L 13 R 723/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 341/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 723/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1969 geborene Klägerin hat eine Berufsausbildung zur Industriekauffrau absolviert und war zuletzt bis zum 31. Oktober 2006 als Büroaushilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 15. Juli 2013 ist ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt (Verdauungsstörungen, psychovegetative Störungen, Magenschleimhautentzündung, Störung der Koordination, Tremor, Gebrauchseinschränkung beider Hände). Am 23. April 2007 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, sie halte sich seit Juli 2006 für erwerbsgemindert wegen einer funktionellen Magen-Darm-Störung, Fruktose- und Saccharose-Malabsorption, Untergewicht, Erschöpfungszuständen, Kreislaufschwäche, Blutzuckerschwankungen, Schwindel, Magen-Darmkrämpfen sowie Durchfällen. Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin von dem Internisten Dr. L. sozialmedizinisch begutachtet. In seinem Gutachten vom 2. Juli 2007 nannte dieser als Diagnosen fehlerhafte Ernährung und Verdauung (Malabsorption) mit reduziertem Ernährungs- und Allgemeinzustand sowie Kachexie. Bei einer Körpergröße von 166,5 cm und einem Gewicht von 48 kg habe die Klägerin einen BMI von 17,3. Sowohl im bisherigen Beruf als Kauffrau und Hausverwalterin als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liege das Leistungsvermögen unter drei Stunden. Dieses eingeschränkte Leistungsvermögen bestehe seit Juni 2006 und dauere voraussichtlich bis Juni 2008 an. Mit mehreren Bescheiden gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zuletzt 31. Dezember 2012. Am 5. Juli 2010 beantragte die Klägerin die Umstellung auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 lehnte die Beklagte diesen Antrag bestandskräftig ab. Am 25. Juli 2012 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2012 hinaus. Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin von dem Internisten und Sozialmediziner Dr. G. sozialmedizinisch begutachtet. In seinem Gutachten vom 27. August 2012 nannte er als Diagnosen einen Laktose- und Fruktoseintoleranz mit Folgeerscheinungen sowie Morbus Meulengracht. Bei einer Körpergröße von 166 cm und einem Gewicht von 44,7 kg habe die Klägerin einen BMI von 16,22. Das berufliche Leistungsvermögen sei im bisherigen Beruf als Bürokauffrau und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr pro Tag. Die Klägerin habe die Erkrankung bereits seit ihrer Kindheit und sei ungeachtet dessen in der Lage gewesen, die Ausbildung als Industriekauffrau zu absolvieren und anschließend Bürotätigkeiten auszuüben. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Weiterzahlungsantrag ab, da die Klägerin trotz der Laktose- und Fruktoseintoleranz mit Folgeerscheinungen sowie Morbus Meulengracht wieder mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, die notwendige Einhaltung einer vollkommen fruktose- und laktosefreien Diät führe zu ihrem kachektischen Allgemein- und Ernährungszustand und damit der großen Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit und einer starken Aktivitäts- und Teilhabeeinschränkung. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Klägerin seien noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne besonderen Anforderungen an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten (bis 5 Kg) und ohne häufiges Klettern und Steigen sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Dagegen hat die Klägerin am 31. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Nach Ansicht ihrer behandelnden Ärzte sei sie nicht in der Lage, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als drei Stunden täglich auszuüben. Nach den ärztlichen Berichten des Universitätsklinikums F. lägen folgende weitere Erkrankungen vor: Halte- und Intentionstremor der rechten Hand, Feinmotorikstörung der linken Hand unklarer Genese, Fruktose- und Laktoseintoleranz, Migräne mit Aura und Morbus Meulengracht. Sie sei aufgrund ihrer Intoleranz dazu gezwungen, eine vollkommen fruktose- und laktosefreie Diät einzuhalten. Deshalb sei ihr Allgemein- und Ernährungszustand kachektisch geworden. Durch die strenge Diät sei es zu einer radikalen Reduzierung ihres Gewichts gekommen, der von den Ärzten als lebensbedrohlich eingestuft werde. Sie könne nur noch wenige Lebensmittel zu sich nehmen, so dass eine ausgewogene Ernährung nicht möglich sei. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzten der Klägerin, den Allgemeinarzt Dr. U. und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. U. hat folgende Diagnosen genannt: funktionelle Störung des oberen und unteren Verdauungstraktes, chronische erosive Gastritis, Refluxösophagitis I, Fruktosemalabsorption, Toleranzgrenze Null, Saccharosemalabsorption, Toleranzgrenze Null, Gilbert-Meulengracht-Syndrom, postinfektiöse Immunkomplexvaskulitis, Pyelonephritis links, hypochrome mikrozytäre Anämie, Atrophie der Duodenalschleimhaut, beginnende Bandscheibendegeneration LWK 4/5 und LWK 5/S1 sowie Halte- und Aktionstremor der rechten Hand, Kleinhirnerkrankung unklarer Genese. Dr. U. hat mitgeteilt, durch die eingeschränkte Nahrungsaufnahme und die zusätzlich aufgetretenen Symptome bestehe weiterhin eine große Aktivitäts- und Teilhabebeschränkung. Das aktuelle Gewicht betrage 45,6 kg. Eine Besserung der Leistungsfähigkeit werde nicht wieder eintreten. Seit August 2010 habe sich der Zustand der Klägerin weiterhin erheblich verschlechtert. Es sei zu immer wieder auftretenden, extrem starken Darmkrämpfen mit Darmblutungen und erneutem Gewichtsverlust gekommen. Ferner seien eine Gastritis und eine Atrophie der Duodenalschleimhaut diagnostiziert worden. Eine Beschäftigung sei nicht vertretbar. Dr. K. hat als Verdachtsdiagnose eine chronisch progrediente cerebelläre Erkrankung unbekannter Ursache mitgeteilt. Die Klägerin könne ihren zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund der Störung der Feinmotorik der Hände nicht mehr ausüben. Auf neurologischem Fachgebiet könne sie eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Das SG hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. In seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 15. April 2014 hat dieser als Diagnosen einen diskreten Tremor sowie diskrete Auffälligkeiten in der Feingeschicklichkeitsuntersuchung, eine reklamierte körperliche Schwäche, eine Persönlichkeitsakzentuierung mit testpsychologisch deutlich aggressionsgehemmten Zügen (ohne eigenständigen Krankheitswert) und eine aus 2009 berichtete Episode einer Immunkomplexvaskulitis (anhaltend remittiert) mitgeteilt. Aus nervenärztlicher Sicht könne die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokauffrau und andere körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten, ohne weit überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen, ohne ständigen Zeitdruck, nur zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne Nacht- oder Wechselschicht. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG den Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren und Experten für biologische Medizin (Univ. Mailand) Dr. M. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 26. März 2015 folgende Gesundheitsstörungen beschrieben: ausgeprägte Eisenmangelanämie, vor allem seit 2013, mit zuletzt deutlicher Progredienz; postinfektiöser Reizdarm mit Fruktose- und Laktoseintoleranz - deutliche Progredienz ab 2005 nach Gastroenteritis und Verdacht auf Resorptionsdefizite - sowie unklarer Tremor der rechten Hand und Morbus Gilbert-Meulengracht (harmlos). Bei einer Körpergröße von 167 cm und einem Gewicht von 45,8 kg habe die Klägerin einen BMI von 17. Im aktuellen Zustand sei sie nicht in der Lage, einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Der Hauptgrund dafür sei die ausgeprägte Eisenmangelanämie, die zu einem erheblich verschlechterten Sauerstofftransport, Müdigkeitserscheinungen und einer insgesamt reduzierten Leistungsfähigkeit führe. Denkbar sei, dass nach Beseitigung der Eisenmangelanämie eine Arbeit bis drei Stunden täglich möglich werde, evtl. später auch etwas mehr. Auszuschließen seien Arbeiten, die mit ständiger räumlicher Mobilität, z.B. Außendiensttätigkeiten, einhergingen, aber auch das Heben schwerer Lasten, wozu auch Aktenkartons, Getränkekisten und ähnliches gehörten. Zumutbar sei eine Schreibtischtätigkeit - vorzugsweise in Heimarbeit. Eine Tätigkeit mit vermehrtem Publikumskontakt sei längerfristig auszuschließen, weil dies zu einer besonderen mentalen Belastung führe, die derzeit nicht zumutbar sei. Eine orale Eisentherapie in Tablettenform sei nicht ausreichend, so dass zu einer intravenösen Applikation von Eisenpräparaten zu raten sei. Dadurch sollte es möglich sein, innerhalb von 2-3 Monaten die mangelhafte Blutbildung wieder auszugleichen, wodurch sich die ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung der Klägerin deutlich bessern sollte. Das SG hat schließlich den Internisten und Betriebsmediziner Dr. S. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat in seinem internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachten vom 14. Oktober 2015 als Diagnosen eine Eisenmangelanämie, Untergewichtigkeit, Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz und Morbus Meulengracht mitgeteilt. Es bestehe eine chronische Eisenmangelanämie mit einem aktuellen Wert für Hämoglobin ( 10 g/dl. Der Eisenspeicher Ferritin sei aktuell auf 5 µg/l erniedrigt (Gewicht 45 kg). Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, das Eisendefizit auszugleichen, dies sollte in der gastroenterologischen Ambulanz eines Krankenhauses erfolgen. Selbst wenn der aktuelle Eisenmangelzustand nicht behandelbar wäre, sei aufgrund des aktuellen Wertes für Hämoglobin und Hämatokrit die Verrichtung leichter körperlicher Arbeiten mindestens sechs Stunden arbeitstäglich möglich. Für die Laktose- und Fruktoseintoleranz gebe es eine Vielzahl von laktosefreien Lebensmitteln, hier bestehe die Möglichkeit, eine spezielle Ernährungsberatungs-Sprechstunde aufzusuchen. Die Klägerin sei in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf und leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Nicht möglich seien schwere körperliche Arbeiten, mittelschwere körperliche Arbeiten drei Stunden und mehr arbeitstäglich, häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg. Mit Urteil vom 26. Januar 2016 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei auf die Gutachten des Dr. B. und des Dr. S. gestützt. Gegen das ihr am 5. Februar 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Februar 2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Bei ihr lägen zahlreiche Einschränkungen sowohl im qualitativen als auch im quantitativen Bereich vor, so dass das SG den teilverschlossenen Arbeitsmarkt hätte prüfen müssen. Mit der Untergewichtigkeit mit einem BMI von 16,1 sei ihre gesundheitliche Leistungsfähigkeit schwer eingeschränkt. Der BMI von 16,1 sei von Dr. S. nicht ausreichend beachtet worden. Dr. M. habe eindeutig festgestellt, dass sie nicht in der Lage sei, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden durchzuführen. Die von Dr. S. festgestellte ausgeprägte Blutarmut mit extrem niedrigem Eisen und Eisenspeicher ermögliche nicht die Durchführung einer Tätigkeit von mehr als drei Stunden. Der Eisenmangel habe sich seit der Untersuchung durch Dr. S. weiter verschlechtert und es seien Herz- und Kreislaufbeschwerden hinzugekommen, wegen derer sie sich in kardiologischer Behandlung befinde. Der Ferritinwert sei von 5,4 am 23. April 2015 nun auf 5,0 zum 22. Februar 2016 gesunken. Ebenso hätten sich der Hämoglobin- und der Hämatokritwert reduziert. Dazu hat die Klägerin das Laborblatt der Praxis Dr. U. vom 25. Februar 2016 vorgelegt. Sie hat ferner den Bericht des Cardio Centrums L. B. (Dr. V.) vom 30. März 2016 vorgelegt, aus dem sich aufgrund des durchgeführten Langzeit-EKGs eine ventrikuläre Extrasystolie ergibt und dazu vorgetragen, damit werde eindeutig belegt, dass die langjährige Mangelernährung aufgrund der Fruktose- und Laktoseunverträglichkeit zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen führen könne. Ergänzend hat die Klägerin eine Übersicht über ihren Tagesablauf und ihre Erkrankungen vorgelegt. Im Erörterungstermin am 11. August 2016 hat sie den Newsletter der Universität S. mit dem Titel: "Energiebilanz - wie viel Energie benötigt unser Organismus" vorgelegt und dem darin empfohlenen Energiebedarf ihre tägliche Energiezufuhr mit den ihr zur Verfügung stehenden verträglichen Lebensmitteln gegenübergestellt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2013 zu verurteilen, ihr über den 31. Dezember 2012 hinaus eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus der Berufungsbegründung und den eingereichten Unterlagen ergebe sich keine Änderung ihrer bisherigen Rechtsauffassung. Sie hat auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie B. vom 15. April 2016 und vom 25. Mai 2016 Bezug genommen. Dr. B. hat ausgeführt, Laborwerte unterlägen Schwankungen und in sämtlichen pathologischen Laborbefunden zeige sich keine dramatische Veränderung im Vergleich zu den Vorbefunden des Gutachtens des Dr. S ... Ein BMI von 16,1 kg/m² impliziere keine quantitative Leistungsminderung. Aus dem Befundbericht der Kardiologie Dr. V. ergebe sich ebenfalls kein Hinweis auf eine quantitativ leistungsrelevante Rhythmusstörung.