 10.10.1912 (AN vom 15.10.1912) als "Versicherungsgenossenschaft der Privatfahrzeug- und Reittierbesitzer" errichtet worden. In den 20iger Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte sie zahlreiche Änderungen in ihrer Zuständigkeit, die aber Unternehmen wie die der Klägerin nicht betrafen (siehe dazu im Einzelnen Urteil des LSG Sachsen, Breithaupt 2002, 791, 792), und erhielt am 25.06.1929 den Namen "Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft 68)".
Zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes vom 09.03.1942 traf der RAM mit Erlass vom 16.03.1942 - II a 2660/42 - (AN 1942, II 201) eine Regelung dahingehend, dass versicherte Personen in Banken, Krediteinrichtungen, Versicherungsunternehmen, Verbänden, Kanzleien und ähnlichen Unternehmen, in Verwaltungen, die nicht zu einem anderweit versicherten Unternehmen gehören, sowie Hausbesorger bei der Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung versichert sind. Nr. 10 des Erlasses ermächtigte das RVA Näheres insbesondere auch über die Abgrenzung der Zuständigkeit von Versicherungsträgern zu bestimmen. Nach den Ausführungsbestimmungen des RVA vom 22.04.1942 (AN 1942, II 287) war die Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung unter anderem auch zuständig für die Versicherten in allen überwiegend büromäßig betriebenen Unternehmungen sowie in Unternehmungen, für welche die Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers nicht gegeben ist. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Berufsgenossenschaft unter ihrer alten Bezeichnung neu organisiert und erhielt am 11.05.1954 den Namen, den die Beigeladene noch heute führt.
Das Unternehmen der Klägerin wird ohne jeden Zweifel überwiegend büromäßig betrieben und gehört damit in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen.
Die vom RAM getroffene Zuständigkeitsregelung ist auch nach dem 2. Weltkrieg von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung weiter praktiziert worden und ist vom Bundesgesetzgeber in dessen Willen übernommen worden. Dies ergibt sich daraus, dass sowohl Artikel 4 § 11 UVNG als auch § 122 Abs. 2 SGB VII jeweils die vorbestehenden Zuständigkeiten, die auf vorkonstitutionellem Recht beruhten, übernommen haben. Der RAM-Erlass vom 16.03.1942 und die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen des RVA sind damit bei der Prüfung der Frage, welche Berufsgenossenschaft zuständig ist, zu beachten (so LSG Sachsen, Breithaupt 2002, 791, 794 f. ausdrücklich zu den Ausführungsbestimmungen des RVA vom 22.04.1942; BSGE 39, 112, 113 und 71, 85, 86 ganz allgemein zu den Erlassen des RAM und den Zuweisungen des RVA).
Eine analoge Anwendung des Erlasses des RAM vom 12.04.1943 kommt nicht in Betracht. Es fehlt insoweit an einer Regelungslücke, weil der RAM-Erlass vom 16.03.1942 in Verbindung mit den Ausführungsbestimmungen des RVA vom 22.04.1942 eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Zuständigkeit überwiegend bürogebunden betriebener Unternehmungen trifft. Im Übrigen fehlt es auch an der für eine analoge Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der Tatbestände. Aus dem von der Beigeladenen vorgelegten Vermerk über das Gespräch am 16.02.1943 ergibt sich, dass für die Zuordnung der Kassenärztlichen Vereinigung und ihrer Verrechnungsstellen maßgebend war, dass diese "in den Gesundheitsdienst eingreifen". Davon kann bei den Privatärztlichen Abrechnungsstellen, denen anders als der Kassenärztlichen Vereinigung keinerlei hoheitliche Befugnisse im Gesundheitswesen zustehen, nicht die Rede sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird um die Überweisung des Unternehmens der Klägerin von der Beklagten in die Zuständigkeit der Beigeladenen geführt.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Unternehmen, dessen Zweck nach § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 18.12.1989 die Übernahme und Durchführung aller Maßnahmen ist, die geeignet sind, Ärzte und Zahnärzte, die zur ärztlichen Tätigkeit zugelassen sind, sowie Vereinigungen solcher Personen in Laborgemeinschaften, Apparategemeinschaften und ärztlich geleiteten medizinischen Instituten sowie Heilanstalten und Krankenhäuser unter Wahrung der Schweigepflicht und Beachtung der ärztlichen Berufsordnung von den mit dem Ärzteberuf notwendig verbundenen Büro- und Verwaltungsarbeiten sowei organisatorischen Fragen jeder Art zu entlasten. Alleiniger Gesellschafter ist nach § 1 des Gesellschaftsvertrages der eingetragene Verein Privatärztlicher Verrechnungsstelle Westfalen- Nord. Dieser war bis zum 31.12.1951 Mitglied der Berufgenossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung, der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Auf Wunsch des Verbandes der privatärztlichen Verrechnungsstellen wurde unter anderem die Privatärztliche Verrechnungsstelle Westfalen-Nord e.V. rückwirkend zum 01.01.1952 an die Beklagte überwiesen.
