Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 601/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 564/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Umsatzsteuer.
Die Beklagte, das B. behandelte im Jahr 2010 die bei der Klägerin, einer gesetzlichen Krankenkasse, versicherten Patienten G.K., C.F. und A.O ... Hierbei übernahm die Beklagte für in der Apotheke der Beklagten hergestellte Zytostatika Kosten in Höhe von insgesamt 16.394,39EUR, darin enthalten Umsatzsteuer in Höhe von 2.617,62EUR. Die Zytostatika wurden den Versicherten im Rahmen einer ambulant durchgeführten Chemotherapie im Krankenhaus verabreicht.
Die Abgabe von Zytostatika zur ambulanten Behandlung wurde im streitigen Zeitraum von Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Während die Finanzverwaltung die entgeltliche Abgabe von Arzneimitteln zur ambulanten Verabreichung in den Räumen des Krankenhauses unter den Bedingungen des § 116 SGB V als umsatzsteuerpflichtig einstufte, bewertete die Rechtsprechung sowohl die ambulante medizinische Behandlung als auch die Medikamentengabe zur ambulanten Versorgung mit Zytostatika als im steuerbegünstigten Zweckbetrieb nach § 67 ausgeführte umsatzsteuerfreie Krankenhausleistung i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG.
Mit Beschluss vom 15.05.2012 richtete der Bundesfinanzhof ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Dieser führte in seiner Entscheidung vom 13.03.2014 aus, dass eine Lieferung von Gegenständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen zytostatischen Medikamenten, die von innerhalb des Krankenhauses selbständig tätigen Ärzten im Rahmen einer ambulanten Krebsbehandlung verschrieben worden seien, nicht gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2005/92/EG des Rates vom 12.12.2005 geänderten Fassung von der Mehrwertsteuer befreit werden, es sei denn, diese Lieferung sei in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sei.
Mit Urteil vom 24.09.2014 (V R 19/11) entschied der BFH, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Behandlung, die dort individuell für einen einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt würden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gem. § 4 Nr. 16 Buchst. B UStG steuerfrei sei.
Mit Schriftsatz vom 16.12.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg.
Sie trägt vor, dass im Vorfeld der Klageerhebung versucht worden sei, von der Beklagten eine Erklärung des Verzichts auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu erhalten. Der Verzicht habe zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht vorgelegen.
Der Rückzahlungsanspruch würde sich jedenfalls aus § 812 Abs. 1 1. Alt. BGB ergeben.
Die Klägerin beantragt die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2617,59EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 von Hundert über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Rückforderung der gezahlten Umsatzsteuer zu, weil die Klägerin jeweils mit Rechtsgrund geleistet habe. In der Anlage 1 zum Apothekenvertrag vom 30.12.2004 sei unter Absatz 2 geregelt, dass parenterale Infusionslösungen - Zytostatika - mit Mehrwertsteuer berechnet werden müssten. Auch sonstige Hilfsmittel und Fertigarzneimittel oder Stoffe ohne Lauertaxeneintrag seien mit Mehrwertsteuer zu berechnen. Danach stehe fest, dass die Klägerin für das Jahr 2010 jeweils mit Rechtsgrund geleistet habe.
Das Urteil des BFH entfalte nach § 110 FGO nur eine Bindungswirkung zwischen den Beteiligten und ggf. ihren Rechtsnachfolgern. Die Finanzverwaltung sei daher rechtlich nicht verpflichtet, dieses Urteil in anderen Fällen entsprechend anzuwenden. Bislang seien keine Anzeichen erkennbar, dass die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen von ihrer bisherigen Auffassung abweiche. Vielmehr gebe es eine Veröffentlichung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2015, in der festgestellt werde, dass das Urteil des BFH vom 24.09.2014 nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden sei.
Hilfsweise berufe sich die Beklagte auf die Regelung des § 11 - Beanstandungen - im Apothekenvertrag. Danach müssten die Krankenkassen Beanstandungen dem Krankenhaus gegenüber innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Monats vornehmen, in dem die Lieferung erfolgt sei.
Darüber hinaus sei die Beklagte nicht bereichert, denn die Umsatzsteuer sei von der Beklagten abgeführt worden. Für die Frage einer Bereicherung komme es alleine darauf an, in welcher Höhe der Schuldner - hier die Beklagte - bereichert sei. Der vermeintliche Bereicherungsanspruch der Klägerin gehe daher - selbst wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet hätte - ins Leere. Die Klägerin müsse sich weiterhin den gleichen Wissensstand wie die Beklagte zurechnen lassen. Die Klägerin hätte daher - selbst wenn ohne rechtlichen Grund geleistet worden wäre - in Kenntnis der Nichtschuld geleistet - § 814 BGB.
