Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 1064/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3221/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. August 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt über bereits gewährtes Pflegegeld hinausgehende, zusätzliche Leistungen der sozialen Pflegeversicherung.
Der bei der Beklagten versicherte Kläger bezieht von dieser seit 1. Oktober 2013 Leistungen nach Pflegestufe II. Die häusliche Pflege in seiner Wohnung stellt er durch selbst beschaffte Pflegepersonen sicher.
Im Dezember 2015 und Januar 2016 wandte sich der Kläger mit drei Schreiben an die Beklagte. Die Sozialstation habe ihm mitgeteilt, er könne einmal im Jahr EUR 2.400,00 beantragen für Haushaltshilfe oder Hilfe im Alltag, ohne dass dies mit dem Pflegegeld etwas zu tun habe.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2016 teilte die Beklagte mit, ihm ab dem 8. Januar 2016 zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen zur Verfügung zu stellen. Bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 104,00 monatlich erstatte sie ihm Aufwendungen, die ihm für die Inanspruchnahme bestimmter Betreuungs- und Entlastungsangebote (Leistungen der Tages- oder Nachtpflege, der Kurzzeitpflege, spezielle Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung oder Angebote der hauswirtschaftlichen Versorgung von zugelassenen Pflegediensten, nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote wie Demenzcafés, Betreuungsnachmittage, Alzheimer-Selbsthilfegruppen, Einzelbetreuung zu Hause, haushaltsnahe Dienstleistungen) entstünden. Die Aufwendungen würden dem Kläger in Rechnung gestellt; die Rechnungen solle er zur Prüfung und Erstattung einreichen. Des Weiteren übernehme sie die Kosten für halbjährlich einen zusätzlichen Beratungseinsatz durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 22,00. Zudem unterrichtete die Beklagte den Kläger, auf Antrag könnten als Leistungen der Verhinderungspflege für längstens 42 Kalendertage im Kalenderjahr gegen Nachweis Kosten bis zu einer Höhe von EUR 1.612,00 erstattet werden. Dieser Betrag könne maximal durch die Hälfte des nicht genutzten Kurzzeitpflegeanspruches (EUR 806,00) auf dann maximal EUR 2.418,00 erhöht werden (weiteres Schreiben vom 23. Januar 2016).
Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 monierte der Kläger, dass die unter dem 23. Januar 2016 genannten EUR 104,00 monatlich noch nicht ausgezahlt worden seien. Bezüglich der Verhinderungspflege führte er aus, einen Pflegedienst auf keinen Fall in Anspruch nehmen zu wollen. Weder wolle er die Pflege durch seine bisherigen Pflegepersonen aufgeben noch in ein Pflegeheim. Dies bekräftigte er nach erläuternden Hinweisen der Beklagten in einem Telefonat vom 7. März 2016. Mit Schreiben vom selben Tag monierte er nochmals die Zahlungen für Betreuungs- und Entlastungsleistungen sowie Verhinderungspflege. Mit Schreiben vom 9. März 2016 erläuterte ihm die Beklagte, dass mit "Leistungsbescheid vom 23.01.2016" bewilligten Betreuungs- und Entlastungsleistungen nur gegen Vorlage von Rechnungen (z.B. eines zugelassenen Pflegedienstes) ausgezahlt und auch im Rahmen der Verhinderungspflege die Kosten für eine Ersatzkraft (z.B. Nachbarin, Bekannte oder Pflegedienst) nur auf Antrag und gegen Nachweis erstattet würden. Dagegen wandte der Kläger ein, von den Personen, die ihm hälfen, keine Rechnungen zu bekommen. Die körperliche Pflege erfolge im Umfange von vier Stunden wöchentlich (à EUR 15,00) durch eine Krankenschwester, der Haushalt dreimal wöchentlich durch ehemalige Arbeitskollegen zum gleichen Stundensatz (Schreiben vom 14. März 2016).
