Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 10 RS 729/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 275/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 13/16 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Geltendmachung zusätzlicher Arbeitsentgelte in Form von Jahresenprämien
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2013 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2009 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 26. April 2002 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 17. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 sowie in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013 verurteilt, weitere Arbeitsentgelte im Rahmen der festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben festzustellen: Jahr Höhe in Mark 1973 575,38 1974 581,84 1975 552,96 1976 596,45 1977 651,84 1978 657,74 1979 686,58 1980 717,01 1981 724,27 1982 803,04 1983 727,46 1984 706,57 1985 661,88 1986 796,59 1987 714,52 1988 819,82 1989 650,38 1990 834,21 Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Zeitraum 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990, der als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt ist, höhere Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien festzustellen.
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin des verstorbenen U ... (nachfolgend: Versicherter). Dem 1941 geborenen Versicherten wurde mit Urkunde vom 23. Juni 1970 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (vgl. Bl. 28 Verwaltungsakte [VA]). Am 22. August 1967 hatte er die Techniker-Prüfung an der Ingenieurschule für wissenschaftlichen Gerätebau "Z ..." J ... bestanden (Bl. 27 VA). Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er als Dreher im Volkseigenen Betrieb (VEB) Halbleiterwerk O ... Vom 1. Januar bis 15. August 1970 war er in diesem VEB als Techniker und bis zum 31. Mai 1972 als Anlagenbauleiter im VEB Kombinat Robotron Zentralvertrieb beschäftigt. Vom 1. Juni 1972 bis zum 31. Dezember 1980 war er als Bauleiter im VEB Braunkohlenbohrungen und Schachtbau W ... (BuS W ...) bzw. vom 1. Januar 1981 bis zum 30. Juni 1990 im VE Braunkohlenkombinat Y ... tätig (vgl. Sozialversicherungsausweis, Anhang VA, und Arbeitsvertrag Bl. 22 VA).
Mit Feststellungsbescheid vom 26. April 2002 (Bl. 13 VA) stellte die Beklagte die Zeiträume 1. August 1967 bis 15. August 1970 sowie 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest. Mit Überprüfungsantrag vom 10. Januar 2008 (Bl. 2 VA) begehrte der Versicherte die Feststellung höherer Entgelte unter Einbeziehung von Jahresendprämien. Zur Glaubhaftmachung legte er schriftliche Erklärungen der ehemaligen Arbeitskollegen D ... und R ..., die angaben, dass der Versicherte u.a. Jahresendprämien erhalten habe, vor (Bl. 44 f. VA). Anfragen der Beklagten zur Zahlung von Jahresendprämien bei der RHENUS Office Systems GmbH, der Vattenfall Europe Mining AG und der MIBRAG mbH blieben erfolglos (Bl. 46, 52 und 243 VA). Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Auf den Widerspruch des Versicherten stellte die Beklagte nach Einholung einer weiteren Auskunft bei der RHENUS Office Systems GmbH mit Feststellungsbescheid vom 17. Mai 2010 höhere Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen im Bergbau für den Zeitraum 1973 bis 1990 fest (Bl. 75 f. VA). Nach Einholung einer weiteren Erklärung des Zeugen Röthel wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Jahresendprämien mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2011 ab.
Mit seiner am 5. Mai 2011 vor dem Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage hat der Versicherte sein Begehren hinsichtlich der Berücksichtigung von Jahresendprämien in den Zeiträumen 1. August 1967 bis 15. August 1970 sowie 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990 weiterverfolgt (Bl. 151 GA). Soweit er zunächst die Feststellung weiterer Entgelte in Form von "Auslöse" und Deputat sowie die Feststellung weiterer Zeiten begehrte, hat er die Klage mit Schreiben vom 25. Juni 2013 zurückgenommen und die Beklagte gebeten, hierüber im Verwaltungsverfahren zu entscheiden. Das Sozialgericht hat die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht Chemnitz am 22. Januar 2013 (L 5 RS 12/11) mit Vernehmung der Zeugen C ..., D ... und des Versicherten (Bl. 59 ff. Gerichtsakte [GA]) beigezogen und die Klage nach persönlicher Vernehmung der Zeugen D ... und C ... mit Urteil vom 2. Dezember 2013 abgewiesen. Die Zahlung und Höhe der Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Mit Feststellungsbescheid vom 26. November 2013 stellte die Beklagte die Zeit vom 7. September 1970 bis 31. Mai 1972 als weitere Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG fest und hob den Bescheid vom 28. Dezember 2009 in der Fassung des Bescheides vom 17. Mai 2010 auf, soweit er diesem Bescheid entgegensteht (Bl. 187 VA). Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Versicherte im Verwaltungsverfahren die Berücksichtigung weiterer Entgeltbestandteile, insbesondere tägliche "Auslöse" und jährliches Kohledeputat, begehrt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Versicherte vor dem Sozialgericht Leipzig Klage erhoben, die nunmehr von seiner Rechtsnachfolgerin, Frau A ..., unter dem Aktenzeichen S 17 RS 222/16 fortgeführt wird.
Gegen das am 3. März 2014 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 24. März 2014 Berufung eingelegt. Der Zufluss der Jahresendprämie sei durch die schriftlichen Zeugenerklärungen glaubhaft gemacht. Die Höhe sei nach der Rechtsprechung des Senats zu schätzen. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der Feststellung höherer Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien für den Zeitraum 1. August 1967 bis 15. August 1970 zurückgenommen (Bl. 160 GA).
