L 13 VG 40/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 139 VG 39/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 40/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Versorgungsleistungen ab dem 1. Januar 2015 zu erbringen sind. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren in vollem Umfange zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung wehrt sich der Beklagte gegen die Verurteilung, dem Kläger Versorgungsleistungen wegen erlittenen sexuellen Missbrauchs nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 zu gewähren.

Mit Urteil des Landgerichts W wurde der dortige Angeklagte D K. wegen zehn selbständiger Handlungen des sexuellen Missbrauches von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ein Gegenstand dieser Verurteilung sind zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des Klägers, die sich am selben Tag des Jahres 1988 ereigneten.

Anfang Juli 2001 beantragte der Kläger die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), gab hierzu an, es habe sich um sexuellen Missbrauch durch D K. gehandelt, Tatorte seien ein Jugendzentrum und eine Wohnung in V gewesen, als Tatzeit gab er an 1988 oder 1989. Weiter machte der Kläger geltend, er sei infolge der Tat zum Alkoholiker geworden und leide unter psychischen Problemen. Behördlich wurden medizinische Unterlagen über den Kläger beigezogen und durch Anfragen bei der Polizei in Erfahrung gebracht, dass der Kläger die Tat – nicht wie im Antragsformular von ihm angegeben, erst im Jahre 2001 erstmalig – sondern bereits im Oktober 1991 polizeilich angezeigt hatte. Die Strafanzeige des Klägers vom 2. Oktober 1991 über den ca. drei Jahre zurückliegenden Missbrauch bezog sich auf zwei Tathandlungen am selben Tag und nannte weitere Tathandlungen nicht. Das Versorgungsamt holte daraufhin eine gutachterliche Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie Dr. W vom 26. Mai 2002 ein, wobei es die Frage formulierte, ob vom 1. Juli 2001 an noch Folgen des schädigenden Ereignisses vorlägen, wie sie zu bezeichnen seien und ggf. welche Minderung der Erwerbsfähigkeit sich aus ihnen ergäbe. Auf der Basis der Aktenlage gelangte der Sachverständige zu der Einschätzung, aus psychiatrischer Sicht ergäben sich keine Hinweise dafür, dass über den 1. Juli 2001 hinaus erhebliche Schädigungsfolgen bestanden hätten. Hierbei legte er als schädigende Handlung einen zweimaligen sexuellen Missbrauch durch Oralverkehr im Jahr 1988 zugrunde. Mit Bescheid vom 21. Juni 2002 lehnte daraufhin das Versorgungsamt M die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab und führte zur Begründung aus, nach den durchgeführten medizinischen Ermittlungen seien etwaige Gesundheitsstörungen, die durch das schädigende Ereignis verursacht worden seien, innerhalb der ersten Jahre nach Eintritt der Schädigung folgenlos ausgeheilt und Schädigungsfolgen, die eine Versorgung rechtfertigen könnten, nicht mehr feststellbar.

Am 21. Juli 2009 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gewährung von Opferentschädigung, in welchem er als Tathandlung einen sexuellen Missbrauch durch D K. benannte. Nunmehr gab er als Tatzeit den Zeitraum 1988 bis 1989 an. Dem Antragsformular fügte er eine Anlage bei, in der er angab, der Missbrauch habe in den Sommerferien 1988 begonnen und 1989 geendet, nachdem sich der Kläger einer ihm vertrauten Person offenbart habe und diese den Missbrauch öffentlich gemacht habe. Ferner enthielt die Anlage eine eingehende Schilderung der Taten, für deren Einzelheiten auf den Versorgungsantrag Bezug genommen wird. Weiter gab der Kläger an, er sei auch geschlagen worden und habe sich daraufhin einem Bekannten anvertraut, der den Missbrauch öffentlich gemacht habe. Allerdings hätten seine Eltern später einer Anzeige nicht zugestimmt.

