Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 1622/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3602/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. August 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung der Aufwendungen eines sogenannten isolierten Vorverfahrens.
Die Beklagte bewilligte dem bei ihr rentenversicherten Kläger mit Bescheid vom 25. Februar 1997 Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 1. Februar 1997. Sie berücksichtigte dabei in der Sowjetunion zurückgelegte Beschäftigungszeiten zwischen dem 23. September 1975 und dem 22. Juni 1990 und ordnete diese der Qualifikationsstufe 5 in der Rentenversicherung der Arbeiter zu. Zuvor waren diese Zeiten im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens festgestellt worden (Bescheid vom 10. Juli 1996).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27. März 2014 Regelaltersrente ab dem 1. Juni 2014. Sie berücksichtigte dabei die in der Sowjetunion zurückgelegte Beschäftigungszeiten zwischen dem 23. September 1975 und dem 22. Juni 1990 unverändert als der Qualifikationsstufe 5 in der Rentenversicherung der Arbeiter zugeordnet.
Gegen die Einstufung in die Qualifikationsstufe 5 erhob der Kläger am 17. April 2014 Widerspruch. Er sei in Qualifikationsstufe 4 einzustufen.
Nach Beiziehung verschiedener Unterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2014 die Rente des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit neu fest. Sie ordnete nun die in der Sowjetunion zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 23. September 1975 bis zum 6. Januar 1985 und vom 1. September 1988 bis zum 22. Juni 1990 der Qualifikationsgruppe 4 zu. Für die Zeit vom 7. Januar 1985 bis zum 18. September 1987 verblieb es bei der Einstufung in die Qualifikationsstufe 5.
Der Kläger reichte am 3. Februar 2015 eine Kostenrechnung über insgesamt EUR 380,80 bei der Beklagten ein.
Die Beklagte entschied mit Bescheid vom 2. März 2015, dass Kosten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren nicht übernommen würden. Über die Beitragszeiten im Herkunftsland sei bereits mit Bescheid vom 10. Juli 1996 entschieden worden. Dieser sei rechtskräftig (richtig: bestandskräftig) geworden. Erstmals im Widerspruchsverfahren sei die Einstufung in eine andere Qualifikationsgruppe geltend gemacht worden. Der Widerspruch sei nur deshalb erfolgreich gewesen, weil nicht alle Tatsachen, die für die Leistung oder Feststellung erheblich gewesen seien, in einem Verwaltungsverfahren angegeben bzw. die entsprechenden Beweismittel nicht vorgelegt worden seien. Die entstandenen Aufwendungen seien daher nicht zu erstatten.
Hiergegen erhob der Kläger am 13. März 2015 Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren (gegen den Bescheid vom 27. März 2014) seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgelegt worden. Stattdessen sei nur auf Beweismittel Bezug genommen worden, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden seien, d.h. eigentlich nur sein Arbeitsbuch.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 2. März 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2015 zurück. Zwar sei der Widerspruch des Klägers erfolgreich gewesen. Jedoch seien die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen selbst verschuldet. Die Erhebung des Widerspruchs und die Durchführung des Widerspruchsverfahrens hätte vermieden werden können, wenn der Kläger bereits im Verwaltungsverfahren die Einstufung in eine andere Qualifikationsgruppe geltend gemacht hätte. Die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen seien somit selbst verschuldet, so dass die Aufwendungen für die Rechtsverfolgung von ihm selbst zu tragen seien.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er habe Anspruch auf Übernahme der anwaltlichen Kosten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren. Er habe keine Kenntnisse von der komplexen Voraussetzung für die Bewilligung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz (FRG) gehabt. Wesentlich sei aber vor allem, dass sein Anspruch sich aus dem Versicherungsverlauf selbst in Verbindung mit den gesetzlichen Vorschriften ergebe. Es hätten alle notwendigen Beweismittel bei der Beklagten vorgelegen, insbesondere sein Arbeitsbuch. Im Widerspruchsverfahren seien keine neuen Beweismittel oder Tatsachen vorgelegt worden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Mit dem mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheid sei dem Kläger Regelaltersrente anstelle der Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt worden. Über die Einstufung in die Qualifikationsgruppen sei in einem früheren Verfahren entschieden worden. Der Kläger habe nie eine Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beantragt. Sie habe nicht erkennen können, dass eine andere Einstufung in Frage kommen könne, da die damals vorliegenden Unterlagen bereits ausgeschieden worden seien. Sie habe also keine Veranlassung gehabt, eine Überprüfung von Amts wegen durchzuführen. Erst im Widerspruchsverfahren sei die Überprüfung der Qualifikationsgruppen beantragt worden. Die entstandenen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren seien daher selbst verschuldet.