Im Februar 1998 beantragte die Klägerin die Überweisung ihres Unternehmens nach § 136 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) an die Beigeladene. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.1999 mit der Begründung ab, sie sei der für die Klägerin zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 121 Abs. 1, § 122 SGB VII in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ihrer Satzung sei sie zuständig für Betriebe, Einrichtungen und Tätigkeiten im Gesundheitswesen. Durch die Bekanntmachung des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 12.04.1943 (Amtliche Nachrichten für die Reichsversicherungsordnung - AN -, Reichsarbeitsblatt 1943, II 183) sei sie auch für die Ärztekammern, die Kassenärztlichen Vereinigungen samt Verrechnungsstellen zuständig. Entsprechendes gelte für privatärztliche Verrechnungsstellen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund seien die im Jahre 1952 bereits bestehenden privatärztlichen Verrechnungsstellen an sie überwiesen worden. Nach § 136 Abs. 1 SGB VII erfolge eine Überweisung nur dann, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig gewesen sei oder sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen geändert habe. Beide Voraussetzungen seien nicht erfüllt.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, Art und Gegenstand ihres Unternehmens lägen ausschließlich auf dem Gebiet der Verwaltungstätigkeiten. Sie übe für die ihr angeschlossenen Ärzte Tätigkeiten aus, die im Einzelnen den Tätigkeiten von Inkasso-Unternehmen, Banken, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern entsprächen. Da im Rahmen des § 122 SGB VII Art und Gegenstand des Unternehmens jeweils mit Blick auf die fachspezifische Unfallverhütung zu bewerten sei, ergebe sich zweifelsfrei die Zugehörigkeit der Klägerin zur Beigeladenen. Die mit den von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten verbundenen Gefahren im Hinblick auf die Unfallverhütung seien ausschließlich durch verwaltende Tätigkeiten geprägt. Dagegen habe die Tätigkeit der Klägerin im Hinblick auf die fachspezifische Unfallverhütung nichts mit Tätigkeiten aus dem Bereich Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zu tun. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Selbstverständnis gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ihrer Satzung für Einrichtungen im Gesundheitswesen generell zuständig sei. Eine privatärztliche Verrechnungsstelle als übergeordnete Einrichtung gehöre aber nicht zum Gesundheitswesen. Die Zuständigkeitsbestimmung des RAM vom 12.04.1943 habe in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Zum einen könne eine Verordnung aus dem Jahre 1943 nicht als Verordnung im Sinne des § 122 Abs. 1 SGB VII angesehen werden, zum anderen betreffe die Verordnung lediglich die Kassenärztlichen Vereinigungen und Verrechnungsstellen, nicht aber privatärztlicher Verrechnungsstellen. Mithin seien die Voraussetzungen für eine Überweisung nach § 136 SGB VII erfüllt. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.06.2000).
