Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
33
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 33 AS 1347/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Unbeachtlichkeit eins Verfahrens- oder Formfehlers nach § 42 Satz 1 SGB X, der einer Aufhebung des
formell-rechtwidrigen Bescheides entgegenstehen würde und damit neben § 41 SGB X ebenso zur Erfolglosigkeit des Widerspruchs führt, vermag nicht die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auszuschließen. Vielmehr ist § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X entgegen seinem Wortlaut auch auf die Fälle des § 42 SGB X entsprechend anzuwenden.
formell-rechtwidrigen Bescheides entgegenstehen würde und damit neben § 41 SGB X ebenso zur Erfolglosigkeit des Widerspruchs führt, vermag nicht die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auszuschließen. Vielmehr ist § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X entgegen seinem Wortlaut auch auf die Fälle des § 42 SGB X entsprechend anzuwenden.
I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2016 verurteilt, der Klägerin die in dem Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.01.2016 entstandenen notwendigen Aufwendungen dem Grunde nach zu erstatten.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist die Kostenerstattung hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens mit dem Aktenzeichen W-xxxxxxx streitig.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 26.01.2016 auf den Antrag der Klägerin eine Verzinsung von Geldleistungen in Höhe von 67,60 EUR. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.02.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass der Bescheid über die Verzinsung intransparent sei, da insbesondere nicht nachvollzogen werden könne, wie sich der Zinsbetrag errechnet.
Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016 als unbegründet zurückgewiesen und eine Kostenerstattung der ggf. entstandenen notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren abgelehnt. Der Beklagte führte darin unter anderem sinngemäß aus, dass die Berechnung der Zinsen nicht zu beanstanden sei und legte den Rechenweg in der Begründung näher dar.
Gegen die Kostengrundentscheidung des Widerspruchs richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Fall des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliege, da mit dem Widerspruchsbescheid die fehlende Begründung des Ausgangsbescheids geheilt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016 zu verpflichten, der Klägerin die notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens W xxx/16 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass ein Begründungsmangel des Ausgangsbescheides nicht vorgelegen habe und der Widerspruch deshalb keinen Erfolg gehabt hätte. Wegen der Stattgabe des Antrags nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X hätte es keiner Begründung bedurft.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten des Beklagten beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist unter Zugrundelegung des gestellten Klageantrags allein der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016, mit dem der Beklagte die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen abgelehnt hat. Der Widerspruchsbescheid enthält hinsichtlich der Kostengrundentscheidung eine selbstständige Beschwer, sodass gegen diese Entscheidung des Widerspruchs ausnahmsweise eine isolierte Anfechtungsklage zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.2014 – 1 C 2/14). Damit bedurfte es auch keines (eigenen) Vorverfahrens im Sinne des § 78 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn ein solches ist dann nicht erforderlich, wenn die Kostenentscheidung als Ausspruch im Widerspruchsbescheid und nicht in einem eigenen Bescheid enthalten ist (vgl. Roos in: v. Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 63, Rz. 37).
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.01.2016 entstandenen notwendigen Aufwendungen. Der angefochtene Widerspruchsbescheid ist insoweit rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung ist § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, - soweit der Widerspruch erfolgreich ist - demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch dann, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist.
Die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X sind vorliegend gegeben, denn der Widerspruch hatte nur deshalb keinen Erfolg, weil die Verletzung einer Verfahrensvorschrift geheilt wurde. Insbesondere wurde die nach § 35 Abs. 1 SGB X erforderliche Begründung des Verwaltungsaktes vom 26.01.2016 erst nachträglich im Widerspruchsbescheid gegeben. Der zunächst formell-rechtswidrige Verwaltungsakt wurde über § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X mit Erlass des Widerspruchsbescheides rechtmäßig.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB X sind schriftliche oder elektronische Verwaltungsakte mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe der Behördenentscheidung mitzuteilen sind. Dem Betroffenen müssen die Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekanntgegeben werden, dass er seine Rechte sachgemäß verteidigen kann (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 35 SGB X, Rn. 13). Ein Verwaltungsakt ist daher nur dann ausreichend begründet, wenn er für den Adressaten nachprüfbar ist. Werden Leistungen bewilligt, gehört hierzu, dass neben der exakten Rechtsgrundlage, die genaue Höhe sowie die genaue Zusammensetzung der bewilligten Leistungen mitgeteilt wird.
Diesen Anforderungen genügt der Zinsbescheid vom 26.01.2016 nicht. Für den Adressaten des Bescheides ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Faktoren sich die bewilligte Zinshöhe zusammensetzt. Es fehlt bereits an der Nennung des zu verzinsenden Nachzahlungsbetrags. Durch die bloße Nennung der Anspruchsgrundlage kann die Nachprüfbarkeit der Zinshöhe durch einen juristischen Laien nach Auffassung der Kammer nicht gewährleistet werden.