Mit Urteil vom 25. August 2016 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2015, dem Kläger 85 Prozent der Kosten des Vorverfahrens zu erstatten. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Berufung wurde ausdrücklich nicht zugelassen. Der Widerspruch sei hinsichtlich der Zeiten vom 23. September 1975 bis zum 6. Januar 1985 und vom 1. September 1988 bis zum 22. Juni 1990, nicht aber für die Zeit vom 7. Januar 1985 bis zum 18. September 1987 erfolgreich gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger die Aufwendungen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht verschuldet. Aus dem Arbeitsbuch des Klägers, das nach eigenem Vortrag der Beklagten schon im Jahr 1995 vorgelegen habe, ergäben sich sämtliche für die Abhilfe des Widerspruchs relevanten Daten.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 29. August 2016 zugestellten Urteil hat die Beklagte am 27. September 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt. Über die Versicherungszeiten des Klägers nach dem FRG sei bereits mit Bescheid vom 10. Juli 1996 auf Grund der damaligen Angaben des Klägers im Kontenklärungsverfahren rechtskräftig entschieden worden. Nach Widerspruchsverfahren sei mit Bescheid vom 25. Februar 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt worden. Mit Bescheid vom 27. März 2014 sei Regelaltersrente anstelle der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt worden. In diesem Rentenverfahren habe der Kläger lediglich eine russische Krankenbescheinigung vorgelegt. Gegen diesen Altersrentenbescheid sei Widerspruch eingelegt und im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erstmals die Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe auf Grund zusammenzurechnender Berufserfahrungen beantragt worden. Es seien dazu das Arbeitsbuch und weitere Erklärungen vorlegt worden. Dem Widerspruchsbegehren habe auf Grund der im Widerspruchsverfahren erstmals gemachten Angaben zur Ausübung von Facharbeitertätigkeiten, anrechenbarer Berufserfahrung und vergleichbaren Tätigkeiten und auf Grund der Vorlage des Arbeitsbuches und weiterer Erklärungen teilweise abgeholfen werden können. Zwar habe die Behörde eine Sachverhaltsermittlungspflicht. Diese werde jedoch durch die allgemeine verfahrensrechtliche Mitwirkungslast der Betroffenen beschränkt. Diese Mitwirkungslast der Beteiligten bilde die Grenze der aus dem Untersuchungsgrundsatz resultierenden Verpflichtung der Behörde zu umfassenden Sachaufklärung. Dies bedeute, dass die Behörde nur solchen Umständen nachgehen müsse, die sich hier bei vernünftiger Überlegung aufdrängten. Eine Ermittlungspflicht bestehe hier nur insoweit, als der Beteiligte diese Umstände offenbare. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, sämtliche für die Entscheidung über die Rentenhöhe relevanten Tatsachen und Beweismittel mitzuteilen. Die Einstufung als Facharbeiter bei Berücksichtigung der Berufserfahrung in verschiedenen Tätigkeiten nach rechtskräftiger Feststellung der Versicherungszeiten mit Mitwirkung des Versicherten gehe über die Amtsermittlungspflicht des Rentenversicherungsträgers im Folgerentenverfahren hinaus. Eine Kostenerstattungspflicht sei daher zu Recht verneint worden. Das Urteil des SG leide daher zunächst an einer der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegendem Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhe. Die Rechtssache habe zum anderen grundsätzliche Bedeutung. Streitig sei im Rechtsstreit die Frage, ob der erstmalige Antrag auf Änderung bereits rechtskräftig anerkannter Versicherungszeiten im Widerspruchsverfahren der Folgerente mit Vorlage des Arbeitsbuches und sonstiger Unterlagen im Widerspruchsverfahren der Folgerente eine Kostenerstattungspflicht nach § 63 SGB X auslöse.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. August 2016 zuzulassen.