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist nicht begründet. Die Klägerin hat über den 31. Dezember 2012 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Das SG hat – gestützt auf die von ihm eingeholten Gutachten des Dr. B. und des Dr. S. und unter Berücksichtigung der abweichenden Leistungsbeurteilung des Dr. M. - zutreffend dargelegt, dass die Klägerin über den 31. Dezember 2012 hinaus keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, weil sie in der Lage ist, ihr zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung rentenrechtlich nicht relevanter qualitativer Einschränkungen wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gem. § 153 Abs. 2 SGG zurück. Auch aus dem Vorbringen der Klägerin im Rahmen der Berufung ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus den von ihr vorgelegten Laborwerten und dem Bericht der Kardiologin Dr. V. keine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ableiten, so dass weiterhin keine dauerhafte zeitliche Leistungseinschränkung nachgewiesen ist. Wie sich aus den ärztlichen Unterlagen ergibt, haben sich die für die Eisenmangelanämie relevanten Blutwerte (Hämoglobin und Eisenspeicher Ferritin) in letzter Zeit nur leicht verändert. So hat sich bei den Blutuntersuchungen bei Dr. U. am 7. April 2014 ein Hämoglobinwert von 10,3 g/dl, am 26. Januar 2015 bzw. 29. Januar 2015 jeweils 9,9 g/dl, bei der Begutachtung durch Dr. M. im Februar 2015 11,1 g/dl, bei der nächsten Blutuntersuchung durch Dr. U. am 23. April 2015 10,4 g/dl, bei der Untersuchung im Krankenhaus B. am 10. Juni 2015 11,0 g/dl, bei der Begutachtung durch Dr. S. im September 2015 10,3 g/dl und bei der nächsten Blutuntersuchung durch Dr. U. am 22. Februar 2016 10,2 g/dl ergeben. Der Ferritinwert hat sich zunächst von 4,3 µg/l seit der Blutuntersuchung durch Dr. U. am 7. April 2014 auf 1,6 µg/l am 2. Februar 2015 reduziert und dann bei der Kontrolle am 23. April 2015 5,4 µg/l, bei der Untersuchung im Krankenhaus B. am 10. Juni 2015 13 µg/l und bei der Begutachtung durch Dr. S. im September 2015 und der nächsten Blutuntersuchung durch Dr. U. am 22. Februar 2016 jeweils 5 µg/l betragen. Damit liegt eine wesentliche Änderung der für die Eisenmangelanämie relevanten Blutwerte seit der Begutachtung durch Dr. S. nicht vor, so dass auf die Feststellungen in dessen Gutachten verwiesen werden kann. Sowohl Dr. M. als auch Dr. S. haben darüber hinaus bei entsprechender Behandlung (intravenöse Gabe von Eisen) eine Verbesserung des Eisendefizits und damit einhergehend eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Klägerin für möglich gehalten, wobei Dr. S. - aufgrund der von Dr. U. geschilderten Nebenwirkungen bzw. der Gefahr eines anaphylaktischen Schocks bei einer Infusion- die Möglichkeit aufgezeigt hat, das Eisendefizit durch Infusionen in der gastroenterologischen Ambulanz eines Krankenhauses auszugleichen. Auch eine relevante Gewichtsänderung wurde von der Klägerin nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus im Berufungsverfahren vorgelegten Befunden. Wie Dr. S. - beruhend auf den Angaben der Klägerin - in seinem Gutachten erwähnt hat, liegt das Gewicht der Klägerin seit ca. 2006 konstant bei 45-46 kg. Dr. S. hat die Auswirkungen der Eisenmangelanämie, des Untergewichts sowie der von ihm ferner festgestellten Laktose- und Fruktoseintoleranz und des Morbus Meulengracht auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin berücksichtigt und ist - wie das SG und zutreffend dargelegt hat - zu der überzeugenden Einschätzung gelangt, dass die Klägerin unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen in der Lage ist, leichte körperliche Arbeiten mindestens 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Soweit die Klägerin im Erörterungstermin am 11. August 2016 noch den Newsletter der Universität S. im Hinblick auf die Bestimmung des Energiebedarfs vorgelegt und dem ihre tägliche Energiezufuhr mit den ihr zur Verfügung stehenden verträglichen Lebensmitteln gegenübergestellt hat, ergeben sich daraus keine neuen Erkenntnisse. Denn auch bei einer unterstellten Mangelversorgung der Klägerin aufgrund der wegen der Laktose- und Fruktoseintoleranz eingeschränkten Auswahl an verträglichen Lebensmitteln steht aufgrund der Feststellungen des Gutachtens des Dr. S. fest, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch mit dem daraus resultierenden Untergewicht und der Eisenmangelanämie nicht in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist. Im Übrigen hat Dr. S. in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit hingewiesen, eine spezielle Ernährungsberatungs-Sprechstunde aufzusuchen, wodurch eine Verbesserung der Ernährungssituation der Klägerin und daraus folgend auch der körperliche Leistungsfähigkeit zu erwarten wäre.