Der Beklagte nahm erneut medizinische Ermittlungen auf und hielt eine gutachterliche Beurteilung für erforderlich. Er leitete die Akte mit der Bitte um Amtshilfe an die Versorgungsverwaltung B zurück. Diese beauftragte den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie R mit der Erstellung eines psychiatrischen Kausalitätsgutachtens. Der Gutachter untersuchte den Kläger am 15. und 22. Januar 2010. Das Gutachten vom 10. März 2010 schilderte die unterschiedlichen Angaben zu Umfang und Dauer des sexuellen Missbrauchs zwischen der ursprünglichen Strafanzeige und der Schilderung im neuerlichen Antrag auf Gewährung von Versorgungsleistungen. Sodann stellte der Gutachter fest, Angaben, Beschwerdevortrag und klinisch psychisch-pathologischer Befund seien kongruent, für eine Aggravationstendenz sprächen falsche Angaben des Klägers, etwa über gute Schulleistungen in den ersten Schuljahren. Wegen der lang zurückliegenden Ereignisse unterlägen die Erinnerungen einer gewissen Unschärfe und Fehlerhaftigkeit. Weiter führt der Gutachter aus, die mündlichen Angaben und die schriftlich in der Anlage zum Versorgungsantrag gemachten Angaben des Geschädigten seien kongruent mit dem in der Untersuchung erhobenen klinischen Befund. Es sei im Zeitraum 1988 bis 1989 zu mehrfachen sexuellen Handlungen und sexualisierter Gewalt gegen den Kläger durch einen zehn Jahre älteren Mitarbeiter des Jugendfreizeitzentrums gekommen. Insgesamt sei als schädigungsbedingt eine leichte posttraumatische Belastungsstörung zu nennen, die einen GdS von 20 seit 1988 kausal herbeigeführt habe. Daneben bestehe beim Kläger eine Suchterkrankung mit Depression. Als Grad der Behinderung ausgedrückt sei für das anerkennenswerte Leiden nach dem OEG ein GdB von 20 und für die weitere Erkrankung ein GdB von 50 zuzuerkennen, wobei der Gesamt-GdB 50 betrage.

Mit Bescheid vom 19. April 2010 stellte der Beklagte fest, dass beim Kläger die Gesundheitsstörung posttraumatische Belastungsstörung durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG hervorgerufen worden sei. Er habe daher Anspruch ab dem 21. Juli 2009 auf Heilbehandlung, eine Rente könne jedoch nicht gewährt werden, weil der Grad der Schädigungsfolgen nicht wenigstens 25 betrage. Unmittelbar unter dem Verfügungssatz des Bescheides führte der Beklagte unter der Überschrift "Gründe" aus: "Die anerkannte Schädigungsfolge ist durch folgendes Ereignis verursacht: Sie wurden durch einen sexuellen Missbrauch ab dem Jahr 1988 bis 1989 zum Opfer einer Gewalttat." Auf den hiergegen gerichteten Widerspruch nahm der Beklagte mit Bescheid vom 16. Februar 2011 den Bescheid des Versorgungsamtes M vom 21. Juni 2002 zurück und stellte fest, die Gesundheitsstörung des Klägers "posttraumatische Belastungsstörung" sei durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG hervorgerufen worden, bedinge jedoch keinen Grad der Schädigungsfolgen von wenigstens 25. Eine Rentengewährung komme daher nicht in Betracht. Weiterhin stelle er fest, der Kläger habe ab dem 1. Januar 2005 einen Anspruch auf Heilbehandlung. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück und führte zur Begründung aus, die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen R seien nicht zu beanstanden. Die posttraumatische Belastungsstörung sei mit einem GdS von unter 25 zu bewerten.

