L 11 KR 2770/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 3350/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2770/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, für Eltern wegen des Erziehungs- und Betreuungsaufwandes für Kinder (sog. generativer Beitrag) geringere Beiträge zur Sozialversicherung vorzusehen
(Anschluss an BSG 30.09.2015, B 12 KR 15/12 R).Der generative Beitrag ist für die gesetzliche Rentenversicherung auch nicht systemspezifisch.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.07.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand der Klägerin für ihre Kinder zu reduzieren sind.

Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Bundesagentur für Arbeit zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ca 3.052 EUR beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist Mutter der Kinder M. (geb 28.04.2001) und K. (geb 29.03.2003).

Mit Schreiben vom 14.02.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten als Einzugsstelle eine verfassungskonforme Beitragsreduzierung der Beiträge zur GRV, GKV und sPV. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe am 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 ua) entschieden, dass es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass Mitglieder der sPV, die Kinder betreuten und erzögen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder. Mit der Erhöhung der Pflegebeiträge für Kinderlose um 0,25 Prozentpunkte habe der Gesetzgeber gleich den nächsten Verfassungsverstoß begangen. Der Gesetzgeber sei im "Kinderbeitragsurteil" beauftragt worden, die Frage der Beitragsäquivalenz der Kindererziehung auch für die GKV und GRV zu prüfen. Seit über 20 Jahren werde die doppelte Beitragsleistung der Familien vom Gesetzgeber ignoriert. Sie sei nicht bereit, diese verfassungswidrige Benachteiligung auch nur einen Tag länger hinzunehmen und beantrage daher, bei der Beitragserhebung die Erziehungsleistung für die zwei Kinder zu berücksichtigen. Mit weiterem Schreiben vom 05.04.2015 führte die Klägerin aus, dass sie den Anspruch wegen der Beschränkung der Rückwirkung auch für die letzten vier Jahre geltend mache und sich zudem ab 01.01.2015 auch auf die Abführung von Beitragsmitteln zum Pflegevorsorgefonds stütze. Der Gesetzgeber entkoppele damit die Freiheit eines kinderlosen Lebensentwurfs von der Verantwortung für dessen Folgen und beinhalte eine gleichheitswidrige Belastung im Vergleich zu Kinderlosen.

Mit Bescheid vom 27.05.2015 stellte die Beklagte fest, dass sich die Beiträge der Klägerin (Arbeitnehmeranteil) ab 01.03.2015 auf 257,14 EUR GKV, 37,30 EUR sPV und 296,81 EUR GRV beliefen. Nach den gesetzlichen Vorgaben dürfe die Beklagte die Beiträge nicht senken.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2015 Widerspruch ein. Der Gesetzgeber habe nunmehr mit dem Pflegestärkungsgesetz zum 01.01.2015 die Pflegebeiträge unterschiedslos für Eltern und Nichteltern um 0,3 Prozentpunkte erhöht; der Verfassungsskandal werde noch dadurch potenziert, dass 0,1 Prozentpunkte dieser Beitragserhöhung seitdem in einen zu dem Zweck eingerichteten Pflegevorsorgefonds flössen, um die aus der kollektiven Alterung resultierenden künftigen Beitragssatzerhöhungen zu dämpfen. Ursache für die demografisch bedingten Beitragssatzerhöhungen sei die zunehmende Kinderlosigkeit, für die sie als Mutter von zwei Kindern nicht verantwortlich sei.

Mit Ergänzungsbescheid vom 31.07.2015 entschied die Beklagte, dass auch für die Zeiträume 2011 bis 2014 sowie ab 01.01.2015 fortlaufend eine Senkung der Beiträge nicht möglich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, die Beitragsbemessung aus dem Arbeitsentgelt sei entsprechend der geltenden Rechtslage erfolgt. Die Beklagte sei in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle an die gesetzlichen Vorgaben gebunden.

