Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 3071/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4744/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.10.2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 27.880,35 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt (zum wiederholten Mal) vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nachforderung von Sozialabgaben.
Die Antragstellerin betreibt als eingetragene Kauffrau (e.K.) ein (Einzel-)Unternehmen, das die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung zum Gegenstand hat (Personalservice-Agentur). Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Antragstellerin und den bei ihr beschäftigten Leih-arbeitnehmern waren bis zum 31.12.2009 die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft CGZP und des AMP. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte mit Beschluss vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 -, in juris) die Tarifunfähigkeit der CGZP fest.
Mit Schreiben vom 23.12.2010 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, da unklar sei, wie sich der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (a.a.O.) auf die seit Januar 2006 fällig gewordenen Beitragsansprüche auswirke, müsse sie die Ansprüche vorsorglich fristwahrend geltend machen; sie beabsichtige, im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen.
Vom 08.07.2011 bis 18.05.2012 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Die Antragstellerin weigerte sich, der Antragsgegnerin die von dieser mit Schreiben vom 28.10.2011 angeforderten Unterlagen über die Leiharbeitnehmer einschließlich der Arbeitsverträge, die Unterlagen über die Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere die Nachweise und Belege über gezahlte Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer der Entleih-unternehmen, eine Liste aller Entleihunternehmen mit vollständiger Anschrift sowie eine Debitorenliste einschließlich der Rechnungsbelege zur Einsichtnahme vorzulegen. Die Antragsgegnerin wies die Antragstellerin darauf hin, bei unzureichender Mitwirkung müssten die Arbeitsentgelte der Leiharbeitnehmer ggf. geschätzt bzw. es müsse ein Schätzbescheid nach Maßgabe des § 28f Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) erlassen werden; außerdem könnten Säumniszuschläge erhoben werden (Schreiben vom 25.11.2011).
Mit (Schätz-)Bescheid vom 19.06.2012 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf, für die Zeit vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 Sozialabgaben für die bei ihr beschäftigten Leih-arbeitnehmer i.H.v. 86.970,47 EUR (darin enthalten Säumniszuschläge i.H.v. 11.280,00 EUR) nachzuzahlen.
Die dagegen (nach erfolglosem Widerspruchsverfahren, Widerspruchsbescheid vom 08.04.2013) erhobene Klage der Antragstellerin wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Urteil vom 28.05.2015 (- S 17 R 1711/13 -) ab.
Gegen das ihr am 05.06.2015 zugestellte Urteil hat die Antragstellerin am 01.07.2015 Berufung eingelegt (Verfahren L 5 R 2789/15), über die noch nicht entschieden ist. Zur Begründung der Berufung trägt die Antragstellerin vor, sie sei der Pflicht zur Entrichtung der Sozialabgaben für die Zeit vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 in vollem Umfang nachgekommen. Das Arbeitsentgelt ihrer Leiharbeitnehmer sei nach Maßgabe der Tarifverträge der AMP und der CGZP festgelegt worden. Dieses Arbeitsentgelt sei der Bemessung der Sozialabgaben zugrunde zu legen. Aus § 10 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in der bis 29.04.2011 geltenden Fassung (a.F.) folge nichts anderes. Danach könne ein Leiharbeitnehmer bei Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts (Equal-Pay-Anspruch) verlangen. Der mit § 10 Abs. 4 AÜG (a.F.) festgelegte Equal-Pay-Anspruch setze ein darauf gerichtetes Verlangen des Leiharbeitnehmers voraus (vgl. Landessozialgericht (LSG) Hamburg, Beschluss vom 15.09.2014, - L 3 R 48/14 B ER -, nicht veröffentlicht); andernfalls entstehe der Anspruch auf (regelmäßig) höheres Arbeitsentgelt nicht (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) und das höhere Arbeitsentgelt sei vom Arbeitgeber nicht geschuldet und auch nicht Bemessungsgrundlage der Sozialabgaben. Den Equal-Pay-Anspruch hätten nur zwei ihrer Leiharbeitnehmer arbeitsgerichtlich geltend gemacht. Das Urteil des BAG vom 13.03.2013 (- 5 AZR 954/11 -, in juris) habe ebenfalls einen Sachverhalt zum Gegenstand, bei dem der Leiharbeitnehmer den Equal-Pay-Anspruch geltend gemacht habe. Die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP wirke nicht für die Vergangenheit. Außerdem sei das Recht der Antragsgegnerin zur Nachforderung der Sozialabgaben verwirkt. Auch die vierjährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) sei hinsichtlich der Beiträge bis 31.12.2007 verstrichen. Die 30jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) sei nicht einschlägig. Sie habe die Vorenthaltung von Sozialabgaben nicht billigend in Kauf genommen. Der Beschluss des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP vom 14.12.2010 (a.a.O.) sei nach der streitigen Zeit ergangen. Für die Vergangenheit habe das BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP erst mit Beschluss vom 23.05.2012 (- 1 AZB 58/11 -, in juris) endgültig geklärt (dazu auch LSG Niedersachsen, Beschluss vom 21.02.2013, - L 1 KR 441/12 B ER -, in juris). Die Antragsgegnerin habe einen Schätzbescheid nicht erlassen dürfen, da dafür gemäß § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers notwendig sei; daran fehle es hier. Wie aus dem nach der Betriebsprüfung für die Zeit vom 10.03.2007 bis 31.12.2010 ergangenen Bescheid vom 28.12.2011 hervorgehe, habe sie das Arbeitsentgelt ihrer Leiharbeitnehmer im Wesentlichen zutreffend angegeben und die Antragsgegnerin habe das Arbeitsentgelt auch ermitteln können. Streit habe nur über einen etwaigen Equal-Pay-Zuschlag geherrscht. Die CGZP-Prüfung der Antragsgegnerin habe aber nur die Zeit bis 31.12.2009 zum Gegenstand gehabt, während der ein Equal-Pay-Anspruch des Leiharbeitnehmers ein darauf gerichtetes Verlangen vorausgesetzt habe; ein solches Verlangen sei bis 31.12.2009 an sie nicht herangetragen worden (zum Fehlen einer Aufzeichnungspflichtverletzung auch LSG Hamburg, Beschluss vom 15.09.2014, - L 3 R 48/14 B ER -, nicht veröffentlicht). Für die Zeit bis 31.12.2009 habe sie ihren Meldungen das (höhere) Equal-Pay-Arbeitsentgelt nicht zugrunde legen müssen. Einen Schätzbescheid dürfe die Antragsgegnerin nur dann erlassen, wenn eine etwaige Aufzeichnungspflichtverletzung ursächlich dafür sei, dass die Höhe des Arbeitsentgelts nicht festgestellt werden könne. Sie habe seinerzeit aber alle verfügbaren Unterlagen vorgelegt. Eine Liste der Entleihunternehmen, eine Debitorenliste und Unterlagen über durchgeführte Beitragskorrekturen sowie korrigierte Lohnnachweise habe sie nicht vorlegen können, da Unterlagen dieser Art nach Maßgabe der Rechtslage bis 31.12.2009 gar nicht hätten angefertigt werden müssen. Schließlich fehle es an einer geeigneten Schätzgrundlage. Die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung "Lohndifferential Zeitarbeit" genüge hierfür, jedenfalls bei substantiierten Einwendungen, nicht. Im Hinblick auf das (zwischenzeitlich ergangene) Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.12.2015 (- B 12 R 11/14 R -, in juris) werde Vertrauensschutz indessen nicht mehr geltend gemacht. Das SG hätte aber die betroffenen Leiharbeitnehmer und die Bundesagentur für Arbeit beiladen müssen. Hinsichtlich einzelner Leiharbeitnehmer seien überhöhte Sozialabgaben festgesetzt worden bzw. es habe teilweise gar keine Arbeitnehmerüberlassung stattgefunden. Das SG habe auch nicht hinreichend geprüft, ob die Ermittlung der Arbeitsentgelte mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen wäre. Dies sei nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.12.2015, a.a.O.) aber Voraussetzung für den Erlass eines Schätzbescheids; die Verletzung von Aufzeichnungspflichten für sich allein genüge hierfür nicht. Die Antragsgegnerin hätte die Vergleichslöhne ermitteln können.
