L 5 KA 367/16 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 KA 4517/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 367/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.12.2015 (S 20 KA 4517/14) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird endgültig auf 185,19 EUR festgesetzt.

Gründe:

( I )

Zwischen den Beteiligten ist die außerbudgetäre Abrechnung einzelner vertragsärztlicher Gebührenordnungspositionen betreffend dreier nach dem Sozialversicherungsabkommen-Ausland (SVA) Versicherter in den Quartalen I/2013 und II/2013 i.H.v. 79,46 EUR und 105,73 EUR streitig. Unter dem 06.09.2013 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, dass sie die "Honorarabrechnung der Beklagten für das "1. Quartal 2013 - Auslandsabkommen - " um einen Betrag von 156,54 EUR gekürzt habe, da u.a. die Versicherten Y. L.-D. und M. L. am Behandlungstag nicht nach dem SVA versichert gewesen seien. Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Antrag auf eine sachlich-rechnerische Prüfung nach § 106a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und lehnte diesen, unter Stattgabe im Übrigen, mit Bescheid vom 09.10.2013 für die benannten Versicherten unter der Begründung, es seien gültige Versichertenkarten eingelesen worden, ab. Es werde daher weiterhin ein Betrag von 79,46 EUR geltend gemacht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2014 zurück. Mit Schreiben vom 10.12.2013 teilte die Klägerin mit, dass sie auch die "Honorarabrechnung der Beklagten für das "2. Quartal 2013 - Auslandsabkommen -" um einen Betrag von 202,77 EUR für mehrere Versicherte gekürzt habe. Entsprechend der vorherigen Auslegung lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 14.01.2014 unter Stattgabe im Übrigen betr. die Versicherten A.-K. F., Y. L.-D., M. L. und Ph.-Ro. L. unter der Begründung, die Versicherten seien am Behandlungstag nicht nach dem SVA versichert gewesen bzw. einer anderen Krankenkasse sei zuständig, ab. Es werde daher weiterhin ein Betrag von 166,91 EUR geltend gemacht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2014 zurück. Auf die gegen die Widerspruchsbescheide gerichtete Klage der Klägerin hin hob das Sozialgericht Stuttgart (SG) die Bescheide vom 09.12.2013 (richtig: 09.10.2013) (Widerspruchsbescheid vom 13.05.2014) und den Bescheid vom 14.01.2014 (Widerspruchsbescheid vom 12.05.2014) betreffend einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 79,12 EUR (richtig wohl 79,46 EUR) bzw. betreffend die Kosten für die Familie Liebsch in Höhe von 105,73 EUR mit Urteil vom 09.12.2015 auf. Es führte - entscheidungstragend - aus, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die außerbudgetäre Abrechnung einzelner vertragsärztlicher Gebührenpositionen betreffend die SVA-Versicherten gegenüber der Klägerin im Wege eines Verwaltungsaktes geltend zu machen. Im Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften bestehe eine Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten nur dann, wenn der erlassenden Verwaltungsstelle eine entsprechende Befugnis hierzu erteilt sei. Eine solche bestehe vorliegend jedoch nicht. Zwar stellten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Auch könnten die Krankenkassen oder ihre Verbände gezielte Prüfungen durch die KV nach § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V beantragen. Lehne die Beklagte einen Antrag der Krankenkasse bzw. derer Verbände ab, stehe ihr hierzu schließlich das Instrumentarium des Verwaltungsaktes zur Verfügung. Dies gelte jedoch nur insoweit, als der Anwendungsbereich einer sachlich-rechnerischen Berichtigung i.S.d. § 106 a SGB V eröffnet sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da § 106a SGB V einzig die Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung, regele. Gegenstand der Abrechnungsprüfung sei die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen sowie deren Übereinstimmung mit gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften des Vertragsarztrechtes mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots. Hierzu rechneten u.a. die ordnungsgemäße Leistungserbringung, die formal richtige Abrechnung der erbrachten Leistungen und die Plausibilität. Die Beklagte habe jedoch vorliegend keine Überprüfung einer dieser Fallgruppen geltend gemacht, sondern ihren Antrag damit begründet, dass entsprechend des Versicherungsstatus der Versicherten eine außerbudgetäre Abrechnung der ärztlichen Behandlungen gegenüber der Klägerin nach dem SVA zu erfolgen habe. Mithin sei keine sachlich-rechnerische Berichtigung begehrt worden, weswegen die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, im Wege eines Verwaltungsaktes zu entscheiden. Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 28.12.2015 zugestellten Urteil hat die Beklagte am 26.01.2016 Beschwerde eingelegt. Dem Verfahren komme grundsätzliche Bedeutung zu, da sich die Rechtsfrage, ob bei der Abrechnung nach dem Auslandsabkommen der Anwendungsbereich des § 106a SGB V für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung eröffnet sei, in jedem Quartal stelle. Die Rechtsfrage sei auch klärungsbedürftig, da sie bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden sei. Auch habe das Sozialgericht Dresden die klärungsbedürftige Rechtsfrage abweichend zum SG entschieden.