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der Klage zum Sozialgericht Münster weiterverfolgt. Sie sei eine Verrechnungsstelle, die für ihre Mitglieder Honorarforderungen aus ärztlicher Privatbehandlung berechne und einziehe. Darüber hinaus übernehme sie alle berufsbedingten Büro- und Verwaltungsarbeiten von Ärzten, berate diese in Fragen der elektronischen Datenverarbeitung, der Praxisorganisation und deren Durchführung. Ebenso erfolge eine Beratung und Vertretung der Ärzte in Honorarfragen sowie wirtschaftlichen Fragen der Arztpraxis. Ihre Mitarbeiter übten eine reine Bürotätigkeit aus, wie die Mitarbeiter von Inkassounternehmen, Banken, Rechtsanwälten und Unternehmensberatern. Bezüglich der Unfallverhütung, des Arbeitsverfahrens und der Betriebseinrichtung entspreche die Art ihres Unternehmens exakt den vorbezeichneten Unternehmen, für die die Beigeladene zuständig sie. Im Hinblick auf die fachspezifische Unfallverhütung habe ihre Tätigkeit nichts mit Tätigkeiten aus dem Bereich Gesundheitsdienst, und Wohlfahrtspflege zu tun. Insbesondere sei sie keine übergeordnete Einrichtung des Gesundheitswesens sondern eine privatrechtlich organisierte Dienstleiterin. Die Bestimmung des RAM aus dem Jahre 1943 betreffe lediglich den Bereich der Kassenärztlichen Vereinigungen. Sie sei eine privatärztliche und dazu noch privatrechtlich organisierte Verrechnungsstelle. Die Zuordnung zu der Beklagten widerspreche eindeutig und nachhaltig den tatsächlichen und rechtlichen Zuordnungsregeln. Sie sei von Anfang an unrichtig gewesen, so dass die Voraussetzungen des § 136 SGB VII erfüllt seien.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten und ergänzend vorgetragen, Nachteile in der Prävention habe die Klägerin nicht zu befürchten, weil die Beklagte infolge der Vielzahl der Geschäfts- und Verwaltungsstellen in ihrem Kataster in der Lage sei, ihre Prävention darauf auszurichten. Die möglicherweise geringere Beitragsbelastung der Klägerin bei der Beigeladenen stelle keine schwerwiegende Unzuträglichkeit dar.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27.06.2001, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Sie hat die Satzung der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Westfalen-Nord e.V. vorgelegt und die Auffassung vertreten, es sei eine erhebliche organisatorische und inhaltliche Änderung ihrer Tätigkeit eingetreten, weil dieser Verein mit Gesellschaftsvertrag vom 20.11.1989 das gesamte operative Geschäft auf die Klägerin übertragen habe. Nach der Zuständigkeitsregelung im Erlass des RAM vom 16.03.1942 sei ihr Unternehmen eindeutig dem Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zuzuordnen, weil diese für versicherte Personen in Banken, Krediteinrichtungen, Versicherungsunternehmen, Verbänden, Kanzleien und ähnlichen Unternehmen zuständig sei. Ihre Beschäftigten übten exakt eben solche Tätigkeiten aus. Die Beigeladene habe eine höhere Kompetenz im Bereich der Unfallverhütung. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übten reine Bürotätigkeiten aus, die damit verbundenen Unfallgefahren und Gefahren einer Berufskrankheit bezögen sich daher im Wesentlichen auf die Risiken, die eine überwiegend im Sitzen ausgeübte Tätigkeit sowie eine Bildschirmtätigkeit mit sich brächten. Die Beklagte hingegen betreue schwerpunktmäßig Mitglieder, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig nicht überwiegend mit einer im Sitzen ausgeübten Bürotätigkeit betraut seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27. Juni 2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2000 zu verpflichten, sie an die Beigeladene zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hat ihre Satzung vom 09.06.1958 vorgelegt und die Auffassung vertreten, es könne weder ein eindeutiger Widerspruch zu den geltenden Zuständigkeitsregelungen noch eine schwerwiegende Unzuträglichkeit angenommen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin auf eigenen Wunsch in die Zuständigkeit der Beklagten übernommen worden sei. Der Sachzusammenhang der Tätigkeit der Klägerin mit dem Gesundheitswesen sei auf jeden Fall gegeben. Insoweit liege eine Annexzuständigkeit vor. Dies ergebe sich in analoger Anwendung aus dem Erlass des Reichsarbeitsministers vom 12.04.1943. Die Beklagte sei auch sehr wohl in der Lage Unternehmen wie das der Klägerin präventiv zu betreuen. Sie führe insgesamt 9956 Geschäfts- und Verwaltungsstellen in ihrem Unternehmerverzeichnis. Die Klägerin hat dies bestritten.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat einen Auszug aus ihrer 1943 gültigen Satzung sowie das Mitgliederverzeichnis nach § 2 ihrer Satzung - Stand 01.01.1952 - vorgelegt sowie einen Vermerk vom 16.02.1943 über ein Gespräch zwischen Vertretern der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin über die Zuordnung unter anderem der Kassenärztlichen Verrechnungsstellen. Die Beigeladene hat vorgetragen, zur Mitgliedschaft der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Westfalen-Nord e.V. lägen keine archivierten Vorgänge mehr vor. Von der Namensgebung durchaus vergleichbare Unternehmen seien bei ihr eingetragen. Dies sei aber rechtssystematisch mit dem Fall der Klägerin nicht zu vergleichen, da entscheidend sei, ob die damalige Eintragung eindeutig den Zuständigkeitsregelungen widersprochen habe oder aber zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten geführt habe. Beides sei nicht erkennbar.