Die Klägerin beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2009 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 26. April 2002 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 17. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 sowie in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013 zu verurteilen, Jahresendprämien für den Zeitraum 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Das Gericht hat den Zeugen C ... nochmals schriftlich zur Zahlung von Jahresendprämien befragt.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte, ohne mündlich zu verhandeln, entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Überprüfungsbescheid vom 28. Oktober 2009 sowie der Feststellungsbescheid vom 26. April 2002 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 17. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 sowie in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013. Dieser ist nach § 96 SGG Gegenstand Klageverfahrens geworden. Danach wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der Feststellungsbescheid vom 26. November 2013 ist nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 ergangen und ändert den Regelungsgegenstand des Bescheides vom 17. Mai 2012 insoweit, als damit weitere Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG festgestellt werden. Streitig in diesem Verfahren ist jedoch (weiterhin) allein die Feststellung höherer Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von für den Zeitraum 1. Juni 1972 bis 31. Dezember 1989 im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 gezahlten Jahresendprämien. Darüber hinausgehende Klageanträge wurden nicht weiterverfolgt bzw. ausdrücklich zurückgenommen.
Die Berufung ist größtenteils begründet. Das Sozialgericht Leipzig hat die Klage mit Urteil vom 2. Dezember 2013 zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Berücksichtigung höherer Entgelte im tenorierten Umfang begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 und dieser in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten in ihren Rechten.
Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag des Versicherten nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu Unrecht abgelehnt, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies ist der Fall. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 26. April 2002 zuletzt in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013 ist dahingehend abzuändern, dass im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.
Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversor-gungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volksei-genen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 26. November 2013 die Zeit vom 1. August 1967 bis 15. August 1970 sowie vom 7. September 1970 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte für den Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeits-entgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 25 m.w.N.)
1. Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des BSG auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des BSG im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben, war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 31).
Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Die Klägerin hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass dem Versicherten ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.
Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile vom 21. Juli 2015 – L 5 RS 668/14 –, vom 12. Mai 2015 – L 5 RS 424/14 – und vom 28. April 2015 – L 5 RS 450/14 – sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 – L 33 R 151/13 – juris Rn. 38).
2. Die Klägerin hat den Zufluss von Jahresendprämien an den Versicherten im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu die Ausführungen unter a). Die Höhe der Jahresendprämien hat sie weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Insoweit macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung gebrauch (dazu Ausführungen unter b). Für den Zeitraum 1. Juni bis 31. Dezember 1972 ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass Prämien zugeflossen sind (dazu Ausführungen unter c).
a) Ihr Zufluss konnte im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht werden.
aa) Die Klägerin verfügt nicht über die Quittungen, auf denen die Barauszahlung der jeweiligen Prämie an den Versicherten bestätigt wurde. Auch Bescheinigungen über Jahresendprämien, wie sie von den Zeugen C ... und D ... im Verfahren vor dem Sozialgericht vorgelegt wurden (vgl. Protokoll zum Termin zur Beweisaufnahme vom 16. September 2013, Bl. 117 ff. GA), konnte die Klägerin für den Versicherten nicht vorweisen. Die Zeugenaussagen sind ebenfalls nicht geeignet, konkrete Prämienzahlungen an den Versicherten nachzuweisen. Angaben zu an ihn in bestimmter Höhe ausgezahlte Jahresendprämien konnte keiner der Zeugen machen. Die Prämien seien nicht im Kollektiv ausgezahlt worden, sondern jeder Einzelne habe sich die Prämie im Lohnbüro abgeholt.
bb) Jedoch konnte die Klägerin den Zufluss der geltend gemachten Prämien an den Versicherten glaubhaft machen.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 – BSGE 45, 9 ff – juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 – 12 RK 42/80 – BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 – juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 – juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben – Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit – reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 – juris Rn. 5).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der Jahresendprämien durch den Versicherten in den Jahren 1973 bis 1990 (30. Juni) vorlagen und er sie jeweils erhalten hat.
(1) Ausweislich der Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) war er während der gesamten Jahre 1973 bis 1989 im VEB BuS W ... bzw. VE Braunkohlenkombinat Y ... beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie vorausgesetzt war.
Zwar war er im Jahr 1972 nur sieben Monate (vom 1. Juni bis 31. Dezember) im VEB BuS W ... beschäftigt und vom 1. Januar bis 31. Mai noch im VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb Anlagenbau B ... Jedoch lagen die Voraussetzungen einer der im AGB-DDR vorgesehenen Ausnahmen, in denen Anspruch auf anteilige Jahresendprämie besteht, vor. Nach § 117 Abs. 2 Buchstabe e) AGB-DDR bestand Anspruch auf anteilige Jahresendprämie u.a. bei einem Betriebswechsel aufgrund gesellschaftlicher Erfordernisse. Aus der vom Versicherten im Verwaltungsverfahren vorgelegten beglaubigten Aktennotiz vom 28. April 1972 über ein Kadergespräch zwischen dem Versicherten und Leitenden Mitarbeitern des VEB Kombinat Robotron Zentralvertrieb Anlagenbau B ... sowie des VEB BuS W ... zwecks Übernahme des Versicherten vom VEB Robotron zum VEB BuS W ... (Bl. 19 VA) geht hervor, dass mit Wirkung vom 31. Mai 1972 das bestehende Arbeitsverhältnis mit dem VEB Robotron durch Aufhebungsvertrag gelöst und mit Wirkung vom 1. Juni 1972 ein neues Arbeitsverhältnis mit dem VEB BuS W ... abgeschlossen wird. Grundlage der Übernahme ist nach den Ausführungen in der Notiz die Vereinbarung des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik und des Ministers für Kohle und Energie zur Stabilisierung der Kohle- und Energiewirtschaft vom 1. November 1971 und die dazu ergangenen Weisungen und Maßnahmenpläne der VVB Braunkohle. Daraus ergibt sich, dass der Wechsel des Versicherten zum VEB BuS W ... nicht auf eigenen Wunsch erfolgte, sondern aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Vorgänger- und neuen Beschäftigungsbetriebes zur Unterstützung der Kohle- und Energiewirtschaft. Dem entsprechend ist darauf hingewiesen, dass der VEB BuS W ... zusätzliche Belohnungen entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen gewährt.
(2) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Versicherte angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie der Versicherte und sein Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.
Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972 – (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe – Prämienfond-VO 1982 – (BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.