Die Antragsgegnerin ist der Berufung entgegengetreten. Die Entstehung des Equal-Pay-Anspruchs hänge von einem Verlangen des Leiharbeitnehmers nicht ab. Stichhaltige Gründe dafür, weshalb die CGZP vor Ergehen des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 (a.a.O.) hätte tariffähig sein sollen, gebe es nicht (vgl. auch BAG, Beschluss vom 22.05.2012, - 1 ABN 27/12 - und Beschlüsse vom 23.05.2012 - 1 AZB 58/11 - und - 1 AZB 67/11 -, alle in juris). Die (von Anfang an bestehende) Tarifunfähigkeit der CGZP sei vom BAG (nur) festgestellt worden. Das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot sei nicht verletzt. Verwirkung sei nicht eingetreten. Aufgrund der am 08.07.2011 aufgenommenen Betriebsprüfung sei die vierjährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) noch nicht verstrichen gewesen. Auf die 30jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) komme es daher nicht an. Sie habe die Arbeitsentgelte der Leiharbeitnehmer nicht nur wegen unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwands, sondern auch deshalb geschätzt, weil die Antragstellerin Unterlagen, wie Arbeitsverträge und Stundenaufzeichnungen, trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt habe. Sie habe die Betriebsprüfung daher nur auf der Grundlage der bei der Abrechnungsstelle der Antragstellerin befindlichen Lohnunterlagen durchführen können. Die Übersendung von Arbeitsverträgen, Stundenaufzeichnungen, Personalakten u.a. habe die Antragstellerin verweigert. Die pauschale Erhöhung der Arbeitsentgelte (in Equal-Pay-Fällen) sei zulässig (zur Zulässigkeit einer Schätzung etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.11.2012, - L 11 R 3954/12 ER-B -, in juris, und vom 22.01.2013, - L 11 R 4869/12 ER-B -, nicht veröffentlicht). Der Erlass eines Schätzbescheids sei bereits bei einem objektiven Verstoß des Arbeitgebers gegen die Pflicht zur Vorlage von Aufzeichnungen zulässig (vgl. § 8 Beitragsverfahrensverordnung, BVV). Die Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG (a.F.) hänge weder von der Kenntnis des Arbeitgebers hinsichtlich der Unwirksamkeit eines von ihm angewandten Tarifvertrags noch von einem Verschulden des Arbeitgebers ab. Die Folgen der Unwirksamkeit des in Rede stehenden Tarifvertrags und der darauf beruhenden Unterlassung von Aufzeichnungen gingen zu Lasten der Antragstellerin. Außerdem wäre die Ermittlung der Arbeitsentgelte, auch wegen des Verhaltens der Antragstellerin, mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen.
Die Antragstellerin hatte zuvor (vergeblich) um vorläufigen Rechtsschutz gegen die mit Bescheid vom 19.06.2012 verfügte Abgabennachforderung nachgesucht (Beschluss des SG vom 19.10.2012, - S 2 R 2711/12 ER -; Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22.01.2013, - L 11 R 4869/12 ER-B -).
Mit Schreiben vom 20.01.2014 leitete die Antragsgegnerin ein weiteres Betriebsprüfungsverfahren für die Zeit ab 01.01.2010 ein. Mit (nach Anhörung ergangenem) Bescheid vom 14.04.2015 gab sie der Antragstellerin auf, für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 Sozialabgaben für die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer i.H.v. 222.029,64 EUR (einschließlich Säumniszuschläge i.H.v. 56.569,50 EUR) nachzuzahlen.