Mit der am 28. März 2011 erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, Leistungen wegen der infolge des in den Jahren 1988 bis 1989 erlittenen sexuellen Missbrauchs entstandenen psychiatrischen Gesundheitsstörungen (posttraumatische Belastungsstörung, ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstruktur, rezidivierende Depressionen und Suchterkrankung) nach einem GdS von wenigstens 25 zu erhalten. Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt und sodann die Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. K mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, wobei die Beweisfragen auf einen in den Jahren 1988/89 erlittenen sexuellen Missbrauch Bezug genommen haben. Die Sachverständige hat den Kläger am 2. April 2013 untersucht und ist in ihrem Gutachten vom 25. Juni 2013 zu der Einschätzung gelangt, es ergebe sich kein Anhaltspunkt für Aggravation oder Simulation. Sie hat insbesondere ausgeführt: "Im Alter von 11 Jahren (im Zeitraum 1988/89) ist der Proband Opfer eines fortgesetzten sexuellen Missbrauchs durch einen Mitarbeiter des Jugendzentrums geworden. In Übereinstimmung mit der Einschätzung von Herrn R kann davon ausgegangen werden, dass der Proband damals gegenüber der Polizei nicht in der Lage gewesen ist, detaillierte Angaben über das gesamte Ausmaß des Missbrauchs zu machen , so dass lediglich zwei Ereignisse zur Anzeige kamen. Die Schilderungen der Tatereignisse waren konsistent und gleichlautend zum Vorgutachten und auch der selbst verfassten Mail des Probanden. [ ] Zur Anklage kam zwar nur zweimaliger Oralverkehr, jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Proband seitens der Eltern hinsichtlich der Anzeige keineswegs unterstützt worden ist, sondern ganz im Gegenteil, die Eltern selbst eine Anzeige unterbinden wollten. Darüber hinaus muss das junge Alter berücksichtigt werden, sowie der Umstand, dass der Proband wahrscheinlich aus Schamgefühlen heraus und aus Angst vor Schuldzuweisungen psychisch nicht in der Lage war, das gesamte Ausmaß der Taten anzuzeigen. Vermutlich hat es auch keine besonders ausführlichen polizeilichen Ermittlungen unter Hinzuziehung eines Psychologen gegeben. An dieser Stelle ist auch anzumerken, dass zur Trauma-Definition bei Kindern nicht nur die Bedrohlichkeit für Leben und körperliche Integrität, sondern auch entwicklungsunangemessene sexuelle Handlungen gerechnet werden. Aus diesem Grunde kann der Einschätzung von Dr. Wund der Stellungnahme von Dr. K. nicht gefolgt werden. Beide Kollegen erachteten die vorliegenden sexuellen Tatbestände als nicht geeignet, nachhaltige und dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen von relevantem Krankheitswert verursachen zu können. In Abweichung zu der Einschätzung von Herrn R ergibt sich anhand der Schulzeugnisse kein Beweis eines manifesten und bereits klinisch relevanten seelischen Vorschadens. Insgesamt bestehe bei dem Kläger eine chronische posttraumatische Belastungsstörung, Alkoholabhängigkeit bei derzeit weitestgehender Abstinenz, eine gemischte Persönlichkeitsstörung, rezidivierende Depression mit leichter bis mittelgradiger Symptomatik sowie ein pathologisches Spielen. Die chronische posttraumatische Belastungsstörung sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch den in den Jahren 1988 und 1989 erlittenen sexuellen Missbrauch verursacht worden. Gleichwohl sei das schädigende Ereignis nicht für das gesamte Ausmaß der vorhandenen psychischen Beschwerden kausal. So könne die Alkoholabhängigkeit nicht allein als Schädigungsfolge bewertet werden. Hierfür seien auch genetische Faktoren verantwortlich. Auch die Depression stehe nicht in einem klaren zeitnahen Bezug zu den schädigenden Ereignissen und müsse als Komorbidität bei langjähriger Alkoholabhängigkeit und zunehmender psycho-sozialer Belastung bewertet werden. Gleiches gelte für die Spielsucht. Die chronische posttraumatische Belastungsstörung sei indes als Schädigungsfolge festzustellen und mit einem GdS von 40 zu bewerten. Dieser Zustand bestehe seit den schädigenden Ereignissen.