Aufgrund der Angaben der Zeugen C ... und D ... ist zudem glaubhaft gemacht, dass sowohl im VEB BuS W ... als auch im VE Braunkohlekombinat Y ... generell Jahresendprämien gezahlt wurden und auch der Versicherte sowie das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR). Der Zeuge C ... gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht an, dass er bis Ende 1980 gemeinsam mit dem Versicherten im VEB BuS W ... in der Bauleitung gearbeitet habe und danach lückenlos im BKW Y ... beschäftigt gewesen sei. In beiden Betrieben habe er selbst jährlich Jahresendprämien erhalten. Dafür, dass in den VEB/VEK grundsätzlich Jahresendprämien gezahlt wurden, sprechen die vom Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vorgelegten und im Berufungsverfahren in Kopie Belege übersandten Belege über Prämienzahlungen in den Jahren 1980 bis 1985 in Form von gedruckten Kärtchen mit handschriftlichen Notizen, über Prämienzahlungen in den Jahren 1986 und 1987 in Form von handschriftlichen Notizen und im Jahr 1989 in Form einer Tüte mit Aufdrucken zu den persönlichen Daten des Zeugen (Bl. 182 ff. GA). Zahlungen an den Versicherten selbst hat er nach eigenen Angaben zwar nicht beobachtet, jedoch gab er an, dass dieser keine Fehlschichten oder längere Krankheitszeiten gehabt habe. Wenn der Versicherte keine Prämien erhalten hätte, hätte er davon gewusst. Die Höhe der auszuzahlenden Jahresendprämien sei im Kollektiv beraten worden, weshalb er auch gemerkt hätte, wenn jemand keine Prämien bekommen habe. Von solchen Fällen habe er 1985 und 1986 gehört bei Kollegen, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Der Versicherte habe nicht dazu gehört. Diese Angaben stimmen im Wesentlichen mit denen überein, die der Zeuge am 11. Januar 2013 vor dem Senat im Verfahren L 5 RS 12/11 gemacht hat. Danach habe in der Regel jeder Mitarbeiter eine Jahresendprämie erhalten. Sie wurden nochmals bestätigt durch die schriftlichen Angaben im Berufungsverfahren. Darin bekräftigte er, das im BuS W ... und ab dem 1. Januar 1981 im BKK Y ..., wohin die gesamte GAN Oberbauleitung (einschließlich des Versicherten und seiner Person) übernommen wurden, durchgehend Jahresendprämien gezahlt worden seien.
Der Zeuge D ... gab bei seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht an, er habe als stellvertretender Oberbauleiter gearbeitet und der Versicherte sei ihm von 1972 bis 1990 als Bauleiter unterstellt gewesen. In dieser Funktion habe er zwar nicht an den Beratungen zur Höhe der auszuzahlenden Jahresendprämien teilgenommen, wisse aber durch Zahlungen an sich selbst, dass auch der Versicherte Prämien erhalten habe. Es habe niemanden in seinem Kollektiv gegeben, der keine Jahresendprämien erhalten habe. Danach ist zumindest überwiegend wahrscheinlich, dass der Versicherte, der dem Kollektiv des Zeugen angehört hat, grundsätzlich Jahresendprämien erhalten hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hatte er zudem u.a. Belege über die Zahlung von Jahresendprämien an sich selbst für die Jahre 1972 bis 1982, 1985 und 1987 bis 1989 in Form von gedruckten Stammkarten des VE Braunkohlekombinats Y ... mit handschriftlichen Vermerken vorgelegt (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung Bl. 117 ff. GA). Die vor dem Sozialgericht getätigten Angaben stimmen mit denen überein, die der Zeuge am 22. Januar 2013 vor dem Senat im Verfahren L 5 RS 12/11 getätigt hatte. Auch damals gab er an, jeder Mitarbeiter habe die Prämie in jedem Jahr erhalten. Gleiches bestätigte er schriftlich im Verwaltungsverfahren (Bl. 44 VA). Auf eine nochmalige Vernehmung des Zeugen konnte, insbesondere nachdem der Zeuge C ... die schriftlichen Belege zur Zahlung von Jahresendprämien an sich selbst als Beleg für die generelle Praxis im Betrieb übersandt hatte, verzichtet werden.
Schließlich gab der Versicherte selbst als Zeuge im Verfahren L 5 RS 12/11 vor dem Senat am 22. Januar 2013 bei seiner persönlichen Vernehmung an, dass wie er selbst alle Bauleiter im Betrieb Jahresendprämien erhalten hätten. Die entsprechenden Listen für Bauleiter habe er mit eigenen Augen gesehen, weil ihn interessiert habe, was die anderen Bauleiter an Prämien erhielten. Die vom Versicherten vorgelegte Auszeichnungen als "Bester Bauleiter" im ersten Quartal 1977 (Bl. 27 GA) dient ebenfalls als Indiz dafür, dass er ein leistungsstarker Mitarbeiter war und die im jeweiligen Betriebskollektivvertrag vereinbarten Leistungskriterien erfüllt hat.
b) Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte die Klägerin – da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang – nicht nachweisen und auch nicht glaubhaft machen. Weder den Erklärungen der Zeugen noch denen des Versicherten selbst kann die Höhe der Jahresendprämie entnommen werden. Die Zeugen gaben vielmehr an, die Höhe der Jahresendprämie habe zwischen ca. 90 und 115 % (Angabe des Zeugen C ...) bzw. ca. 99 und 101 % (Angabe des Zeugen D ...) geschwankt. Dies sei gekoppelt gewesen an die Gehaltsstufe und der vorausgegangenen jährlichen Brutto- bzw. Nettozahlung.
Insoweit macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach § 202 SGG in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 – L 5 RS 462/13 – und vom 12. Mai 2015 – L RS 382/14). Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet. Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl. § 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der in den Planjahren 1972 bis 1989 erzielte durchschnittliche Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 26. April 2002 ergibt. Diese Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Von diesem Wert ist ein Abschlag von 30 % vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie (nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung. Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets 100 % oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil der Versicherte bereits den Zufluss der Jahresendprämie lediglich glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten, wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.
