L 20 R 630/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 1051/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 630/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Erstreckungsregelung des § 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit setzt zumindest voraus, dass eine Befreiung nach § 6 Abs.1 Nr. 1 oder 2 SGB VI erteilt wurde.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.05.2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für eine Unterrichtstätigkeit versicherungspflichtig in der Rentenversicherung ist oder von der Versicherungspflicht befreit werden kann.

Der am 1973 geborene Kläger ist im Hauptberuf als freiberuflicher Rechtsanwalt tätig und seit 20.07.2000 Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer N-Stadt und zugleich Pflichtmitglied in der Bayer. Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung als berufsständischem Versorgungswerk.

Am 09.08.2000 beantragte der Kläger über die Bayer. Versorgungskammer - die Beigeladene - bei der Beklagten eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf einem Antragsformular für § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Sechstes Buch Sozialgesetzbuch). Er gab hierzu an, dass er selbstständig und pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Abs. 2 SGB VI sei. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 20.10.2000 fest, dass es einer Befreiung von der Versicherungspflicht im Fall des Klägers nicht bedürfe, da er nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung der Angestellten sei. Der Befreiungsantrag werde als erledigt betrachtet. Ergänzend wurde mitgeteilt, dass bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen berufsspezifischen Beschäftigung und bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk und in der Berufskammer, Entrichtung einkommensbezogener Beiträge an das Versorgungswerk) die Möglichkeit bestehe, erneut einen Befreiungsantrag über das berufsständische Versorgungswerk zu stellen.

Am 09.10.2002 stellte der Kläger über die Beigeladene bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für eine Tätigkeit als nebenberufliche Lehrkraft (an der Staatl. Fachoberschule und Berufsoberschule W-Stadt - Fach Rechtslehre) mit vier Wochenstunden aufgrund eines Arbeitsvertrages mit der Regierung von Mittelfranken und einem Beginn der Beschäftigung vom 16.09.2002, wobei der Arbeitsvertrag heute nicht mehr aktenkundig ist. Dem Kläger wurde daraufhin mit Bescheid vom 13.01.2003 für diese Beschäftigung für die Zeit vom 16.09.2002 bis 07.09.2003 eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm Abs. 5 Satz 2 SGB VI erteilt, ohne dass eine fallbezogene Begründung dafür abgegeben worden wäre. Bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen berufsspezifischen Beschäftigung und Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen bestehe die Möglichkeit, erneut einen Befreiungsantrag zu stellen.

Dieser Geschehensablauf wiederholte sich in den Folgejahren:
Antrag vom 15.11.2003, Bescheid vom 26.01.2004;
Antrag vom 07.11.2004, Bescheid vom 05.01.2005;
Antrag vom 14.11.2005, Bescheid vom 16.12.2005;
Antrag vom 14.11.2006, Bescheid vom 22.12.2006;
Antrag vom 15.10.2007, Bescheid vom 12.11.2007;
Antrag vom 06.11.2008, Bescheid vom 10.12.2008;
Antrag vom 16.11.2009, Bescheid vom 17.12.2009.
Die letztgenannte Befreiung erstreckte sich bis 12.09.2010. Für die meisten Jahre liegen die zugehörigen befristeten Arbeitsverträge vor, die vornehmlich mit Elternzeitvertretungen begründet waren. Im Schuljahr 2007/2008 war die Stundenzahl für die Unterrichtstätigkeit auf 6 Wochenstunden erhöht, ab dem Folgejahr belief sie sich auf 8 Wochenstunden.