Der Kläger hat sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 25. August 2016 ist statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert beträgt 85 Prozent von EUR 380,80, also EUR 323,68; in dieser Höhe hat das SG die Beklagte zur Zahlung verurteilt.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Diese Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – juris, Rn. 18, zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 28; vgl. dort auch § 160 Rn. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung).
Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Die für das Urteil des SG – jedenfalls nach der insofern maßgeblichen Rechtsauffassung des SG – entscheidungserheblichen Fragen, ob und inwieweit der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2014 erfolgreich war und Aufwendungen geltend gemacht wurden, die durch das Verschulden des Klägers entstanden sind, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles. Die Beklagte macht im Beschwerdeverfahren im Grunde nur geltend, dass das SG diese Fragen unzutreffend beantwortet habe. Hierauf kann aber die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung nicht mit Erfolg gestützt werden.
b) Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor.
Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil vom 25. August 2016 nicht aufgestellt. Etwas anderes hat auch die Beklagte nicht behauptet.
c) Auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes liegt nicht vor. Zwar hat die Beklagte das Vorliegen eines Verfahrensmangels behauptet, der Sache nach jedoch nur geltend gemacht, dass das SG eine materiell falsche Entscheidung getroffen habe. Einen Mangel des gerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte hingegen nicht dargelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung der Aufwendungen eines sogenannten isolierten Vorverfahrens.
Die Beklagte bewilligte dem bei ihr rentenversicherten Kläger mit Bescheid vom 25. Februar 1997 Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 1. Februar 1997. Sie berücksichtigte dabei in der Sowjetunion zurückgelegte Beschäftigungszeiten zwischen dem 23. September 1975 und dem 22. Juni 1990 und ordnete diese der Qualifikationsstufe 5 in der Rentenversicherung der Arbeiter zu. Zuvor waren diese Zeiten im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens festgestellt worden (Bescheid vom 10. Juli 1996).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27. März 2014 Regelaltersrente ab dem 1. Juni 2014. Sie berücksichtigte dabei die in der Sowjetunion zurückgelegte Beschäftigungszeiten zwischen dem 23. September 1975 und dem 22. Juni 1990 unverändert als der Qualifikationsstufe 5 in der Rentenversicherung der Arbeiter zugeordnet.
Gegen die Einstufung in die Qualifikationsstufe 5 erhob der Kläger am 17. April 2014 Widerspruch. Er sei in Qualifikationsstufe 4 einzustufen.
Nach Beiziehung verschiedener Unterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2014 die Rente des Klägers wegen Erwerbsunfähigkeit neu fest. Sie ordnete nun die in der Sowjetunion zurückgelegten Beschäftigungszeiten vom 23. September 1975 bis zum 6. Januar 1985 und vom 1. September 1988 bis zum 22. Juni 1990 der Qualifikationsgruppe 4 zu. Für die Zeit vom 7. Januar 1985 bis zum 18. September 1987 verblieb es bei der Einstufung in die Qualifikationsstufe 5.
Der Kläger reichte am 3. Februar 2015 eine Kostenrechnung über insgesamt EUR 380,80 bei der Beklagten ein.