Die Klägerin trug in der Folge vor, dass davon auszugehen sei, dass das Finanzministerium das Urteil für allgemeinverbindlich erklären werde. Solle das Finanzministerium bzw. die Finanzverwaltung das Urteil wider Erwarten ignorieren, bedeute dies nur, dass es an der Beklagten sei, die Bescheide der Finanzverwaltung nicht bestandskräftig werden zu lassen, da diese aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung rechtswidrig seien und daher aufgehoben werden würden. Sollte die Beklagte nicht gegen die Bescheide der Finanzverwaltung vorgehen, müsse sie sich den Vorwurf der Bösgläubigkeit gefallen lassen, was dazu führen würde, dass sie sich nicht auf Entreicherung berufen könne.
Die Beanstandungsregelung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Vertragspartner seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Umsatzsteuerpflichtigkeit ausgegangen. Der Umstand, dass diese entfallen könne, sei nicht in Betracht gezogen worden. Soweit die Beklagte vortrage, dass sie gegenüber der Finanzverwaltung ihrerseits keine Ansprüche mehr geltend machen könne, könne dieser Vortrag zwar im Rechtsverhältnis Beklagte und Finanzverwaltung zutreffend sein, vermöge selbstredend für die hiesige Klage nicht zu überzeugen. Die Problematik sei in Fachkreisen mindestens seit 2005 bekannt gewesen. Es wäre daher steuerrechtlich sinnvoll und damalig zielführend gewesen, die Umsatzsteuer gegenüber der Finanzverwaltung ausschließlich unter Vorbehalt, nämlich der Klärung der offenen Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit zu zahlen, damit wäre insoweit die Finanzverwaltung bösgläubig gem. § 819 BGB gewesen, wie jetzt hier die Beklagte in diesem Verfahren. Es könne daher nicht zu Lasten der Klägerin gehen, wenn die Beklagte die Entwicklung hinsichtlich der Umsatzsteuerproblematik ignoriere und die Bescheide deshalb bestandskräftig werden lasse.
Die Beklagte führt aus, dass es nicht erkannt werden könne, weshalb sie z.B. im Jahr 2011 gegen Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 2010 vorgehen solle, wenn bis zur Entscheidung am 24.09.2014 überhaupt nicht klar gewesen sei, in welche Richtung der BFH entscheide. Sie sei im Rahmen der gesetzlichen Fristen gehalten, die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer abzuführen und habe dies auch getan. Wenn die Klägerin selbst vortrage, dass die Problematik mindestens seit dem Jahr 2005 bekannt gewesen sei, wäre es daher jederzeit möglich gewesen, für Rechnungen aus dem Jahr 2010 Beanstandungen geltend zu machen. Erst seit dem Entscheidung des BFH seien die Krankenhäuser gehalten, etwaige ergehende Umsatzsteuerbescheide nicht bestandskräftig werden zu lassen.
Die Klägerin macht geltend, dass sich die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder darauf verständigt hätten, das BFH-Urteil im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Darüber hinaus würden die Möglichkeit eines vereinfachten Rechnungsberichtigungsverfahrens sowie Anwendungsregelungen insbesondere für Zwecke des Vorsteuerabzugs geprüft.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage war abzuweisen, weil das Gericht für den geltend gemachten Zahlungsanspruch keine Rechtsgrundlage erkennen kann.
Als Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch, nämlich der Rückabwicklung der von der Klägerin an die Beklagte in Höhe der Klageforderung erfolgten Zahlung, kommt zunächst ein Anspruch auf Rückzahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff BGB i.V.m. § 61 SGB X in Betracht. Die zivilrechtlichen Regelungen gelten entsprechend auch für die öffentlich-rechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen gesetzlichen Krankenkassen und den Leistungserbringern - wie z.B. Apotheken oder Sanitätshäusern, wie die Beklagte (BSG Urteil vom 24.01.2008 - B 3 Kr 2/07 R). Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist derjenige, der durch eine Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Der Beklagte hat vorliegend die Umsatzsteuer in Höhe von 19% erlangt. An einer Kondiktionslage fehlt es vorliegend aber bereits daran, dass der rechtliche Grund hierfür nicht später weggefallen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil des 3. Senats vom 17.07.2008, B 3 KR 18/07 R) ist für den Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer bei einer Nettopreisvereinbarung der zu Lasten eines Leistungserbringers von der Finanzverwaltung bindend festgesetzte Steuerbetrag maßgebend, ohne dass die Krankenkasse dessen Überprüfung im finanzgerichtlichen Verfahren verlangen kann. Die Rechtsprechung des BSG ist somit auf den vorliegenden Fall anwendbar, da der zwischen den Beteiligten geschlossene Apothekenvertrag (hier Anlage 1: Preisberechnung) die Abrechnung zuzüglich Mehrwertsteuer vorsieht. Maßgebend sind daher die bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide, die bis heute auch nicht korrigiert worden sind. Weiterhin wäre die Beklagte im Übrigen auch nicht mehr bereichert, da die Umsatzsteuer bereits an die Steuerverwaltung abgeführt worden ist (§ 818 Abs. 3 BGB).
