Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3877/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1103/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.02.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, dass das Ereignis vom 05.05.2015, bei dem der inhaftierte Kläger während des Schachspielen im Rahmen eines Hofganges von einem Fußball am linken Auge getroffen worden sein soll, als Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung (hier: Arbeitsunfall) festzustellen ist.
Der 1942 geborene, damals inhaftierte Kläger, zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 09.08.2015 (Blatt 1 der Beklagtenakte) an, er habe einen Arbeitsunfall erlitten: "Im Mai dieses Jahres wurde ich in der JVA B. beim Schachspiel von einem Fußball am linken Auge getroffen; seit der Zeit behindert ein Blutgerinsel im Glaskörper meine Sehqualität. Mein rechtes Auge ist bereits durch einen Arb.Unfall aus 1976 linsenlos. ".
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) – Krankenabteilung - teilte der Beklagten unter Vorlage von Augenarztbefunden des Dr. V.vom 09.07.2015 und 06.05.2014 (Blatt 4/7 der Beklagtenakte) mit, am 05.05.2015 finde sich folgender Eintrag: "Vorgestern Fußball gespielt, angeblich Ball auf Auge bekommen, Jetzt minimales Hämatom linkes Auge. Keine Therapie erforderlich ... Der Befund attestiert deutliche Trübung der Linse links, die auch vorbefundlich am 6.5.2014 bereits bestanden hatte. Der Gefangene wurde am 19.08.2015 befragt, wann sich der angebliche Unfall ereignet haben soll. Er gab an, sich nicht mehr konkret an den Unfalltag erinnern zu können. "
Mit Bescheid vom 25.08.2015 (Blatt 8/9 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 05.05.2015 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII seien Personen unfallversichert, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte im Sinne von Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift als sogenannte "Wie-Beschäftigte" tätig werden. Versicherungsschutz bestehe dann bei der Ausübung von nichtselbständigen Tätigkeiten innerhalb anstaltseigener Werkstätten oder auch bei der Anstalt dienenden Tätigkeiten. Weder das Schach- noch das Fußballspiel könnten in diesem Sinne einen Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung begründen.
Den Widerspruch des Klägers vom 16.09.2015 (Blatt 10 der Beklagtenakte), mit dem er geltend machte, die Haftanstalt habe zu gewährleisten, dass der Gefangene beim Hofgang nicht von Fußbällen beschossen und verletzt werde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2015 (Blatt 11/13 der Beklagtenakte) zurück. Der Hofgang unterliege als eigenwirtschaftliche Tätigkeit nicht dem Versicherungsschutz nach § 8 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII.
Am 26.11.2015 hat der Kläger unter Vorlage von ärztlichen Berichten und Rechnungen (Blatt 9/11 der SG-Akte) beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben. Die Beklagte sei nicht auf klassische Arbeitsunfälle begrenzt, sondern hafte auch für Fälle, bei denen die Obhuts- und Sorgfaltspflicht vernachlässigt werde. Auch sei die Krankenblattfeststellung nicht richtig, da die Sanitätsabteilung mangels medizinischer Geräte kein Hämatom habe feststellen können.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2016 abgewiesen. Die Tätigkeit des Schachspielens beim Hofgang des Klägers am 05.05.2015 stelle keine nach dem SGB VII versicherte Tätigkeit dar.
Gegen den ihm am 23.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger 16.03.2016 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 21.03.2016) Berufung eingelegt. Die Haftanstalt habe für unfallfreie Tagesabläufe zu sorgen. Dies geschehe regelmäßig nicht, wenn Spaziergänger und Fußballspieler gemeinsam den Hof frequentierten. Mithin hafte die Beklagte beim Eintritt von Vorfällen für die JVA B. Im Übrigen werde der Gerichtsbescheid wegen Verhöhnung angefochten, da er das Schachspiel nie als Unfallursache behauptet habe; nebenbei bemerkt sei, dass Schach als Sport anerkannt sei, wie Fußball und Fußballverletzungen würden von der Beklagten anerkannt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2015 zu verurteilen, das Ereignis vom 05.05.2015 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 12, 13 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akte des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die statthafte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 SGG) zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat weder Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 05.05.2015 (Getroffen werden am linken Auge mit einem Fußball) noch auf Feststellung von Unfallfolgen (Verletzung am Auge).
