Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 877/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1768/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 06.04.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ohne Lichtbild sowie hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das zur Erstellung der eGK eingesandte Lichtbild zu speichern.
Der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte, 1962 geborene Kläger beantragte am 20.06.2014 bei der Beklagten einen aktuellen Versicherungsnachweis. Eine eGK mit Lichtbild und erweiterter Speichermöglichkeit habe er nicht und lehne er ab.
Die Beklagte legte den Antrag des Klägers dahingehend aus, dass er von der Abgabe eines Passbildes befreit werden wolle. Mit - nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenem - Bescheid vom 26.06.2014 lehnte die Beklagte den so gefassten Antrag des Klägers ab. Eine Befreiung von der Abgabe eines Passbildes sei nicht möglich.
Mit Telefax vom 14.01.2015 beantragte der Kläger erneut eine Versicherungsbestätigung. Mit Bescheid vom 16.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag, eine Karte ohne Lichtbild auszustellen, ab.
Am 02.02.2015 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 26.06.2014 und 16.01.2015 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 zurückwies.
Hiergegen richtete sich die am 19.04.2015 beim Landgericht Konstanz (LG) eingereichte Klage, die dem Sozialgericht Konstanz (SG) am 20.04.2015 vorgelegt wurde (S 7 KR 877/15). Er, der Kläger, verfüge derzeit noch über die (alte) Krankenversichertenkarte und nicht über eine neue eGK. Die mehrfache Aufforderung der Beklagten, eine solche Karte zu beantragen bzw. ein Lichtbild für die Erstellung einer solchen Karte zur Verfügung zu stellen, habe er abgelehnt. Eine Lichtbildvorlage scheide aufgrund des rechtsanmaßenden und rechtswidrigen Umgangs der Beklagten mit den eingesandten Lichtbildern der Versicherten aus. In den Benachrichtigungen der Beklagten werde ausgeführt, dass das Bild nicht zurückgesandt werde, weil dies einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bewirke. Es werde darüber hinaus auch offen ausgesprochen, dass das Lichtbild nicht nur Verwendung für die Einbringung in die eGK finde bzw. nur vorübergehend gespeichert werde, bis es in eine entsprechende eGK eingebracht werde, sondern darüber hinaus bei der Beklagten vorrätig gespeichert gehalten werde. Es fehle an einer Rechtsgrundlage, die angeforderten Lichtbilder zu speichern und vorrätig zu halten. Das Interesse, den Missbrauch der Versichertenkarte zu erschweren, begründe keineswegs eine Befugnis, Pass- bzw. Lichtbilder zu speichern, zumal der Versicherte nicht der konkret Verdächtige im Missbrauchsfall sei, ansonsten würden die Versicherten unter Generalverdacht gestellt.
Der Kläger beantragte daher die Verurteilung der Beklagten, eine eGK ohne Lichtbild auszustellen bzw. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nach Verwendung für die Erstellung der eGK nicht berechtigt sei, die eingescannten Lichtbilder vorrätig zu halten und zu speichern.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 06.04.2016 wies das SG die Klage ab. Der Kläger könne die Ausstellung einer eGK ohne Lichtbild nicht verlangen. Gemäß § 291 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der geltenden Fassung sei die eGK mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 291 Abs. 2 Satz 5 SGB V eine eGK ohne Lichtbild ausgestellt werden könne, lägen bei dem Kläger nicht vor. Der vom Kläger gerügte Eingriff in das Recht zur informationellen Selbstbestimmung sei gleichzeitig gerechtfertigt. Die Beschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung seien in den genannten gesetzlichen Bestimmungen geregelt und durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt; sie seien nämlich zur Verhinderung von Missbrauch und zur Kosteneinsparung zum Erhalt der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung geeignet, erforderlich und angemessen. Das Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung überwiege im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit des Versicherten durch die Verwendung des Lichtbildes zur Ausstellung der eGK. Die Beklagte sei auch berechtigt, die eingesandten Lichtbilder zu speichern. Bei den Lichtbildern handle es sich um Sozialdaten. Die Beklagte dürfe gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung speichern, soweit dies für die Ausstellung des Berechtigungsscheins und der eGK erforderlich sei. Diese Voraussetzungen seien zu bejahen. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe, sei mit der "Ausstellung" der eGK auch eine eventuelle Ersatzausstellung gemeint. Der hilfsweise gestellte Feststellungs- bzw. Unterlassungsantrag sei deshalb ebenfalls unbegründet.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 12.04.2016 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 12.05.2016 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung des Klägers (L 5 KR 1768/16). Das SG habe lediglich Ausführungen allgemeiner Art gemacht, die zur Beantwortung der streitgegenständlichen Rechtsfrage nicht tauglich seien sowie auf den Gesetzestext verwiesen und nicht einschlägige Entscheidungen zitiert. Insoweit verbleibe es bei der bisherigen Begründung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 06.04.2016 und die Bescheide der Beklagten vom 26.06.2014 und 16.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszustellen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nach der Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Urteilserlasses nicht berechtigt ist, die zur Erstellung der elektronischen Gesundheitskarte eingesandten Lichtbilder in elektronisch gespeicherter Form vorrätig zu halten und sie zu verurteilen, ein künftig eingesandtes Lichtbild des Klägers bei unverändert fortbestehender Gesetzeslage nicht zu speichern,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Ausführungen des SG seien nicht zu beanstanden. Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V dürften Krankenkassen Sozialdaten einschließlich Bilddaten erheben und speichern, wenn sie für die Ausstellung einer eGK erforderlich seien. Unter Ausstellung sei nach ihrer Überzeugung sowohl die Erst- als auch jede Ersatzausstellung zu verstehen, da sie, die Beklagte, etwa im Fall eines Verlustes oder Defektes zur Erstellung einer Ersatzkarte verpflichtet sei. Ein Anspruch auf Löschung des Lichtbildes ergebe sich auch nicht aus § 304 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Speicherung des Lichtbildes bei bestehender Mitgliedschaft stelle keine unzulässige Datenspeicherung dar. Die Pflicht zur Speicherung der Bilddaten erlösche grundsätzlich erst mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses.
Am 24.07.2016 hat der Kläger den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt (L 5 KR 2729/16 ER). Dieser Antrag ist mit Beschluss des Senats vom 29.08.2016 zurückgewiesen worden. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden (1 BvR 2183/16).
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 21.09.2016 haben die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte im Verfahren L 5 KR 2729/16 ER sowie die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz im Hauptsacheverfahren sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen; der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine eGK ohne Lichtbild. Eine eGK ohne Lichtbild sieht das Gesetz nur noch in bestimmten Ausnahmefällen vor, die vorliegend nicht gegeben sind.
Nach § 15 Abs. 2 SGB V in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung haben Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, dem Arzt (Zahnarzt) vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Damit übereinstimmend ordnet § 291 Abs. 1 S 2 SGB V an, dass die Krankenversichertenkarte nur für den Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Abrechnung mit den Leistungserbringern verwendet werden darf. Das Lichtbilderfordernis für die Krankenversichertenkarte besteht seit 01.01.2006: Die "Erweiterung der Krankenversichertenkarte um das Lichtbild hat nämlich spätestens bis zum 1. Januar 2006 zu erfolgen" (§ 291 Abs. 2 SGB V in den von 01.01.2004 bis 28.12.2015 geltenden Fassungen); "Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild" (§ 291 Abs. 2 S. 5 SGB V). Es ändert am eindeutigen Normbefehl nichts, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die gesetzlich angeordneten Änderungen der Krankenversichertenkarte zeitgleich mit der nach § 291 Abs. 2a SGB V für den 01.01.2006 vorgesehenen, aber nicht realisierten Einführung der eGK zusammenfallen würden (vgl Begründung des Gesetzentwurfs eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 144; aA Bales/von Schwanenflügel, NJW 2012, 2475, 2477, mit unzutreffendem Hinweis auf BT-Drucks 15/1525 S 144; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18.11.2014, - B 1 KR 35/13 R -, in juris).
Die in § 291 Abs. 2 S. 5 SGB V bestimmten Ausnahmen sind nicht gegeben. Denn zum einen ist der Kläger 54 Jahre und damit über 15 Jahre alt und zum anderen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass seine Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes objektiv nicht möglich ist. Allein die Tatsache, dass der Kläger kein Lichtbild anfertigen lassen will, genügt nicht.