Die Beklagte entschied mit Bescheid vom 2. März 2015, dass Kosten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren nicht übernommen würden. Über die Beitragszeiten im Herkunftsland sei bereits mit Bescheid vom 10. Juli 1996 entschieden worden. Dieser sei rechtskräftig (richtig: bestandskräftig) geworden. Erstmals im Widerspruchsverfahren sei die Einstufung in eine andere Qualifikationsgruppe geltend gemacht worden. Der Widerspruch sei nur deshalb erfolgreich gewesen, weil nicht alle Tatsachen, die für die Leistung oder Feststellung erheblich gewesen seien, in einem Verwaltungsverfahren angegeben bzw. die entsprechenden Beweismittel nicht vorgelegt worden seien. Die entstandenen Aufwendungen seien daher nicht zu erstatten.
Hiergegen erhob der Kläger am 13. März 2015 Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren (gegen den Bescheid vom 27. März 2014) seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgelegt worden. Stattdessen sei nur auf Beweismittel Bezug genommen worden, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden seien, d.h. eigentlich nur sein Arbeitsbuch.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 2. März 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2015 zurück. Zwar sei der Widerspruch des Klägers erfolgreich gewesen. Jedoch seien die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen selbst verschuldet. Die Erhebung des Widerspruchs und die Durchführung des Widerspruchsverfahrens hätte vermieden werden können, wenn der Kläger bereits im Verwaltungsverfahren die Einstufung in eine andere Qualifikationsgruppe geltend gemacht hätte. Die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen seien somit selbst verschuldet, so dass die Aufwendungen für die Rechtsverfolgung von ihm selbst zu tragen seien.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. Mai 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er habe Anspruch auf Übernahme der anwaltlichen Kosten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren. Er habe keine Kenntnisse von der komplexen Voraussetzung für die Bewilligung einer Rente nach dem Fremdrentengesetz (FRG) gehabt. Wesentlich sei aber vor allem, dass sein Anspruch sich aus dem Versicherungsverlauf selbst in Verbindung mit den gesetzlichen Vorschriften ergebe. Es hätten alle notwendigen Beweismittel bei der Beklagten vorgelegen, insbesondere sein Arbeitsbuch. Im Widerspruchsverfahren seien keine neuen Beweismittel oder Tatsachen vorgelegt worden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Mit dem mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheid sei dem Kläger Regelaltersrente anstelle der Erwerbsunfähigkeitsrente gewährt worden. Über die Einstufung in die Qualifikationsgruppen sei in einem früheren Verfahren entschieden worden. Der Kläger habe nie eine Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beantragt. Sie habe nicht erkennen können, dass eine andere Einstufung in Frage kommen könne, da die damals vorliegenden Unterlagen bereits ausgeschieden worden seien. Sie habe also keine Veranlassung gehabt, eine Überprüfung von Amts wegen durchzuführen. Erst im Widerspruchsverfahren sei die Überprüfung der Qualifikationsgruppen beantragt worden. Die entstandenen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren seien daher selbst verschuldet.