Gemäß § 1 SGB VII ist es Aufgabe der (gesetzlichen) Unfallversicherung, (Nr. 1) mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten und (Nr. 2) nach Maßgabe der Vorschriften dieses Buches (SGB VII) nach dem Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.
Diese Bestimmung enthält nicht nur eine einleitende Zielbestimmung, vielmehr enthält § 1 eine abschließende Bestimmung der Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung. Damit definiert sich die Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung nur in Bezug auf die Versicherungsfälle. Sie ist – wie alle Versicherungen - lediglich dann einstandspflichtig, wenn es sich um einen Versicherungsfall einer versicherten Person handelt. Versicherungsfälle nach dem SGB VII sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Versicherte Personen sind diejenigen, die nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII versichert und nicht nach §§ 4 und 5 SGB VII versicherungsfrei bzw. versicherungsbefreit sind.
Da vorliegend weder eine Versicherung des Klägers bei der Beklagten Kraft Satzung noch eine freiwillige Versicherung besteht, kommt vorliegend ein Versicherungsschutz des Klägers allenfalls nach § 2 SGB VII in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind aber vorliegend nicht erfüllt.
Bezüglich der in § 2 Abs. 1 SGB VII genannten Versicherungstatbestände erfüllt der Kläger keine der Voraussetzungen; insbesondere war er, als er während seiner Freizeit einen Hofgang machte und Schach spielte, nicht als Beschäftigter i.S.d. § 7 SGB IV gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig. Zwar sind nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auch Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Dazu bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII, dass diese Versicherung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auch für Personen gilt, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden. Diese Einbeziehung in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung räumt unfreien Personen den gleichen Versicherungsschutz bei Arbeitsleistungen ein wie freien Arbeitnehmern (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 SGB VII, RdNr. 442).
Zwar befand sich der inhaftierte Kläger zum Zeitpunkt des von ihm angegebenen Ereignisses aufgrund einer strafrichterlichen bzw. staatsanwaltlichen Anordnung in Haft. Doch war er zum Zeitpunkt des unfallträchtigen Ereignisses nicht "wie Beschäftigte" tätig geworden. Der Kläger war zum Zeitpunkt, als ihn – nach seiner Darstellung – am 05.05.2015 ein Fußball am linken Auge traf, im Rahmen seiner Freizeitgestaltung während eines Hofganges damit zu Gange, Schach zu spielen. Das stellt aber keine Tätigkeit dar, der der Kläger für die JVA "wie ein Beschäftigter" nachgegangen ist. Denn insoweit verlangt die Versicherung als "Wie-Beschäftigter", dass die Tätigkeit fremdnützig, wie für ein Unternehmen bzw. einen Arbeitgeber - hier die JVA – erfolgt, denn nur so ist die Zurechnung des Haftungsrisikos zum nutznießenden Unternehmen bzw. der JVA gerechtfertigt (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 2 SGB VII, RdNr. 379 unter Hinweis auf BSG 08.05.1980 - 8a RU 38/79 - SozR 2200 § 539 Nr. 66 = juris). Das Schachspielen in der Freizeit ist aber gerade keine fremdnützige, der JVA wie einem Unternehmen oder Arbeitgeber dienende Tätigkeit. Vielmehr handelt es sich bei freizeitgestaltendem Schachspiel um einen eigenwirtschaftlichen Zeitvertreib, der weder von der Intention noch der Ausgestaltung her einer Beschäftigung entspricht und auch nicht den Kläger einem Beschäftigten als vergleichbar darstellt. Damit war der Kläger während des von ihm dargestellten Ereignisses am 05.05.2015 nicht versichert in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Soweit der Kläger aber darauf abstellt, dass das Schachspiel – wie das Fußballspiel – als Sport anerkannt sei und bei Fußballunfällen die Unfallversicherung einstehe, so konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger das Schachspiel im Rahmen einer Vereinstätigkeit als Beschäftigter oder zumindest "wie ein Beschäftigter" ausgeübt hatte. Denn auch im Rahmen einer versicherten Sportausübung müssen die Voraussetzungen der §§ 2 und 3 SGB VII vorliegen. Eine solche (vereinsmäßige) Beschäftigung als "Berufsschachspieler" bzw. eine Versicherung als Wie-Beschäftigter konnte der Senat – unabhängig davon, dass dann nicht die Beklagte, vielmehr die Verwaltungs-BG, zuständig wäre – aber gerade nicht feststellen.