Auch konnte sich der Beklagte vorliegend nicht auf § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X berufen. Nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X bedarf es einer Begründung nicht, wenn die Behörde einem Antrag entspricht. Von der Begründungspflicht ist die Behörde jedoch nur dann befreit, wenn dem Antrag in vollem Umfang entsprochen wurde. Bei einem unbezifferten Antrag können zwar die Ausführungen zum Leistungsgrund nach § § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X entfallen, nicht aber die Begründung zur Höhe der Leistung (vgl. Littmann in: Hauck/Noftz, SGB X, 04/13, § 35, Rn. 37).
Eine Heilung des damit formell-rechtswidrigen Ausgangsbescheides erfolgte über § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X mit Erlass des Widerspruchsbescheides. Die im Ausgangsbescheid fehlende Begründung zur Höhe der Zinsen wurde im Widerspruchsbescheid ausführlich nachgeholt und der zunächst formell-rechtswidrige Verwaltungsakt nachträglich rechtmäßig.
Nur deshalb hatte der Widerspruch keinen Erfolg.
Die Pflicht zur Erstattung von Aufwendungen im Widerspruchsverfahren wird nach § 63 Abs.1 Satz 2 SGB X allein dadurch ausgelöst, dass Verfahrens- oder Formvorschriften verletzt worden sind (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2001 – L 5 KA 2481/00 -, juris Rn. 20). Sinn der Regelung ist, dass dem Widerspruchsführer nicht angelastet werden kann, wenn der Widerspruch durch Verfahrens- oder Formverletzung herausgefordert wurde (Roos in: v. Wulffen/ Schütze, SGB X, § 63, Rn. 24). Die Verwaltung soll damit angehalten werden, die Verfahrens- und Formvorschriften von vornherein zu beachten. Sie soll sich nicht darauf verlassen können, dass nachträglich - nach der Neufassung des § 41 Abs. 2 SGB X (durch das Vierte Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 BGBl. I, S. 1983) bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - die bei Erlass eines Bescheides gemachten Verfahrens- oder Formfehler repariert werden können und dann unbeachtlich sind (Landessozialgericht Baden-Württemberg a. a. O.). Als Ausnahme von dem Erfolgsprinzip nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist § 63 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB X hinsichtlich der Kostenerstattung damit vom Verschuldens- und Veranlassungsprinzip geprägt (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 12/08, § 42 SGB, Rn. 27).
Die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers nach § 42 SGB X, der einer Aufhebung des formell-rechtwidrigen Bescheides entgegenstehen würde und damit neben § 41 SGB X ebenso zur Erfolglosigkeit des Widerspruchs führt, vermag damit nicht die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auszuschließen.
Nach § 42 Satz 1 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschrift über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Vor dem Hintergrund des Sinngehaltes des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X muss nach der Auffassung der Kammer die Kostenregelung entgegen dem Wortlaut ebenso auf die Fälle des § 42 SGB X angewandt werden (so auch Roos in: v. Wulffen/ Schütze, SGB X, § 63, Rn. 24), denn ansonsten - abgesehen von der fehlenden Anhörung, welche in § 42 Satz 2 SGB X ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 42 SGB X herausfällt, - ist kein Fall denkbar, bei dem ein nach § 41 SGB X heilbarer Verfahrens- und Formfehler, die Entscheidung in der Sache beeinflussen könnte bzw. es nicht offensichtlich ist, dass die Verletzung die Sachentscheidung nicht beeinflusst hat. Denn dann wäre der Form- und Verfahrensfehler gewiss nicht einer nachträglichen Heilung gemäß § 41 SGB X zugänglich. Der Zweck der Heilungsregelung nach § 41 SGB X liegt – ebenso wie bei § 42 SGB X - in der Verfahrensökonomie. Danach sollen Verwaltungsakte gerade nicht deshalb aufgehoben werden, weil ihr Zustandekommen fehlerhaft war, wenn das materielle Ergebnis dadurch nicht beeinträchtigt wird (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 04/13, § 41 SGB X, Rn. 3). Ein nach § 41 SGB X heilbarer Fehler ist damit stets auch ein nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlicher Fehler mit der Folge, dass letztlich der § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X unter Ausschluss des § 42 SGB X kaum einen Anwendungsfall finden dürfte, in dem er seinem Sinn nach Disziplinierung der Behörden gerecht werden könnte.