Hiergegen richtet sich die am 04.11.2015 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Beiträge entsprechend der gesetzlichen Vorgaben erhoben. Die Klägerin könne nicht verlangen, entgegen der einfach-gesetzlichen Rechtslage von der Beitragsbelastung wegen ihres Betreuungs- und Erziehungsaufwands für ihre Kinder – anteilig – freigestellt zu werden. Insoweit schließe sich das SG den ausführlichen Erwägungen des Bundessozialgerichts (BSG 30.09.2015, B 12 KR 15/12 R) an. Soweit die Klägerin die Beitragsfreiheit des steuerlichen Existenzminimums fordere, verkenne sie, dass im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung auch bei Geringverdienern ein Rest an Beitragsäquivalenz im Hinblick auf die gebotenen Leistungen erhalten bleiben müsse. Andernfalls bestünde ein Leistungsanspruch, ohne dass Beiträge geleistet werden müssten, was dem System der Sozialversicherung widerspreche. Unzutreffend sei auch die Behauptung der Klägerin, entgegen dem Auftrag des BVerfG im Urteil vom 03.04.2001 (aaO) habe der Gesetzgeber die Erhöhung der Pflegebeiträge für Nichteltern nun dadurch teilweise wieder entwertet, dass 0,1 Prozentpunkte der Erhöhung um 0,3 Prozentpunkte in den Pflegevorsorgefonds zum Ausgleich der kollektiven Alterung abzuführen seien. Denn dieses Vorsorgevermögen werde gerade nicht allein aus dem Zusatzbeitrag gespeist, sondern mit 0,1 Prozent der Beiträge der gesamten Pflegeversicherung (§ 135 Abs 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Der Gesetzgeber besitze insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum. Im Übrigen diene die Schaffung des Pflegevorsorgefonds dem Ausgleich des erhöhten Pflegeaufwands wegen der gestiegenen Lebenserwartung aller Versicherten, mithin auch der Eltern von Kindern.

Gegen den ihr am 20.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 27.07.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie hält es für geboten, dass das BVerfG dem Gesetzgeber präzisere Vorgaben mache hinsichtlich der notwendigen Systemkorrekturen. Die Unterhaltspflicht der Eltern müsse im Rahmen der Beitragsgerechtigkeit in das Sozialversicherungssystem eingestellt werden. Die Beitragsgerechtigkeit sei zudem arbeitsmarktneutral, gendergerecht und ein zentraler Baustein im Kampf gegen Familienarmut (wird ausgeführt). Die Erstreckung auf den Arbeitgeberbeitrag sei in der bisherigen Judikatur nirgends behandelt worden. Das SG stütze sich auf das Urteil des BSG vom 30.09.2015, übersehe aber, dass dieses nur die Rechtslage bis zum 01.01.2005 zum Gegenstand gehabt habe. Hier werde zusätzlich die seitherige Rechtsentwicklung angegriffen, insbesondere der zum 01.01.2015 neu eingerichtete Pflegevorsorgefonds. Gegen das BSG-Urteil sei eine Verfassungsbeschwerde eingereicht worden. Der Prüfungsmaßstab des SG an Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG) sei verfehlt, da die maßgebende Verfassungsjudikatur insbesondere seit dem Beitragskinderurteil vom 03.04.2001 die Frage der Gleichwertigkeit der Erziehungsleistung für die intergenerationell verteilenden Systeme unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG prüfe. Stattdessen werde auf "andere Sozialleistungen" abgestellt, obwohl diese Frage im Lichte der Verfassungsjudikatur und der authentischen Interpretation (Steiner, NZS 2004, 505; Estelmann, SGb 2002, 245) abwegig sei. Ergänzend verweist die Klägerin auf die unter http://elternklagen.de abrufbaren Verfassungsbeschwerden vom 14.12.2015, 24.03.2016 und 27.09.2016 sowie eine Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 09.03.2016. Das SG habe sich mit ihrem Vorbringen nicht ausreichend auseinandergesetzt, es handele sich um eine ihr Grundrecht auf rechtliches Gehör grob verletzende Willkürentscheidung.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11.07.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2015, ergänzt durch Bescheid vom 31.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei der Beitragserhebung zur gesetzlichen Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung für jedes Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage einen Freibetrag abzuziehen, der sich in der Höhe an den im Einkommenssteuerrecht (§ 32 Abs 6 EStG) festgelegten Freibeträgen für Kinder orientiert (für 2015 mithin einen Betrag iHv 7.152 EUR je Kind),