Aber auch dann, wenn der den Kläger treffende Schuss mit dem Fußball nicht nur im Rahmen einer unversicherten Freizeitgestaltung abgegeben worden wäre, sondern es sich um ein Fußballspiel gehandelt hätte, an dem deswegen versicherte Personen teilgenommen hätten, bedeutet dies nicht, dass dem Kläger daraus ein Versicherungsschutz zufließen würde, wie der Kläger anscheinend meint. Denn – wie bereits dargestellt – die gesetzliche Unfallversicherung nach dem SGB VII erfasst nur solche Personenschäden, die durch ein versichertes Ereignis gerade bei einer versicherten Person eingetreten sind. Damit kommt es nicht darauf an, dass der Unfallverursacher dem Versicherungsschutz des SGB VII unterfällt, sondern der Unfallgeschädigte. Der Kläger war aber bei dem angeschuldigten Ereignis vom 05.05.2015 gerade nicht nach dem SGB VII versichert. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder als Wie-Beschäftigter an dem Fußballspiel teilgenommen hat. Dass er überhaupt selbst auch Fußball gespielt haben könnte, ist allenfalls dem Eintrag vom 05.05.2015 im Krankenblatt - dem der Kläger aber widersprochen hat - zu entnehmen, der aber an der Einschätzung einer unversicherten eigenwirtschaftlichen Freizeitbetätigung des Klägers auch beim Fußballspiel nichts ändert.
Handelt es sich daher nicht um einen versicherten Arbeitsunfall i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 8 SGB VII, so hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Feststellung von Unfallfolgen; damit musste der Senat sich auch nicht damit beschäftigen, ob der Bericht der Krankenabteilung der JVA zutreffend war oder nicht.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe über die Versicherungsfälle des § 7 Abs. 1 SGB VII hinaus auch dafür einzustehen, dass die JVA ihre Sorgfalts- und Schutzobliegenheiten verletzt habe, als es dieser nicht gelungen sei, ihn beim Hofgang nicht vor Fußbällen zu schützen, so folgt der Senat dem klägerischen Vorbringen nicht. Denn insoweit handelt es sich – wie ausgeführt – nicht um einen dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallenden Versicherungsfall des § 7 Abs. 1 SGB VII. Vielmehr macht der Kläger geltend, die JVA habe ihn in seiner Freizeit nicht ausreichend geschützt. Das bloße In-Haft-Sein stellt außerhalb einer Beschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Satz 2 SGB VII gerade keinen Versicherungstatbestand des SGB VII dar und unterfällt auch nicht dem Unfallversicherungsschutz des SGB VII. Der Verstoß gegen allgemeine Sorgfaltspflichten durch die JVA unterliegt damit nicht dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Ob sich insoweit wegen Sorgfaltspflichtverstößen gegen die JVA Ansprüche aus dem Anstaltsverhältnis oder Ansprüche zivilrechtlicher Art ergeben, musste der Senat im vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte nicht klären. Soweit die Klage und Berufung des Klägers dahingehend zu verstehen wären, dass solche Ansprüche festgestellt werden sollten, sind sie ohne Erfolg.