Das Gericht sieht hier auch nicht, dass sich - ausschließlich - die Beklagte nicht auf Entreicherung berufen könne. Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre (§ 819 Abs. 1 BGB). Hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass § 819 BGB die positive Kenntnis der Tatsachen verlangt, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (BGH 133, 246), sowie der Rechtsfolgen des fehlenden Rechtsgrundes (BGH NJW 92, 2415). Fahrlässige Unkenntnis, Kennenmüssen und Bösgläubigkeit i.S.d. § 932 Abs. 2 BGB genügen nicht. Auch bloße Zweifel am Fortbestand des Rechtsgrundes lösen die verschärfte Haftung nicht aus (Sprau in Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage 2015, § 819 Rn. 2). Die Kammer geht hier davon aus, dass es für keinen der Beteiligten absehbar war, ob bzw. wie das finanzgerichtliche Verfahren enden würde. Keinesfalls war der Verfahrensgang absolut klar und vorhersehbar, was alleine dadurch zu erkennen ist, dass die Entscheidung des EuGH im März 2014 eher von einer Umsatzpflichtigkeit der Zytostatika ausging ("kann nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden, es sei denn ..."), woraufhin der BFH in seiner Entscheidung vom November dann den ihm vorliegenden Einzelfall auf die vom EuGH angesprochene Ausnahme stützte. In Anbetracht der von der Finanzverwaltung deutlich vertretenen Position, die auch die Beteiligten im Jahr 2004 ja dem Apothekenvertrag zugrunde gelegt hatten (Abrechnung zuzüglich Mehrwertsteuer), kann die Kammer hier nicht erkennen, dass die Beklagte im Jahr 2010 wusste, dass die Berechnung von Umsatzsteuer einen Verstoß gegen § 4 Nr. 16 Buchst. B UStG darstellen würde. In Anbetracht der widerstreitenden Rechtspositionen wäre hier nicht einmal von fahrlässiger Unkenntnis auszugehen.
Würde man darüber hinaus von einer verschärften Haftung i.S.d. § 819 BGB ausgehen, dann müsste man auf Seiten der Klägerin auch § 814 BGB zur Anwendung bringen. Nach dieser Vorschrift kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Die Kammer kann vorliegend nicht nachvollziehen, wieso die Beklagte die Entscheidung des BFH hätte antizipieren müssen, die Klägerin jedoch - in gleicher Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen von der Umsatzsteuerpflicht - entsprechende Leistungen vornehmen konnte, um diese dann - mehrere Jahre später - wieder zurückzufordern.
Des Weiteren besteht der geltend gemachte Zahlungsanspruch auch nicht als Schadensersatzanspruch. Die Voraussetzungen für die Haftung aus schuldhafter Verletzung von Pflichten aus einem vertraglichen Schuldverhältnis (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) - positive Vertragsverletzung - liegen nicht vor.
Solche vertraglichen Nebenpflichten hat die Beklagte jedoch nicht verletzt. Dass der Ansatz des allgemeinen Steuersatzes vorwerfbar (fahrlässig) fehlerhaft gewesen sein könnte, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Das Gericht sieht jedoch auch keine vertragliche Nebenpflicht, aus der sich ergibt, dass die Beklagte zur Herbeiführung einer Korrektur der bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide verpflichtet wäre. Zweck der zwischen Klägerin und Beklagter im Apothekenvertrag getroffenen Nettopreisvereinbarung ist es, die Vertragsparteien von dem Risiko einer zu ihren Lasten unzutreffenden Steuerfestsetzung zu befreien. Ohne eine entsprechende Abrede ist mit dem Preis - ständiger zivilgerichtlicher Rechtsprechung zufolge - auch der Aufwand für die Umsatzsteuer abgegolten; dieser Aufwand ist unselbstständiger Teil des zu zahlenden Entgelts ("Bruttopreis"; vgl BGHZ 58, 292, 295; 60, 199, 203; 103, 284, 287; BGH NJW-RR 2000, 1652; BGH NJW 2001, 2464; BGH NJW 2002, 2312 mwN). Dem hat sich der 3. Senat des BSG angeschlossen (Urteile vom 17.7.2008 - B 3 KR 16/07 R, juris RdNr 17, und B 3 KR 18/07 R, juris RdNr 12, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Bei einer Bruttopreisabrede sind beide Vertragspartner dem Risiko eines unzutreffenden Umsatzsteueransatzes ausgesetzt: Ist die Steuer im Bruttopreis zu hoch veranschlagt, muss der Abnehmer den vereinbarten Preis in der Regel auch dann zahlen, wenn nach objektiver Rechtslage ein niedrigerer Ausweis möglich gewesen wäre. Ist sie zu niedrig ausgewiesen, kann der Unternehmer seinen zusätzlichen steuerlichen Aufwand nicht nachfordern, weil er insoweit einem rechtlich unbeachtlichen