hilfsweise, den Rechtsstreit gemäß § 159 Abs 1 Nr 1 SGG unverzüglich an das Sozialgericht Mannheim zurückzuverweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit gemäß Art 100 Abs 1 GG auszusetzen und dem BVerfG zur Prüfung der Frage vorzulegen: 1. Sind die Beitragspflicht und -höhe zur sozialen Pflegeversicherung regelnden Vorschriften (§§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, soweit die Mitglieder dieser Sozialversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres (generativen) Erziehungsbeitrags und der Zahl ihrer Kinder bei den Geldbeträgen entlastet und dabei im Übrigen noch in gleicher Weise wie Versicherte zu monetären Beitragsleistungen zum Pflegevorsorgefonds (§§ 131 ff SGB XI) herangezogen werden? 2. Sind die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie 241 SGB V) mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vereinbar, soweit Mitglieder dieser Sozialversicherungen, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres (generativen) Erziehungsbeitrags bei den Geldbeträgen entlastet, sondern mit einem gleich hohen Geldbetrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden?

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Gerichtsbescheid enthalte eine zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts, die Beklagte schließe sich den dortigen Ausführungen an. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin eine Beitragsreduzierung in Bezug auf die Arbeitgeberbeitragsanteile bereits deshalb nicht beanspruchen könne, weil sie als versicherungspflichtig Beschäftigte diesen Beitragsanteil nicht trage.

Mit Beschluss der Berichterstatterin vom 20.10.2016 sind die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Bundesagentur für Arbeit und die Technikerkrankenkasse - Pflegekasse – zum Verfahren beigeladen worden. Die Beigeladenen haben sich im Verfahren inhaltlich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Mit Verfügung (Terminsbestimmung) vom 19.10.2016 ist Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.11.2016 anberaumt worden. Die Beigeladenen sind unter dem 20.10.2016 zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag der Klägerin auf Vertagung ist vom Senat durch Beschluss abgelehnt worden. Daraufhin hat die Klägerin erklärt, sie lehne den Vorsitzenden Richter am LSG K. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung hat sie eine schriftliche Stellungnahme zu den Akten gereicht. Darin wird ausgeführt: "Der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht Baden-Württemberg des 11. Senats wird wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ich begehre die Berücksichtigung der Erziehung meiner Kinder bei der Bemessung meiner Sozialversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie eine nach Kinderzahl differenzierende Berücksichtigung bei der sozialen Pflegeversicherung. Insoweit stütze ich mich auf das sogenannte Beitragskinderurteil des Bundesverfassungsgerichtes zur sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 und verweise insoweit auf die aktenkundige Begründung meines Widerspruchs, der Klage sowie der Berufung und der Inhalte - der Verfassungsbeschwerde Prof. K. vom 24.03.2016 gegen das Urteil des Bundessozialgerichts 30.09.2015 einschließlich der Stellungnahme Prof. W. vom 09.03.2016 - der Verfassungsbeschwerde von Dr. J. B. vom 14.09.2016, ebenfalls gegen das Urteil des BSG 30.09.2015 die ich mir zu eigen gemacht habe. Ich teile zudem die Kritik von Prof. S. im Aufsatz "Richterlicher Eigensinn im Sozialversicherungsrecht" (NZS September 2016).

Darüber hinaus wehre ich mich gegen meine Heranziehung zu Beiträgen zum sogenannten Pflegevorsorgefonds ab dem 1. Januar 2015, wozu Bezug auf die Verfassungsbeschwerde vom 14.12.2015, eingelegt von Dr. B. unter lfd. Nr. 89 in Vollmacht für mich, genommen wird. Ich weise erneut darauf hin, dass zu dieser Frage - noch - keinerlei höchstrichterliche Rechtsprechung existiert.