Hieraus ergibt sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämie:
Anspruchsjahr Jahresarbeits-verdienst in Mark Monatsdurch-schnittsverdienst 70% 5/6 Zuflussjahr 1. Juni bis 31. Dezember 1972 6.904,60 986,37 690,46 575,38 1973 1973 11.969,20 997,43 698,20 581,84 1974 1974 11.375,10 947,93 663,55 552,96 1975 1975 12.269,90 1.022,49 715,74 596,45 1976 1976 13.409,20 1.117,43 782,20 651,84 1977 1977 13.530,71 1.127,56 789,29 657,74 1978 1978 14.123,97 1.177,00 823,90 686,58 1979 1979 14.750,02 1.229,17 860,42 717,01 1980 1980 14.899,20 1.241,60 869,12 724,27 1981 1981 16.519,60 1.376,63 963,64 803,04 1982 1982 14.964,79 1.247,07 872,95 727,46 1983 1983 14.535,14 1.211,26 847,88 706,57 1984 1984 13.615,77 1.134,65 794,25 661,88 1985 1985 16.386,98 1.365,58 955,91 796,59 1986 1986 14.698,77 1.224,90 857,43 714,52 1987 1987 16.864,85 1.405,40 983,78 819,82 1988 1988 13.379,33 1.114,94 780,46 650,38 1989 1989 17.160,99 1.430,08 1.001,06 834,21 1990
c) Soweit die Klägerin (auch) den Zufluss einer Jahresendprämie an den Versicherten im Zeitraum 1. Juni bis 31. Dezember 1972 geltend macht, ist weder der Nachweis noch eine Glaubhaftmachung gelungen. Da der Versicherte im Planjahr 1971 nicht im VEB BuS W ..., sondern im VEB Kombinat Robotron beschäftigt war, fehlt es bereits an der Voraussetzung des § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR. Die Auszahlung einer Jahresendprämie für das Jahr 1971, in dem er in einem anderen VEB tätig war, während seiner Beschäftigung beim VEB BuS W ... ist danach nicht wahrscheinlich. Zudem ist dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass Jahresendprämien zu Beginn des jeweiligen Zuflussjahres (Februar oder März) ausgezahlt wurden, nicht aber in der zweiten Jahreshälfte, die hier streitgegenständlich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil das Bundessozialgericht auf Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten gegen die die Jahresendprämien im Wege der Schätzung zusprechenden Urteile des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts mit Beschlüssen vom 30. Juni 2016 (u.a. B 5 RS 26/15 B) die Revision zugelassen hat.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für den Zeitraum 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990, der als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) anerkannt ist, höhere Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien festzustellen.
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin des verstorbenen U ... (nachfolgend: Versicherter). Dem 1941 geborenen Versicherten wurde mit Urkunde vom 23. Juni 1970 die Berechtigung verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (vgl. Bl. 28 Verwaltungsakte [VA]). Am 22. August 1967 hatte er die Techniker-Prüfung an der Ingenieurschule für wissenschaftlichen Gerätebau "Z ..." J ... bestanden (Bl. 27 VA). Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er als Dreher im Volkseigenen Betrieb (VEB) Halbleiterwerk O ... Vom 1. Januar bis 15. August 1970 war er in diesem VEB als Techniker und bis zum 31. Mai 1972 als Anlagenbauleiter im VEB Kombinat Robotron Zentralvertrieb beschäftigt. Vom 1. Juni 1972 bis zum 31. Dezember 1980 war er als Bauleiter im VEB Braunkohlenbohrungen und Schachtbau W ... (BuS W ...) bzw. vom 1. Januar 1981 bis zum 30. Juni 1990 im VE Braunkohlenkombinat Y ... tätig (vgl. Sozialversicherungsausweis, Anhang VA, und Arbeitsvertrag Bl. 22 VA).
Mit Feststellungsbescheid vom 26. April 2002 (Bl. 13 VA) stellte die Beklagte die Zeiträume 1. August 1967 bis 15. August 1970 sowie 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit entsprechenden Arbeitsentgelten fest. Mit Überprüfungsantrag vom 10. Januar 2008 (Bl. 2 VA) begehrte der Versicherte die Feststellung höherer Entgelte unter Einbeziehung von Jahresendprämien. Zur Glaubhaftmachung legte er schriftliche Erklärungen der ehemaligen Arbeitskollegen D ... und R ..., die angaben, dass der Versicherte u.a. Jahresendprämien erhalten habe, vor (Bl. 44 f. VA). Anfragen der Beklagten zur Zahlung von Jahresendprämien bei der RHENUS Office Systems GmbH, der Vattenfall Europe Mining AG und der MIBRAG mbH blieben erfolglos (Bl. 46, 52 und 243 VA). Mit Bescheid vom 28. Oktober 2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Auf den Widerspruch des Versicherten stellte die Beklagte nach Einholung einer weiteren Auskunft bei der RHENUS Office Systems GmbH mit Feststellungsbescheid vom 17. Mai 2010 höhere Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen im Bergbau für den Zeitraum 1973 bis 1990 fest (Bl. 75 f. VA). Nach Einholung einer weiteren Erklärung des Zeugen Röthel wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Jahresendprämien mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2011 ab.