Vor diesem Hintergrund war die Berufung des Klägers ohne Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, dass das Ereignis vom 05.05.2015, bei dem der inhaftierte Kläger während des Schachspielen im Rahmen eines Hofganges von einem Fußball am linken Auge getroffen worden sein soll, als Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung (hier: Arbeitsunfall) festzustellen ist.
Der 1942 geborene, damals inhaftierte Kläger, zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 09.08.2015 (Blatt 1 der Beklagtenakte) an, er habe einen Arbeitsunfall erlitten: "Im Mai dieses Jahres wurde ich in der JVA B. beim Schachspiel von einem Fußball am linken Auge getroffen; seit der Zeit behindert ein Blutgerinsel im Glaskörper meine Sehqualität. Mein rechtes Auge ist bereits durch einen Arb.Unfall aus 1976 linsenlos. ".
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) – Krankenabteilung - teilte der Beklagten unter Vorlage von Augenarztbefunden des Dr. V.vom 09.07.2015 und 06.05.2014 (Blatt 4/7 der Beklagtenakte) mit, am 05.05.2015 finde sich folgender Eintrag: "Vorgestern Fußball gespielt, angeblich Ball auf Auge bekommen, Jetzt minimales Hämatom linkes Auge. Keine Therapie erforderlich ... Der Befund attestiert deutliche Trübung der Linse links, die auch vorbefundlich am 6.5.2014 bereits bestanden hatte. Der Gefangene wurde am 19.08.2015 befragt, wann sich der angebliche Unfall ereignet haben soll. Er gab an, sich nicht mehr konkret an den Unfalltag erinnern zu können. "
Mit Bescheid vom 25.08.2015 (Blatt 8/9 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 05.05.2015 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII seien Personen unfallversichert, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte im Sinne von Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift als sogenannte "Wie-Beschäftigte" tätig werden. Versicherungsschutz bestehe dann bei der Ausübung von nichtselbständigen Tätigkeiten innerhalb anstaltseigener Werkstätten oder auch bei der Anstalt dienenden Tätigkeiten. Weder das Schach- noch das Fußballspiel könnten in diesem Sinne einen Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung begründen.
Den Widerspruch des Klägers vom 16.09.2015 (Blatt 10 der Beklagtenakte), mit dem er geltend machte, die Haftanstalt habe zu gewährleisten, dass der Gefangene beim Hofgang nicht von Fußbällen beschossen und verletzt werde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2015 (Blatt 11/13 der Beklagtenakte) zurück. Der Hofgang unterliege als eigenwirtschaftliche Tätigkeit nicht dem Versicherungsschutz nach § 8 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII.
Am 26.11.2015 hat der Kläger unter Vorlage von ärztlichen Berichten und Rechnungen (Blatt 9/11 der SG-Akte) beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben. Die Beklagte sei nicht auf klassische Arbeitsunfälle begrenzt, sondern hafte auch für Fälle, bei denen die Obhuts- und Sorgfaltspflicht vernachlässigt werde. Auch sei die Krankenblattfeststellung nicht richtig, da die Sanitätsabteilung mangels medizinischer Geräte kein Hämatom habe feststellen können.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2016 abgewiesen. Die Tätigkeit des Schachspielens beim Hofgang des Klägers am 05.05.2015 stelle keine nach dem SGB VII versicherte Tätigkeit dar.
Gegen den ihm am 23.02.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger 16.03.2016 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 21.03.2016) Berufung eingelegt. Die Haftanstalt habe für unfallfreie Tagesabläufe zu sorgen. Dies geschehe regelmäßig nicht, wenn Spaziergänger und Fußballspieler gemeinsam den Hof frequentierten. Mithin hafte die Beklagte beim Eintritt von Vorfällen für die JVA B. Im Übrigen werde der Gerichtsbescheid wegen Verhöhnung angefochten, da er das Schachspiel nie als Unfallursache behauptet habe; nebenbei bemerkt sei, dass Schach als Sport anerkannt sei, wie Fußball und Fußballverletzungen würden von der Beklagten anerkannt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.02.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2015 zu verurteilen, das Ereignis vom 05.05.2015 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 12, 13 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akte des SG und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
Das SG hat die statthafte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 SGG) zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.10.2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat weder Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 05.05.2015 (Getroffen werden am linken Auge mit einem Fußball) noch auf Feststellung von Unfallfolgen (Verletzung am Auge).