Keine der Verfassungsbeschwerden wurden bisher zur Entscheidung angenommen.

Gemäß § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Ausweislich der einschlägigen Rechtsprechung zur vorliegend anhängigen Rechtsfrage sind unstreitig deshalb die gesetzliche Renten- und Pflegeversicherung sowie der Arbeitgeber beizuladen. Zur Wahrung deren rechtlichen Gehörs ist den Beizuladenden durch Übermittlung des wesentlichen Akteninhalts auch der Sach- und Streitstand bekannt zu geben und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Im vorliegenden Rechtsstreit wurde nach meinem Kenntnisstand mit Ladungsverfügung vom 19.10.2016 lediglich Beklagte und Klägerin zur mündlichen Verhandlung geladen. Ob eine Ladung der gRV, der sPV sowie des Arbeitgebers nach Beiladungsbeschluss 20.10.2016 erfolgte, ist mir unbekannt. Zumindest aber dürfte es zeitlich an der erforderlichen Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit dem Streitgegenstand fehlen. Damit ergibt sich schlüssig, dass der Kammervorsitzende den Rechtsstreit auch ohne Berücksichtigung des Inhalts der Verfassungsbeschwerden und Stellungnahmen, sowie ohne gegebenenfalls notwendige weitere Sachaufklärung für entscheidungsreif hält.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt aber weder eine Entscheidung zu meinen Gunsten, noch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG zulässigerweise in Betracht. Die Verfahrensweise des Vorsitzenden entbehrt somit jeglicher gesetzlicher Grundlage und beinhaltet eine Häufung von Verfahrensfehlern. Für mich ergibt sich schlüssig und vernünftigerweise die Besorgnis, dass der Kammervorsitzende keinesfalls ergebnisoffen in die mündliche Verhandlung eingetreten ist, sondern sich offenbar bereits auf das Ergebnis einer Klageabweisung festgelegt hat. Von meinem Standpunkt aus drängt sich vernünftig und objektiv betrachtet, das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten vorsitzenden Richters förmlich auf."

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im vorliegenden Termin entscheiden, denn ein Grund für eine Vertagung des Rechtsstreits liegt nicht vor. Die Klägerin nebst Beistand, die Beklagte und die Beigeladene zu 3) waren im Termin vertreten. Die nicht erschienenen Beigeladenen zu 1) und 2) waren ordnungsgemäß unter Einhaltung der Ladungsfrist geladen. Die Beigeladene zu 1) hat gebeten, die Nichtwahrnehmung des Termins zu entschuldigen, die Beigeladene zu 2) hat sich nicht geäußert. Soweit die Klägerin sich darauf stützt, die Beigeladenen hätten zu wenig Zeit zur Vorbereitung gehabt, kann sie darauf gestützt eine Vertagung nicht erzwingen. Die Beigeladenen selbst haben eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nicht geltend gemacht. Auch im Hinblick auf die von der Klägerin gewünschte Beiladung der Bundesbank kommt eine Vertagung nicht in Betracht. Abgesehen davon liegen insoweit weder die Voraussetzungen für eine notwendige (§ 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), noch eine einfache Beiladung (§ 75 Abs 1 SGG) vor.

Der Senat durfte trotz des in der mündlichen Verhandlung gestellten Ablehnungsantrags der Klägerin gegen den Vorsitzenden auch in der vorliegenden Besetzung entscheiden. Das Ablehnungsgesuch ist rechtsmissbräuchlich und hindert den Senat daher nicht, auch über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des Vorsitzenden zu entscheiden; damit erübrigt sich auch eine vorherige dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters (vgl BSG 27.10.2009, B 1 KR 51/09 B, SozR 4-1500 § 60 Nr 6; BSG 31.08.2015, B 9 V 26/15 B, juris).