Die gesetzlichen Regelungen des SGB V erlegen dem Kläger damit die Obliegenheit auf, an der Herstellung der eGK mit Lichtbild und den beiden zusätzlichen Angaben (Geschlecht und Zuzahlungsstatus, § 291 Abs 2 S 1 Nr 4 und 8 SGB V nF) mitzuwirken und diese zu verwenden, um seine Berechtigung zur Inanspruchnahme vertrags(zahn)ärztlicher Versorgung nachzuweisen und damit zugleich Abrechnungen der Leistungserbringer, den online erfolgenden Abgleich von Versichertenstammdaten und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen zu ermöglichen. Weist ein Versicherter seine Berechtigung nicht mittels eGK nach, muss er den sich daraus ergebenden Nachteil hinnehmen: Er kann sich dort keine Sachleistungen verschaffen, wo die eGK zum Nachweis der Berechtigung und zur Ermöglichung von Verschaffungsvorgängen erforderlich ist. Rechtsgrundlage dieser Obliegenheit sind die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V. Keine Obliegenheit betrifft demgegenüber die Erweiterung der eGK um fakultative Angaben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.11.2014, - B 1 KR 35/13 R -, in juris)
Das BSG (Urteil vom 18.11.2014, - B 1 KR 35/13, - in juris) hat zwischenzeitlich auch höchstrichterlich entschieden, dass die Verpflichtung zur Nutzung der eGK mit einem Lichtbild angesichts der mit der Regelung bezweckten und auch dem Versicherten zugutekommenden Verringerung der Missbrauchsmöglichkeit gerechtfertigt ist. Bei einer Speicherung von Gesundheitsdaten auf der eGK ist dem Interesse des Einzelnen an seinen Daten (Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung) gesetzlich durch die Einspruchsmöglichkeiten des Versicherten Rechnung getragen. Weiter hat der Gesetzgeber durch Datenschutzvorschriften rechtliche Hürden gegen die unbefugte Weitergabe der Daten aufgestellt. Die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BSG wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG 1. Senat 3. Kammer, Beschluss vom 08.06.2016, - 1 BvR 864/15 -, nv) nicht zur Entscheidung angenommen.
Soweit der Kläger im Übrigen die Vorlage eines Lichtbildes unter Hinweis auf die beabsichtigte Speicherung verweigert, weist der Senat auf die zutreffenden Gründe des SG im Gerichtsbescheid vom 06.04.2016 hin. Gem. § 284 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V darf die Beklagte Sozialdaten - worunter auch das von der Beklagten angeforderte Lichtbild fällt (Hessisches LSG, Urteil vom 26.09.2013, - L 1 KR 50/13 -, in juris) - speichern, soweit diese für die eGK benötigt werden. Ein Anspruch auf Löschung des Lichtbildes ergibt sich auch nicht aus § 304 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 84 Abs. 2 SGB X. Die Speicherung des Lichtbildes bei bestehender Mitgliedschaft stellt keine unzulässige Datenspeicherung dar. Die Pflicht zur Speicherung der Bilddaten erlöscht grundsätzlich erst mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ohne Lichtbild sowie hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, das zur Erstellung der eGK eingesandte Lichtbild zu speichern.
Der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte, 1962 geborene Kläger beantragte am 20.06.2014 bei der Beklagten einen aktuellen Versicherungsnachweis. Eine eGK mit Lichtbild und erweiterter Speichermöglichkeit habe er nicht und lehne er ab.
Die Beklagte legte den Antrag des Klägers dahingehend aus, dass er von der Abgabe eines Passbildes befreit werden wolle. Mit - nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenem - Bescheid vom 26.06.2014 lehnte die Beklagte den so gefassten Antrag des Klägers ab. Eine Befreiung von der Abgabe eines Passbildes sei nicht möglich.
Mit Telefax vom 14.01.2015 beantragte der Kläger erneut eine Versicherungsbestätigung. Mit Bescheid vom 16.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag, eine Karte ohne Lichtbild auszustellen, ab.
Am 02.02.2015 legte der Kläger gegen die Bescheide vom 26.06.2014 und 16.01.2015 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2015 zurückwies.
Hiergegen richtete sich die am 19.04.2015 beim Landgericht Konstanz (LG) eingereichte Klage, die dem Sozialgericht Konstanz (SG) am 20.04.2015 vorgelegt wurde (S 7 KR 877/15). Er, der Kläger, verfüge derzeit noch über die (alte) Krankenversichertenkarte und nicht über eine neue eGK. Die mehrfache Aufforderung der Beklagten, eine solche Karte zu beantragen bzw. ein Lichtbild für die Erstellung einer solchen Karte zur Verfügung zu stellen, habe er abgelehnt. Eine Lichtbildvorlage scheide aufgrund des rechtsanmaßenden und rechtswidrigen Umgangs der Beklagten mit den eingesandten Lichtbildern der Versicherten aus. In den Benachrichtigungen der Beklagten werde ausgeführt, dass das Bild nicht zurückgesandt werde, weil dies einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bewirke. Es werde darüber hinaus auch offen ausgesprochen, dass das Lichtbild nicht nur Verwendung für die Einbringung in die eGK finde bzw. nur vorübergehend gespeichert werde, bis es in eine entsprechende eGK eingebracht werde, sondern darüber hinaus bei der Beklagten vorrätig gespeichert gehalten werde. Es fehle an einer Rechtsgrundlage, die angeforderten Lichtbilder zu speichern und vorrätig zu halten. Das Interesse, den Missbrauch der Versichertenkarte zu erschweren, begründe keineswegs eine Befugnis, Pass- bzw. Lichtbilder zu speichern, zumal der Versicherte nicht der konkret Verdächtige im Missbrauchsfall sei, ansonsten würden die Versicherten unter Generalverdacht gestellt.