Das Gericht hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung eingeholt, wonach weder dort noch im Bundesarchiv Materialien zur Anordnung des Reichsarbeitsministers vom 12.04.1943 vorliegen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Die Beklagte hat es mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht abgelehnt, das Unternehmen der Klägerin an die Beigeladene zu überweisen. War die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig oder ändert sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen, dann überweist nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII der Unfallversicherungsträger dieses Unternehmen an den zuständigen Unfallversicherungsträger. Die Feststellung der Zuständigkeit war von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an den Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde (§ 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Diese Regelung übernimmt die Rechtsprechung zur Vorgängervorschrift § 664 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach war die Berichtigung einer Eintragung eines Unternehmens in das Unternehmerverzeichnis einer Berufsgenossenschaft nur dann zulässig, wenn sie seinerzeit aufgrund eines so gröblichen Irrtums erfolgt war, dass die weitere Belassung des Betriebes bei der formal zuständig gewordenen Berufsgenossenschaft der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung eindeutig zuwiderlaufen würde oder wenn schwerwiegende Unzuträglichkeiten nachweisbar wären, welche die Belassung des Betriebes bei der Berufsgenossenschaft als unbillige Härte erscheinen ließe. Diese Aufforderungen hatte das BSG in Anbetracht des seit jeher im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Grundsatzes der Katasterstetigkeit aufgestellt (BSG vom 11.08.1998 - B 2 U 31/97 R -, HVBG-Info 1998, 27, 57 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Angesichts der häufigen Unschärfe der historisch gewachsenen Zuständigkeitsregelungen ist ein eindeutiger Widerspruch zu Zuständigkeitsregelungen nur ausnahmsweise anzunehmen. In Zweifelsfällen ist keine offensichtliche Unrichtigkeit anzunehmen (so zutreffend KassKomm-Ricke Anmerkung 18 zu § 136 SGB VII). Dem folgt der Senat. Auch bei Anlegung eines solch strengen Maßstabs an die Voraussetzungen des § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII widerspricht die durch Überweisung im Jahre 1952 begründete Zuständigkeit der Beklagten in eindeutiger Weise den damals wie auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Regelungen der sachlichen Zuständigkeit. Es ist frei von jedem Zweifel die Zuständigkeit der Beigeladenen begründet.
Das SGB VII wie auch die RVO in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung enthalten keine eigenständige Regelung hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Nach § 122 Abs. 2 SGB VII bleibt jede Berufsgenossenschaft für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war. Eine Rechtsverordnung zur Regelung der sachlichen Zuständigkeit ist weder auf der Grundlage des § 122 Abs. 1 S. 1 SGB VII noch der Vorgängervorschrift § 646 Abs. 2 RVO erlassen worden. Nach Artikel 4 § 11 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (UVNG) vom 30.04.1963 blieb jeder Träger der Unfallversicherung für die Unternehmen zuständig, für die er bisher zuständig war. Nach § 623 RVO in der Fassung des 6. Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 09.03.1942 (RGBl. I, S. 107) umfassten die Berufsgenossenschaften als Träger der Versicherung die Unternehmer der versicherten Betriebe und Tätigkeiten. Mitglied der Berufsgenossenschaft war nach § 649 RVO jeder Unternehmer, dessen Betrieb zu dem ihr zugewiesenen Gewerbezweig gehörte und in deren Bezirk er seinen Sitz hatte. Regelungen über die Zuweisung zu den Gewerbezweigen enthielt die RVO nicht.
