L 6 SF 1612/15 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 49 SF 326/14 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1612/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 29. Oktober 2015 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für ein Verfahren beim Sozialgericht (SG) Altenburg, in dem der Beschwerdeführer die Klägerin vertrat (Az.: S 41 AS 4294/12). Im Klageverfahren begehrte die Klägerin im Wege des Überprüfungsantrages höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2011. Die Beklagte habe ihr lediglich Unterkunftskosten in Höhe von 292,50 EUR bewilligt; die tatsächlichen Unterkunftskosten würden sich aber auf 283,23 EUR Grundmiete, 65,34 EUR Betriebskosten und 66,02 EUR Heizkosten belaufen. Die Regelsätze seien in verfassungswidriger Weise ebenfalls zu niedrig angesetzt. Sie unter-schritten ab Januar 2011 das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum. Unter dem 18. Februar 2013 erklärte sich die Beklagte vergleichsweise bereit, die tatsächlichen Unterkunftskosten - unter Außerstreitstellung der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung - zu übernehmen. Mit Beschluss vom 6. März 2013 bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete den Beschwerdeführer bei.

In einem weiteren Klageverfahren (Az.: S 41 AS 4277/12) wandte sich die durch den Be-schwerdeführer vertretene Klägerin gegen die teilweise Aufhebung der für August 2011 ge-währten Kosten für die Unterkunft nach dem SGB II in Höhe von 295,55 EUR und die von ihr geforderte Erstattung dieses Betrages. Mit Beschluss vom 25. April 2013 bewilligte das SG der Klägerin PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Mit Beschluss vom 12. Juli 2013 hat das SG die Verfahren miteinander verbunden (Führend: Az.: S 41 AS 4294/12). Mit Schriftsatz vom 11. November 2013 unterbreitete die Beklagte einen Vergleichsvorschlag dahingehend, dass sie der Klägerin für den Zeitraum von Januar 2011 bis April 2012 einen Betrag in Höhe von insgesamt 504,84 EUR bezogen auf die Kosten für Unterkunft und Heizung nachzahlt. Sie trage die Kosten des Widerspruchsverfahrens sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten jeweils zur Hälfte. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit hinsichtlich des streitigen Zeitraums vollumfänglich für erledigt. Die Beklagte erläuterte u.a. lediglich der Monat August 2011 sei wegen der Anrechnung des Guthabens aus den Betriebskostenvorauszahlungen herausgenommen. Unter dem 17. Januar 2014 nahm der Beschwerdeführer das Vergleichsangebot der Beklagten an.

Unter dem 14. März 2014 beantragte er die Festsetzung folgender Vergütung:

Geschäftsgebühr Nr. 2401 VV- RVG 120,00 EUR Verfahrensgebühr Nr. 3102, 3103 VV- RVG 170,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 190,00 EUR Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 40,00 EUR Zwischensumme 720,00 EUR Umsatzsteuer 136,80 EUR Gesamtbetrag 856,80 EUR Zahlungen Staatskasse - 226,10 EUR Gesamtbetrag 630,70 EUR