Am 04.05.2015 legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Außerdem suchte sie (erneut) um vorläufigen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 02.06.2015 (- S 17 R 1478/15 ER -) ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Nachforderungsbescheid 14.04.2015 an, soweit er die Nachforderung von Sozialabgaben ab dem 01.05.2011 zum Gegenstand hat. Im Übrigen (Zeitraum vom 01.01.2010 bis 30.04.2011) wies das SG den vorläufigen Rechtsschutzantrag zurück. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin wies das LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 27.07.2015 (- L 11 R 2772/15 ER-B -) zurück.
Mit Schreiben vom 10.08.2015 legte die Antragstellerin der Antragsgegnerin weitere Unterlagen (u.a. der Arbeitsverträge von Leiharbeitnehmern sowie einer Liste von Entleihunternehmen) vor und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Nachforderungsbescheids vom 14.04.2015 (auch) für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011.
Mit Bescheid vom 11.09.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Aussetzungsantrag ab, worauf die Antragstellerin am 25.09.2015 erneut beim SG um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchte (Verfahren S 17 R 3071/15 ER). Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Antragsgegnerin stehe eine Schätzungsbefugnis nicht zu. Der Nachforderungsbetrag könne nunmehr mit Hilfe der (neu) vorgelegten Unterlagen ermittelt werden.
Die Antragsgegnerin trat dem vorläufigen Rechtsschutzantrag entgegen. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergäben sich keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Die vorgelegten Arbeitsverträge und Listen seien nicht ausreichend, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderungen für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 zu begründen.
Mit Beschluss vom 16.10.2015 wies das SG den vorläufigen Rechtsschutzantrag zurück. Zur Begründung führte es aus, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderung für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 bestünden nicht. Soweit die Antragstellerin (erneut) die Schätzungsbefugnis der Antragsgegnerin mangels Verletzung der Aufzeichnungspflicht in Abrede stelle, werde auf die Beschlüsse des SG vom 02.06.2015 (- S 17 R 1478/15 ER -) und des LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2015 (- L 11 R 2772/15 ER-B -) verwiesen. Auch die neu vorgelegten Unterlagen begründeten keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der (streitigen) Abgabennachforderung. Diese Unterlagen genügten für die Berechnung sämtlicher Sozialabgaben nicht. So sei das Arbeitsentgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer der Entleihunternehmen nach wie vor größtenteils unbekannt. Der Antragsgegnerin sei die Feststellung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts weiterhin nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Für die überwiegende Mehrzahl der 104 betroffenen Leiharbeitnehmer lägen keine ausreichenden Informationen vor. Die Antragsgegnerin habe aufgrund der im anhängigen Widerspruchsverfahren neu vorgelegten Unterlagen bei den Entleihunternehmen nachgefragt. Es bleibe abzuwarten, ob dadurch die notwendigen Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Derzeit seien die Voraussetzungen einer Schätzung damit (weiterhin) erfüllt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.06.2015, - L 8 R 999/13 B ER -, in juris).