Am 16. März 2016 erhob der Kläger unter Vorlage des Bescheides vom 23. Januar 2016 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, er sehe nicht ein, dass die "Entlastungsleistung nur über den Pflegedienst geht". Ihm sei gesagt worden, dass er die EUR 104,00 nur über einen Pflegedienst in Anspruch nehmen könne. Ihm sei aber schon früher genehmigt worden, die Pflege selbst zu organisieren. Dass er nun einen Pflegedienst nehmen solle, obwohl es seit 15 Jahren problemlos gehe, sehe er nicht ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten, das Schreiben vom 14. März 2016 als Widerspruch wertend, diesen als unbegründet zurück. Bei dem Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen handle es sich um eine zweckgebundene Leistung, die nur auf Erstattung tatsächlicher Aufwendungen gerichtet sei; eine "generelle Auszahlung" des für Betreuungs- und Entlastungsleistungen zur Verfügung stehenden Betrags in Höhe von EUR 104,00 monatlich sei ausgeschlossen.
Unter Verweis auf diese Ausführungen trat die Beklagte der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. August 2016 wies das SG die Klage ab. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides sei die Klage zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Kläger nehme nach eigenem Vorbringen tatsächlich keine Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch, so dass eine Kostenerstattung nicht in Betracht komme. Die Sicherstellung der Pflege durch selbst gewählte Pflegepersonen betreffe allein das für die normale häusliche Pflege gewährte Pflegegeld.
Gegen diesem ihm am 19. August 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. August 2016 Berufung beim SG eingelegt und zur Begründung ausgeführt, ihm seien EUR 104,00 monatlich ohne Antragstellung versprochen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. August 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2016 zu verurteilen, ihm seit 1. Dezember 2015 EUR 104,00 monatlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da der Kläger ohne zeitliche Begrenzung die Zahlung von EUR 104,00 monatlich begehrt und damit für einen Zeitraum für mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Zahlung zusätzlicher Leistungen in Höhe von EUR 104,00 monatlich als Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Leistungen der Verhinderungspflege hat er im Verfahren vor dem SG nicht geltend gemacht. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben vom 18. April 2016. Darin hat er ausgeführt, er sehe nicht ein, dass er die (im Bescheid vom 23. Januar 2016 für Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Aussicht gestellten) EUR 104,00 monatlich nur bei Inanspruchnahme eines Pflegedienstes erhalten könne. Bereits in der Klageschrift vom 14. März 2016 hatte er sich auf "Geld für Betreuungs- und Entlastungsleistungen" bezogen. Schon im Verwaltungsverfahren hatte er deutlich gemacht, dass nicht die Höhe des gewährten Pflegegeldes in Frage gestellt, sondern eine vom Pflegegeld unabhängige, zusätzliche Leistung begehrt werde. Streitbefangen ist damit der Bescheid vom 23. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2016, der gemäß § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
a) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) statthaft und nach Erlass des Widerspruchsbescheides auch zulässig. Eine allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) aus dem Bescheid vom 23. Januar 2016 kommt nicht in Betracht. Mit diesem hat die Beklagte keine voraussetzungslose Zahlung in Höhe von EUR 104,00 monatlich bewilligt, sondern eine Erstattung tatsächlicher Aufwendungen bis zu dieser Höhe gegen Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung. Dies entspricht gerade nicht dem genannten Klagebegehren.
b) Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltende gemachte Zahlung von EUR 104,00 monatlich. Die Voraussetzungen des allein als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Begehrens in Betracht kommenden § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind nicht erfüllt.
Nach § 45b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 Buchst. b Erstes Pflegestärkungsgesetz (PSG I] vom 17. Dezember 2014, BGBl. I S. 2222) können Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, je nach Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden ersetzt, höchstens jedoch EUR 104,00 monatlich (Grundbetrag) oder EUR 208,00 monatlich (erhöhter Betrag). Der grundsätzlich berechtigte Personenkreis nach § 45a SGB XI erfasst Versicherte mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt sind, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben (§ 45a Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt, ist nicht ersichtlich. Gemäß § 45b Abs. 1a SGB XI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 Buchst. c PSG I) können aber auch Pflegebedürftige, die nicht die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, ebenfalls zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 104,00 monatlich ersetzt. Einen höheren Betrag macht der Kläger nicht geltend.
Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen der Betreuung oder Entlastung (§ 45b Abs. 1 Satz 5 SGB XI). Er dient (Satz 6) der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen 1. der Tages- oder Nachtpflege, 2. der Kurzzeitpflege, 3. der zugelassenen Pflegedienste, sofern es sich um besondere Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung oder Angebote der hauswirtschaftlichen Versorgung und nicht um Leistungen der Grundpflege handelt, oder 4. der nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote, die nach § 45c SGB XI gefördert oder förderungsfähig sind. Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt (Satz 7) auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 6 genannten Betreuungs- und Entlastungsleistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 SGB XI eingesetzt werden.
Bereits dem gesetzlichen Wortlaut ist zu entnehmen, dass die Leistungen nur für die in Satz 6 ausdrücklich bezeichneten Angebote zu verwenden sind. Sie stellen keine pauschale Pflegegelderhöhung oder allgemeine Erschwerniszulage für die "normalen" Pflegesachleistungen im Sinne des § 36 SGB XI dar (Waldhorst-Kahnau in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2014, § 45b SGB XI Rn. 13). Dabei räumt das Gesetz keinen Anspruch auf Dienst-, Sach- oder Geldleistungen ein, sondern einen reinen Kostenerstattungsanspruch (§ 4 Abs. 1 Satz 1 4. Variante SGB XI), weil die Pflegekasse die zusätzlichen Betreuungsleistungen nicht durch einen Dritten in Natur zu erbringen hat, sondern nach § 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI ("Kosten werden ersetzt") und § 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI ("Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen") lediglich Kostenerstattung schuldet (Bundessozialgericht, Urteil vom 20. April 2016 – B 3 P 1/15 R – juris, Rn. 14). Eine solche Kostenerstattung begehrt der Kläger nicht. Denn der Kläger macht selbst nicht geltend, Angebote i.S.d. § 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI in Anspruch genommen zu haben, in Anspruch zu nehmen oder in Anspruch nehmen zu wollen und hierdurch Kosten ausgesetzt zu sein.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt über bereits gewährtes Pflegegeld hinausgehende, zusätzliche Leistungen der sozialen Pflegeversicherung.
Der bei der Beklagten versicherte Kläger bezieht von dieser seit 1. Oktober 2013 Leistungen nach Pflegestufe II. Die häusliche Pflege in seiner Wohnung stellt er durch selbst beschaffte Pflegepersonen sicher.
Im Dezember 2015 und Januar 2016 wandte sich der Kläger mit drei Schreiben an die Beklagte. Die Sozialstation habe ihm mitgeteilt, er könne einmal im Jahr EUR 2.400,00 beantragen für Haushaltshilfe oder Hilfe im Alltag, ohne dass dies mit dem Pflegegeld etwas zu tun habe.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2016 teilte die Beklagte mit, ihm ab dem 8. Januar 2016 zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen zur Verfügung zu stellen. Bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 104,00 monatlich erstatte sie ihm Aufwendungen, die ihm für die Inanspruchnahme bestimmter Betreuungs- und Entlastungsangebote (Leistungen der Tages- oder Nachtpflege, der Kurzzeitpflege, spezielle Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung oder Angebote der hauswirtschaftlichen Versorgung von zugelassenen Pflegediensten, nach Landesrecht anerkannte niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote wie Demenzcafés, Betreuungsnachmittage, Alzheimer-Selbsthilfegruppen, Einzelbetreuung zu Hause, haushaltsnahe Dienstleistungen) entstünden. Die Aufwendungen würden dem Kläger in Rechnung gestellt; die Rechnungen solle er zur Prüfung und Erstattung einreichen. Des Weiteren übernehme sie die Kosten für halbjährlich einen zusätzlichen Beratungseinsatz durch eine zugelassene Pflegeeinrichtung bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 22,00. Zudem unterrichtete die Beklagte den Kläger, auf Antrag könnten als Leistungen der Verhinderungspflege für längstens 42 Kalendertage im Kalenderjahr gegen Nachweis Kosten bis zu einer Höhe von EUR 1.612,00 erstattet werden. Dieser Betrag könne maximal durch die Hälfte des nicht genutzten Kurzzeitpflegeanspruches (EUR 806,00) auf dann maximal EUR 2.418,00 erhöht werden (weiteres Schreiben vom 23. Januar 2016).
Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 monierte der Kläger, dass die unter dem 23. Januar 2016 genannten EUR 104,00 monatlich noch nicht ausgezahlt worden seien. Bezüglich der Verhinderungspflege führte er aus, einen Pflegedienst auf keinen Fall in Anspruch nehmen zu wollen. Weder wolle er die Pflege durch seine bisherigen Pflegepersonen aufgeben noch in ein Pflegeheim. Dies bekräftigte er nach erläuternden Hinweisen der Beklagten in einem Telefonat vom 7. März 2016. Mit Schreiben vom selben Tag monierte er nochmals die Zahlungen für Betreuungs- und Entlastungsleistungen sowie Verhinderungspflege. Mit Schreiben vom 9. März 2016 erläuterte ihm die Beklagte, dass mit "Leistungsbescheid vom 23.01.2016" bewilligten Betreuungs- und Entlastungsleistungen nur gegen Vorlage von Rechnungen (z.B. eines zugelassenen Pflegedienstes) ausgezahlt und auch im Rahmen der Verhinderungspflege die Kosten für eine Ersatzkraft (z.B. Nachbarin, Bekannte oder Pflegedienst) nur auf Antrag und gegen Nachweis erstattet würden. Dagegen wandte der Kläger ein, von den Personen, die ihm hälfen, keine Rechnungen zu bekommen. Die körperliche Pflege erfolge im Umfange von vier Stunden wöchentlich (à EUR 15,00) durch eine Krankenschwester, der Haushalt dreimal wöchentlich durch ehemalige Arbeitskollegen zum gleichen Stundensatz (Schreiben vom 14. März 2016).
Am 16. März 2016 erhob der Kläger unter Vorlage des Bescheides vom 23. Januar 2016 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) und führte zur Begründung aus, er sehe nicht ein, dass die "Entlastungsleistung nur über den Pflegedienst geht". Ihm sei gesagt worden, dass er die EUR 104,00 nur über einen Pflegedienst in Anspruch nehmen könne. Ihm sei aber schon früher genehmigt worden, die Pflege selbst zu organisieren. Dass er nun einen Pflegedienst nehmen solle, obwohl es seit 15 Jahren problemlos gehe, sehe er nicht ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten, das Schreiben vom 14. März 2016 als Widerspruch wertend, diesen als unbegründet zurück. Bei dem Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen handle es sich um eine zweckgebundene Leistung, die nur auf Erstattung tatsächlicher Aufwendungen gerichtet sei; eine "generelle Auszahlung" des für Betreuungs- und Entlastungsleistungen zur Verfügung stehenden Betrags in Höhe von EUR 104,00 monatlich sei ausgeschlossen.
Unter Verweis auf diese Ausführungen trat die Beklagte der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. August 2016 wies das SG die Klage ab. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides sei die Klage zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Kläger nehme nach eigenem Vorbringen tatsächlich keine Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch, so dass eine Kostenerstattung nicht in Betracht komme. Die Sicherstellung der Pflege durch selbst gewählte Pflegepersonen betreffe allein das für die normale häusliche Pflege gewährte Pflegegeld.
Gegen diesem ihm am 19. August 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. August 2016 Berufung beim SG eingelegt und zur Begründung ausgeführt, ihm seien EUR 104,00 monatlich ohne Antragstellung versprochen worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. August 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2016 zu verurteilen, ihm seit 1. Dezember 2015 EUR 104,00 monatlich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da der Kläger ohne zeitliche Begrenzung die Zahlung von EUR 104,00 monatlich begehrt und damit für einen Zeitraum für mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Zahlung zusätzlicher Leistungen in Höhe von EUR 104,00 monatlich als Betreuungs- und Entlastungsleistungen. Leistungen der Verhinderungspflege hat er im Verfahren vor dem SG nicht geltend gemacht. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben vom 18. April 2016. Darin hat er ausgeführt, er sehe nicht ein, dass er die (im Bescheid vom 23. Januar 2016 für Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Aussicht gestellten) EUR 104,00 monatlich nur bei Inanspruchnahme eines Pflegedienstes erhalten könne. Bereits in der Klageschrift vom 14. März 2016 hatte er sich auf "Geld für Betreuungs- und Entlastungsleistungen" bezogen. Schon im Verwaltungsverfahren hatte er deutlich gemacht, dass nicht die Höhe des gewährten Pflegegeldes in Frage gestellt, sondern eine vom Pflegegeld unabhängige, zusätzliche Leistung begehrt werde. Streitbefangen ist damit der Bescheid vom 23. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2016, der gemäß § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.
