L 6 KR 1418/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 3126/12
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1418/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine nach österreichischem Recht bezogene Invaliditätspension ist nach § 228 Abs. 1 SGB V mit einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach bundesdeutschem Recht vergleichbar. Die Vergleichbarkeit nach Satz 2 setzt keine völlige Übereinstimmung voraus. Es genügt, wenn die ausländische Leistung im Kern den typischen und wesentlichen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht; maßgeblich ist die Funktion der Leistung (vgl. BSG, Urteile vom 18.12.2008 - B 11 AL 32/07 R und vom 21.07.2009 - B 7/7a AL 36/07 R)..
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 8. August 2013 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich auch im Berufungsverfahren gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2012.

Der bei den Beklagten kranken- und pflegeversicherte Kläger bezieht seit September 2011 von der Pensionsversicherungsanstalt W. eine Invaliditätspension nach österreichischem Recht mit einem Monatsbetrag in Höhe von 362,92 EUR und nahm ab dem 12. Dezember 2011 an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme der gesetzlichen Unfallversicherung teil.

Die Beklagte zu 1. erließ am 13. Februar 2012, "korrigiert" durch Bescheid vom 7. März 2012, auch im Namen der Beklagten zu 2. einen Beitragsbescheid für den Zeitraum ab dem 12. Dezember 2011 und verlangte darin vom Kläger einen monatlichen Betrag in Höhe von insgesamt 36,84 EUR als Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (29,76 EUR) und zur sozialen Pflegeversicherung (7,08 EUR). Dabei legte sie für die monatliche Beitragsberechnung die Invaliditätspension nach österreichischem Recht des Klägers in Höhe von 362,92 EUR im Monat zugrunde.

Den Widerspruch des Klägers vom 22. Februar 2012, ergänzt am 10. März 2012, wies sie auch im Namen ihrer beklagten Pflegekasse mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2012 zurück und führte zur Begründung aus, dass der Kläger ab dem 12. Dezember 2011 als Teilnehmer an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten gewesen sei. Dabei sei nach der gesetzlichen Vorschrift des § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V bei versicherungspflichtig Beschäftigten auch der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung der monatlichen Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Nach § 228 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V gelte die gemäß österreichischem Recht bezogene Invaliditätspension als eine solche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach bundesdeutschem Recht, da sie mit dieser vergleichbar sei. Der Kläger werde deshalb so behandelt, als müsse er wie ein bundesdeutscher Beschäftigter/Rentner aus seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichten. Er sei auch verpflichtet, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung aus seiner österreichischen Invaliditätspension alleine zu tragen (§ 249a Satz 2 SGB V). Der Gesetzgeber schreibe in § 247 Satz 2 SGB V einen besonderen Beitragssatz für Bezieher einer ausländischen Rente wie dem Kläger vor. Dieser betrage die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes im Sinne von § 241 SGB V zuzüglich 0,45 v.H., sodass sich beim Kläger ein Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung von 8,2 v.H. ergebe. Diese Grundsätze für die Beitragsberechnung würden nach § 57 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Verbindung mit den §§ 226 bis 238 SGB V und § 244 SGB V auch für die soziale Pflegeversicherung gelten, wobei sich der beim Kläger angewandte Beitragssatz von 1,95 v.H. in der sozialen Pflegeversicherung aus § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ergebe. Auch hier sei der Kläger nach § 59 Abs. 1 SGB XI in Verbindung mit § 60 Abs. 1 SGB V verpflichtet, den monatlichen Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung alleine zu zahlen.

Hiergegen hat der Kläger hat am 28. August 2012 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) Klage erhoben und zur Begründung die Ansicht geäußert, dass die Beklagte zu Unrecht Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung ab dem 12. Dezember 2011 aus seiner österreichischen Invaliditätspension erhoben habe und weiter erhebe. Die Invalidi-tätspension nach österreichischem Recht sei nicht mit einer Rente aus der gesetzlichen Ren-tenversicherung nach bundesdeutschem Recht vergleichbar.