Gegen den ihr am 21.10.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 13.11.2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Die Antragsgegnerin habe einen Schätzbescheid nicht erlassen dürfen. Dafür genüge die Verletzung von Aufzeichnungspflichten für sich allein nicht; sie habe ihre Aufzeichnungspflichten auch nicht verletzt. Für die Zeit bis 29.04.2011 habe ein Equal-Pay-Anspruch nur auf Verlangen des Leiharbeitnehmers entstehen können und auch nur dann seien entsprechende Aufzeichnungen zu führen gewesen. Sie habe der Antragsgegnerin mittlerweile (im August 2015) weitere Unterlagen vorgelegt (alle Arbeitsverträge für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011, eine Liste der Entleihunternehmen, Informationen zu Vergleichslöhnen), so dass die Schätzung nach entsprechenden (ergänzenden) Ermittlungen der Antragsgegnerin ohne unzumutbaren Verwaltungsaufwand aufgelöst werden könnte.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.10.2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Nachforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 14.04.2015 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2016 (auch) für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie wiederholt und bekräftigt ebenfalls ihr bisheriges Vorbringen. Während der Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 hätten im Unternehmen der Antragstellerin 287 Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen. Da ausreichende Unterlagen zur Feststellung der Arbeitsentgelte (der Equal-Pay-Ansprüche) nicht vorgelegt worden seien, habe man die Arbeitsentgelte zur Vermeidung unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands geschätzt. Auch die im August 2015 vorgelegten weiteren Unterlagen genügten für die Berechnung der Arbeitsentgelte nicht. Man habe deswegen aber weitere Ermittlungen aufgenommen. Im noch anhängigen Widerspruchsverfahren werde die Berechnung des Nachforderungsbetrags überprüft. Derzeit bestünden an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderung aber keine ernstlichen Zweifel.
Mit Bescheid vom 27.07.2016 hat die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin den Nachforderungsbetrag für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 auf 106.374,55 EUR erniedrigt.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2016 hat die Antragsgegnerin dem Senat mitgeteilt, sie habe die Schätzung nach Abschluss der ergänzenden Ermittlungen nunmehr - so weit möglich - aufgelöst und die Lohnabstände an Hand der von den Entleihunternehmen mitgeteilten Vergleichslöhne festgestellt. Im Hinblick darauf sei der Nachforderungsbetrag für die Zeit bis 30.04.2011 neu berechnet worden. Die auf die streitige Zeit (01.01.2010 bis 30.04.2011) entfallende Abgabennachforderung betrage danach 106.374,55 EUR. Zuvor sei im Wege der Schätzung nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV ein Nachforderungsbetrag von 111.521,58 EUR festgesetzt worden. Sie erkläre sich bereit, dem Begehren der Antragstellerin hinsichtlich des Differenzbetrags von 5.147,03 EUR zu entsprechen. Im Übrigen sei die Beschwerde aber zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat abschließend geltend gemacht, sie könne die Neuberechnung des Nachforderungsbetrags nicht nachvollziehen; deswegen sei der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt. Mit der Auflösung der Schätzung gebe es für den Schätzbescheid vom 14.04.2015 keine Grundlage mehr.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des SG und des Senats bzw. die beigezogen SG- und LSG-Akten (des 11. Senats des LSG Baden-Württemberg) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Vorläufiger Rechtsschutz ist hier gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthaft. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG) des von der Antragstellerin gegen den Nachforderungsbescheid vom 14.04.2015 eingelegten Widerspruchs ist hier gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfallen, weil dieser Bescheid die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstige öffentliche Abgaben zum Gegenstand hat. Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt in der Sache voraus, dass das Aufschubinteresse des Betroffenen (Klägers bzw. Antragstellers) das Interesse der Allgemeinheit oder eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung überwiegt. In den Fällen, in denen, wie hier, die aufschiebende Wirkung gesetzlich ausgeschlossen ist (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG), geht der Gesetzgeber vom grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses aus. Soweit es um die Fälle des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, namentlich die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben geht, soll die Aussetzung der Vollziehung - gemäß § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG durch die Verwaltung - daher nur dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Maßstäbe gelten für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Gerichte entsprechend (Meyer/Ladewig, a. a. O.; § 86b Rdnr. 12c). Ernstliche Zweifel i.S.d. § 86a Abs. 3 Satz 2 1. Alt. SGG liegen vor, wenn der Erfolg des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2015, - L 8 R 488/14 ER-B -, in juris). Die Härteklausel des § 86a Abs. 3 Satz 2 2. Alt. SGG stellt auf die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren nicht ab; bei ihr handelt es sich um eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen bzw. grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das Gericht muss im Übrigen immer bedenken, welche nachteiligen Folgen dem Antragsteller aus der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, vor allem für seine grundrechtlich geschützten Rechtspositionen erwachsen und ob bzw. wie diese ggf. rückgängig gemacht werden können. Der Rechtsschutzanspruch (Art. 19 Abs. 4 GG) darf gegenüber dem (auch gesetzlich vorgegebenen) öffentlichen Interesse am Sofortvollzug einer Maßnahme umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2009, - 1 BvR 1876/09 -, in juris).