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 28. April 2014 die zu zahlende Vergütung auf 452,20 EUR fest und lehnte die Festsetzung einer Geschäftsgebühr in Höhe von 120,00 EUR sowie einer Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR ab. Auf die Erinnerung des Beschwerdeführers, eine fiktive Terminsgebühr festzusetzen, hat das SG mit Beschluss vom 29. Oktober 2015 die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 452,20 EUR festgesetzt (Verfahrensgebühr nach Nr. 3102, 3103 VV-RVG 170,00 EUR, Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 EUR, Post - und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR) von der der Vorschuss in Höhe von 226,10 EUR abzusetzen sei. Die Voraussetzungen für den Ansatz einer fiktiven Terminsgebühr seien nicht erfüllt. Insoweit folge die Kammer der Ansicht des Thüringer Landessozialgerichts (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, nach juris). Gegen den ihm 12. November 2015 zugegangenen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 26. November 2015 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, es gebe keine rechtliche Grundlage für die Absetzung der Terminsgebühr. Eine solche wäre auch verfassungswidrig. Gerügt werde die Verletzung einfachen Rechts als auch die Verletzung von Verfassungsrecht, insbesondere Verletzung der Rechte aus Art. 1 des Grundgesetzes (GG), Art. 2 GG, Art. 3 GG und Art. 12 GG jeweils isoliert und in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 20 GG, des Rechts auf ein faires Verfahren sowie des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 29. Oktober 2015 aufzuheben und die an ihn zu zahlende Vergütung auf 690,20 EUR festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses des SG. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozial-gericht vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Thüringer Lan-dessozialgerichts i.V.m. der Geschäftsverteilung des 6. Senats die Berichterstatterin des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung bis 1. August 2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdeführers ist davor erfolgt (§ 60 Abs. 1 S 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 SF 975/10 B) und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer 200,00 EUR.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenfestsetzung sowie die hierüber ergangenen Ent-scheidungen betreffen offensichtlich das Verfahren Az.: S 41 AS 4294/12. War der Rechtsanwalt - hier der Beschwerdeführer - schon vor der Verbindung der Verfahren - wie hier - in beiden Verfahren beigeordnet, so kann er Vergütung für die in den getrennten Verfahren angefallenen Gebühren und Auslagen verlangen.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte dem Kläger mit Beschluss vom 6. März 2013 PKH gewährt und er war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des Gerichtskostengesetzes (GKG) aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmen-gebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N.). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hin-reichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - Az.: L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr Nr. 3102, 3103 VV-RVG, der Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG und der Post-/ Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG hat der Beschwerdeführer nicht beanstandet. Anhaltspunkte, dass diese Gebühren zu Gunsten des Beschwerdeführers höher festzusetzen wären, bestehen nicht. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist nicht zu berücksichtigen ist, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Mai 2006 - Az.: L 10 B 13/05 SB, nach juris).

Für die Bestimmung der Terminsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betrags-rahmengebühren entstehen, findet die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG Anwendung, auf die in Nr. 3104 VV-RVG verwiesen wird. Nach Nr. 3106 VV-RVG beträgt die Termins-gebühr 20,00 bis 380,00 EUR. Die Terminsgebühr entsteht nach Absatz 3 der Vorbemerkung 3 VV RVG für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, wobei dies allerdings für Besprechungen (nur) mit dem Auftraggeber nicht gilt. Nach dieser Bestimmung ist keine Terminsgebühr ausgelöst worden, auch nicht nach der dritten Alternative, weil der Inhalt des außergerichtlichen Vergleichs nicht in entsprechenden Besprechungen zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten abgestimmt worden ist. Aber auch die in Nr. 3106 VV-RVG aufgeführten Verfahrenskonstellationen sind nicht gegeben. Danach entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn 1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, 2. nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder 3. das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Insbesondere ist das Verfahren nicht durch ein angenommenes Anerkenntnis nach § 101 Abs. 2 SGG erledigt worden. Das Angebot der Beklagten mit Schriftsatz vom 11. November 2013 war in dem Verfahren Az.: S 41 AS 4294/12 kein Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift, denn es hätte ein im Wege einseitiger Erklärung gegebenes uneingeschränktes Zugeständnis erfordert, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch besteht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 191 Rn. 20). Es handelte sich unter Berücksichtigung des Klagebegehrens um ein Vergleichsangebot der Beklagten, das eine Erledigungserklärung des Rechtsstreits voraussetzte. Der Beschwerdeführer hat das Vergleichsangebot angenommen (vgl. zum Teilanerkenntnis: Senatsbeschlüsse vom 7. April 2015 - Az.: L 6 SF 145/15 B, 29. Juli 2009 - L 6 B 15/09 SF und 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF, nach juris).

Eine Verfassungswidrigkeit der oben zitierten Regelungen ist für den Senat nicht ersichtlich. Der pauschale Vortrag des Beschwerdeführers hierzu gibt auch keinen Anlass zu weiteren Ausführungen.

Damit errechnet sich die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102, 3103 VV-RVG 170,00 EUR

Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG 190,00 EUR

Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR

Zwischensumme 380,00 EUR Umsatzsteuer 72,20 EUR Gesamtsumme 452,20 EUR Abzüglich des Vorschusses in Höhe von 226,10 EUR sind damit 226,10 EUR an den Beschwerdeführer zu zahlen.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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