Am 20.10.2010 stellte der Kläger den streitgegenständlichen Befreiungsantrag für eine nebenberufliche Tätigkeit als Lehrkraft (an der Staatl. Fachoberschule und Berufsoberschule W-Stadt - Fach Rechtslehre) im Umfang von acht Unterrichtsstunden wöchentlich für einen Zeitraum vom 13.09.2010 bis längstens 11.09.2011, wobei die Befristung erneut aufgrund einer Elternzeit der zu vertretenden Lehrkraft vorgenommen worden war. Die Beklagte fragte beim Kläger nach, ob es sich bei der Beschäftigung als nebenberufliche Lehrkraft um den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit handeln würde. Der Kläger antwortete darauf, dass es sich dabei weder um den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit handele, noch diese Beschäftigung zur Erzielung des überwiegenden Lebensunterhaltes dienen würde. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 09.12.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm Abs. 5 Satz 2 SGB VI für die Unterrichtstätigkeit des Klägers ab. Bei der vom Kläger ausgeübten Beschäftigung als Lehrkraft handele es sich nicht um eine berufsspezifische Beschäftigung als Rechtsanwalt, weshalb die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht greife, da sie auf die jeweilige berufsspezifische Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt sei (§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI). Zwar könne eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf eine vorübergehende berufsfremde Beschäftigung oder Tätigkeit erstreckt werden, sofern diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich zeitlich begrenzt sei und insoweit auch einkommensgerechte Beiträge aus der berufsfremden Beschäftigung oder Tätigkeit in die berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt würden. Eine derartige Befreiung setze jedoch voraus, dass in der Vergangenheit eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erteilt worden sei, die im Hinblick auf die berufsspezifische Hauptbeschäftigung noch aktuell wirksam sei. Der Kläger unterliege jedoch als selbstständiger Rechtsanwalt nicht der Rentenversicherungspflicht, so dass eine Befreiung hierfür weder möglich, noch erforderlich gewesen sei. Die Erstreckungsregelung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI stelle kein eigenständiges Befreiungsrecht dar. Insofern könne über diese Vorschrift auch nicht eine Befreiung von der Versicherungspflicht für die Nebentätigkeit des Klägers erreicht werden.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 05.01.2011 Widerspruch ein und berief sich auf den Sinn und Zweck des Gesetzes, wonach die Sicherstellung einer Rentenversorgung durch Anordnung einer Rentenversicherungspflicht erfolge und zugleich eine Doppelversicherung vermieden werden solle, die dann entstehe, wenn ein Versicherter zeitgleich schon bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund Gesetzes Pflichtmitglied sei. Wenn in seinem Fall also eine Versicherungspflicht ohne Befreiungsmöglichkeit angenommen werde, ergebe sich das vom Gesetzgeber gerade nicht gewollte Nebeneinander von gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischer Versorgung und somit eine Doppelversicherung. Die von der Beklagten vorgenommene Gesetzesauslegung laufe der gesetzgeberischen Intention zuwider und sei daher fehlerhaft. Sie stelle außerdem einen verfassungswidrigen enteignungsgleichen Eingriff in das Vermögen des Klägers dar.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2011 zurück. Sie stellte darauf ab, dass es sich bei der Nebentätigkeit des Klägers um keine für einen Rechtsanwalt typische anwaltliche Berufstätigkeit handele. Zu den Kriterien einer anwaltlichen Beschäftigung würden die Tätigkeitsfelder Rechtsgestaltung, Rechtsberatung, Rechtsentscheidung und Rechtsvermittlung gehören. Diese vier Tätigkeitsfelder müssten im Hinblick auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht kumulativ abgedeckt werden, wobei die Gewichtung der einzelnen Felder in Abhängigkeit von der Art der ausgeübten Beschäftigung unterschiedlich sein könne. Eine solche den vorgenannten Kriterien entsprechende anwaltliche Beschäftigung werde im Rahmen der Teilzeitbeschäftigung als Lehrkraft des Freistaates Bayern nicht ausgeübt. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht könne zwar nach § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI auch auf Tätigkeiten darüber hinaus erstreckt werden, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt seien und die Versorgungseinrichtung auch während der Ausübung dieser Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleiste. Durch diese Regelung solle sichergestellt werden, dass die kurzfristige und vorübergehende Ausübung einer anderen Beschäftigung den Betroffenen nicht zu einem Wechsel seines Systems der sozialen Sicherheit zwinge. Dies erfasse jedoch nicht den Kläger, denn sonst würde man für beliebige berufsfremde Nebenbeschäftigungen ein eigenständiges Befreiungsrecht kreieren und diese Nebenbeschäftigungen könnten allein durch die Mitgliedschaften in einem berufsständischen Versorgungswerk der Sozialversicherungspflicht entzogen werden. Dies sei nicht Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI. Da beim Kläger keine aktuell wirksame Befreiung in der berufsgruppenspezifischen Hauptbeschäftigung vorliege, komme eine Erstreckung der Befreiung nicht in Betracht.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 08.09.2011 am 12.09.2011 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Er hat seine Argumentation dahingehend vertieft, dass bei Ablehnung des Befreiungsantrages die Beiträge des Klägers statt in den Aufbau seines sozialen Sicherungssystems in die gesetzliche Rentenversicherung fließen würden und dort aufgrund fehlender Beitragsmonate - wegen der Befristung der Tätigkeit - keinerlei Anspruch auf Leistungen gegen die Beklagte begründen würden. Damit werde nicht soziale Sicherheit auf-, sondern abgebaut. Dem Kläger sei es ohne Vorliegen einer Versicherungspflicht verwehrt, seine Hauptbeschäftigung davon befreien zu lassen, wie sich in der Vergangenheit gezeigt habe, so dass er die von der Beklagten für erforderlich angesehene Voraussetzung nicht schaffen könne. Der Unterschied zwischen dem selbstständigen an das Versorgungswerk als Pflichtmitglied einzahlenden Rechtsanwalt und dem nichtselbstständigen an das Versorgungswerk als Pflichtmitglied einzahlenden Rechtsanwalt sei jedoch nicht so gravierender Natur, dass dies die Ungleichbehandlung der beiden Rechtsanwälte rechtfertige. Die angegriffene Entscheidung stelle damit auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) dar. Wenn schon eine gewährte Befreiung für die Haupttätigkeit als angestellter Rechtsanwalt als eine Ausnahme von der Versicherungspflicht im Falle einer befristeten berufsfremden Nebentätigkeit auf diese erstreckt werden könne, so müsse diese Befreiung erst recht von einer per se nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit auf die Nebentätigkeit erstreckt werden können. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften durch die Beklagte sei daher rechts- und verfassungswidrig.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger sich nicht darauf berufen könne, dass die Beklagte in der Vergangenheit befristete Befreiungen von der Versicherungspflicht bereits ausgesprochen gehabt habe; hieraus könne kein fortlaufender Rechtsanspruch hergeleitet werden. Zwar solle wohl nach dem Willen des Gesetzgebers eine Doppelversicherung ausgeschlossen werden; jedoch sei eine Doppelversicherung, die sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe, hinzunehmen, weil diese offenbar vom Gesetzgeber so gewollt sei.

