S 38 KA 379/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 379/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.
III. Die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts in den Vor-verfahren wird festgestellt.
IV. Die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klagen, die in der mündlichen Verhandlung am 01.12.2016 verbunden wurden, waren die Ausgangsbescheide in der Fassung der Widerspruchsbescheide, jeweils vom 18.03.2015. Die Klagen richteten sich gegen Ziffer II des Widerspruchsbescheides und zwar konkret gegen die Erhebung von Verwaltungskosten in Höhe von 2,5 % auf die Abrechnung von Leistungen, die im Rahmen des Notarztdienstes erbracht wurden. Zur Begründung berief sich die Beklagte auf § 81 Abs. 2 Nr. 5 SGB V i.V.m. § 24 der Satzung der Beklagten. Die Vergütung umfasse den gesamten Vergütungsanspruch des Arztes, also auch den, der sich auf Leistungen im Notarztdienst beziehe. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 17.08.2011,Az B 6 KA 2/11 R) festgestellt. In seiner Klagebegründung machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gel-tend, die Vergütung im Notarztdienst erfolge außerhalb des Systems des SGB V. Die Kosten seien in Art. 35 Abs. 3 Satz 2 Bayerisches Rettungsdienstgesetz (BayRDG) geregelt. Diese Kostenregelung des Notarztdienstes sei abschließend und gehe als einfachgesetzliche Regelung der Satzungsregelung vor. Umfasst seien sämtliche Kosten des Notarztdienstes. Es sei zu besorgen, dass hier ein doppelter Kostenansatz erfolge, einerseits erbracht von den Kostenträgern, andererseits erbracht von den Notärzten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte Akteneinsicht in die Entgeltvereinbarung, die mit den Sozialversicherungsträgern getroffen worden sei. In Erwiderung der Klagebegründung wies die Beklagte darauf hin, es sei zwischen den allgemeinen Kosten und den besonderen Kosten der Organisation des Notarztdienstes zu unterscheiden. Der Kläger sei als Vertragsarzt zugelassen. Von den Verwaltungskosten seien sämtliche Kosten und Umsätze aus vertragsärztlicher Tätigkeit erfasst (vgl. BSG, Urteil vom 28.11.2007, Az. B 6 KA 1/07/R). Die Gesetzesbegründung spreche dafür, dass von Art. 35 BayRDG lediglich Organisationskosten erfasst seien. Zur Historie teilte die Beklagte mit, zunächst sei keine Vereinbarung mit den Sozialversicherungsträgern zustande gekommen, weshalb für das Jahr 2012 am 05.04.2013 ein Schiedsspruch erfolgt sei. Mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.661.356 EUR seien 23 Stellen für die Organisation des Notarztdienstes geschaffen worden. In der mündlichen Verhandlung am 01.12.2016 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers folgende Anträge: 1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den mit den streitgegenständlichen Honorarbescheiden erfolgten Abzug der Verwaltungskosten auf die notärztlichen Leistungen zu erstatten. 2. Die Kosten der Verfahren einschließlich derer im Vorverfahren für die notwendige Beauftragung eines Bevollmächtigten trägt die Beklagte. 3. Hilfsweise ist die Berufung zuzulassen.

Die Vertreterinnen der Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakten. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 01.12.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zum Sozialgericht München erhobene Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger ist nicht in seinen Rechten verletzt. Die vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen (Absetzungen in Höhe von 2,5 % Verwaltungskosten auch bei den Leistungen, die vom Kläger im Rahmen des Notarztdienstes in den Quartalen 4/12 und 1/13 erbracht wurden) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für den Abzug von Verwaltungskosten ist § 81 Absatz 1 Ziffer 5 SGB V in Verbindung mit § 24 der Satzung der Beklagten. Danach (§ 81 Abs. 1 Ziff. 5 SGB V) muss die Satzung auch Bestimmungen über die Aufbringung und Verwaltung der Mittel enthalten. In § 24 Abs. 1 der Satzung ist daher geregelt, dass die KVB zur Durchführung ihrer Aufgaben von den Mitgliedern Beiträge (Verwaltungskostenanteile) nach einem Vomhundertsatz der Vergütung aus der vertragsärztlichen Tätigkeit oder nach einem festen Betrag oder nach einem Sys-tem, das sich aus einer Verbindung dieser Bemessungsarten ergibt, erhebt. Der Kläger ist als Facharzt für Psychosomatik zugelassen. Die Zulassung bewirkt, dass er Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Somit ist die KVB grundsätzlich berechtigt, vom Kläger als Mitglied zur Durchführung ihrer Aufgaben Beiträge zu verlangen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R) können Vertragsärzte für die gesamten, über eine KVB abgerechneten Umsätze aus vertragsärztlicher Tätigkeit herangezogen werden. Dies betrifft auch Umsätze aus Sachkosten. Die Abrechnung der Leistungen aus dem Notarztdienst erfolgt über die KVB (Art. 35 Abs. 4 Satz 2 BayRDG). Fraglich ist, ob es sich um Umsätze aus vertragsärztlicher Tätigkeit handelt. Grundsätzlich gehört die notärztliche Versorgung nicht dazu, wie sich aus § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V (a. F.) bzw. aus § 75 Abs. 1b Satz 1 SGB V (Fassung vom 16.07.2015, BGBl I S. 1211) ergibt. Allerdings kann das Landesrecht