Der Kläger beantragte daher die Verurteilung der Beklagten, eine eGK ohne Lichtbild auszustellen bzw. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nach Verwendung für die Erstellung der eGK nicht berechtigt sei, die eingescannten Lichtbilder vorrätig zu halten und zu speichern.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 06.04.2016 wies das SG die Klage ab. Der Kläger könne die Ausstellung einer eGK ohne Lichtbild nicht verlangen. Gemäß § 291 Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der geltenden Fassung sei die eGK mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 291 Abs. 2 Satz 5 SGB V eine eGK ohne Lichtbild ausgestellt werden könne, lägen bei dem Kläger nicht vor. Der vom Kläger gerügte Eingriff in das Recht zur informationellen Selbstbestimmung sei gleichzeitig gerechtfertigt. Die Beschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung seien in den genannten gesetzlichen Bestimmungen geregelt und durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt; sie seien nämlich zur Verhinderung von Missbrauch und zur Kosteneinsparung zum Erhalt der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung geeignet, erforderlich und angemessen. Das Allgemeininteresse an der Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung überwiege im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit des Versicherten durch die Verwendung des Lichtbildes zur Ausstellung der eGK. Die Beklagte sei auch berechtigt, die eingesandten Lichtbilder zu speichern. Bei den Lichtbildern handle es sich um Sozialdaten. Die Beklagte dürfe gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung speichern, soweit dies für die Ausstellung des Berechtigungsscheins und der eGK erforderlich sei. Diese Voraussetzungen seien zu bejahen. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe, sei mit der "Ausstellung" der eGK auch eine eventuelle Ersatzausstellung gemeint. Der hilfsweise gestellte Feststellungs- bzw. Unterlassungsantrag sei deshalb ebenfalls unbegründet.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 12.04.2016 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 12.05.2016 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung des Klägers (L 5 KR 1768/16). Das SG habe lediglich Ausführungen allgemeiner Art gemacht, die zur Beantwortung der streitgegenständlichen Rechtsfrage nicht tauglich seien sowie auf den Gesetzestext verwiesen und nicht einschlägige Entscheidungen zitiert. Insoweit verbleibe es bei der bisherigen Begründung.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 06.04.2016 und die Bescheide der Beklagten vom 26.06.2014 und 16.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszustellen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nach der Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Urteilserlasses nicht berechtigt ist, die zur Erstellung der elektronischen Gesundheitskarte eingesandten Lichtbilder in elektronisch gespeicherter Form vorrätig zu halten und sie zu verurteilen, ein künftig eingesandtes Lichtbild des Klägers bei unverändert fortbestehender Gesetzeslage nicht zu speichern,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Ausführungen des SG seien nicht zu beanstanden. Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V dürften Krankenkassen Sozialdaten einschließlich Bilddaten erheben und speichern, wenn sie für die Ausstellung einer eGK erforderlich seien. Unter Ausstellung sei nach ihrer Überzeugung sowohl die Erst- als auch jede Ersatzausstellung zu verstehen, da sie, die Beklagte, etwa im Fall eines Verlustes oder Defektes zur Erstellung einer Ersatzkarte verpflichtet sei. Ein Anspruch auf Löschung des Lichtbildes ergebe sich auch nicht aus § 304 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Speicherung des Lichtbildes bei bestehender Mitgliedschaft stelle keine unzulässige Datenspeicherung dar. Die Pflicht zur Speicherung der Bilddaten erlösche grundsätzlich erst mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses.
Am 24.07.2016 hat der Kläger den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt (L 5 KR 2729/16 ER). Dieser Antrag ist mit Beschluss des Senats vom 29.08.2016 zurückgewiesen worden. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung angenommen worden (1 BvR 2183/16).
Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 21.09.2016 haben die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte im Verfahren L 5 KR 2729/16 ER sowie die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz im Hauptsacheverfahren sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat keinen Erfolg.
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen; der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine eGK ohne Lichtbild. Eine eGK ohne Lichtbild sieht das Gesetz nur noch in bestimmten Ausnahmefällen vor, die vorliegend nicht gegeben sind.
Nach § 15 Abs. 2 SGB V in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung haben Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, dem Arzt (Zahnarzt) vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Damit übereinstimmend ordnet § 291 Abs. 1 S 2 SGB V an, dass die Krankenversichertenkarte nur für den Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Abrechnung mit den Leistungserbringern verwendet werden darf. Das Lichtbilderfordernis für die Krankenversichertenkarte besteht seit 01.01.2006: Die "Erweiterung der Krankenversichertenkarte um das Lichtbild hat nämlich spätestens bis zum 1. Januar 2006 zu erfolgen" (§ 291 Abs. 2 SGB V in den von 01.01.2004 bis 28.12.2015 geltenden Fassungen); "Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild" (§ 291 Abs. 2 S. 5 SGB V). Es ändert am eindeutigen Normbefehl nichts, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die gesetzlich angeordneten Änderungen der Krankenversichertenkarte zeitgleich mit der nach § 291 Abs. 2a SGB V für den 01.01.2006 vorgesehenen, aber nicht realisierten Einführung der eGK zusammenfallen würden (vgl Begründung des Gesetzentwurfs eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 144; aA Bales/von Schwanenflügel, NJW 2012, 2475, 2477, mit unzutreffendem Hinweis auf BT-Drucks 15/1525 S 144; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18.11.2014, - B 1 KR 35/13 R -, in juris).
Die in § 291 Abs. 2 S. 5 SGB V bestimmten Ausnahmen sind nicht gegeben. Denn zum einen ist der Kläger 54 Jahre und damit über 15 Jahre alt und zum anderen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass seine Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes objektiv nicht möglich ist. Allein die Tatsache, dass der Kläger kein Lichtbild anfertigen lassen will, genügt nicht.
Die gesetzlichen Regelungen des SGB V erlegen dem Kläger damit die Obliegenheit auf, an der Herstellung der eGK mit Lichtbild und den beiden zusätzlichen Angaben (Geschlecht und Zuzahlungsstatus, § 291 Abs 2 S 1 Nr 4 und 8 SGB V nF) mitzuwirken und diese zu verwenden, um seine Berechtigung zur Inanspruchnahme vertrags(zahn)ärztlicher Versorgung nachzuweisen und damit zugleich Abrechnungen der Leistungserbringer, den online erfolgenden Abgleich von Versichertenstammdaten und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen zu ermöglichen. Weist ein Versicherter seine Berechtigung nicht mittels eGK nach, muss er den sich daraus ergebenden Nachteil hinnehmen: Er kann sich dort keine Sachleistungen verschaffen, wo die eGK zum Nachweis der Berechtigung und zur Ermöglichung von Verschaffungsvorgängen erforderlich ist. Rechtsgrundlage dieser Obliegenheit sind die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V. Keine Obliegenheit betrifft demgegenüber die Erweiterung der eGK um fakultative Angaben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 18.11.2014, - B 1 KR 35/13 R -, in juris)
Das BSG (Urteil vom 18.11.2014, - B 1 KR 35/13, - in juris) hat zwischenzeitlich auch höchstrichterlich entschieden, dass die Verpflichtung zur Nutzung der eGK mit einem Lichtbild angesichts der mit der Regelung bezweckten und auch dem Versicherten zugutekommenden Verringerung der Missbrauchsmöglichkeit gerechtfertigt ist. Bei einer Speicherung von Gesundheitsdaten auf der eGK ist dem Interesse des Einzelnen an seinen Daten (Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung) gesetzlich durch die Einspruchsmöglichkeiten des Versicherten Rechnung getragen. Weiter hat der Gesetzgeber durch Datenschutzvorschriften rechtliche Hürden gegen die unbefugte Weitergabe der Daten aufgestellt. Die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BSG wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG 1. Senat 3. Kammer, Beschluss vom 08.06.2016, - 1 BvR 864/15 -, nv) nicht zur Entscheidung angenommen.
Soweit der Kläger im Übrigen die Vorlage eines Lichtbildes unter Hinweis auf die beabsichtigte Speicherung verweigert, weist der Senat auf die zutreffenden Gründe des SG im Gerichtsbescheid vom 06.04.2016 hin. Gem. § 284 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V darf die Beklagte Sozialdaten - worunter auch das von der Beklagten angeforderte Lichtbild fällt (Hessisches LSG, Urteil vom 26.09.2013, - L 1 KR 50/13 -, in juris) - speichern, soweit diese für die eGK benötigt werden. Ein Anspruch auf Löschung des Lichtbildes ergibt sich auch nicht aus § 304 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 84 Abs. 2 SGB X. Die Speicherung des Lichtbildes bei bestehender Mitgliedschaft stellt keine unzulässige Datenspeicherung dar. Die Pflicht zur Speicherung der Bilddaten erlöscht grundsätzlich erst mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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