Mit seiner am 5. Mai 2011 vor dem Sozialgericht Leipzig erhobenen Klage hat der Versicherte sein Begehren hinsichtlich der Berücksichtigung von Jahresendprämien in den Zeiträumen 1. August 1967 bis 15. August 1970 sowie 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990 weiterverfolgt (Bl. 151 GA). Soweit er zunächst die Feststellung weiterer Entgelte in Form von "Auslöse" und Deputat sowie die Feststellung weiterer Zeiten begehrte, hat er die Klage mit Schreiben vom 25. Juni 2013 zurückgenommen und die Beklagte gebeten, hierüber im Verwaltungsverfahren zu entscheiden. Das Sozialgericht hat die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht Chemnitz am 22. Januar 2013 (L 5 RS 12/11) mit Vernehmung der Zeugen C ..., D ... und des Versicherten (Bl. 59 ff. Gerichtsakte [GA]) beigezogen und die Klage nach persönlicher Vernehmung der Zeugen D ... und C ... mit Urteil vom 2. Dezember 2013 abgewiesen. Die Zahlung und Höhe der Jahresendprämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Mit Feststellungsbescheid vom 26. November 2013 stellte die Beklagte die Zeit vom 7. September 1970 bis 31. Mai 1972 als weitere Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG fest und hob den Bescheid vom 28. Dezember 2009 in der Fassung des Bescheides vom 17. Mai 2010 auf, soweit er diesem Bescheid entgegensteht (Bl. 187 VA). Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Versicherte im Verwaltungsverfahren die Berücksichtigung weiterer Entgeltbestandteile, insbesondere tägliche "Auslöse" und jährliches Kohledeputat, begehrt. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Versicherte vor dem Sozialgericht Leipzig Klage erhoben, die nunmehr von seiner Rechtsnachfolgerin, Frau A ..., unter dem Aktenzeichen S 17 RS 222/16 fortgeführt wird.
Gegen das am 3. März 2014 zugestellte Urteil hat der Versicherte am 24. März 2014 Berufung eingelegt. Der Zufluss der Jahresendprämie sei durch die schriftlichen Zeugenerklärungen glaubhaft gemacht. Die Höhe sei nach der Rechtsprechung des Senats zu schätzen. Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 hat die Klägerin die Klage hinsichtlich der Feststellung höherer Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien für den Zeitraum 1. August 1967 bis 15. August 1970 zurückgenommen (Bl. 160 GA).
Die Klägerin beantragt (sinngemäß und sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 2009 sowie unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 26. April 2002 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 17. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 sowie in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013 zu verurteilen, Jahresendprämien für den Zeitraum 1. Juni 1972 bis 30. Juni 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der Zusatzversorgungszeiten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Das Gericht hat den Zeugen C ... nochmals schriftlich zur Zahlung von Jahresendprämien befragt.
Dem Gericht lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge vor, worauf zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte, ohne mündlich zu verhandeln, entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden sind, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Überprüfungsbescheid vom 28. Oktober 2009 sowie der Feststellungsbescheid vom 26. April 2002 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 17. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 sowie in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013. Dieser ist nach § 96 SGG Gegenstand Klageverfahrens geworden. Danach wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der Feststellungsbescheid vom 26. November 2013 ist nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 ergangen und ändert den Regelungsgegenstand des Bescheides vom 17. Mai 2012 insoweit, als damit weitere Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG festgestellt werden. Streitig in diesem Verfahren ist jedoch (weiterhin) allein die Feststellung höherer Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von für den Zeitraum 1. Juni 1972 bis 31. Dezember 1989 im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 gezahlten Jahresendprämien. Darüber hinausgehende Klageanträge wurden nicht weiterverfolgt bzw. ausdrücklich zurückgenommen.
Die Berufung ist größtenteils begründet. Das Sozialgericht Leipzig hat die Klage mit Urteil vom 2. Dezember 2013 zu Unrecht abgewiesen, soweit die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Berücksichtigung höherer Entgelte im tenorierten Umfang begehrt. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2011 und dieser in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013 ist (insoweit) rechtswidrig und verletzt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten in ihren Rechten.
Die Beklagte hat den Überprüfungsantrag des Versicherten nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu Unrecht abgelehnt, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dies ist der Fall. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 26. April 2002 zuletzt in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 26. November 2013 ist dahingehend abzuändern, dass im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 aufgrund zu berücksichtigender Jahresendprämien höhere Arbeitsentgelte festzustellen sind.
Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversor-gungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volksei-genen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ähnlichen und außerhalb des Rentenverfahrens durchzuführenden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Juli 1996 - 4 RA 7/95 - SozR 3-8570 § 8 Nr. 2) Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit Feststellungsbescheid vom 26. November 2013 die Zeit vom 1. August 1967 bis 15. August 1970 sowie vom 7. September 1970 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Weitere Entgelte in Form von Jahresendprämien hat die Beklagte für den Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeits-entgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei dem Entgeltbegriff im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG der bundesdeutsche Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R –, SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 25 m.w.N.)
1. Arbeitsentgelt in diesem Sinne sind nach der Rechtsprechung des BSG auch die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlte Jahresendprämien, weil es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die von dem Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig gewesen ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 – juris Rn. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderem das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt nach den Ausführungen des BSG im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten, die im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft waren und eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben sollten. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 30 unter Verweis auf: Arbeitsrecht - Lehrbuch, herausgegeben von einem Autorenkollektiv, Staatsverlag der DDR, Berlin 1983, S. 193). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert, wobei die Voraussetzungen ihrer Gewährung in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden mussten. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Sie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben, war bezogen auf das Planjahr und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (BSG, Urteil vom 23. August 2007, a.a.O. Rn. 31).
Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämie gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast. Mithin wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Die Klägerin hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass dem Versicherten ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.
Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht hierbei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden, wonach, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt wird (st. Rspr. des 5. Senats des LSG Chemnitz, vgl. u.a. Urteile vom 21. Juli 2015 – L 5 RS 668/14 –, vom 12. Mai 2015 – L 5 RS 424/14 – und vom 28. April 2015 – L 5 RS 450/14 – sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Oktober 2014 – L 33 R 151/13 – juris Rn. 38).