etwas anderes bestimmen. Nach Art. 14 Abs. 1 BayRDG ist die Be-handlung von Notfallpatienten auch Gegenstand der vertragsärztlichen Versor-gung und von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns sicherzustellen. Somit handelt es sich auch bei der Vergütung aus dem Notarztdienst um einen Umsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit. Gegen die Erhebung von Verwaltungskosten spricht auch nicht Art. 35 BayRDG, insbesondere nicht Art. 35 Abs. 3 BayRDG. Danach werden für die Mitwirkung von Notärzten und leitenden Notärzten in der Notfallrettung Benutzungsentgelte erhoben, die zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und den Sozialversicherungsträgern vereinbart werden (Benutzungsentgeltvereinbarung). Zum Benutzungsentgelt gehören die Vergütungen für Leistungen der Notärzte, aber auch "sonstige Kosten, die bei der KVB für die Mitwirkung von Ärzten in der Notfallrettung entstehen" (Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG). Nach Auffassung des Gerichts ist die Kostenregelung in Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG nicht abschließend, wie die Klägerseite meint. Es handelt sich nicht um einen doppelten Ansatz der Verwaltungskosten, einmal über die Sozialversicherungsträger, zum andern über die Notärzte. Bei den Kosten ist nämlich zu differenzieren zwischen den allgemeinen Verwaltungskosten und den Organisationskosten. Während die allgemeinen Verwaltungskosten von § 24 der Satzung der Beklagten erfasst sind, beziehen sich die sonstigen Kosten i.S.d. Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG auf Organisationskosten. Dafür spricht bereits der Wortlaut von Art. 35 Abs. 3 Satz 2 BayRDG, wonach im Rahmen der Entgeltvereinbarung sonstige Kosten zu regeln sind, die für die Mitwirkung von Ärzten der Notfallrettung entstehen. Dies bedeutet, diese sonstigen Kosten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Notfallrettung. So werden diese Beiträge auch für die Schaffung von Personalstellen herangezogen. Für die Differenzierung spricht ferner die Gesetzesbegründung zum BayRDG (Bayeri-scher Landtag, Drucksache 15/10391), worauf die Beklagte zutreffend hinweist. In der Einzelbegründung zu Art. 35 wird betont, dass sich die Benut-zungsentgelte aus den Vergütungen für den Bereitschaftsdienst und für die Sicherstellung des Notarztdienstes entstehenden "sonstigen Organisationskosten, zum Beispiel Fahrtkosten, Unterbringungskosten, Kosten der Mitwirkung von Krankenhäusern" zusammensetzen. Zu erwägen wäre, ob in die Entgelte auch allgemeine Verwaltungskosten der Beklagten hätten mit aufgenommen werden müssen. Dies ergibt sich aber aus Art. 35 BayRDG nicht zwingend. Ob die Vereinbarungspartner die Möglichkeit gehabt hätten, die allgemeinen Verwaltungskosten der Beklagten im Rahmen der Entgelte zu berücksichtigen, ist eine Frage akademischer Natur und bedarf hier keiner weiteren Auseinandersetzung. Fest steht vielmehr, dass für die Beklagte auch keine Veranlassung bestand, die Aufnahme von allgemeinen Verwaltungskosten in die Entgeltvereinbarung zu fordern, da diese bereits über § 24 der Satzung erhoben werden. Soweit die Klägerseite geltend machte, sie beantrage Akteneinsicht in die Benutzungsentgeltvereinbarung, ergibt sich dieses Akteneinsichtsrecht nicht aus § 25 Abs. 1 SGB X. Denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf "die Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten", nicht aber auf die Einsicht in die Benutzungsent-geltvereinbarung. Schließlich ist auch die Höhe der Verwaltungskosten von 2,5 % rechtlich nicht zu beanstanden. Erforderlich ist, dass der Prozentsatz angemessen ist und nicht gegen verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen wird (vgl. BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R). Ein solcher Verstoß ist nicht festzustellen. Es trifft zu, dass die Vorteile, die den Vertragsärzten aus ihrer Mitgliedschaft in der KÄV und aus der Inanspruchnahme der Verwaltungstätigkeit erwachsen können, unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Umfangs sind. Beispielsweise wird ein Vertragsarzt für seine primäre vertragsärztliche Tätigkeit ein breiteres Spektrum an von der Beklagten zu erbringenden Dienstleistungen abrufen können als für die Notarzt-Tätigkeit. Der Bemessung der allgemeinen Verwaltungskosten am Umfang der Vorteile steht jedoch entgegen, dass die Beklagte nicht zuletzt aus Praktikabilitätserwägungen heraus und, um die allgemeinen Verwaltungskosten möglichst gering zu halten, berechtigt ist, zu generalisieren, zu pauschalieren und zu typisieren. Erst bei einem wesentlich höheren Prozentsatz als 2,5 % könnte die Angemessenheit in Frage gestellt werden. Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO. Nach Auffassung des Gerichts war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Denn vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei durfte die Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren für erforderlich gehalten werden (vgl. Kopp/Schenke, Komment. zur VwGO Rn 18 zu § 162). Die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht war gemäß § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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