Kalkulationsirrtum unterlegen ist (vgl BSG, Urteile vom 17.7.2008 - B 3 KR 16/07 R, juris RdNr 19, 25 und B 3 KR 18/07 R, juris RdNr 12; BGH DB 1978, 786; BGHZ 103, 284, 287; BGH NJW-RR 2002, 591, 593; BGH NJW 2002, 2312, jeweils mwN). Diesen Konsequenzen entgehen die Vertragsparteien nur durch Vereinbarung von "Nettopreisen", weil das Kalkulationsrisiko dann nur den Nettopreis betrifft und die Höhe der von dem Abnehmer zu tragenden Umsatzsteuer nach dem Betrag bemessen wird, den der Unternehmer an den Steuerfiskus abführen muss (vgl BSG, Urteile vom 17.7.2008 - B 3 KR 16/07 R, juris RdNr 17 und B 3 KR 18/07 R , juris RdNr 12). Ist die von dem Unternehmer abzuführende Umsatzsteuer im Verhältnis zur Finanzverwaltung - wie in dem vom 3. Senat des BSG mit Urteil vom 17.7.2008 entschiedenen Revisionsverfahren B 3 KR 18/07 R (juris RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) - durch bindende Umsatzsteuerbescheide festgesetzt worden, so ist diese grundsätzlich auch für das Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer maßgebend. Denn das Entscheidungsrecht über die Besteuerung liegt nach dem System der Abgabenordnung ausschließlich bei den Finanzbehörden. Nur diese treffen verbindliche Entscheidungen über die Steuerpflicht. Meinungsunterschiede über Grund und Höhe der Umsatzsteuerpflicht sind zwischen dem Unternehmer als Steuerschuldner und dem Steuerfiskus als Steuergläubiger zu klären. Entscheidungen der Zivilgerichte oder - wie hier - der Sozialgerichte im Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer entfalten in der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Unternehmer und Steuerfiskus keine Bindungswirkung. Denn ansonsten drohten widersprechende Entscheidungen, wenn über die vom Unternehmer zu tragende Steuerlast einerseits im gerichtlichen Verfahren vor den Finanzgerichten und andererseits im Rechtsstreit über den vom Schuldner zu tragenden Umsatzsteueranteil - etwa durch die Zivil- oder die Sozialgerichte - verbindlich zu entscheiden wäre. Es muss deshalb allein den Finanzbehörden und gegebenenfalls den zuständigen Finanzgerichten überlassen bleiben, die aufgeworfenen steuerrechtlichen Fragen zu klären. Nur die Entscheidungen dieser Behörden und Gerichte binden alle Beteiligten und müssen, wenn sie bestandskräftig geworden sind, in den anderen, davon abhängigen Streitverfahren beachtet werden (vgl BGHZ 103, 284, 291 ff; BGH NJW-RR 2002, 591, 592 mwN). Grundsätzlich ist daher die von der Finanzverwaltung bindend getroffene Festsetzung der Umsatzsteuer im Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer ebenfalls als verbindlich anzusehen; das Gegenteil widerspräche dem oben dargelegten Interesse, das die Beteiligten mit einer Nettopreisabrede verfolgen.
Daraus ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch, dass sich die Klägerin nicht auf eine vertragliche Nebenpflicht der Beklagten gegenüber berufen kann, von sich aus eine Korrektur der bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide herbeizuführen. Ob und wie hier seitens der Finanzverwaltung die Möglichkeit geschaffen wird, überhaupt rückwirkende Berichtigungen herbeizuführen, ist völlig offen. In Betracht kommt auch ein Nichtbeanstandungserlass, anlog zu für vor dem 1. Oktober 2011 ausgeführten Umsätzen mit Gehhilfe-Rollatoren (vgl. hier Urteil des EuGH vom 22. Dezember 2010 - C-273/09 - (ABl. EU 2011 Nr. C 63 S. 5 und das BMF-Schreiben vom 11.08.2011). In diesem Fall stünde die Korrektur der Bescheide, um eine Rückzahlung der unbewusst zu viel gezahlten Umsatzsteuer herbeizuführen, alleine im Interesse der Klägerin. Den Aufwand für die Erstellung der entsprechenden Korrekturmeldungen trüge allerdings alleine die Beklagte. In Anbetracht dieser Umstände hält das Gericht es nicht für angemessen, eine Korrekturpflicht des Leistungserbringers anzunehmen. Vielmehr wäre es erforderlich, dass eine entsprechende Pflicht von den Beteiligten vertraglich vereinbart worden wäre. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung - welche der Apothekenvertrag unbestrittener Weise nicht enthält - wäre auch zu vereinbaren gewesen, dass der Aufwand des vom Leistungserbringer zu betreibenden Verfahrens von der Krankenkasse zu tragen ist. Nachträglich eine entsprechende Pflicht zu konstruieren, hält das Gericht jedoch nicht für angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Umsatzsteuer.
Die Beklagte, das B. behandelte im Jahr 2010 die bei der Klägerin, einer gesetzlichen Krankenkasse, versicherten Patienten G.K., C.F. und A.O ... Hierbei übernahm die Beklagte für in der Apotheke der Beklagten hergestellte Zytostatika Kosten in Höhe von insgesamt 16.394,39EUR, darin enthalten Umsatzsteuer in Höhe von 2.617,62EUR. Die Zytostatika wurden den Versicherten im Rahmen einer ambulant durchgeführten Chemotherapie im Krankenhaus verabreicht.
Die Abgabe von Zytostatika zur ambulanten Behandlung wurde im streitigen Zeitraum von Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Während die Finanzverwaltung die entgeltliche Abgabe von Arzneimitteln zur ambulanten Verabreichung in den Räumen des Krankenhauses unter den Bedingungen des § 116 SGB V als umsatzsteuerpflichtig einstufte, bewertete die Rechtsprechung sowohl die ambulante medizinische Behandlung als auch die Medikamentengabe zur ambulanten Versorgung mit Zytostatika als im steuerbegünstigten Zweckbetrieb nach § 67 ausgeführte umsatzsteuerfreie Krankenhausleistung i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG.
Mit Beschluss vom 15.05.2012 richtete der Bundesfinanzhof ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Dieser führte in seiner Entscheidung vom 13.03.2014 aus, dass eine Lieferung von Gegenständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen zytostatischen Medikamenten, die von innerhalb des Krankenhauses selbständig tätigen Ärzten im Rahmen einer ambulanten Krebsbehandlung verschrieben worden seien, nicht gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2005/92/EG des Rates vom 12.12.2005 geänderten Fassung von der Mehrwertsteuer befreit werden, es sei denn, diese Lieferung sei in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Hauptleistung der ärztlichen Heilbehandlung untrennbar, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sei.
Mit Urteil vom 24.09.2014 (V R 19/11) entschied der BFH, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Behandlung, die dort individuell für einen einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt würden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gem. § 4 Nr. 16 Buchst. B UStG steuerfrei sei.
Mit Schriftsatz vom 16.12.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg.
Sie trägt vor, dass im Vorfeld der Klageerhebung versucht worden sei, von der Beklagten eine Erklärung des Verzichts auf die Erhebung der Einrede der Verjährung zu erhalten. Der Verzicht habe zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht vorgelegen.
Der Rückzahlungsanspruch würde sich jedenfalls aus § 812 Abs. 1 1. Alt. BGB ergeben.
Die Klägerin beantragt die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2617,59EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 von Hundert über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.
Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Rückforderung der gezahlten Umsatzsteuer zu, weil die Klägerin jeweils mit Rechtsgrund geleistet habe. In der Anlage 1 zum Apothekenvertrag vom 30.12.2004 sei unter Absatz 2 geregelt, dass parenterale Infusionslösungen - Zytostatika - mit Mehrwertsteuer berechnet werden müssten. Auch sonstige Hilfsmittel und Fertigarzneimittel oder Stoffe ohne Lauertaxeneintrag seien mit Mehrwertsteuer zu berechnen. Danach stehe fest, dass die Klägerin für das Jahr 2010 jeweils mit Rechtsgrund geleistet habe.
Das Urteil des BFH entfalte nach § 110 FGO nur eine Bindungswirkung zwischen den Beteiligten und ggf. ihren Rechtsnachfolgern. Die Finanzverwaltung sei daher rechtlich nicht verpflichtet, dieses Urteil in anderen Fällen entsprechend anzuwenden. Bislang seien keine Anzeichen erkennbar, dass die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen von ihrer bisherigen Auffassung abweiche. Vielmehr gebe es eine Veröffentlichung der OFD Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2015, in der festgestellt werde, dass das Urteil des BFH vom 24.09.2014 nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden sei.
Hilfsweise berufe sich die Beklagte auf die Regelung des § 11 - Beanstandungen - im Apothekenvertrag. Danach müssten die Krankenkassen Beanstandungen dem Krankenhaus gegenüber innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Monats vornehmen, in dem die Lieferung erfolgt sei.
Darüber hinaus sei die Beklagte nicht bereichert, denn die Umsatzsteuer sei von der Beklagten abgeführt worden. Für die Frage einer Bereicherung komme es alleine darauf an, in welcher Höhe der Schuldner - hier die Beklagte - bereichert sei. Der vermeintliche Bereicherungsanspruch der Klägerin gehe daher - selbst wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet hätte - ins Leere. Die Klägerin müsse sich weiterhin den gleichen Wissensstand wie die Beklagte zurechnen lassen. Die Klägerin hätte daher - selbst wenn ohne rechtlichen Grund geleistet worden wäre - in Kenntnis der Nichtschuld geleistet - § 814 BGB.