2. Die Klägerin hat den Zufluss von Jahresendprämien an den Versicherten im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu die Ausführungen unter a). Die Höhe der Jahresendprämien hat sie weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Insoweit macht das Gericht von seiner Möglichkeit der Schätzung gebrauch (dazu Ausführungen unter b). Für den Zeitraum 1. Juni bis 31. Dezember 1972 ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass Prämien zugeflossen sind (dazu Ausführungen unter c).
a) Ihr Zufluss konnte im Zeitraum 1. Januar 1973 bis 30. Juni 1990 nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht werden.
aa) Die Klägerin verfügt nicht über die Quittungen, auf denen die Barauszahlung der jeweiligen Prämie an den Versicherten bestätigt wurde. Auch Bescheinigungen über Jahresendprämien, wie sie von den Zeugen C ... und D ... im Verfahren vor dem Sozialgericht vorgelegt wurden (vgl. Protokoll zum Termin zur Beweisaufnahme vom 16. September 2013, Bl. 117 ff. GA), konnte die Klägerin für den Versicherten nicht vorweisen. Die Zeugenaussagen sind ebenfalls nicht geeignet, konkrete Prämienzahlungen an den Versicherten nachzuweisen. Angaben zu an ihn in bestimmter Höhe ausgezahlte Jahresendprämien konnte keiner der Zeugen machen. Die Prämien seien nicht im Kollektiv ausgezahlt worden, sondern jeder Einzelne habe sich die Prämie im Lohnbüro abgeholt.
bb) Jedoch konnte die Klägerin den Zufluss der geltend gemachten Prämien an den Versicherten glaubhaft machen.
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft gemacht anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, das heißt der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Urteil vom 22. September 1977 – 10 RV 15/77 – BSGE 45, 9 ff – juris Rn. 32, Urteil vom 17. Dezember 1988 – 12 RK 42/80 – BSG SozR 5070 § 3 Nr. 1 – juris Rn. 26 und Beschluss vom 10. August 1989 - 4 BA 94/89 – juris Rn. 7). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Vielmehr genügt es, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben – Vollbeweis und hinreichende Wahrscheinlichkeit – reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist aufgrund der Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, SozR 3-1500 § 160a Nr. 33, SozR 3-1500 § 170 Nr. 9 – juris Rn. 5).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Klägerin glaubhaft gemacht, dass die oben genannten Voraussetzungen für den Bezug der Jahresendprämien durch den Versicherten in den Jahren 1973 bis 1990 (30. Juni) vorlagen und er sie jeweils erhalten hat.
(1) Ausweislich der Eintragungen in seinem Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) war er während der gesamten Jahre 1973 bis 1989 im VEB BuS W ... bzw. VE Braunkohlenkombinat Y ... beschäftigt, was nach § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR für den Anspruch auf Zahlung einer Jahresendprämie vorausgesetzt war.
Zwar war er im Jahr 1972 nur sieben Monate (vom 1. Juni bis 31. Dezember) im VEB BuS W ... beschäftigt und vom 1. Januar bis 31. Mai noch im VEB Kombinat Robotron – Zentralvertrieb Anlagenbau B ... Jedoch lagen die Voraussetzungen einer der im AGB-DDR vorgesehenen Ausnahmen, in denen Anspruch auf anteilige Jahresendprämie besteht, vor. Nach § 117 Abs. 2 Buchstabe e) AGB-DDR bestand Anspruch auf anteilige Jahresendprämie u.a. bei einem Betriebswechsel aufgrund gesellschaftlicher Erfordernisse. Aus der vom Versicherten im Verwaltungsverfahren vorgelegten beglaubigten Aktennotiz vom 28. April 1972 über ein Kadergespräch zwischen dem Versicherten und Leitenden Mitarbeitern des VEB Kombinat Robotron Zentralvertrieb Anlagenbau B ... sowie des VEB BuS W ... zwecks Übernahme des Versicherten vom VEB Robotron zum VEB BuS W ... (Bl. 19 VA) geht hervor, dass mit Wirkung vom 31. Mai 1972 das bestehende Arbeitsverhältnis mit dem VEB Robotron durch Aufhebungsvertrag gelöst und mit Wirkung vom 1. Juni 1972 ein neues Arbeitsverhältnis mit dem VEB BuS W ... abgeschlossen wird. Grundlage der Übernahme ist nach den Ausführungen in der Notiz die Vereinbarung des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik und des Ministers für Kohle und Energie zur Stabilisierung der Kohle- und Energiewirtschaft vom 1. November 1971 und die dazu ergangenen Weisungen und Maßnahmenpläne der VVB Braunkohle. Daraus ergibt sich, dass der Wechsel des Versicherten zum VEB BuS W ... nicht auf eigenen Wunsch erfolgte, sondern aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Vorgänger- und neuen Beschäftigungsbetriebes zur Unterstützung der Kohle- und Energiewirtschaft. Dem entsprechend ist darauf hingewiesen, dass der VEB BuS W ... zusätzliche Belohnungen entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen gewährt.
(2) Glaubhaft gemacht ist auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Versicherte angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war sowie der Versicherte und sein Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben, § 117 Abs. 1 Voraussetzungen 1 und 2 AGB-DDR.
Zum einen sprechen hierfür die in der DDR geltenden gesetzlichen Regelungen im AGB-DDR, das in den §§ 28 ff. einen eigenen Abschnitt für den Betriebskollektivvertrag enthielt. Nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR war er zwischen dem Betriebsleiter und der Betriebsgewerkschaftsleitung abzuschließen, was mithin zwingend vorgesehen war. Nach Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift sind darin u.a. die arbeitsrechtlichen Regelungen zu treffen, die "entsprechend den Rechtsvorschriften" in ihm zu vereinbaren sind, wozu nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR auch die Voraussetzungen für die Gewährung und die Höhe der Jahresendprämien gehörten. Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Jahresendprämien in den jeweiligen Betriebskollektivverträgen zwingend zu vereinbaren bzw. festzulegen waren, ergibt sich zudem aus den diese Festlegungen konkretisierenden Verordnungen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahr 1972 - Prämienfond-VO 1972 – (GBl. DDR II S. 49), die durch die Zweite Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe vom 21. Mai 1973 (GBl. DDR I S. 293) geändert wurde, und § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe – Prämienfond-VO 1982 – (BGl. DDR I S. 595) ist die Verwendung des Prämienfonds in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982 ist dabei u.a. zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden.