Die Beklagte verwies weiter darauf, dass es in der Literatur umstritten sei, ob bei einer Ausgangslage wie hier die Erstreckungsregelung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI für - berufsfremde - Nebentätigkeiten überhaupt relevant sein könne, da in einem solchen Fall, d.h. bei einer Nebentätigkeit der Betroffene nicht zu einem Wechsel eines Systems der sozialen Sicherheit gezwungen werde, sondern lediglich eine zusätzliche Sicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werde (so Böcken, GK-SGB VI, § 6 Rz. 182). Zu verweisen sei auf ein Urteil des LSG NRW vom 16.07.2001 (Az. L 3 RA 73/00), das die Rechtslage im Sinne der Beklagten eingeordnet habe.

Der Kläger habe seine Nebenbeschäftigung als Lehrkraft im Rahmen von jeweils befristeten Jahresverträgen seit dem 16.09.2002 ohne Unterbrechung bis heute ausgeübt und sei zum Zeitpunkt der (streitgegenständlichen) Antragstellung auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht im Oktober 2010 bereits mehr als acht Jahre an der Staatl. Fachoberschule und Berufsoberschule in W-Stadt beschäftigt gewesen. Dies spreche nicht dafür, dass der Kläger tatsächlich geplant habe, ausschließlich eine anwaltliche Tätigkeit auszuüben. Werde kontinuierlich und in gleichbleibendem Umfang eine Nebenbeschäftigung ausgeübt, spreche dies dafür, dass das Nebeneinander von selbstständiger Tätigkeit und Nebenbeschäftigung dauerhaft beabsichtigt sei.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24.05.2012 die Klage abgewiesen. Es ist zum Ergebnis gekommen, dass es in § 6 SGB VI keine Befreiungsregelung gebe, die auf den Fall des Klägers anzuwenden sei. Die Auslegung nach dem klaren Wortlaut sei auch von dem LSG NRW so vorgenommen worden. Das Sozialgericht habe auch keine Möglichkeit, die Beklagte zu einer Befreiung in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI zu verpflichten. Es handele sich hierbei bereits um eine Ausnahmeregelung, die sehr eingegrenzte Voraussetzungen habe und eine Ausnahme von der Ausnahmevorschrift komme nach Überzeugung des Sozialgerichts nicht in Betracht. Auch sei es zweifelhaft, ob die aus haushaltsrechtlichen Gründen des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers formal befristeten Arbeitsverträge, die sich inzwischen über einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckten, von der Intention des Gesetzgebers im Hinblick auf das Merkmal "vorübergehend" erfasst würden. Das Gericht schließe sich hinsichtlich der Prüfung des Art. 3 GG der Argumentation des LSG NRW (a.a.O.) an, wonach der Schutzbereich nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht betroffen sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Telefax vom 19.07.2012 über das Sozialgericht Nürnberg Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und seine Argumentation wiederholt. Er hat ferner ausgeführt, dass tatsächlich befristete Arbeitsverhältnisse vorliegen würden und es nicht in seiner Macht stünde, hieran etwas zu ändern oder sicherzustellen, dass in Zukunft eine Fortsetzung dieser Arbeitsverhältnisse gegeben sei. Die Argumentation, dass hier ein zweites Standbein aufgebaut worden sei und dies auf Dauer angelegt worden sei, könne so nicht akzeptiert werden. Es sei zu berücksichtigen, dass bei befristeten Arbeitsverträgen nicht ausreichend Beiträge entrichtet würden, so dass aufgrund der gesetzlichen Wartezeiten aus diesen Beiträgen regelmäßig keine Leistungen zu erwarten seien. Ein solches Ergebnis könne der Gesetzgeber nicht beabsichtigt haben.

In einem Erörterungstermin vom 28.10.2014 hat der Kläger dargestellt, dass die Arbeitsverhältnisse als Vertretung von Lehrkräften ausschließlich im Fachgebiet Wirtschaft und Recht angefallen seien. Die Vertretung habe nicht immer das gesamte Schuljahr betroffen: so sei im Schuljahr 2013/2014 die Vertretung nur bis Mai gelaufen und im Schuljahr 2012/2013 sei er gar nicht beschäftigt gewesen. Die Verträge würden die Sommerferien dann mit einschließen, wenn sie zuvor das gesamte Schuljahr über bis zum Beginn der Sommerferien abgedeckt hätten. Die Entlohnung hat sich nach Angaben des Klägers deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro pro Monat belaufen (ca. 1.300 Euro). Der Kläger hat außerdem angegeben, dass in den Jahren, in denen ihm Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erteilt gewesen sei, der Arbeitgeberanteil an die Beigeladene abgeführt worden sei. Seitens des Senats ist darauf hingewiesen worden, dass Wochenstunden einer Unterrichtstätigkeit wohl in Zeitanteile einer Vollzeitbeschäftigung umzusetzen seien, so dass die hier streitgegenständlichen acht Wochenstunden Unterricht etwa einer Teilzeitstelle von 1/3 entsprechen würden.

Die Beklagte hat zunächst keine Informationen dazu geben können, warum im Jahr 2010 anders als in den Vorjahren keine Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt worden sei. Auf schriftliche Nachfrage hat sie angegeben, sie habe damals ihre Rechtsauffassung aufgrund aufgetretener Missbrauchsfälle geändert. Die neue Rechtsauffassung sei durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 31.10.2012 (Az. B 12 R 8/10 R) bestätigt worden: Danach stelle eine Erstreckungsregelung einer bestehenden Befreiung keinen eigenständigen Befreiungstatbestand dar.

