L 6 VG 5341/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 VG 6720/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 5341/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Baden-Württemberg, eine Rente.

Der 1945 geborene Kläger ist ein schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 (Bescheid des Beklagten vom 19. August 2010). Nach Aktenlage bezieht er von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Der Zahlbetrag lag im Juli 2014 bei EUR 1.065,26 brutto und EUR 956,07 netto.

Am 27. Februar 2014 sprach der Kläger bei dem Sozialamt der Landeshauptstadt Stuttgart vor und beantragte dort eine Rente. Er legte hierzu das Taschenbuch "Mein Recht als Schwerbehinderter" vom dtv-Verlag vor und führte aus, daraus ergebe sich, dass ihm als schwerbehindertem Menschen eine - zusätzliche - Rente zustehe. Er bezeichnete diese wahlweise als "Ausgleichsrente" oder "Schadensausgleich". Auf ausdrückliche Nachfrage des Sozialamts teilte er mit, er wolle keine Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beantragen. Bereits das Sozialamt wies ihn darauf hin, dass eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nur Kriegsopfern und anderen Geschädigten, die Kriegsopfern gleichgestellt seien, zustehe. Gleichwohl leitete es den Antrag an das für den Kläger zuständige Landratsamt des Beklagten weiter. Dieses teilte ihm am 6. März 2014 im Einzelnen mit, welchen Personengruppen eine Rente nach dem BVG zustehe. Der Kläger erwiderte, diese Voraussetzungen träfen nicht auf ihn zu, seine Gesundheitsschäden beruhten nicht auf einem Unfall oder einer anderen Schädigung. Gleichwohl könne er eine Rente verlangen. Zum einen sei er lange Jahre berufstätig und somit auch versichert gewesen. Zum anderen sei sein GdB einer "MdE" (Minderung der Erwerbsfähigkeit" nach dem früher geltenden Versorgungsrecht) gleichzustellen, die zu einem Rentenanspruch führe.

Der Beklagte lehnte dem Kläger gegenüber mit Bescheid vom 29. Oktober 2014 die Gewährung von "Versorgungsleistungen nach dem Recht der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden" ab. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2014 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 3. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat dort konkreter ausgeführt, der Begriff "Behinderter" decke sich mit dem bis in die 1970er Jahre geltenden Begriff "Schwerbeschädigter", und da Schwerbeschädigten eine Rente zustehe, gelte dies auch für schwerbehinderte Menschen. Der Kläger hat weitergehende Rechtsausführungen gemacht und unter anderem gemeint, auf ihn sei das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anzuwenden.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 22. April 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es die verschiedenen Gruppen Berechtigter nach dem BVG und den Nebengesetzen zum BVG dargestellt und ausgeführt, der Kläger könne keiner dieser Gruppen zugeordnet werden. Dieser Gerichtsbescheid ist ihm am 30. April 2015 zugestellt worden.

In Rahmen eines Rechtsstreit gegen seine Krankenkasse vor dem 5. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 5 KR 477/15) reichte er einen Schriftsatz vom 26. Oktober 2015 ein, eingegangen am 3. November 2015, in dem er erstmals - auch - das Verfahren vor dem SG wegen seiner Ansprüche auf Rente gegen den Beklagten erwähnte. In einem Erörterungstermin am 22. Dezember 2015 in jenem Verfahren stellte er klar, dass er Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 22. April 2015 habe einlegen wollen. Der Schriftsatz vom 26. Oktober 2015 ist daraufhin an den erkennenden Senat weitergeleitet worden.

Der Kläger trägt vor, er habe nicht erst mit dem Schriftsatz vom 26. Oktober 2015 Berufung eingelegt, denn in diesem Falle sei diese verfristet. Vielmehr habe das SG in dem Gerichtsbescheid vom 22. April 2015 in der dortigen Rechtsmittelbelehrung die Berufung zugelassen. Dadurch sei das Landessozialgericht über den Rechtsstreit mit dem Beklagten informiert worden. In der Sache hält der Kläger mit umfangreichen Ausführungen an seiner Rechtsansicht fest, schwerbehinderten Menschen stehe eine Ausgleichsrente bzw. ein Schadens-ausgleich zu.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. April 2015 und den Bescheid vom 29. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Rente zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört und die mögliche Verfristung der Berufung und die materielle Rechtslage erörtert. Auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 1. Juni 2016 wird verwiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 22. April 2015 war als unzulässig zu verwerfen, § 158 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Sie ist zwar nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger eine unbefristete Rente und damit laufende Sozialleistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Sie ist jedoch nicht binnen der in § 151 Abs. 1 SGG vorgesehen Monatsfrist ab Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung in vollständig abgefasster Form erhoben worden. Diese Frist war nicht nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG zu verlängern, da die Rechtsmittelbelehrung in dem angegriffenen Gerichtsbescheid richtig war. Nach der Zustellung dieses Gerichtsbescheids bei dem Kläger am 30. April 2015 lief die Berufungsfrist daher am Montag, dem 1. Juni 2015, ab (vgl. § 64 Abs. 2 und Abs. 3 SGG). Eine Berufung des Klägers ergibt sich jedoch erst aus dem Schriftsatz vom 26. Oktober 2015 in dem krankenversicherungsrechtlichen Parallelverfahren, der am 5. November 2015 bei dem Landessozialgericht eingegangen ist. In den früheren dort eingereichten Schriftsätzen des Klägers haben sich keine Hinweise auf das Verfahren gegen den Beklagten wegen einer Rente ergeben.

Dem Kläger konnte auch nicht nach § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt werden. Die Versäumung war nicht schuldlos. Er hat hierzu sinngemäß ausgeführt, er habe geglaubt, die Berufung sei von Amts wegen erhoben, weil das SG in der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids auf die Berufung hingewiesen habe. Dieser Irrtum ist als schuldhaft einzustufen. Die Rechtsmittelbelehrung ist einfach und eindeutig, sie weist darauf hin, dass der unterlegene Beteiligte eine eventuell beabsichtigte Berufung - noch - einlegen müsse.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das SG die Klage auch in der Sache zu Recht abgewiesen hat. Dass ein Anspruch auf Rente, den der Kläger erhebt, nicht besteht, hat das SG zutreffend und ausführlich begründet dargelegt. Der Senat nimmt hierauf nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug, schließt sich dem an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung ab.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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