Da im vorliegenden Fall im Widerspruchsverfahren ausschließlich die Nachvollziehbarkeit des Zinsbescheides und damit die mangelnde Begründung gerügt wurde, wurde auch ausschließlich die Verletzung eines Verfahrensfehlers geltend gemacht, der dann mit Erlass des Widerspruchsbescheids geheilt wurde und die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ausgelöst hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Die Berufung wurde durch die Kammer nach § 144 Abs. 2 Nr.1 SGG aufgrund der ungeklärten Rechtsfrage zur erweiterten Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf die Fälle des § 42 SGB X zugelassen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist die Kostenerstattung hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens mit dem Aktenzeichen W-xxxxxxx streitig.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 26.01.2016 auf den Antrag der Klägerin eine Verzinsung von Geldleistungen in Höhe von 67,60 EUR. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.02.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass der Bescheid über die Verzinsung intransparent sei, da insbesondere nicht nachvollzogen werden könne, wie sich der Zinsbetrag errechnet.
Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016 als unbegründet zurückgewiesen und eine Kostenerstattung der ggf. entstandenen notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren abgelehnt. Der Beklagte führte darin unter anderem sinngemäß aus, dass die Berechnung der Zinsen nicht zu beanstanden sei und legte den Rechenweg in der Begründung näher dar.
Gegen die Kostengrundentscheidung des Widerspruchs richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Fall des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliege, da mit dem Widerspruchsbescheid die fehlende Begründung des Ausgangsbescheids geheilt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016 zu verpflichten, der Klägerin die notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens W xxx/16 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass ein Begründungsmangel des Ausgangsbescheides nicht vorgelegen habe und der Widerspruch deshalb keinen Erfolg gehabt hätte. Wegen der Stattgabe des Antrags nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X hätte es keiner Begründung bedurft.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten des Beklagten beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet.
Streitgegenstand ist unter Zugrundelegung des gestellten Klageantrags allein der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2016, mit dem der Beklagte die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen abgelehnt hat. Der Widerspruchsbescheid enthält hinsichtlich der Kostengrundentscheidung eine selbstständige Beschwer, sodass gegen diese Entscheidung des Widerspruchs ausnahmsweise eine isolierte Anfechtungsklage zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.2014 – 1 C 2/14). Damit bedurfte es auch keines (eigenen) Vorverfahrens im Sinne des § 78 Abs. 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn ein solches ist dann nicht erforderlich, wenn die Kostenentscheidung als Ausspruch im Widerspruchsbescheid und nicht in einem eigenen Bescheid enthalten ist (vgl. Roos in: v. Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 63, Rz. 37).
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.01.2016 entstandenen notwendigen Aufwendungen. Der angefochtene Widerspruchsbescheid ist insoweit rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung ist § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, - soweit der Widerspruch erfolgreich ist - demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch dann, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist.
Die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X sind vorliegend gegeben, denn der Widerspruch hatte nur deshalb keinen Erfolg, weil die Verletzung einer Verfahrensvorschrift geheilt wurde. Insbesondere wurde die nach § 35 Abs. 1 SGB X erforderliche Begründung des Verwaltungsaktes vom 26.01.2016 erst nachträglich im Widerspruchsbescheid gegeben. Der zunächst formell-rechtswidrige Verwaltungsakt wurde über § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X mit Erlass des Widerspruchsbescheides rechtmäßig.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB X sind schriftliche oder elektronische Verwaltungsakte mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe der Behördenentscheidung mitzuteilen sind. Dem Betroffenen müssen die Gründe der Entscheidung in solcher Weise und in solchem Umfang bekanntgegeben werden, dass er seine Rechte sachgemäß verteidigen kann (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 35 SGB X, Rn. 13). Ein Verwaltungsakt ist daher nur dann ausreichend begründet, wenn er für den Adressaten nachprüfbar ist. Werden Leistungen bewilligt, gehört hierzu, dass neben der exakten Rechtsgrundlage, die genaue Höhe sowie die genaue Zusammensetzung der bewilligten Leistungen mitgeteilt wird.
Diesen Anforderungen genügt der Zinsbescheid vom 26.01.2016 nicht. Für den Adressaten des Bescheides ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Faktoren sich die bewilligte Zinshöhe zusammensetzt. Es fehlt bereits an der Nennung des zu verzinsenden Nachzahlungsbetrags. Durch die bloße Nennung der Anspruchsgrundlage kann die Nachprüfbarkeit der Zinshöhe durch einen juristischen Laien nach Auffassung der Kammer nicht gewährleistet werden.
Auch konnte sich der Beklagte vorliegend nicht auf § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X berufen. Nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X bedarf es einer Begründung nicht, wenn die Behörde einem Antrag entspricht. Von der Begründungspflicht ist die Behörde jedoch nur dann befreit, wenn dem Antrag in vollem Umfang entsprochen wurde. Bei einem unbezifferten Antrag können zwar die Ausführungen zum Leistungsgrund nach § § 35 Abs. 2 Nr. 1 SGB X entfallen, nicht aber die Begründung zur Höhe der Leistung (vgl. Littmann in: Hauck/Noftz, SGB X, 04/13, § 35, Rn. 37).