Nach Ausführungen des Klägers soll die Beigeladene beobachtet haben, dass eine solche Rechtsanwendung, wie sie die Beklagte beim Kläger in den Vorjahren vorgenommen gehabt habe, teilweise in anderen Fällen auch im Jahr 2010 noch zur Anwendung gekommen sei.

Der Kläger hat weiter eingewandt, dass die Entscheidung des BSG einen anderen Sachverhalt betroffen habe. Das Sozialgericht Münster habe dagegen in einer Entscheidung vom 23.03.2012 (Az. S 4 R 895/10) für eine Dozententätigkeit eine Befreiungsvoraussetzung angenommen. Im Wege der verfassungskonformen Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 12 GG und Art. 3 Abs. 1 GG sei dieses Ergebnis zwingend. Dies entspreche dem gesetzgeberischen Willen, der in der Bundestagsdrucksache 11/5530 (Seite 40) klar dargestellt sei. Auch werde diese Auffassung in der Literatur vertreten, z.B. im Handbuch des Sozialversicherungsrechts Rentenversicherung 1999 § 17 Rn. 74, Fichte in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 6 Rn. 133, Schmidt in: Kreikebohm, SGB VI, § 6 Rn. 96.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.05.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger antragsgemäß von der Rentenversicherungspflicht für die vom 13.09.2010 bis 11.09.2011 ausgeübte Beschäftigung als Lehrkraft an der Fachoberschule W-Stadt zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.05.2012 zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag,

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht Nürnberg hat zutreffend die Entscheidung der Beklagten, wonach der Kläger ab 13.09.2010 für seine Unterrichtstätigkeit keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hat, als rechtmäßig angesehen.

Der Kläger hat im strittigen Zeitraum eine Lehrtätigkeit an einer Fachoberschule und Berufsoberschule ausgeübt. Er hat hierzu mit dem Schulträger einen Arbeitsvertrag geschlossen. Der Arbeitsvertrag war unter Berufung auf einen sachlichen Grund - Vorliegen eines zeitlich begrenzten Vertretungsfalls - befristet.

Die Unterrichtstätigkeit war nicht Bestandteil der selbstständigen rechtsanwaltlichen Tätigkeit. Sie erfolgte vielmehr als eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt, wie sich aus den Formulierungen des Arbeitsvertrages ergibt. Sie fällt als solche unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und es besteht somit zunächst grundsätzlich Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist er von dieser Versicherungspflicht auch nicht zu befreien und sie entfällt auch nicht aus anderen Gründen.

Die Tätigkeit umfasste nicht nur einen geringfügigen Umfang und der Verdienst war nicht auf maximal 450 Euro beschränkt (§ 8 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV), so dass für den Kläger Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI eindeutig nicht vorgelegen hat.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI bestimmt, dass von der Versicherungspflicht Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit befreit werden, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für Ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Unter diese Vorschrift fallen Rechtsanwälte, die ihrer rechtsanwaltlichen Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nachgehen - etwa Angestellte in einer Großkanzlei. Für Lehrer gibt es keine vergleichbare berufsständische Versorgung. Der Unterricht im Fach Rechtskunde ist keine Tätigkeit, die unter das Rechtsdienstleistungsgesetz fällt; er erfordert nicht die Zulassung als Rechtsanwalt und löst damit keine Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk für Rechtsanwälte aus. Allein für diese Tätigkeit kommt daher nicht die Befreiung von der Versicherungspflicht (nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) in Betracht.

Für den Senat ergibt sich auch nichts anderes aus der Zusammenschau der beiden Tätigkeiten. Auch wenn der Kläger - nachvollziehbar - angegeben hat, dass sowohl hinsichtlich des Zeitaufwandes als auch des erzielten Einkommens der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit in der Ausübung des Berufs eines selbstständigen Rechtsanwaltes liegt, ist die daneben ausgeübte Unterrichtstätigkeit nicht nur ein Annex der rechtsanwaltlichen Tätigkeit. Es bestehen eine eigene arbeitsvertragliche Verpflichtung und ein (deutlich) über der Geringfügigkeitsgrenze liegender Verdienst.