Danach kann die Beschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg haben. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachforderungsbescheids in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 27.07.2016 (hinsichtlich des Zeitraums 01.01.2010 bis 30.04.2011) bestehen nicht. Dass dessen Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Die Abgabennachforderung beruht auf § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, wonach die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der (Betriebs-)Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern erlassen. Es bestehen keine überwiegenden Zweifel daran, dass die Antragstellerin dem Grunde nach verpflichtet ist, für die von ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer - auch für die hier streitige Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 - höhere als die bislang entrichteten Sozialabgaben zu zahlen. Das folgt aus § 10 Abs. 4 AÜG (a.F.) bzw. dem Equal-Pay-Prinzip. Hierüber haben unter den Beteiligten bereits Beschwerdeverfahren beim LSG Baden-Württemberg stattgefunden; auf die (den Beteiligten bekannten) Gründe der in diesen Verfahren ergangenen Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg vom 22.01.2013 (- L 11 KR 4869/12 ER-B -) und vom 27.05.2015 (- L 11 KR 2772/15 ER-B -), die sich der Senat für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu eigen macht, ist zu verweisen.
Die Antragstellerin hat ihr (erneutes) Begehren nach Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (auch) für den Nachforderungszeitraum 01.01.2010 bis 30.04.2011 wesentlich darauf gestützt, dass die Antragsgegnerin die Equal-Pay-Ansprüche der Leiharbeitnehmer an Hand der nunmehr im August 2015 vorgelegten Unterlagen ohne unzumutbaren Verwaltungsaufwand ermitteln könne und deswegen eine Schätzung nach Maßgabe des § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV nicht (mehr) zulässig sei. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen ergänzenden Ermittlungen im anhängigen Widerspruchsverfahren angestellt und mittlerweile auch abgeschlossen. Sie hat, wie im Schriftsatz vom 11.10.2016 mitgeteilt worden ist, die Lohnabstände festgestellt und den auf die streitige Zeit entfallenden Nachforderungsbetrag danach neu berechnet. Das hat ausweislich des Bescheids vom 27.07.2016 zu einer Verminderung des auf der Grundlage einer Schätzung der Arbeitsentgelte nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV festgesetzten Nachforderungsbetrags von 111.521,58 EUR um 5.147,03 EUR auf 106.374,55 EUR geführt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dieser Sachverhalt maßgeblich, so dass dem gegen die Schätzbefugnis der Antragsgegnerin gerichteten Vorbringen der Antragstellerin die tatsächliche Grundlage entzogen ist. Mit dem (pauschalen) Vorbringen, die (konkrete) Berechnung des Nachforderungsbetrags sei nicht nachvollziehbar bzw. zu unbestimmt, sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderung nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kosten sind der Antragstellerin insgesamt aufzuerlegen, da die Antragsgegnerin den Nachforderungsbetrag nur zu einem geringen Teil reduziert hat.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Maßgeblich ist ein Viertel des Nachforderungsbetrags.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 27.880,35 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt (zum wiederholten Mal) vorläufigen Rechtsschutz gegen die Nachforderung von Sozialabgaben.