Die sachliche Zuständigkeit war vielmehr geregelt im Bundesratsbeschluss vom 22.05.1885 (AN 1885, 143), der als vorkonstitutionelles Recht weiter gilt (ständige Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, vgl. BSGE 39, 112, 113; BSGE 71, 85, 86; Urteil vom 13.10.1993 - 2 RU 23/92 - HVBG-Info 1993, 26, 77 ff.). In diesem Beschluss ist - entsprechend dem Stand des damaligen Berufs- und Erwerbslebens - ein Gewerbezweig, dem privatärztliche Abrechnungsstellen zugerechnet werden könnten, noch nicht aufgeführt. Ein solcher ist auch nicht in dem vom früheren Reichsversicherungsamt (RVA) aufgestellten "Alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige, welche zu den bis zum 1. Oktober 1885 gebildeten Berufsgenossenschaften gehörten" und seinen vom RVA vorgenommenen Fortschreibungen vermerkt (AN 1885, 254; 1886, 134; 1903, 407; 1906, 477; Handbuch der Unfallversicherung, dargestellt von den Mitgliedern des RVA, 3. Band 1910, S. 20 ff.). Auch das in der Folgezeit die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften regelnde Recht enthält keine Zuordnung solcher Unternehmen in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten.
Die Beklagte wurde durch Verordnung über Träger der Unfallversicherung vom 17.05.1929 (RGBl I, S. 104) errichtet. Ihr gehörten unter anderem die Betriebe und Tätigkeiten an, die nach § 537 Abs. 1 Nr. 4 b der Reichsversicherungsordnung in der Fassung des 3. Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20.12.1928 (RGBl. I, S. 405) der Unfallversicherung unterliegen. Dazu gehörten Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten, Entbindungsheime und sonstige Anstalten, die Personen zur Kur oder Pflege aufnehmen, ferner Einrichtungen und Tätigkeiten in der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege und im Gesundheitsdienste. Das Unternehmen der Klägerin stellt weder eine Einrichtung im Gesundheitsdienste dar, noch werden dort Tätigkeiten im Gesundheitsdienste verrichtet. Nach gefestigter Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes sind Einrichtungen und Tätigkeiten im Gesundheitsdienste nur solche, bei denen die Sorge für die Gesundheit den Hauptzweck bildet (AN 1930, S. 22, 506; 1931, S. 74; Krohn/Zschimmer/Knoll/Sauerborn/Bauer, Handkommentar zur Reichsversicherungsordnung, Stand März 1940 Anm. 12a zur § 537 RVO; s. auch Schulte-Holthausen, Unfallversicherung 4. Aufl. 1929, Anm. 34 e zu § 537 RVO). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin ohne jeden Zweifel nicht erfüllt.
Einen grundlegenden Wandel in der gesetzlichen Unfallversicherung brachte dass 6. Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 09.03.1942 (RGBl. I, S. 107). Hing der Versicherungsschutz des Einzelnen bis dahin davon, dass der jeweilige Betrieb versichert war, so war Anknüpfungspunkt nunmehr allein die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit. Zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes vom 09.03.1942 konnte der Reichsarbeitsminister im Einvernehmen mit dem beteiligten Reichsministern Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen. Auf dieser Grundlage traf der RAM mit Erlass vom 12.04.1943 eine Regelung dahingehend, dass versicherte Personen in
a) der Reichsärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands,
b) der deutschen Zahnärzteschaft und der zahnärztlichen Vereinigung Deutschlands,
c) der Reichstierärztekammer,
d) der Reichsapothekerkammer und der deutschen Apothekerschaft,
e) dem Reichsverbande deutscher Dentisten und der kassendentistischen Vereinigung Deutschlands,
f) der Reichshebammenschaft und g) der deutschen Heilpraktikerschaft e.V., sämtlich mit ihren Landes-, Provinzial- und Bezirksgruppen, Geschäftsstellen, Unterverbänden und Verrechnungsstellen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege zugeteilt werden.