Zwar könnte die Tätigkeit möglicherweise als nicht berufsfremd angesehen werden. In der in der Vergangenheit vertretenen sog. Vierkriterientheorie ist die anwaltliche Tätigkeit durch das kumulative Vorliegen der Teilaufgaben Rechtsvermittlung, Rechtsentscheidung, Rechtsberatung und Rechtsgestaltung gekennzeichnet gesehen worden. Ein Unterricht im Fach Rechtskunde könnte eine rechtsvermittelnde Tätigkeit darstellen und somit Teil des rechtsanwaltschaftlichen Tätigkeitsspektrums sein. Ein derartiger Ansatz führt jedoch nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis, allein im berufsständischen Versorgungswerk beitragspflichtig zu sein. Abgesehen davon, dass in den neueren Entscheidungen die Vierkriterientheorie als nicht zentral oder gar als untauglich angesehen wird (vgl. BSG Urt. v. 03.04.2014, Az. B 5 RE 13/14 R; LSG NRW Urt. v. 07.05.2013, Az. L 18 R 1038/11), würde sie nicht ermöglichen, eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht für seine Unterrichtstätigkeit auszusprechen. Entscheidend hierfür ist nicht die Differenzierung zwischen berufsspezifisch und berufsfremd, sondern die Frage der Notwendigkeit der Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk gerade wegen dieser Tätigkeit - also der Unterrichtstätigkeit - wie der Wortlaut von § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI eindeutig ersehen lässt. Und dies ist aus Sicht des Senats zu verneinen. Das LSG NRW hat in einem ähnlichen Fall eines Hochschullehrers bereits in seinem Urteil vom 16.07.2001 (Az. L 3 RA 73/00) die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI verneint; ergänzend hat es hilfsweise auf die fehlende Berufsspezifik der Tätigkeit abgestellt.

Die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI ist im Fall des Klägers ebenfalls nicht einschlägig. Danach erstreckt sich die Befreiung in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Zwar wäre die Beigeladene bereit, Beiträge auch für die Unterrichtstätigkeit des Klägers entgegenzunehmen und damit gemäß ihrer Satzung den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften zu ermöglichen.

Der Wortlaut dieser Vorschrift verhindert aber die Anwendung auf den Fall des Klägers, da bei ihm keine Befreiung nach § 6 Abs. 1 SGB VI erteilt worden ist. Die Annahme, dass die Erstreckungsregelung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI für Fälle, in denen ein Befreiungsantrag nicht erforderlich ist, erst recht gelten müsse, ist nicht zwingend. So handelt es sich bei § 6 Abs. 5 SGB VI um eine Ausnahmeregelung, die nicht beliebig analogiefähig ist. Der Ausnahmecharakter wird in § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI gerade noch einmal besonders betont. Sinn und Zweck der Regelung ist offensichtlich auch nicht, jede Doppelmitgliedschaft in gesetzlicher Rentenversicherung und berufsständischem Versorgungswerk zu vermeiden, sondern einen besonderen Aufwand für ersichtlich nur vorübergehende Veränderungen zu vermeiden. Dass eine am Wortlaut orientierte Auslegung einen erkennbaren, anders gelagerten Willen des Gesetzgebers nicht umsetzen würde, ist für den Senat nicht zu erkennen. Der Hinweis der Klägerseite auf BT-Drs. 11/5530 und die dort erwähnte gleichmäßige Einbeziehung von Selbstständigen und Angestellten bezieht sich nicht auf § 6 Abs. 5 SGB VI.

Dem Gesetzgeber war es auch nicht untersagt, zwischen den Fällen zu differenzieren, in denen eine Befreiung - erfolgreich - beantragt worden ist und denen, in denen ein solcher Antrag ausgeschlossen ist, weil von vornherein keine Versicherungspflicht - für die Haupttätigkeit - besteht. Ein Selbständiger hat deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten seines Tätigkeitsfeldes als ein abhängig Beschäftigter, dem ausnahmsweise die Beitragszahlung in einem berufsständischen Versorgungswerk ermöglicht worden ist.