Eine Heilung des damit formell-rechtswidrigen Ausgangsbescheides erfolgte über § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X mit Erlass des Widerspruchsbescheides. Die im Ausgangsbescheid fehlende Begründung zur Höhe der Zinsen wurde im Widerspruchsbescheid ausführlich nachgeholt und der zunächst formell-rechtswidrige Verwaltungsakt nachträglich rechtmäßig.
Nur deshalb hatte der Widerspruch keinen Erfolg.
Die Pflicht zur Erstattung von Aufwendungen im Widerspruchsverfahren wird nach § 63 Abs.1 Satz 2 SGB X allein dadurch ausgelöst, dass Verfahrens- oder Formvorschriften verletzt worden sind (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2001 – L 5 KA 2481/00 -, juris Rn. 20). Sinn der Regelung ist, dass dem Widerspruchsführer nicht angelastet werden kann, wenn der Widerspruch durch Verfahrens- oder Formverletzung herausgefordert wurde (Roos in: v. Wulffen/ Schütze, SGB X, § 63, Rn. 24). Die Verwaltung soll damit angehalten werden, die Verfahrens- und Formvorschriften von vornherein zu beachten. Sie soll sich nicht darauf verlassen können, dass nachträglich - nach der Neufassung des § 41 Abs. 2 SGB X (durch das Vierte Euro-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 BGBl. I, S. 1983) bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - die bei Erlass eines Bescheides gemachten Verfahrens- oder Formfehler repariert werden können und dann unbeachtlich sind (Landessozialgericht Baden-Württemberg a. a. O.). Als Ausnahme von dem Erfolgsprinzip nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist § 63 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB X hinsichtlich der Kostenerstattung damit vom Verschuldens- und Veranlassungsprinzip geprägt (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 12/08, § 42 SGB, Rn. 27).
Die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers nach § 42 SGB X, der einer Aufhebung des formell-rechtwidrigen Bescheides entgegenstehen würde und damit neben § 41 SGB X ebenso zur Erfolglosigkeit des Widerspruchs führt, vermag damit nicht die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auszuschließen.
Nach § 42 Satz 1 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 SGB X nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschrift über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Vor dem Hintergrund des Sinngehaltes des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X muss nach der Auffassung der Kammer die Kostenregelung entgegen dem Wortlaut ebenso auf die Fälle des § 42 SGB X angewandt werden (so auch Roos in: v. Wulffen/ Schütze, SGB X, § 63, Rn. 24), denn ansonsten - abgesehen von der fehlenden Anhörung, welche in § 42 Satz 2 SGB X ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 42 SGB X herausfällt, - ist kein Fall denkbar, bei dem ein nach § 41 SGB X heilbarer Verfahrens- und Formfehler, die Entscheidung in der Sache beeinflussen könnte bzw. es nicht offensichtlich ist, dass die Verletzung die Sachentscheidung nicht beeinflusst hat. Denn dann wäre der Form- und Verfahrensfehler gewiss nicht einer nachträglichen Heilung gemäß § 41 SGB X zugänglich. Der Zweck der Heilungsregelung nach § 41 SGB X liegt – ebenso wie bei § 42 SGB X - in der Verfahrensökonomie. Danach sollen Verwaltungsakte gerade nicht deshalb aufgehoben werden, weil ihr Zustandekommen fehlerhaft war, wenn das materielle Ergebnis dadurch nicht beeinträchtigt wird (Littmann in: Hauck/Noftz, SGB, 04/13, § 41 SGB X, Rn. 3). Ein nach § 41 SGB X heilbarer Fehler ist damit stets auch ein nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlicher Fehler mit der Folge, dass letztlich der § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X unter Ausschluss des § 42 SGB X kaum einen Anwendungsfall finden dürfte, in dem er seinem Sinn nach Disziplinierung der Behörden gerecht werden könnte.
Da im vorliegenden Fall im Widerspruchsverfahren ausschließlich die Nachvollziehbarkeit des Zinsbescheides und damit die mangelnde Begründung gerügt wurde, wurde auch ausschließlich die Verletzung eines Verfahrensfehlers geltend gemacht, der dann mit Erlass des Widerspruchsbescheids geheilt wurde und die Kostenfolge des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X ausgelöst hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Die Berufung wurde durch die Kammer nach § 144 Abs. 2 Nr.1 SGG aufgrund der ungeklärten Rechtsfrage zur erweiterten Auslegung des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf die Fälle des § 42 SGB X zugelassen.
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