Privatärztliche Verrechnungsstellen sind nicht aufgeführt.
Demgegenüber gibt es eine zweifelsfreie Zuständigkeitszuweisung zur Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der "Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft 68)". Diese war durch Beschluss des Bundesrates vom 10.10.1912 (AN vom 15.10.1912) als "Versicherungsgenossenschaft der Privatfahrzeug- und Reittierbesitzer" errichtet worden. In den 20iger Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte sie zahlreiche Änderungen in ihrer Zuständigkeit, die aber Unternehmen wie die der Klägerin nicht betrafen (siehe dazu im Einzelnen Urteil des LSG Sachsen, Breithaupt 2002, 791, 792), und erhielt am 25.06.1929 den Namen "Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft 68)".
Zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes vom 09.03.1942 traf der RAM mit Erlass vom 16.03.1942 - II a 2660/42 - (AN 1942, II 201) eine Regelung dahingehend, dass versicherte Personen in Banken, Krediteinrichtungen, Versicherungsunternehmen, Verbänden, Kanzleien und ähnlichen Unternehmen, in Verwaltungen, die nicht zu einem anderweit versicherten Unternehmen gehören, sowie Hausbesorger bei der Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung versichert sind. Nr. 10 des Erlasses ermächtigte das RVA Näheres insbesondere auch über die Abgrenzung der Zuständigkeit von Versicherungsträgern zu bestimmen. Nach den Ausführungsbestimmungen des RVA vom 22.04.1942 (AN 1942, II 287) war die Genossenschaft für Reichsgesetzliche Unfallversicherung unter anderem auch zuständig für die Versicherten in allen überwiegend büromäßig betriebenen Unternehmungen sowie in Unternehmungen, für welche die Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers nicht gegeben ist. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Berufsgenossenschaft unter ihrer alten Bezeichnung neu organisiert und erhielt am 11.05.1954 den Namen, den die Beigeladene noch heute führt.
Das Unternehmen der Klägerin wird ohne jeden Zweifel überwiegend büromäßig betrieben und gehört damit in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen.
Die vom RAM getroffene Zuständigkeitsregelung ist auch nach dem 2. Weltkrieg von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung weiter praktiziert worden und ist vom Bundesgesetzgeber in dessen Willen übernommen worden. Dies ergibt sich daraus, dass sowohl Artikel 4 § 11 UVNG als auch § 122 Abs. 2 SGB VII jeweils die vorbestehenden Zuständigkeiten, die auf vorkonstitutionellem Recht beruhten, übernommen haben. Der RAM-Erlass vom 16.03.1942 und die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen des RVA sind damit bei der Prüfung der Frage, welche Berufsgenossenschaft zuständig ist, zu beachten (so LSG Sachsen, Breithaupt 2002, 791, 794 f. ausdrücklich zu den Ausführungsbestimmungen des RVA vom 22.04.1942; BSGE 39, 112, 113 und 71, 85, 86 ganz allgemein zu den Erlassen des RAM und den Zuweisungen des RVA).
Eine analoge Anwendung des Erlasses des RAM vom 12.04.1943 kommt nicht in Betracht. Es fehlt insoweit an einer Regelungslücke, weil der RAM-Erlass vom 16.03.1942 in Verbindung mit den Ausführungsbestimmungen des RVA vom 22.04.1942 eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Zuständigkeit überwiegend bürogebunden betriebener Unternehmungen trifft. Im Übrigen fehlt es auch an der für eine analoge Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der Tatbestände. Aus dem von der Beigeladenen vorgelegten Vermerk über das Gespräch am 16.02.1943 ergibt sich, dass für die Zuordnung der Kassenärztlichen Vereinigung und ihrer Verrechnungsstellen maßgebend war, dass diese "in den Gesundheitsdienst eingreifen". Davon kann bei den Privatärztlichen Abrechnungsstellen, denen anders als der Kassenärztlichen Vereinigung keinerlei hoheitliche Befugnisse im Gesundheitswesen zustehen, nicht die Rede sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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