Dementsprechend sieht es der Senat nicht als geboten an, unter Rückgriff auf Art. 3 GG eine verfassungskonforme Rechtsauslegung des § 6 Abs. 5 Satz 2 SGG dergestalt vorzunehmen, dass von dieser Vorschrift auch Personen erfasst würden, die genuin nicht der Versicherungspflicht unterlegen sind. Diese Gedanken entsprechen der Auslegung wie sie das BSG in dem Urteil vom 31.10.2012, Az. B 12 R 8/10 R, vorgenommen hat.

Eine Belastung mit gesetzlich vorgesehenen Sozialversicherungsabgaben stellt keinen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) dar, jedenfalls wenn sie in ihrer Höhe nicht erdrosselnd sind, was für den vorliegenden Fall verneint werden kann. Auch Art. 14 GG ist aus Sicht des Senats nicht tangiert: Zwar ist es richtig, dass für Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig Wartezeiten zurückgelegt sein müssen. Der Kläger unterscheidet sich hier aber nicht von anderen Personen, die zunächst nur eine oder mehrere befristete Beschäftigungen angeboten bekommen und selbst bei einer unbefristeten Beschäftigung besteht keine Garantie, wenigstens bis zum Erfüllen der allgemeinen Wartezeit (§ 50 Abs. 1 SGB VI) beschäftigt zu sein. Darin liegt aber kein Eingriff in das Eigentum bzgl. der geleisteten Beitragszahlungen vor, da es einerseits Regelungen zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung gibt (§ 53 SGB VI) und andererseits eine Beitragsrückerstattung als letzte Option in Betracht kommt (§ 210 SGB VI).

Der Senat ist außerdem zur Überzeugung gelangt, dass selbst für den Fall, dass man eine analoge Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 5 SGB VI für rechtlich geboten halten wollte (vgl. SG Münster, Urt. v. 23.03.2012, Az. S 4 R 895/10), im Fall des Klägers die entsprechenden Voraussetzungen jedenfalls zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Antrags nicht erfüllt waren, da er eine Lehrtätigkeit in erheblichem Umfang (ca. Drittelstelle) schon über einen längeren Zeitraum von mehreren Schuljahren ausgeführt hatte und keine nur vorübergehende Beschäftigung vorgelegen hat. Soweit der Kläger einwendet, dass er keine Garantie dafür habe, dass er im jeweiligen Schuljahr beschäftigt werde, und dass es auch bereits Schuljahre gegeben habe, in denen für ihn keine Vertretungsstelle zur Verfügung gestanden habe, ändert dies nichts daran, dass hier nach Sinn und Zweck der Vorschrift § 6 Abs. 5 Satz 2 SGB VI nicht betroffen sein kann, weil es sich dort nämlich nicht nur um eine formale zeitliche Begrenzung, sondern um eine vorübergehende kürzere Beschäftigung handeln muss, die einen Wechsel der Versorgungseinrichtung und den Aufbau einer anderweitigen Versorgung nicht sinnvoll erscheinen lässt.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass eine rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung arbeitsrechtlich angegriffen werden könnte (dies ist beispielsweise für langjährige Beschäftigung im Unterricht durch das Landesarbeitsgericht Köln in seinem Urteil vom 04.12.2014, Az. 13 SA 448/14 so entschieden worden). Gleichwohl ist es nicht erforderlich, den Arbeitgeber des Klägers zum Verfahren beizuladen. Eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative SGG liegt nicht vor. Mit einer möglichen Ablehnung der Befreiung wird nicht unmittelbar in die Rechtssphäre des Arbeitgebers eingegriffen, wie dies für eine notwendige Beiladung erforderlich wäre. Denn die Ablehnung der Befreiungsmöglichkeit zieht nicht unmittelbar zwingend das Vorliegen einer Versicherungs- und Beitragspflicht nach sich, weil hierfür auch noch andere Kriterien zu beachten sind. Eine einheitliche Entscheidung auch gegenüber dem Arbeitgeber liegt insofern nicht vor (vergleiche LSG NRW, Urteil vom 16.07.2001, Az. L 3 RA 73/00 unter Berufung auf BSG, Urteil vom 03.04.1999, Az. 12 RK 20/96).

Die angefochtenen Entscheidungen des Sozialgerichts Nürnberg und der Beklagten sind deshalb aus Sicht des Senats im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved