L 13 AS 2596/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 5712/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2596/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Stuttgart (SG), mit welchem dieses ihre Klage wegen eines Erstattungsbescheids betreffend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von Juli bis Dezember 2011 mit einem Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 426,06 EUR abgewiesen hat.

Der Beklagte bewilligte der bereits im Leistungsbezug stehenden Klägerin, die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit hatte, mit Bescheid vom 15. Juli 2011 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 unter Berücksichtigung eines abzuziehenden Einkommens von 7,20 EUR vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 628,80 EUR (Regelleistung 356,80 EUR sowie Leistungen für Kosten der Unterkunft [KdU] und Heizung 272,00 EUR). Mit Bescheid vom 2. August 2011 wurde der Bescheid dahingehend geändert, dass die KdU in Höhe von 272,00 EUR ab 1. September 2011 direkt an den Vermieter überwiesen wurden.

Nach abschließenden Angaben der Klägerin über ihre Einkünfte im o.g. Bewilligungszeitraum und Vorlage der entsprechenden Anlage EKS (Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft) berechnete der Beklagte - nachdem er zuvor ergangene Entscheidungen (mit Anhörungen) wieder aufgehoben hatte - mit Bescheid vom 4. März 2015 die Leistung für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 neu und setzte diese unter Berücksichtigung eines Einkommens von 78,21 EUR endgültig auf monatlich 557,79 EUR (Regelleistung 285,79 EUR sowie Leistungen für KdU und Heizung 272,00 EUR) fest. Mit dem weiteren Erstattungsbescheid vom 4. März 2015 verfügte der Beklagte die Erstattung von monatlich 71,01 EUR, insgesamt 426,06 EUR, für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 nachdem die Leistung endgültig festgesetzt sei. Den Widerspruch der Klägerin, den diese ausdrücklich und nur gegen den Erstattungsbescheid richtete und mit dem sie geltend machte, ihre Betriebsausgaben seien nicht ausreichend berücksichtigt, so dass nur geringere Einkünfte als 78,21EUR anzurechnen seien, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2015 zurück.

Deswegen hat die Klägerin am 19. Oktober 2015 Klage beim SG erhoben.

Das SG hat nach einer Erörterung des Sachverhalts am 20. Januar 2016, bei dem für die Klägerin nur ihr Bevollmächtigter anwesend gewesen ist, die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. April 2016 abgewiesen und schließlich - auf den Antrag der Klägerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Klage am 9. Juni 2016 nach mündlicher Verhandlung, bei der die Klägerin anwesend war, durch Urteil abgewiesen. Das Urteil enthält - anders als der Gerichtsbescheid - die Rechtsmittelbelehrung, es könne mit der Berufung angefochten werden.

Nach Zustellung des Urteils am 14. Juni 2016 hat die Klägerin am 13. Juli 2016 Berufung eingelegt und - auf Hinweis des Gerichts, dass die Berufung nicht statthaft sei - auf die Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß bzw. sachdienlich gefasst,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Juni 2016 sowie den Erstattungsbescheid vom 4. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagte sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht statthaft, da der Beschwerdewert den Betrag von 750,00 EUR nicht übersteigt.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG war der Bescheid des Beklagten vom 4. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2015, mit dem der Beklagte die Erstattung eines Betrages in Höhe von 426,06 EUR für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 verfügt hat. Damit ergibt sich für die Klägerin aus dem klagabweisenden Urteil keine Beschwer in Höhe von mehr als 750,00 EUR; auch ist kein Zeitraum von mehr als einem Jahr betroffen.

Die Berufung ist deshalb, worauf die Klägerin bereits hingewiesen worden ist, nicht statthaft. Soweit die Klägerin auf die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil, die insoweit falsch ist, verweist, liegt in dieser Rechtsmittelbelehrung keine Zulassung der Berufung durch das SG, so dass es bei der Unzulässigkeit der Berufung verbleibt. Allein die Verwendung der für die zulassungsfreie Berufung üblichen Rechtsmittelbelehrung durch das SG stellt keine Entscheidung über die Zulassung, sondern eine falsche Rechtsmittelbelehrung dar, die den Senat nicht bindet (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2004, B 11 AL 53/03 R, in Juris). Das SG hat die Berufung weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen zugelassen. Die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ersetzt nicht die Berufungszulassung (vgl. BSG, Beschluss vom 22. Juli 2010, B 4 AS 77/10 B, in Juris). Folge ist jedoch, dass die Klägerin binnen Jahresfrist (§ 66 Abs. 2 Satz 1 SGG) seit Zustellung des Urteils des SG vom 9. Juni 2016 die Möglichkeit hat, gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde beim LSG einzulegen (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 145 SGG).

Aus den vorstehenden Gründen ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des den Gerichten danach eingeräumten Ermessens sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Sach- und Rechtslage bzw. der Ausgang des Verfahrens (s. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 Rdnr. 12 ff.). Hiernach war für den Senat maßgeblich, dass das eingelegte Rechtsmittel ohne Erfolg ist und kein berechtigter Anlass für dessen Einlegung bestanden hat. Bei einer Verwerfung eines Rechtsmittels hat das Gericht -anders als bei einer Zurückweisung (vgl. Beschluss des erkennenden Senates vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, Juris)- in Abweichung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 Rdnr. 8; Roos/Wahrendorf, Kommentar zum SGG, § 193 Rdnr. 8; a.A. BSG, Beschluss vom 23. April 2013, B 9 V 4/12 R, veröffentlicht in Juris). Denn ein Rechtsmittel, das sich nur gegen die Kostenentscheidung richtet, hat der Gesetzgeber ausgeschlossen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rdnr. 16 m.w.N.), womit verhindert wird, dass das Rechtsmittelgericht trotz rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache die Sach- und Rechtslage allein wegen der Kostenentscheidung zu prüfen hat und zu einer gegenüber der vorausgehenden Instanz abweichenden Auffassung gelangen kann. Eine entsprechende Situation besteht, wenn ein Rechtsmittel in der Hauptsache zwar eingelegt wird, das aber unzulässig ist. Auch dann kann dem Rechtsmittelgericht nicht allein wegen der Kostenentscheidung die Kompetenz eingeräumt sein, die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu prüfen (vgl. BSG, Beschluss vom 12. September 2011, B 14 AS 25/11 B; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012, VI ZB 27/11; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 7. Dezember 2009, 5 So 192/09, alle veröffentlicht in Juris).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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