Das SG hat eine Auskunft der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt vom 10. Juli 2013 eingeholt und sodann die Klage mit Urteil vom 8. August 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei verpflichtet, aus seiner österreichischen Invaliditätspension Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem SGB V bzw. nach dem SGB XI an die Beklagten zu entrichten. Der Kläger sei ab dem 12. Dezember 2011 wegen seiner Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Beklagten gewesen, da er Lohnersatzleistungen bezogen habe. Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V sei bei versicherungspflichtig Beschäftigten auch der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der monatlichen Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Die vom Kläger gemäß österreichischem Recht ab September 2011 tatsächlich bezogene Invaliditätspension gelte nach § 228 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V als eine solche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach bundesdeutschem Recht, da sie mit einer solchen vergleichbar sei. Eine österreichische Invaliditätspension werde nämlich nur dann gewährt, wenn die Leistungsfähigkeit aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte der Leistungsfähigkeit eines vergleichbaren gesunden Versicherten abgesunken sei. Damit sei die österreichische Invaliditätspension eine Rentenleistung, die aufgrund eines aus medizinischen Gründen herabgesetzten beruflichen Leistungsvermögens gewährt werde und die deshalb einer Rente wegen Erwerbsminderung entspreche. Der Gesetzgeber habe durch die Wahl der Formulierung "vergleichbar" eindeutig klargestellt, dass die im Ausland bezogene Rente - hier die Invaliditätspension des Klägers nach österreichischem Recht - mit einer nach bundesdeutschem Recht bezogenen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur vergleichbar, nicht aber deckungsgleich sein müsse. Der Kläger sei nach § 249a Satz 2 SGB V auch verpflichtet, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung alleine zu tragen. Die Beklagte habe den Beitragssatz mit 8,2 v.H. zutreffend berechnet, da der Gesetzgeber in § 247 Satz 2 SGB V einen besonderen Beitragssatz für Bezieher einer ausländischen Rente vorschreibe. Danach betrage der Beitragssatz die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes im Sinne von § 241 SGB V zuzüglich 0,45 v.H. Diese Grundsätze zur Beitragsbemessung würden nach § 57 Abs. 1 SGB XI in Verbindung mit den §§ 226 bis 238 und § 244 SGB V auch für die soziale Pflegeversicherung gelten, wobei sich der von der Beklagten angewandte Beitragssatz von 1,95 % in der sozialen Pflegeversicherung aus § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI ergebe. Dabei sei der Kläger nach § 59 Abs. 1 SGB XI in Verbindung mit § 60 Abs. 1 SGB V auch hier verpflichtet, den monatlichen Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung alleine zu zahlen. Schließlich sei auch die Beitragsberechnung im Übrigen nicht zu beanstanden.

Gegen das ihm am 17. August 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. September 2013 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die österreichische Invaliditätspension sei nicht mit einer Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar. Es handle sich vielmehr lediglich um eine Ausgleichszulage bzw. eine Fürsorgeleistung und sei dadurch gekennzeichnet, dass sie bei Erfüllung der Voraussetzungen unbefristet geleistet werde. Sie sei allenfalls mit einer Berufsunfähigkeitsrente vergleichbar; diese gebe es aber nach bundesdeutschem Recht jedenfalls für Jahrgänge nach 1961 nicht mehr. Zudem sei die Wartezeit nur aufgrund eines Arbeitsunfalles entfallen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 8. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihren Widerspruchsbescheid sowie auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil und trägt ergänzend vor, dass die österreichische Pensions-versicherungsanstalt bestätigt habe, dass auch in Österreich Krankenversicherungsbeiträge bei dort bestehender Versicherungspflicht zu zahlen seien. Aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass der Kläger in Österreich Beiträge abführe.

Der vormalige Berichterstatter des Senats hat am 16. Juni 2014 mit den Beteiligten einen Er-örterungstermin durchgeführt. Hierbei haben die Beteiligten übereinstimmend auf die Durch-führung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der in der Gerichtsakte befindlichen Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig (§ 151 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet; das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.