Gemäß § 1 SGB VII ist es Aufgabe der (gesetzlichen) Unfallversicherung, (Nr. 1) mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten und (Nr. 2) nach Maßgabe der Vorschriften dieses Buches (SGB VII) nach dem Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.
Diese Bestimmung enthält nicht nur eine einleitende Zielbestimmung, vielmehr enthält § 1 eine abschließende Bestimmung der Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung. Damit definiert sich die Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung nur in Bezug auf die Versicherungsfälle. Sie ist – wie alle Versicherungen - lediglich dann einstandspflichtig, wenn es sich um einen Versicherungsfall einer versicherten Person handelt. Versicherungsfälle nach dem SGB VII sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Versicherte Personen sind diejenigen, die nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII versichert und nicht nach §§ 4 und 5 SGB VII versicherungsfrei bzw. versicherungsbefreit sind.
Da vorliegend weder eine Versicherung des Klägers bei der Beklagten Kraft Satzung noch eine freiwillige Versicherung besteht, kommt vorliegend ein Versicherungsschutz des Klägers allenfalls nach § 2 SGB VII in Betracht. Dessen Voraussetzungen sind aber vorliegend nicht erfüllt.
Bezüglich der in § 2 Abs. 1 SGB VII genannten Versicherungstatbestände erfüllt der Kläger keine der Voraussetzungen; insbesondere war er, als er während seiner Freizeit einen Hofgang machte und Schach spielte, nicht als Beschäftigter i.S.d. § 7 SGB IV gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig. Zwar sind nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auch Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Dazu bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII, dass diese Versicherung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auch für Personen gilt, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden. Diese Einbeziehung in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung räumt unfreien Personen den gleichen Versicherungsschutz bei Arbeitsleistungen ein wie freien Arbeitnehmern (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 2 SGB VII, RdNr. 442).
Zwar befand sich der inhaftierte Kläger zum Zeitpunkt des von ihm angegebenen Ereignisses aufgrund einer strafrichterlichen bzw. staatsanwaltlichen Anordnung in Haft. Doch war er zum Zeitpunkt des unfallträchtigen Ereignisses nicht "wie Beschäftigte" tätig geworden. Der Kläger war zum Zeitpunkt, als ihn – nach seiner Darstellung – am 05.05.2015 ein Fußball am linken Auge traf, im Rahmen seiner Freizeitgestaltung während eines Hofganges damit zu Gange, Schach zu spielen. Das stellt aber keine Tätigkeit dar, der der Kläger für die JVA "wie ein Beschäftigter" nachgegangen ist. Denn insoweit verlangt die Versicherung als "Wie-Beschäftigter", dass die Tätigkeit fremdnützig, wie für ein Unternehmen bzw. einen Arbeitgeber - hier die JVA – erfolgt, denn nur so ist die Zurechnung des Haftungsrisikos zum nutznießenden Unternehmen bzw. der JVA gerechtfertigt (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 2 SGB VII, RdNr. 379 unter Hinweis auf BSG 08.05.1980 - 8a RU 38/79 - SozR 2200 § 539 Nr. 66 = juris). Das Schachspielen in der Freizeit ist aber gerade keine fremdnützige, der JVA wie einem Unternehmen oder Arbeitgeber dienende Tätigkeit. Vielmehr handelt es sich bei freizeitgestaltendem Schachspiel um einen eigenwirtschaftlichen Zeitvertreib, der weder von der Intention noch der Ausgestaltung her einer Beschäftigung entspricht und auch nicht den Kläger einem Beschäftigten als vergleichbar darstellt. Damit war der Kläger während des von ihm dargestellten Ereignisses am 05.05.2015 nicht versichert in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Soweit der Kläger aber darauf abstellt, dass das Schachspiel – wie das Fußballspiel – als Sport anerkannt sei und bei Fußballunfällen die Unfallversicherung einstehe, so konnte der Senat nicht feststellen, dass der Kläger das Schachspiel im Rahmen einer Vereinstätigkeit als Beschäftigter oder zumindest "wie ein Beschäftigter" ausgeübt hatte. Denn auch im Rahmen einer versicherten Sportausübung müssen die Voraussetzungen der §§ 2 und 3 SGB VII vorliegen. Eine solche (vereinsmäßige) Beschäftigung als "Berufsschachspieler" bzw. eine Versicherung als Wie-Beschäftigter konnte der Senat – unabhängig davon, dass dann nicht die Beklagte, vielmehr die Verwaltungs-BG, zuständig wäre – aber gerade nicht feststellen.