Aufgrund der Angaben der Zeugen C ... und D ... ist zudem glaubhaft gemacht, dass sowohl im VEB BuS W ... als auch im VE Braunkohlekombinat Y ... generell Jahresendprämien gezahlt wurden und auch der Versicherte sowie das Arbeitskollektiv, dem er angehörte, die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt haben (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR). Der Zeuge C ... gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht an, dass er bis Ende 1980 gemeinsam mit dem Versicherten im VEB BuS W ... in der Bauleitung gearbeitet habe und danach lückenlos im BKW Y ... beschäftigt gewesen sei. In beiden Betrieben habe er selbst jährlich Jahresendprämien erhalten. Dafür, dass in den VEB/VEK grundsätzlich Jahresendprämien gezahlt wurden, sprechen die vom Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht vorgelegten und im Berufungsverfahren in Kopie Belege übersandten Belege über Prämienzahlungen in den Jahren 1980 bis 1985 in Form von gedruckten Kärtchen mit handschriftlichen Notizen, über Prämienzahlungen in den Jahren 1986 und 1987 in Form von handschriftlichen Notizen und im Jahr 1989 in Form einer Tüte mit Aufdrucken zu den persönlichen Daten des Zeugen (Bl. 182 ff. GA). Zahlungen an den Versicherten selbst hat er nach eigenen Angaben zwar nicht beobachtet, jedoch gab er an, dass dieser keine Fehlschichten oder längere Krankheitszeiten gehabt habe. Wenn der Versicherte keine Prämien erhalten hätte, hätte er davon gewusst. Die Höhe der auszuzahlenden Jahresendprämien sei im Kollektiv beraten worden, weshalb er auch gemerkt hätte, wenn jemand keine Prämien bekommen habe. Von solchen Fällen habe er 1985 und 1986 gehört bei Kollegen, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Der Versicherte habe nicht dazu gehört. Diese Angaben stimmen im Wesentlichen mit denen überein, die der Zeuge am 11. Januar 2013 vor dem Senat im Verfahren L 5 RS 12/11 gemacht hat. Danach habe in der Regel jeder Mitarbeiter eine Jahresendprämie erhalten. Sie wurden nochmals bestätigt durch die schriftlichen Angaben im Berufungsverfahren. Darin bekräftigte er, das im BuS W ... und ab dem 1. Januar 1981 im BKK Y ..., wohin die gesamte GAN Oberbauleitung (einschließlich des Versicherten und seiner Person) übernommen wurden, durchgehend Jahresendprämien gezahlt worden seien.
Der Zeuge D ... gab bei seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht an, er habe als stellvertretender Oberbauleiter gearbeitet und der Versicherte sei ihm von 1972 bis 1990 als Bauleiter unterstellt gewesen. In dieser Funktion habe er zwar nicht an den Beratungen zur Höhe der auszuzahlenden Jahresendprämien teilgenommen, wisse aber durch Zahlungen an sich selbst, dass auch der Versicherte Prämien erhalten habe. Es habe niemanden in seinem Kollektiv gegeben, der keine Jahresendprämien erhalten habe. Danach ist zumindest überwiegend wahrscheinlich, dass der Versicherte, der dem Kollektiv des Zeugen angehört hat, grundsätzlich Jahresendprämien erhalten hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hatte er zudem u.a. Belege über die Zahlung von Jahresendprämien an sich selbst für die Jahre 1972 bis 1982, 1985 und 1987 bis 1989 in Form von gedruckten Stammkarten des VE Braunkohlekombinats Y ... mit handschriftlichen Vermerken vorgelegt (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung Bl. 117 ff. GA). Die vor dem Sozialgericht getätigten Angaben stimmen mit denen überein, die der Zeuge am 22. Januar 2013 vor dem Senat im Verfahren L 5 RS 12/11 getätigt hatte. Auch damals gab er an, jeder Mitarbeiter habe die Prämie in jedem Jahr erhalten. Gleiches bestätigte er schriftlich im Verwaltungsverfahren (Bl. 44 VA). Auf eine nochmalige Vernehmung des Zeugen konnte, insbesondere nachdem der Zeuge C ... die schriftlichen Belege zur Zahlung von Jahresendprämien an sich selbst als Beleg für die generelle Praxis im Betrieb übersandt hatte, verzichtet werden.
Schließlich gab der Versicherte selbst als Zeuge im Verfahren L 5 RS 12/11 vor dem Senat am 22. Januar 2013 bei seiner persönlichen Vernehmung an, dass wie er selbst alle Bauleiter im Betrieb Jahresendprämien erhalten hätten. Die entsprechenden Listen für Bauleiter habe er mit eigenen Augen gesehen, weil ihn interessiert habe, was die anderen Bauleiter an Prämien erhielten. Die vom Versicherten vorgelegte Auszeichnungen als "Bester Bauleiter" im ersten Quartal 1977 (Bl. 27 GA) dient ebenfalls als Indiz dafür, dass er ein leistungsstarker Mitarbeiter war und die im jeweiligen Betriebskollektivvertrag vereinbarten Leistungskriterien erfüllt hat.
b) Die konkrete Höhe der Jahresendprämien konnte die Klägerin – da bereits der Nachweis ihres Zuflusses nicht gelang – nicht nachweisen und auch nicht glaubhaft machen. Weder den Erklärungen der Zeugen noch denen des Versicherten selbst kann die Höhe der Jahresendprämie entnommen werden. Die Zeugen gaben vielmehr an, die Höhe der Jahresendprämie habe zwischen ca. 90 und 115 % (Angabe des Zeugen C ...) bzw. ca. 99 und 101 % (Angabe des Zeugen D ...) geschwankt. Dies sei gekoppelt gewesen an die Gehaltsstufe und der vorausgegangenen jährlichen Brutto- bzw. Nettozahlung.