Die Antragstellerin betreibt als eingetragene Kauffrau (e.K.) ein (Einzel-)Unternehmen, das die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung zum Gegenstand hat (Personalservice-Agentur). Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Antragstellerin und den bei ihr beschäftigten Leih-arbeitnehmern waren bis zum 31.12.2009 die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft CGZP und des AMP. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte mit Beschluss vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 -, in juris) die Tarifunfähigkeit der CGZP fest.
Mit Schreiben vom 23.12.2010 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, da unklar sei, wie sich der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (a.a.O.) auf die seit Januar 2006 fällig gewordenen Beitragsansprüche auswirke, müsse sie die Ansprüche vorsorglich fristwahrend geltend machen; sie beabsichtige, im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung durchzuführen.
Vom 08.07.2011 bis 18.05.2012 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Die Antragstellerin weigerte sich, der Antragsgegnerin die von dieser mit Schreiben vom 28.10.2011 angeforderten Unterlagen über die Leiharbeitnehmer einschließlich der Arbeitsverträge, die Unterlagen über die Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere die Nachweise und Belege über gezahlte Arbeitsentgelte vergleichbarer Stammarbeitnehmer der Entleih-unternehmen, eine Liste aller Entleihunternehmen mit vollständiger Anschrift sowie eine Debitorenliste einschließlich der Rechnungsbelege zur Einsichtnahme vorzulegen. Die Antragsgegnerin wies die Antragstellerin darauf hin, bei unzureichender Mitwirkung müssten die Arbeitsentgelte der Leiharbeitnehmer ggf. geschätzt bzw. es müsse ein Schätzbescheid nach Maßgabe des § 28f Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) erlassen werden; außerdem könnten Säumniszuschläge erhoben werden (Schreiben vom 25.11.2011).
Mit (Schätz-)Bescheid vom 19.06.2012 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf, für die Zeit vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 Sozialabgaben für die bei ihr beschäftigten Leih-arbeitnehmer i.H.v. 86.970,47 EUR (darin enthalten Säumniszuschläge i.H.v. 11.280,00 EUR) nachzuzahlen.
Die dagegen (nach erfolglosem Widerspruchsverfahren, Widerspruchsbescheid vom 08.04.2013) erhobene Klage der Antragstellerin wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Urteil vom 28.05.2015 (- S 17 R 1711/13 -) ab.
Gegen das ihr am 05.06.2015 zugestellte Urteil hat die Antragstellerin am 01.07.2015 Berufung eingelegt (Verfahren L 5 R 2789/15), über die noch nicht entschieden ist. Zur Begründung der Berufung trägt die Antragstellerin vor, sie sei der Pflicht zur Entrichtung der Sozialabgaben für die Zeit vom 26.02.2007 bis 31.12.2009 in vollem Umfang nachgekommen. Das Arbeitsentgelt ihrer Leiharbeitnehmer sei nach Maßgabe der Tarifverträge der AMP und der CGZP festgelegt worden. Dieses Arbeitsentgelt sei der Bemessung der Sozialabgaben zugrunde zu legen. Aus § 10 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in der bis 29.04.2011 geltenden Fassung (a.F.) folge nichts anderes. Danach könne ein Leiharbeitnehmer bei Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts (Equal-Pay-Anspruch) verlangen. Der mit § 10 Abs. 4 AÜG (a.F.) festgelegte Equal-Pay-Anspruch setze ein darauf gerichtetes Verlangen des Leiharbeitnehmers voraus (vgl. Landessozialgericht (LSG) Hamburg, Beschluss vom 15.09.2014, - L 3 R 48/14 B ER -, nicht veröffentlicht); andernfalls entstehe der Anspruch auf (regelmäßig) höheres Arbeitsentgelt nicht (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) und