Die Klägerin hat sich der Einschätzung der Beklagten zur grundsätzlichen Bedeutung angeschlossen und ausgeführt, dass eine obergerichtliche Klärung der streitgegenständlichen Frage erforderlich sei.

( II )

Die form- und fristgerecht (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 09.12.2015 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden. Das SG hat in seinem Urteil vom 09.12.2015 die Berufung nicht zugelassen. Dies ist jedoch erforderlich, um das Rechtsmittel der Berufung für die Beklagte zu eröffnen. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I 2008, S. 417, 444 ff.) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Der erforderliche Beschwerdewert von 750,- EUR wird vorliegend nicht erreicht, da sich die in den streitgegenständlichen Bescheiden festgesetzten Zahlungsverpflichtungen auf 79,46 EUR und auf 105,73 EUR belaufen haben und die Beklagte durch das die Bescheide aufhebende Urteil vom 09.12.2015 lediglich in einer Höhe von 185,19 EUR beschwert ist. Da keine laufenden Leistungen von mehr als einem Jahr betroffen sind (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), bedarf die Berufung daher der Zulassung auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts.

Die Beschwerde ist jedoch in der Sache unbegründet; die Berufung ist nicht zuzulassen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Auffassung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt. Der Rechtssache kommt insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich gelagerter Fälle eine Klärung erfolgt. Die aufgeworfene Rechtsfrage muss mithin eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, die sich nach der gegenwärtigen Gesetzeslage oder dem Stand der Rechtsprechung und dem Schrifttum nicht ohne weiteres beantworten lässt. Die von den Beteiligten nach dem Urteil des SG aufgeworfene Rechtsfrage, ob bei der Abrechnung nach dem Auslandsabkommen der Anwendungsbereich des § 106a SGB V für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung eröffnet sei, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht verweigert und selbst einen Antrag auf sachlich-rechnerische Berichtigung der Abrechnung bei der KV stellt, lässt sich vorliegend anhand der Rechtsprechung des BSG sowie der zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband vereinbarten "Richtlinie zu § 106a SGB V" beantworten. Das BSG hat, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, eine Handlungsbefugnis der KV im Wege eines Verwaltungsaktes gegenüber einer Krankenkasse bzw. deren Verbänden bejaht. Bereits in seinem Urteil vom 19.10.2011 (- B 6 KA 30/10 R -, in juris) hat das BSG ausgeführt, es entspreche der langjährigen Praxis, dass die KV trotz des prinzipiellen Gleichordnungsverhältnisses zu den Ersatzkassen bei der Durchführung von sachlich-rechnerischen Abrechnungsberichtigungen einer antragstellenden Ersatzkasse gegenüber durch Verwaltungsakt entscheide. Soweit das SG diese Formulierung aufgreifend, die Befugnis der KV, gegenüber einer Krankenkasse durch Verwaltungsakt zu entscheiden, davon abhängig gemacht hat, dass der sachliche Anwendungsbereich einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung betroffen ist, hat das BSG (zwischenzeitlich) die Befugnis, mittels Verwaltungsakt zu entscheiden, auch für den Bereich des § 106a Abs. 3 SGB V bestätigt (Urteil vom 23.03.2016 - B 6 KA 8/15 R - in juris). Da indes § 106a SGB V die Überprüfung der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen durch die Krankenkasse zum Inhalt hat, der diesbezügliche Prüfungsinhalt nach §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 der "Richtlinie zu § 106a SGB V" auch die Feststellung der Leistungspflicht der Krankenkasse aufgrund des Versicherungsstatus umfasst, sind die KVen auch bei Fragen des Versicherungsstatus berechtigt, gegenüber den Krankenkassen oder deren Verbänden im Wege des Verwaltungsakts zu entscheiden.

Die aufgeworfene Frage ist daher nach der geltenden Gesetzeslage und der hierzu ergangenen Rechtsprechung geklärt. Die Rechtssache wirft keine grundlegende Bedeutung auf. Auf die Frage, ob das SG die Rechtssache vor diesem rechtlichen Hintergrund im Lichte der Entscheidung des BSG vom 23.03.2016 (a.a.O.) zutreffend entschieden hat, kommt es bei der Nichtzulassungsbeschwerde nicht an.

Da Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGG nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden, ist die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 09.12.2015 zurückzuweisen.

Das Urteil des SG vom 09.12.2015 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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