Insoweit macht das Gericht jedoch von seiner im Rahmen der Einzelfallwürdigung nach § 202 SGG in Verbindung mit §§ 287 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gegebenen Möglichkeit der Schätzung Gebrauch (vgl. hierzu beispielhaft die Senatsurteile vom 4. Februar 2014 – L 5 RS 462/13 – und vom 12. Mai 2015 – L RS 382/14). Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO entscheidet das Gericht, wenn streitig ist, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Diese Vorschrift ist nach Absatz 2 bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zum einen handelt es sich bei dem Streit über die Feststellung (weiterer) Arbeitsentgelte zumindest mittelbar um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Zwar ist der prozessuale Anspruch unmittelbar nicht auf Geld, sondern auf die Feststellung erzielter Arbeitsentgelte gerichtet. Eine vermögensrechtliche Streitigkeit liegt jedoch auch dann vor, wenn der prozessuale Anspruch auf einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis beruht, das auf Gewinn oder Erhaltung von Geld oder geldwerten Gegenständen gerichtet ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2012, Einleitung IV Nr. 1). Dies ist der Fall, weil die von der Beklagten festzustellenden Entgelte Grundlage für die Höhe des Anspruchs auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und mithin einer Geldforderung sind, vgl. § 8 Abs. 1 AAÜG. Zum anderen wäre die vollständige Aufklärung der für die Berechnung der konkret zugeflossenen Jahresendprämien maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Als jährlicher Basiswert der Prämienhöhe ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der in den Planjahren 1972 bis 1989 erzielte durchschnittliche Bruttomonatslohn zu Grunde zu legen, wie er sich aus dem Feststellungsbescheid der Beklagten vom 26. April 2002 ergibt. Diese Anknüpfung ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen, die die in den Betriebskollektivverträgen festzulegenden Voraussetzungen für die Zahlung von Jahresendprämien konkretisierten, für die Höhe der Jahresendprämien an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. So betrug die Jahresendprämie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 Prämienfond-VO 1972 mindestens ein Drittel und maximal das Zweifache des monatlichen Durchschnittsverdienstes des Werktätigen. Von diesem Wert ist ein Abschlag von 30 % vorzunehmen, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten Jahresendprämie von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhing, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar sind. So erhielt der Werktätige nach § 117 Abs. 3 AGB-DDR bei einer im Planjahr vorliegenden vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit die Jahresendprämie (nur) entsprechend seiner in diesem Jahr erbrachten Gesamtleistung. Auch konnte die Jahresendprämie nach § 117 Abs. 4 AGB-DDR bei "schwerwiegender Verletzung der sozialistischen Arbeitsdisziplin oder der staatsbürgerlichen Pflichten" gemindert werden oder entfallen. Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 AGB-DDR wurde die Jahresendprämie für den einzelnen Werktätigen vom Betriebsleiter nach Beratung im Arbeitskollektiv festgelegt und bedurfte der Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung. Aufgrund dieser gesetzlich vorgesehenen individuellen Festlegung ist nicht davon auszugehen, dass die Jahresendprämie stets 100 % oder mehr eines durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes entsprach. Von dem danach geschätzten Betrag ist ein weiterer Abschlag in Höhe eines Sechstel sachlich gerechtfertigt, weil der Versicherte bereits den Zufluss der Jahresendprämie lediglich glaubhaft machen konnte. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 6 AAÜG, wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt wird. Dies muss erst recht gelten, wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht wurde.
Hieraus ergibt sich folgende zu berücksichtigende Jahresendprämie:
Anspruchsjahr Jahresarbeits-verdienst in Mark Monatsdurch-schnittsverdienst 70% 5/6 Zuflussjahr 1. Juni bis 31. Dezember 1972 6.904,60 986,37 690,46 575,38 1973 1973 11.969,20 997,43 698,20 581,84 1974 1974 11.375,10 947,93 663,55 552,96 1975 1975 12.269,90 1.022,49 715,74 596,45 1976 1976 13.409,20 1.117,43 782,20 651,84 1977 1977 13.530,71 1.127,56 789,29 657,74 1978 1978 14.123,97 1.177,00 823,90 686,58 1979 1979 14.750,02 1.229,17 860,42 717,01 1980 1980 14.899,20 1.241,60 869,12 724,27 1981 1981 16.519,60 1.376,63 963,64 803,04 1982 1982 14.964,79 1.247,07 872,95 727,46 1983 1983 14.535,14 1.211,26 847,88 706,57 1984 1984 13.615,77 1.134,65 794,25 661,88 1985 1985 16.386,98 1.365,58 955,91 796,59 1986 1986 14.698,77 1.224,90 857,43 714,52 1987 1987 16.864,85 1.405,40 983,78 819,82 1988 1988 13.379,33 1.114,94 780,46 650,38 1989 1989 17.160,99 1.430,08 1.001,06 834,21 1990
c) Soweit die Klägerin (auch) den Zufluss einer Jahresendprämie an den Versicherten im Zeitraum 1. Juni bis 31. Dezember 1972 geltend macht, ist weder der Nachweis noch eine Glaubhaftmachung gelungen. Da der Versicherte im Planjahr 1971 nicht im VEB BuS W ..., sondern im VEB Kombinat Robotron beschäftigt war, fehlt es bereits an der Voraussetzung des § 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR. Die Auszahlung einer Jahresendprämie für das Jahr 1971, in dem er in einem anderen VEB tätig war, während seiner Beschäftigung beim VEB BuS W ... ist danach nicht wahrscheinlich. Zudem ist dem Senat aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt, dass Jahresendprämien zu Beginn des jeweiligen Zuflussjahres (Februar oder März) ausgezahlt wurden, nicht aber in der zweiten Jahreshälfte, die hier streitgegenständlich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil das Bundessozialgericht auf Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten gegen die die Jahresendprämien im Wege der Schätzung zusprechenden Urteile des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts mit Beschlüssen vom 30. Juni 2016 (u.a. B 5 RS 26/15 B) die Revision zugelassen hat.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
Saved