Der Beklagte ist dem Ergebnis der Begutachtung entgegengetreten und hat hierzu ein von ihm in Auftrag gegebenes fachärztliches Gutachten nach Aktenlage der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 16. Dezember 2013 vorgelegt. Darin ist die Fachärztin zu der Einschätzung gelangt, es könne der Begutachtung nur ein zweimaliger Missbrauch im Jahr 1988 zugrunde gelegt werden. Die vom Probanden geltend gemachen Missbrauchserfahrungen hätten in der Darstellung eine erhebliche Erweiterung erfahren und dies zwanzig Jahre nach den tatsächlichen Ereignissen. Eine derartige Ausgestaltung und Ausweitung der Missbrauchserfahrungen sei nicht plausibel und nachvollziehbar. Sie pflichte daher dem Erstgutachter Dr. W bei, der keine Schädigungsfolge habe dokumentieren können. Die beim Kläger festzustellenden Gesundheitsstörungen seien einer Persönlichkeitsstörung zuzuschreiben, die bereits weit vor den Missbrauchserfahrungen angelegt gewesen sei. Hierzu gehörten fehlende Bindungsfähigkeit, Belastbarkeit und Frustrationstoleranz, mangelnde Konfliktfähigkeit, Einschränkungen in der sozialen Anpassungsfähigkeit und eine erhöhte Anspannungsbereitschaft. Traumafolgestörungen lägen hingegen nicht vor.

Das Sozialgericht hat die Stellungnahme der Dr. W der gerichtlichen Sachverständigen Dr. Kzur Stellungnahme vorgelegt. Diese hat mit Datum vom 30. April 2014 an ihrer Beantwortung der Beweisfragen festgehalten. Erneut hat sie darin darauf hingewiesen, dass die schädigenden Ereignisse aktenkundig eindeutig zu einem biografischen Bruch geführt hätten, was insbesondere durch die vorliegenden Schulzeugnisse belegt sei. In klarem zeitlichen Zusammenhang mit den schädigenden Ereignissen sei es zu einem eindeutigen Abfall der schulischen Leistungen und zum Schule schwänzen sowie zu einem Anschluss an eine Heavy-Metal-Clique, den Abbruch der Schule und den Beginn der Alkoholabhängigkeit gekommen. Konkurrierende Ursachen oder Ereignisse, die eine derartige plötzliche Fehlentwicklung plausibel machen könnten, seien nicht erkennbar.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. August 2015 hat das Sozialgericht Berlin den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 9. April 2010 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 verurteilt, dem Kläger wegen der bereits als Folge des in den Jahren 1988/89 erlittenen sexuellen Missbrauchs anerkannten posttraumatischen Belastungsstörung Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz auf der Grundlage eines Grades der Schädigungsfolgen von 40 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Einschätzung der Sachverständigen Dr. K bezogen und ausgeführt, die Kammer habe die Überzeugung gewonnen, dass das Missbrauchserleben des Klägers nach Art und Umfang deutlich über den zweimaligen Oralverkehr, der Gegenstand des Strafverfahrens und des ersten Antrags auf Opferentschädigungsleistungen gewesen sei, hinausgegangen sei. Sowohl der Sachverständige R wie auch die Sachverständige Dr. K hätten den Kläger persönlich untersucht und dabei die Schilderung der weitergehenden Missbrauchshandlungen für glaubhaft, schlüssig und nachvollziehbar gehalten, weshalb eine detaillierte Auseinandersetzung mit Art und Umfang des Missbrauchserlebens erst nach der Diagnostizierung der posttraumatischen Belastungsstörung im Rahmen der Traumatherapie habe erfolgen können. Soweit dem Antrag allerdings zu entnehmen sei, dass auch die Anerkennung von Depression, Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörung als Schädigungsfolgen begehrt werde, sei die Klage abzuweisen. Auch insoweit hat das Gericht im Wesentlichen auf die Ausführungen der Sachverständigen Dr. K Bezug genommen. Der Gerichtsbescheid ist dem Beklagen am 25. August 2015 zugestellt worden.

Mit der am 7. September 2015 erhobenen Berufung bringt der Beklagte vor, das Sozialgericht sei zu Unrecht von einer Missbrauchshandlung ausgegangen, die über die im Strafverfahren abgeurteilten zweimaligen Handlungen des Oralverkehrs am selben Tag hinausgegangen seien. Seines Erachtens sei insoweit eine aussagepsychologische Begutachtung unerlässlich.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid es Sozialgerichts Berlin vom 20. August 2015 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger stellt klar, dass Leistungen erst ab dem 1. Januar 2005 begehrt werden und beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Leistungen vor dem 1. Januar 2005 nicht zu erbringen sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten zur Gewährung der über die Heilbehandlung hinausgehenden Versorgung nach einem GdS von 40 verurteilt, wenngleich im Wege einer Maßgabe zum Tenor klarzustellen war, dass der Leistungsanspruch erst ab dem 1. Januar 2005 besteht. Der Senat nimmt insoweit auf die umfassenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug, denen er folgt, und sieht von einer Darstellung der weiteren Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab.