In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des BVerfG ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (BVerfG 20.07.2007, 1 BvR 2228/06, NJW 2007, 3771; BFH 25.08.2009, V S 10/07, BFHE 226, 109; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 60 RdNr 10d mwN). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat einen offensichtlich unbegründeten Vertagungsantrag allein mit dem Ziel gestellt, nach dessen Ablehnung einen Befangenheitsantrag zu stellen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Klägerin bereits bei Stellung ihres Vertagungsantrags ausgeführt hat, es bestehe die Besorgnis fehlender Ergebnisoffenheit bei Durchführung der Verhandlung, weil die Beigeladenen – die selbst von der Abgabe inhaltlicher Äußerungen im vorliegenden Verfahren abgesehen haben – keine ausreichende Zeit gehabt hätten, sich mit dem Anliegen der Klägerin zu befassen (Protokoll der mündlichen Verhandlung Seite 3). Zum anderen hat die Klägerin nach Ablehnung des Vertagungsantrags einen bereits vorgefertigt ausgedruckten schriftlichen Befangenheitsantrag gestellt, was zeigt, dass das prozesstaktische Vorgehen der Klägerin von Anfang an darauf gerichtet war, den ordnungsgemäßen Gang der mündlichen Verhandlung zu verhindern und somit prozessfremde Ziele zu verfolgen. Der Senat konnte nach alledem in der Sache entscheiden.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 27.05.2015, ergänzt durch Bescheid vom 31.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Streitgegenstand der zulässig erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) ist die Entscheidung über die Höhe der Beiträge zur GKV, GRV und sPV in der Zeit ab 01.01.2011 bis fortlaufend. Die Beklagte hat zutreffend über die konkrete Beitragshöhe ab 01.03.2015 entschieden und den weitergehenden Antrag der Klägerin auf Reduzierung der Beiträge auch für die Zeit ab 01.01.2011 abgelehnt, denn hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage.

Als Einzugsstelle ist der beklagten Krankenkasse ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 1 Satz 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung – wie hier – kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (BSG 15.07.2009, B 12 KR 14/08 R, SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17). Die Arbeitgeberanteile spielen daher im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Beiträge im streitigen Zeitraum nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen der Höhe nach zutreffend bemessen worden sind.

Diese Bemessung der Beiträge ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Einer Aussetzung des Verfahrens gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedarf es daher nicht. Der Senat schließt sich insoweit in vollem Umfang der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 30.09.2015 (B 12 KR 15/12 R, SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) an. Der Senat sieht davon ab, die umfangreichen Ausführungen in dem den Beteiligten bekannten Urteil zu wiederholen.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidung des BVerfG vom 03.04.2001 insbesondere nicht auf die GRV übertragen werden kann, weil der sog generative Beitrag (im Gegensatz zum sog monetären Beitrag) für die GRV nicht systemspezifisch ist. So führt das BVerfG ua aus: Werde ein allgemeines, regelmäßig erst in höherem Alter auftretendes Lebensrisiko durch ein Umlageverfahren finanziert, so habe die Erziehungsleistung konstitutive Bedeutung für die Funktionsfähigkeit dieses Systems. Denn bei Eintritt der ganz überwiegenden Zahl der Versicherungsfälle sei das Umlageverfahren auf die Beiträge der nachwachsenden Generation angewiesen. Zwar ist diese Aussage auch nach Ansicht des Senats richtig, gilt aber nicht nur für umlagefinanzierte Versorgungssysteme, sondern auch für ganz oder teilweise kapitalgedeckte Systeme. Alle Altersvorsorgesysteme, gleich wie sie finanziert werden, sind auf die nachwachsende Generation angewiesen (Ruland, NZS 2016, 721, 728). Ein Unterschied besteht nur insofern, als die Bedeutung des generativen Beitrags bei umlagefinanzierten Systemen offen zutage liegt, während der generative Beitrag bei anderen Versorgungssystemen durch die Zwischenschaltung des Kapitalmarkts verdeckt wird. Soweit daher aus der Konzeption der gesetzlichen Sozialversicherung den kinderlosen Versicherten ein Vorteil erwächst, ist dieser Vorteil nicht systemspezifisch, sondern entspricht exakt dem Nutzen, der einer Gesellschaft durch Kinder und Betreuung und Erziehung im Allgemeinen erwächst (zu diesen Kriterien BVerfG aaO Rn 60). Geht man davon aus, dass das Grundgesetz nicht allein eine Gleichbehandlung innerhalb des legislativ ausgewählten Systems fordert, sondern bereits die gesetzgeberische Systemwahl an den Gleichheitssatz bindet (Seiler, NZS 2016, 641, 645), bestehen in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Systeme – Umlageverfahren, ganz oder teilweise kapitalgedeckte Systeme – keine grundsätzlichen Unterschiede im Hinblick auf die Bedeutung des generativen Beitrags für die Funktionsfähigkeit dieser Vorsorgesysteme.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, das BSG habe sich nur zur Rechtslage bis 2005 geäußert, trifft dies nicht zu. Streitgegenstand in dem dortigen Verfahren war die Höhe der Beiträge zur GKV, GRV und sPV vom 01.07.2006 bis 24.04.2012 (BSG aaO, RdNr 22). Aus den seit 01.01.2015 geltenden Regelungen zum Pflegevorsorgefonds (§§ 131 ff SGB XI eingeführt durch Gesetz vom 17.12.2014, BGBl I 2222) ergibt sich keine andere Beurteilung hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Beiträge zur sPV. Auf die grundsätzlichen Ausführungen des BSG hierzu (aaO ab RdNr 77) wird nochmals ausdrücklich Bezug genommen. Die neu eingeführten §§ 131 bis 139 SGB XI, verbunden mit einer zeitgleichen Erhöhung des Beitragssatzes um 0,3 Prozentpunkte (§ 55 Abs 1 Satz 1 SGB XI idF G vom 17.12.2014, BGBl I 2222), sollen die Beitragssatzstabilität ab dem Jahr 2035 (§ 136 Satz 1 SGB XI) im Hinblick auf die demografische Entwicklung sicherstellen (BT-Drs 18/1798 S 2, 17 f). Dazu wird ein kapitalgedecktes Sondervermögen gebildet, das durch monatliche Zuführung von 1/12 von 0,1 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der sPV des Vorjahres finanziert wird (§ 135 Abs 1 SGB XI). Während eines ca 20jährigen Ansparzeitraums erfolgt der Aufbau des Fonds; im anschließenden Verwendungszeitraum von ebenfalls 20 Jahren werden die Mittel schrittweise in die sPV reinvestiert (§ 136 Abs 1 SGB XI). Von dem Pflegevorsorgefonds profitieren daher insbesondere die geburtenstarken Jahrgänge, zu denen die Klägerin gehört, die ab 2035 in die Altersgruppe der Menschen mit erhöhtem Pflegebedarf hineinwachsen. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Regelungen zum Vorsorgefonds eine unzulässige Gleichbehandlung der Versicherten mit und ohne Kinder darstellen sollten. Es handelt sich um Regelungen zur Mittelverwendung, die der Generationengerechtigkeit dienen und die Nachhaltigkeit der sPV sichern sollen. Ob diese Regelungen rechtspolitisch gelungen sind (zur Kritik vgl Rolfs in Hauck/Noftz, SGB XI, § 131 RdNr 6 ff mwN), ist keine verfassungsrechtliche Frage.

Auch der Hilfsantrag der Klägerin, den angefochtenen Gerichtsbescheid aufzuheben und den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen, ist unbegründet. Das Landessozialgericht kann durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn 1.) dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2.) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (§ 159 Abs 1 SGG). Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) nicht verletzt worden. Dieser umfasst, dass Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in ihre Erwägungen einbeziehen (st Rspr BVerfG 01.02.1978, 1 BvR 426/77, BVerfGE 47, 182). Dass das SG den Vortrag der Klägerin in diesem Sinne hinlänglich berücksichtigt hat, ergibt sich schon aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids. Das SG hat zu den wesentlichen Punkten Stellung genommen. Für eine Zurückverweisung besteht keinerlei Grundlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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