Mit Urteil vom 25. August 2016 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2015, dem Kläger 85 Prozent der Kosten des Vorverfahrens zu erstatten. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Berufung wurde ausdrücklich nicht zugelassen. Der Widerspruch sei hinsichtlich der Zeiten vom 23. September 1975 bis zum 6. Januar 1985 und vom 1. September 1988 bis zum 22. Juni 1990, nicht aber für die Zeit vom 7. Januar 1985 bis zum 18. September 1987 erfolgreich gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger die Aufwendungen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht verschuldet. Aus dem Arbeitsbuch des Klägers, das nach eigenem Vortrag der Beklagten schon im Jahr 1995 vorgelegen habe, ergäben sich sämtliche für die Abhilfe des Widerspruchs relevanten Daten.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 29. August 2016 zugestellten Urteil hat die Beklagte am 27. September 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt. Über die Versicherungszeiten des Klägers nach dem FRG sei bereits mit Bescheid vom 10. Juli 1996 auf Grund der damaligen Angaben des Klägers im Kontenklärungsverfahren rechtskräftig entschieden worden. Nach Widerspruchsverfahren sei mit Bescheid vom 25. Februar 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt worden. Mit Bescheid vom 27. März 2014 sei Regelaltersrente anstelle der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt worden. In diesem Rentenverfahren habe der Kläger lediglich eine russische Krankenbescheinigung vorgelegt. Gegen diesen Altersrentenbescheid sei Widerspruch eingelegt und im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erstmals die Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe auf Grund zusammenzurechnender Berufserfahrungen beantragt worden. Es seien dazu das Arbeitsbuch und weitere Erklärungen vorlegt worden. Dem Widerspruchsbegehren habe auf Grund der im Widerspruchsverfahren erstmals gemachten Angaben zur Ausübung von Facharbeitertätigkeiten, anrechenbarer Berufserfahrung und vergleichbaren Tätigkeiten und auf Grund der Vorlage des Arbeitsbuches und weiterer Erklärungen teilweise abgeholfen werden können. Zwar habe die Behörde eine Sachverhaltsermittlungspflicht. Diese werde jedoch durch die allgemeine verfahrensrechtliche Mitwirkungslast der Betroffenen beschränkt. Diese Mitwirkungslast der Beteiligten bilde die Grenze der aus dem Untersuchungsgrundsatz resultierenden Verpflichtung der Behörde zu umfassenden Sachaufklärung. Dies bedeute, dass die Behörde nur solchen Umständen nachgehen müsse, die sich hier bei vernünftiger Überlegung aufdrängten. Eine Ermittlungspflicht bestehe hier nur insoweit, als der Beteiligte diese Umstände offenbare. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, sämtliche für die Entscheidung über die Rentenhöhe relevanten Tatsachen und Beweismittel mitzuteilen. Die Einstufung als Facharbeiter bei Berücksichtigung der Berufserfahrung in verschiedenen Tätigkeiten nach rechtskräftiger Feststellung der Versicherungszeiten mit Mitwirkung des Versicherten gehe über die Amtsermittlungspflicht des Rentenversicherungsträgers im Folgerentenverfahren hinaus. Eine Kostenerstattungspflicht sei daher zu Recht verneint worden. Das Urteil des SG leide daher zunächst an einer der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegendem Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhe. Die Rechtssache habe zum anderen grundsätzliche Bedeutung. Streitig sei im Rechtsstreit die Frage, ob der erstmalige Antrag auf Änderung bereits rechtskräftig anerkannter Versicherungszeiten im Widerspruchsverfahren der Folgerente mit Vorlage des Arbeitsbuches und sonstiger Unterlagen im Widerspruchsverfahren der Folgerente eine Kostenerstattungspflicht nach § 63 SGB X auslöse.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. August 2016 zuzulassen.
Der Kläger hat sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 25. August 2016 ist statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert beträgt 85 Prozent von EUR 380,80, also EUR 323,68; in dieser Höhe hat das SG die Beklagte zur Zahlung verurteilt.
2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Diese Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – juris, Rn. 18, zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 28; vgl. dort auch § 160 Rn. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung).
Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Die für das Urteil des SG – jedenfalls nach der insofern maßgeblichen Rechtsauffassung des SG – entscheidungserheblichen Fragen, ob und inwieweit der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2014 erfolgreich war und Aufwendungen geltend gemacht wurden, die durch das Verschulden des Klägers entstanden sind, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles. Die Beklagte macht im Beschwerdeverfahren im Grunde nur geltend, dass das SG diese Fragen unzutreffend beantwortet habe. Hierauf kann aber die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung nicht mit Erfolg gestützt werden.
b) Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor.
Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil vom 25. August 2016 nicht aufgestellt. Etwas anderes hat auch die Beklagte nicht behauptet.
c) Auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes liegt nicht vor. Zwar hat die Beklagte das Vorliegen eines Verfahrensmangels behauptet, der Sache nach jedoch nur geltend gemacht, dass das SG eine materiell falsche Entscheidung getroffen habe. Einen Mangel des gerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte hingegen nicht dargelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
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