Soweit der Beklagte vorgebracht hat, das Gutachten der Sachverständigen Dr. K vermöge den klägerischen Anspruch nicht zu belegen, da die Sachverständige von einem Missbrauchsgeschehen ausgegangen sei, das über die zwei strafrechtlich abgeurteilten Taten 1988 hinausgehe, insoweit aber erhebliche Zweifel am Tatgeschehen bestünden und daher eine aussagepsychologische Begutachtung des Klägers erforderlich sei, dringt er nicht durch. So haben sowohl der im Verwaltungsverfahren beauftragte Sachverständige R als auch die Sachverständige Dr. K in ihren Ausführungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger ursprünglich nur zwei Taten aus dem Jahr 1988 angezeigt hatte, nunmehr aber eine Vielzahl weiterer Tathandlungen bis ins Jahr 1989 hinein schildert. Übereinstimmend sind beide Fachärzte nach persönlicher Untersuchung des Klägers zu der Einschätzung gelangt, das klägerische Vorbringen sei insoweit konsistent und glaubhaft. Keiner der beiden Fachärzte hat insoweit eine weitere Untersuchung des Klägers für erforderlich gehalten. Bei dieser Sachlage und gerade auch vor dem Hintergrund, dass selbst der ärztliche Dienst des Beklagten in einem Vermerk zum Gutachten des Sachverständigen R festgehalten hat, dem Gutachten könne in allen Punkten gefolgt werden, erscheint der Einwand des Beklagten aus der Luft gegriffen und zeigt nach Überzeugung des Senates keine Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung durch Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens auf.

Darüber hinaus kommt aber eine Beweiserhebung zu der vom Beklagten für aufklärungsbedürftig gehaltenen Frage, ob der Kläger über die zwei abgeurteilten Taten im Jahr 1988 hinaus Opfer weiterer Missbrauchshandlungen bis ins Jahr 1989 hinein geworden sei, auch aus Rechtsgründen nicht in Betracht, denn das Gericht und der Beklagte sind insoweit an die bestandskräftig gewordene Feststellung der Schädigungsfolge mit Bescheid des Beklagten vom 19. April 2010 gebunden. Zwar enthält der Verfügungssatz (Tenor) jenes Bescheides nur die Feststellung, beim Kläger sei die Gesundheitsstörung posttraumatische Belastungsstörung durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG hervorgerufen worden, doch steht die Feststellung einer Schädigungsfolge in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis. Weder ein schädigendes Ereignis noch eine Schädigungsfolge können isoliert festgestellt werden, denn Gegenstand der Feststellung ist ebenso wie bei der Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG der Kausalzusammenhang zwischen konkreter Schädigung und konkreter Schädigungsfolge. Mithin ist der Bescheid des Beklagten vom 19. April 2010 dahingehend auszulegen, dass die zu Beginn der Gründe genannte Schädigung "sexueller Missbrauch ab dem Jahr 1988 bis 1989" Teil der mit dem Bescheid getroffenen Regelung ist und somit an seiner Bestandskraft teilhat.

Soweit sich der Beklagte unter Berufung auf die Argumentation der von ihm beauftragten Fachärztin für Psychiatrie Dr. W auch gegen die Höhe des der Versorgungsgewährung zugrunde zu legenden GdS wendet, folgt dem der Senat nicht. Abgesehen davon, dass jene Ärztin im Gegensatz zur gerichtlich bestellten Sachverständigen den Kläger nicht selbst untersucht hat, ist wesentliche Grundlage ihrer ärztlichen Einschätzung der Umstand, dass sie – wie o.a. unzutreffend - von einem lediglich zweimaligen weniger gewichtigen Missbrauch ausgegangen ist. Dies nimmt der darauf aufbauenden medizinischen Argumentation die Überzeugungskraft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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