Gegenstand der erhobenen Anfechtungsklage ist allerdings entgegen der Auffassung des SG nicht der ursprüngliche Beitragsbescheid vom 13. Februar 2012, sondern der "Korrektur"-Bescheid vom 7. März 2012. Letzterer hat den Beitragsbescheid vom 13. Februar 2012, der noch von einer unzutreffenden Bemessungsgrundlage ausgegangen ist, ersetzt und ist daher alleiniger Anfechtungsgegenstand des Widerspruchs- und Klageverfahrens geworden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2012 ist rechtmäßig. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG vom 8. August 2013, denen er folgt. Das SG hat dort zu Recht festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, aus seiner österreichischen Invaliditätspension Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach den §§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 228 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V bzw. nach § 57 Abs. 1 SGB XI an die Beklagten zu entrichten, da die österreichische Invaliditätspension mit einer Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist.

Ergänzend führt der Senat aus, dass auch das Berufungsvorbringen des Klägers nicht geeignet ist, den Senat davon zu überzeugen, dass die österreichische Invaliditätspension nicht mit einer Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist. Der auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. August 2007 (Az.: L 7 AS 77/05, nach juris) gestützte klägerische Hinweis, bei der von ihm bezogenen österreichischen Invaliditätspension handele es sich lediglich um eine Ausgleichszulage bzw. eine Fürsorgeleistung, ist zum einen unzutreffend. So wird ausweislich der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts eine Ausgleichszulage neben der österreichischen Invaliditätspension gewährt und ist gerade nicht identisch mit dieser. Allerdings teilt die Ausgleichszulage die rechtliche Einordnung der österreichischen Invaliditätspension als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und daher handelt es sich bei beiden um Einkommen im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (so Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. August 2007, a.a.O.). Dies ist jedoch entgegen der Auffassung des Klägers zum anderen völlig irrelevant für die hier entscheidungserhebliche Frage, ob die österreichische Invaliditätspension mit einer Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteile vom 18. Dezember 2008 – Az.: B 11 AL 32/07 R und vom 21. Juli 2009 – Az.: B 7/7a AL 36/07 R, jeweils nach juris) setzt "Vergleichbarkeit" keine völlige Übereinstimmung voraus. Vielmehr genügt es, wenn die ausländische Leistung im Kern den typischen und wesentlichen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht; maßgeblich ist insbesondere die Funktion der Leistung. Entscheidend und ausreichend ist im vorliegenden Fall mithin, dass es sich bei der österreichischen Invaliditätspension um eine Erwerbsminderungsrente handelt, die aus einem öffentlich-rechtlichen Rentensystem gezahlt wird. Gerade mit Blick auf solche Renten wollte der Gesetzgeber durch § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V eine Regelungslücke schließen. Ohne Belang ist dabei, dass die vom Kläger bezogene österreichische Invaliditätspension unbefristet geleistet wird. Dies ist bei der Berufsunfähigkeitsrente nach dem Recht der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ebenso der Fall, wenn sich hinsichtlich des Restleistungsvermögens keine Veränderungen ergeben. Auch kommt es auch nicht darauf an, dass die Berufsunfähigkeitsrente nach dem Recht der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nur für Jahrgänge vor 1961 in Betracht kommt, der Kläger aber jünger ist. Die Frage der Vergleichbarkeit ist nämlich grundsätzlich zu beantworten und nicht im konkreten Anwendungsfall. Danach ist die österreichische Invaliditätspension mit einer Berufsunfähigkeitsrente nach dem Recht der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar, unabhängig davon, ob der Kläger eine solche Rente nach bundesdeutschem Recht erlangen könnte. Unwesentlich ist diesbezüglich auch die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen im Detail, wie z.B. die vom Kläger aufgeworfene Frage der unterschiedlichen Entfallenstatbestände für die jeweilige Warte-zeit. An der im Kern bestehenden Vergleichbarkeit vermögen unterschiedlich ausgestaltete Verfahren oder Anspruchsvoraussetzungen nichts zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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