3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
a) Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) statthaft und nach Erlass des Widerspruchsbescheides auch zulässig. Eine allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) aus dem Bescheid vom 23. Januar 2016 kommt nicht in Betracht. Mit diesem hat die Beklagte keine voraussetzungslose Zahlung in Höhe von EUR 104,00 monatlich bewilligt, sondern eine Erstattung tatsächlicher Aufwendungen bis zu dieser Höhe gegen Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung. Dies entspricht gerade nicht dem genannten Klagebegehren.
b) Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltende gemachte Zahlung von EUR 104,00 monatlich. Die Voraussetzungen des allein als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Begehrens in Betracht kommenden § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind nicht erfüllt.
Nach § 45b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 Buchst. b Erstes Pflegestärkungsgesetz (PSG I] vom 17. Dezember 2014, BGBl. I S. 2222) können Versicherte, die die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, je nach Umfang des erheblichen allgemeinen Betreuungsbedarfs zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden ersetzt, höchstens jedoch EUR 104,00 monatlich (Grundbetrag) oder EUR 208,00 monatlich (erhöhter Betrag). Der grundsätzlich berechtigte Personenkreis nach § 45a SGB XI erfasst Versicherte mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, bei denen als Folge der Krankheit oder Behinderung Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens festgestellt sind, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz geführt haben (§ 45a Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt, ist nicht ersichtlich. Gemäß § 45b Abs. 1a SGB XI (in der Fassung des Art. 1 Nr. 17 Buchst. c PSG I) können aber auch Pflegebedürftige, die nicht die Voraussetzungen des § 45a SGB XI erfüllen, ebenfalls zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten hierfür werden bis zu einem Betrag in Höhe von EUR 104,00 monatlich ersetzt. Einen höheren Betrag macht der Kläger nicht geltend.
Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen der Betreuung oder Entlastung (§ 45b Abs. 1 Satz 5 SGB XI). Er dient (Satz 6) der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen 1. der Tages- oder Nachtpflege, 2. der Kurzzeitpflege, 3. der zugelassenen Pflegedienste, sofern es sich um besondere Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung oder Angebote der hauswirtschaftlichen Versorgung und nicht um Leistungen der Grundpflege handelt, oder 4. der nach Landesrecht anerkannten niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote, die nach § 45c SGB XI gefördert oder förderungsfähig sind. Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt (Satz 7) auch, wenn für die Finanzierung der in Satz 6 genannten Betreuungs- und Entlastungsleistungen Mittel der Verhinderungspflege gemäß § 39 SGB XI eingesetzt werden.
Bereits dem gesetzlichen Wortlaut ist zu entnehmen, dass die Leistungen nur für die in Satz 6 ausdrücklich bezeichneten Angebote zu verwenden sind. Sie stellen keine pauschale Pflegegelderhöhung oder allgemeine Erschwerniszulage für die "normalen" Pflegesachleistungen im Sinne des § 36 SGB XI dar (Waldhorst-Kahnau in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2014, § 45b SGB XI Rn. 13). Dabei räumt das Gesetz keinen Anspruch auf Dienst-, Sach- oder Geldleistungen ein, sondern einen reinen Kostenerstattungsanspruch (§ 4 Abs. 1 Satz 1 4. Variante SGB XI), weil die Pflegekasse die zusätzlichen Betreuungsleistungen nicht durch einen Dritten in Natur zu erbringen hat, sondern nach § 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI ("Kosten werden ersetzt") und § 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI ("Erstattung von Aufwendungen, die dem Versicherten entstehen") lediglich Kostenerstattung schuldet (Bundessozialgericht, Urteil vom 20. April 2016 – B 3 P 1/15 R – juris, Rn. 14). Eine solche Kostenerstattung begehrt der Kläger nicht. Denn der Kläger macht selbst nicht geltend, Angebote i.S.d. § 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI in Anspruch genommen zu haben, in Anspruch zu nehmen oder in Anspruch nehmen zu wollen und hierdurch Kosten ausgesetzt zu sein.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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