Die Klägerin trug in der Folge vor, dass davon auszugehen sei, dass das Finanzministerium das Urteil für allgemeinverbindlich erklären werde. Solle das Finanzministerium bzw. die Finanzverwaltung das Urteil wider Erwarten ignorieren, bedeute dies nur, dass es an der Beklagten sei, die Bescheide der Finanzverwaltung nicht bestandskräftig werden zu lassen, da diese aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung rechtswidrig seien und daher aufgehoben werden würden. Sollte die Beklagte nicht gegen die Bescheide der Finanzverwaltung vorgehen, müsse sie sich den Vorwurf der Bösgläubigkeit gefallen lassen, was dazu führen würde, dass sie sich nicht auf Entreicherung berufen könne.
Die Beanstandungsregelung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Vertragspartner seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Umsatzsteuerpflichtigkeit ausgegangen. Der Umstand, dass diese entfallen könne, sei nicht in Betracht gezogen worden. Soweit die Beklagte vortrage, dass sie gegenüber der Finanzverwaltung ihrerseits keine Ansprüche mehr geltend machen könne, könne dieser Vortrag zwar im Rechtsverhältnis Beklagte und Finanzverwaltung zutreffend sein, vermöge selbstredend für die hiesige Klage nicht zu überzeugen. Die Problematik sei in Fachkreisen mindestens seit 2005 bekannt gewesen. Es wäre daher steuerrechtlich sinnvoll und damalig zielführend gewesen, die Umsatzsteuer gegenüber der Finanzverwaltung ausschließlich unter Vorbehalt, nämlich der Klärung der offenen Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit zu zahlen, damit wäre insoweit die Finanzverwaltung bösgläubig gem. § 819 BGB gewesen, wie jetzt hier die Beklagte in diesem Verfahren. Es könne daher nicht zu Lasten der Klägerin gehen, wenn die Beklagte die Entwicklung hinsichtlich der Umsatzsteuerproblematik ignoriere und die Bescheide deshalb bestandskräftig werden lasse.
Die Beklagte führt aus, dass es nicht erkannt werden könne, weshalb sie z.B. im Jahr 2011 gegen Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 2010 vorgehen solle, wenn bis zur Entscheidung am 24.09.2014 überhaupt nicht klar gewesen sei, in welche Richtung der BFH entscheide. Sie sei im Rahmen der gesetzlichen Fristen gehalten, die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer abzuführen und habe dies auch getan. Wenn die Klägerin selbst vortrage, dass die Problematik mindestens seit dem Jahr 2005 bekannt gewesen sei, wäre es daher jederzeit möglich gewesen, für Rechnungen aus dem Jahr 2010 Beanstandungen geltend zu machen. Erst seit dem Entscheidung des BFH seien die Krankenhäuser gehalten, etwaige ergehende Umsatzsteuerbescheide nicht bestandskräftig werden zu lassen.
Die Klägerin macht geltend, dass sich die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder darauf verständigt hätten, das BFH-Urteil im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Darüber hinaus würden die Möglichkeit eines vereinfachten Rechnungsberichtigungsverfahrens sowie Anwendungsregelungen insbesondere für Zwecke des Vorsteuerabzugs geprüft.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage war abzuweisen, weil das Gericht für den geltend gemachten Zahlungsanspruch keine Rechtsgrundlage erkennen kann.
Als Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch, nämlich der Rückabwicklung der von der Klägerin an die Beklagte in Höhe der Klageforderung erfolgten Zahlung, kommt zunächst ein Anspruch auf Rückzahlung wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff BGB i.V.m. § 61 SGB X in Betracht. Die zivilrechtlichen Regelungen gelten entsprechend auch für die öffentlich-rechtlichen Vertragsbeziehungen zwischen gesetzlichen Krankenkassen und den Leistungserbringern - wie z.B. Apotheken oder Sanitätshäusern, wie die Beklagte (BSG Urteil vom 24.01.2008 - B 3 Kr 2/07 R). Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist derjenige, der durch eine Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Der Beklagte hat vorliegend die Umsatzsteuer in Höhe von 19% erlangt. An einer Kondiktionslage fehlt es vorliegend aber bereits daran, dass der rechtliche Grund hierfür nicht später weggefallen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil des 3. Senats vom 17.07.2008, B 3 KR 18/07 R) ist für den Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer bei einer Nettopreisvereinbarung der zu Lasten eines Leistungserbringers von der Finanzverwaltung bindend festgesetzte Steuerbetrag maßgebend, ohne dass die Krankenkasse dessen Überprüfung im finanzgerichtlichen Verfahren verlangen kann. Die Rechtsprechung des BSG ist somit auf den vorliegenden Fall anwendbar, da der zwischen den Beteiligten geschlossene Apothekenvertrag (hier Anlage 1: Preisberechnung) die Abrechnung zuzüglich Mehrwertsteuer vorsieht. Maßgebend sind daher die bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide, die bis heute auch nicht korrigiert worden sind. Weiterhin wäre die Beklagte im Übrigen auch nicht mehr bereichert, da die Umsatzsteuer bereits an die Steuerverwaltung abgeführt worden ist (§ 818 Abs. 3 BGB).
Das Gericht sieht hier auch nicht, dass sich - ausschließlich - die Beklagte nicht auf Entreicherung berufen könne. Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre (§ 819 Abs. 1 BGB). Hier ist jedoch darauf hinzuweisen, dass § 819 BGB die positive Kenntnis der Tatsachen verlangt, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (BGH 133, 246), sowie der Rechtsfolgen des fehlenden Rechtsgrundes (BGH NJW 92, 2415). Fahrlässige Unkenntnis, Kennenmüssen und Bösgläubigkeit i.S.d. § 932 Abs. 2 BGB genügen nicht. Auch bloße Zweifel am Fortbestand des Rechtsgrundes lösen die verschärfte Haftung nicht aus (Sprau in Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage 2015, § 819 Rn. 2). Die Kammer geht hier davon aus, dass es für keinen der Beteiligten absehbar war, ob bzw. wie das finanzgerichtliche Verfahren enden würde. Keinesfalls war der Verfahrensgang absolut klar und vorhersehbar, was alleine dadurch zu erkennen ist, dass die Entscheidung des EuGH im März 2014 eher von einer Umsatzpflichtigkeit der Zytostatika ausging ("kann nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden, es sei denn ..."), woraufhin der BFH in seiner Entscheidung vom November dann den ihm vorliegenden Einzelfall auf die vom EuGH angesprochene Ausnahme stützte. In Anbetracht der von der Finanzverwaltung deutlich vertretenen Position, die auch die Beteiligten im Jahr 2004 ja dem Apothekenvertrag zugrunde gelegt hatten (Abrechnung zuzüglich Mehrwertsteuer), kann die Kammer hier nicht erkennen, dass die Beklagte im Jahr 2010 wusste, dass die Berechnung von Umsatzsteuer einen Verstoß gegen § 4 Nr. 16 Buchst. B UStG darstellen würde. In Anbetracht der widerstreitenden Rechtspositionen wäre hier nicht einmal von fahrlässiger Unkenntnis auszugehen.
Würde man darüber hinaus von einer verschärften Haftung i.S.d. § 819 BGB ausgehen, dann müsste man auf Seiten der Klägerin auch § 814 BGB zur Anwendung bringen. Nach dieser Vorschrift kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Die Kammer kann vorliegend nicht nachvollziehen, wieso die Beklagte die Entscheidung des BFH hätte antizipieren müssen, die Klägerin jedoch - in gleicher Kenntnis der unterschiedlichen Auffassungen von der Umsatzsteuerpflicht - entsprechende Leistungen vornehmen konnte, um diese dann - mehrere Jahre später - wieder zurückzufordern.
Des Weiteren besteht der geltend gemachte Zahlungsanspruch auch nicht als Schadensersatzanspruch. Die Voraussetzungen für die Haftung aus schuldhafter Verletzung von Pflichten aus einem vertraglichen Schuldverhältnis (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) - positive Vertragsverletzung - liegen nicht vor.
Solche vertraglichen Nebenpflichten hat die Beklagte jedoch nicht verletzt. Dass der Ansatz des allgemeinen Steuersatzes vorwerfbar (fahrlässig) fehlerhaft gewesen sein könnte, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Das Gericht sieht jedoch auch keine vertragliche Nebenpflicht, aus der sich ergibt, dass die Beklagte zur Herbeiführung einer Korrektur der bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide verpflichtet wäre. Zweck der zwischen Klägerin und Beklagter im Apothekenvertrag getroffenen Nettopreisvereinbarung ist es, die Vertragsparteien von dem Risiko einer zu ihren Lasten unzutreffenden Steuerfestsetzung zu befreien. Ohne eine entsprechende Abrede ist mit dem Preis - ständiger zivilgerichtlicher Rechtsprechung zufolge - auch der Aufwand für die Umsatzsteuer abgegolten; dieser Aufwand ist unselbstständiger Teil des zu zahlenden Entgelts ("Bruttopreis"; vgl BGHZ 58, 292, 295; 60, 199, 203; 103, 284, 287; BGH NJW-RR 2000, 1652; BGH NJW 2001, 2464; BGH NJW 2002, 2312 mwN). Dem hat sich der 3. Senat des BSG angeschlossen (Urteile vom 17.7.2008 - B 3 KR 16/07 R, juris RdNr 17, und B 3 KR 18/07 R, juris RdNr 12, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Bei einer Bruttopreisabrede sind beide Vertragspartner dem Risiko eines unzutreffenden Umsatzsteueransatzes ausgesetzt: Ist die Steuer im Bruttopreis zu hoch veranschlagt, muss der Abnehmer den vereinbarten Preis in der Regel auch dann zahlen, wenn nach objektiver Rechtslage ein niedrigerer Ausweis möglich gewesen wäre. Ist sie zu niedrig ausgewiesen, kann der Unternehmer seinen zusätzlichen steuerlichen Aufwand nicht nachfordern, weil er insoweit einem rechtlich unbeachtlichen Kalkulationsirrtum unterlegen