Auch von kardiologischer Seite hat sich seit der Begutachtung durch Dr. S. keine wesentliche Änderung mit Einfluss auf das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin ergeben. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 14. Oktober 2015 keinen Hinweis auf eine relevante Herzerkrankung bei Normalwert für den hochspezifischen Pumpfunktionsparameter BNP gefunden und im Hinblick auf die im Ruhe-EKG vereinzelt aufgetretenen ventrikulären Extrasystolen dargelegt, dass diese bei fehlenden Hinweisen auf eine strukturelle Herzerkrankung keine Bedeutung hätten. Er hat demnach auch die festgestellten ventrikulären Extrasystolen in seine Leistungsbeurteilung mit einbezogen, wobei er ihnen bezüglich der Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Bedeutung zugemessen hat. Aus dem im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht der Kardiologin Dr. V., aus dem hervorgeht, dass im Langzeit-EKG ventrikuläre Extrasystolen nachweisbar waren, können daher - weiterhin ohne Nachweis einer strukturellen Herzerkrankung - keine Rückschlüsse auf eine zeitliche Leistungseinschränkung der Klägerin gezogen werden. Es verbleibt daher auch insoweit bei den überzeugenden Feststellungen des Gutachtens des Dr. S ...

Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre Angaben zum Tagesablauf wegen der von ihr für erforderlich gehaltenen Pausen die Teilverschlossenheit des Arbeitsmarktes abgeleitet hat, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Zwar kann auch bei sechsstündiger Erwerbsfähigkeit der Arbeitsmarkt ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn Versicherte nur unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen arbeiten können (vgl. BSGE 44, 39, 40 = SozR 2200 § 1246 Nr. 19, SozR a.a.O. Nr. 22). Für den Fall, dass zusätzliche Pausen von zweimal 15 Minuten erforderlich sind, bestehen ernste Zweifel, ob solche Arbeitsplätze vorhanden sind und dann ist die Benennung zumindest einer zugänglichen Verweisungstätigkeit erforderlich (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136 = NZA 1987, 38). Den Schilderungen der Klägerin kann zur Überzeugung des Senats nicht entnommen werden, dass sie nur unter betriebsunüblichen Bedingungen arbeiten kann. Vielmehr ergibt sich aus den eigenen Angaben der Klägerin, dass sie in der Lage, ist körperlich leichte Tätigkeiten (nämlich leichte Hausarbeiten) zu verrichten. Die Ausübung körperlich schwerer Tätigkeiten - wie auch schwerer Hausarbeiten, zu denen sich die Klägerin nachvollziehbar nicht in der Lage sieht - ist ihr auch nach den Feststellungen des Gutachtens des Dr. S. nicht zumutbar. Für den Senat ergeben sich demnach keine Hinweise darauf, dass die Klägerin über die von Dr. S. bzw. von Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 15. April 2014 genannten qualitativen Einschränkungen hinaus bei Verrichtung leichter Tätigkeiten betriebsunübliche Pausen beachten muss. Die Benennung einer Verweisungstätigkeit ist daher nicht erforderlich.

Die Klägerin ist demnach bei Beachtung der angegebenen qualitativen Einschränkungen seit 1. Januar 2013 wieder in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein und hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI. Aus diesen Gründen besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI.

Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI scheidet aus, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 191 geboren ist.

Da das SG demnach die Klage zu Recht abgewiesen hat, war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8 erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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