Aber auch dann, wenn der den Kläger treffende Schuss mit dem Fußball nicht nur im Rahmen einer unversicherten Freizeitgestaltung abgegeben worden wäre, sondern es sich um ein Fußballspiel gehandelt hätte, an dem deswegen versicherte Personen teilgenommen hätten, bedeutet dies nicht, dass dem Kläger daraus ein Versicherungsschutz zufließen würde, wie der Kläger anscheinend meint. Denn – wie bereits dargestellt – die gesetzliche Unfallversicherung nach dem SGB VII erfasst nur solche Personenschäden, die durch ein versichertes Ereignis gerade bei einer versicherten Person eingetreten sind. Damit kommt es nicht darauf an, dass der Unfallverursacher dem Versicherungsschutz des SGB VII unterfällt, sondern der Unfallgeschädigte. Der Kläger war aber bei dem angeschuldigten Ereignis vom 05.05.2015 gerade nicht nach dem SGB VII versichert. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder als Wie-Beschäftigter an dem Fußballspiel teilgenommen hat. Dass er überhaupt selbst auch Fußball gespielt haben könnte, ist allenfalls dem Eintrag vom 05.05.2015 im Krankenblatt - dem der Kläger aber widersprochen hat - zu entnehmen, der aber an der Einschätzung einer unversicherten eigenwirtschaftlichen Freizeitbetätigung des Klägers auch beim Fußballspiel nichts ändert.
Handelt es sich daher nicht um einen versicherten Arbeitsunfall i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 8 SGB VII, so hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Feststellung von Unfallfolgen; damit musste der Senat sich auch nicht damit beschäftigen, ob der Bericht der Krankenabteilung der JVA zutreffend war oder nicht.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe über die Versicherungsfälle des § 7 Abs. 1 SGB VII hinaus auch dafür einzustehen, dass die JVA ihre Sorgfalts- und Schutzobliegenheiten verletzt habe, als es dieser nicht gelungen sei, ihn beim Hofgang nicht vor Fußbällen zu schützen, so folgt der Senat dem klägerischen Vorbringen nicht. Denn insoweit handelt es sich – wie ausgeführt – nicht um einen dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfallenden Versicherungsfall des § 7 Abs. 1 SGB VII. Vielmehr macht der Kläger geltend, die JVA habe ihn in seiner Freizeit nicht ausreichend geschützt. Das bloße In-Haft-Sein stellt außerhalb einer Beschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Satz 2 SGB VII gerade keinen Versicherungstatbestand des SGB VII dar und unterfällt auch nicht dem Unfallversicherungsschutz des SGB VII. Der Verstoß gegen allgemeine Sorgfaltspflichten durch die JVA unterliegt damit nicht dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Ob sich insoweit wegen Sorgfaltspflichtverstößen gegen die JVA Ansprüche aus dem Anstaltsverhältnis oder Ansprüche zivilrechtlicher Art ergeben, musste der Senat im vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte nicht klären. Soweit die Klage und Berufung des Klägers dahingehend zu verstehen wären, dass solche Ansprüche festgestellt werden sollten, sind sie ohne Erfolg.
Vor diesem Hintergrund war die Berufung des Klägers ohne Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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