ist (vgl BSG, Urteile vom 17.7.2008 - B 3 KR 16/07 R, juris RdNr 19, 25 und B 3 KR 18/07 R, juris RdNr 12; BGH DB 1978, 786; BGHZ 103, 284, 287; BGH NJW-RR 2002, 591, 593; BGH NJW 2002, 2312, jeweils mwN). Diesen Konsequenzen entgehen die Vertragsparteien nur durch Vereinbarung von "Nettopreisen", weil das Kalkulationsrisiko dann nur den Nettopreis betrifft und die Höhe der von dem Abnehmer zu tragenden Umsatzsteuer nach dem Betrag bemessen wird, den der Unternehmer an den Steuerfiskus abführen muss (vgl BSG, Urteile vom 17.7.2008 - B 3 KR 16/07 R, juris RdNr 17 und B 3 KR 18/07 R , juris RdNr 12). Ist die von dem Unternehmer abzuführende Umsatzsteuer im Verhältnis zur Finanzverwaltung - wie in dem vom 3. Senat des BSG mit Urteil vom 17.7.2008 entschiedenen Revisionsverfahren B 3 KR 18/07 R (juris RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) - durch bindende Umsatzsteuerbescheide festgesetzt worden, so ist diese grundsätzlich auch für das Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer maßgebend. Denn das Entscheidungsrecht über die Besteuerung liegt nach dem System der Abgabenordnung ausschließlich bei den Finanzbehörden. Nur diese treffen verbindliche Entscheidungen über die Steuerpflicht. Meinungsunterschiede über Grund und Höhe der Umsatzsteuerpflicht sind zwischen dem Unternehmer als Steuerschuldner und dem Steuerfiskus als Steuergläubiger zu klären. Entscheidungen der Zivilgerichte oder - wie hier - der Sozialgerichte im Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer entfalten in der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Unternehmer und Steuerfiskus keine Bindungswirkung. Denn ansonsten drohten widersprechende Entscheidungen, wenn über die vom Unternehmer zu tragende Steuerlast einerseits im gerichtlichen Verfahren vor den Finanzgerichten und andererseits im Rechtsstreit über den vom Schuldner zu tragenden Umsatzsteueranteil - etwa durch die Zivil- oder die Sozialgerichte - verbindlich zu entscheiden wäre. Es muss deshalb allein den Finanzbehörden und gegebenenfalls den zuständigen Finanzgerichten überlassen bleiben, die aufgeworfenen steuerrechtlichen Fragen zu klären. Nur die Entscheidungen dieser Behörden und Gerichte binden alle Beteiligten und müssen, wenn sie bestandskräftig geworden sind, in den anderen, davon abhängigen Streitverfahren beachtet werden (vgl BGHZ 103, 284, 291 ff; BGH NJW-RR 2002, 591, 592 mwN). Grundsätzlich ist daher die von der Finanzverwaltung bindend getroffene Festsetzung der Umsatzsteuer im Verhältnis zwischen Unternehmer und Abnehmer ebenfalls als verbindlich anzusehen; das Gegenteil widerspräche dem oben dargelegten Interesse, das die Beteiligten mit einer Nettopreisabrede verfolgen.
Daraus ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch, dass sich die Klägerin nicht auf eine vertragliche Nebenpflicht der Beklagten gegenüber berufen kann, von sich aus eine Korrektur der bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheide herbeizuführen. Ob und wie hier seitens der Finanzverwaltung die Möglichkeit geschaffen wird, überhaupt rückwirkende Berichtigungen herbeizuführen, ist völlig offen. In Betracht kommt auch ein Nichtbeanstandungserlass, anlog zu für vor dem 1. Oktober 2011 ausgeführten Umsätzen mit Gehhilfe-Rollatoren (vgl. hier Urteil des EuGH vom 22. Dezember 2010 - C-273/09 - (ABl. EU 2011 Nr. C 63 S. 5 und das BMF-Schreiben vom 11.08.2011). In diesem Fall stünde die Korrektur der Bescheide, um eine Rückzahlung der unbewusst zu viel gezahlten Umsatzsteuer herbeizuführen, alleine im Interesse der Klägerin. Den Aufwand für die Erstellung der entsprechenden Korrekturmeldungen trüge allerdings alleine die Beklagte. In Anbetracht dieser Umstände hält das Gericht es nicht für angemessen, eine Korrekturpflicht des Leistungserbringers anzunehmen. Vielmehr wäre es erforderlich, dass eine entsprechende Pflicht von den Beteiligten vertraglich vereinbart worden wäre. Im Rahmen einer solchen Vereinbarung - welche der Apothekenvertrag unbestrittener Weise nicht enthält - wäre auch zu vereinbaren gewesen, dass der Aufwand des vom Leistungserbringer zu betreibenden Verfahrens von der Krankenkasse zu tragen ist. Nachträglich eine entsprechende Pflicht zu konstruieren, hält das Gericht jedoch nicht für angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).
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