das höhere Arbeitsentgelt sei vom Arbeitgeber nicht geschuldet und auch nicht Bemessungsgrundlage der Sozialabgaben. Den Equal-Pay-Anspruch hätten nur zwei ihrer Leiharbeitnehmer arbeitsgerichtlich geltend gemacht. Das Urteil des BAG vom 13.03.2013 (- 5 AZR 954/11 -, in juris) habe ebenfalls einen Sachverhalt zum Gegenstand, bei dem der Leiharbeitnehmer den Equal-Pay-Anspruch geltend gemacht habe. Die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP wirke nicht für die Vergangenheit. Außerdem sei das Recht der Antragsgegnerin zur Nachforderung der Sozialabgaben verwirkt. Auch die vierjährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) sei hinsichtlich der Beiträge bis 31.12.2007 verstrichen. Die 30jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) sei nicht einschlägig. Sie habe die Vorenthaltung von Sozialabgaben nicht billigend in Kauf genommen. Der Beschluss des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP vom 14.12.2010 (a.a.O.) sei nach der streitigen Zeit ergangen. Für die Vergangenheit habe das BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP erst mit Beschluss vom 23.05.2012 (- 1 AZB 58/11 -, in juris) endgültig geklärt (dazu auch LSG Niedersachsen, Beschluss vom 21.02.2013, - L 1 KR 441/12 B ER -, in juris). Die Antragsgegnerin habe einen Schätzbescheid nicht erlassen dürfen, da dafür gemäß § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers notwendig sei; daran fehle es hier. Wie aus dem nach der Betriebsprüfung für die Zeit vom 10.03.2007 bis 31.12.2010 ergangenen Bescheid vom 28.12.2011 hervorgehe, habe sie das Arbeitsentgelt ihrer Leiharbeitnehmer im Wesentlichen zutreffend angegeben und die Antragsgegnerin habe das Arbeitsentgelt auch ermitteln können. Streit habe nur über einen etwaigen Equal-Pay-Zuschlag geherrscht. Die CGZP-Prüfung der Antragsgegnerin habe aber nur die Zeit bis 31.12.2009 zum Gegenstand gehabt, während der ein Equal-Pay-Anspruch des Leiharbeitnehmers ein darauf gerichtetes Verlangen vorausgesetzt habe; ein solches Verlangen sei bis 31.12.2009 an sie nicht herangetragen worden (zum Fehlen einer Aufzeichnungspflichtverletzung auch LSG Hamburg, Beschluss vom 15.09.2014, - L 3 R 48/14 B ER -, nicht veröffentlicht). Für die Zeit bis 31.12.2009 habe sie ihren Meldungen das (höhere) Equal-Pay-Arbeitsentgelt nicht zugrunde legen müssen. Einen Schätzbescheid dürfe die Antragsgegnerin nur dann erlassen, wenn eine etwaige Aufzeichnungspflichtverletzung ursächlich dafür sei, dass die Höhe des Arbeitsentgelts nicht festgestellt werden könne. Sie habe seinerzeit aber alle verfügbaren Unterlagen vorgelegt. Eine Liste der Entleihunternehmen, eine Debitorenliste und Unterlagen über durchgeführte Beitragskorrekturen sowie korrigierte Lohnnachweise habe sie nicht vorlegen können, da Unterlagen dieser Art nach Maßgabe der Rechtslage bis 31.12.2009 gar nicht hätten angefertigt werden müssen. Schließlich fehle es an einer geeigneten Schätzgrundlage. Die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung "Lohndifferential Zeitarbeit" genüge hierfür, jedenfalls bei substantiierten Einwendungen, nicht. Im Hinblick auf das (zwischenzeitlich ergangene) Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.12.2015 (- B 12 R 11/14 R -, in juris) werde Vertrauensschutz indessen nicht mehr geltend gemacht. Das SG hätte aber die betroffenen Leiharbeitnehmer und die Bundesagentur für Arbeit beiladen müssen. Hinsichtlich einzelner Leiharbeitnehmer seien überhöhte Sozialabgaben festgesetzt worden bzw. es habe teilweise gar keine Arbeitnehmerüberlassung stattgefunden. Das SG habe auch nicht hinreichend geprüft, ob die Ermittlung der Arbeitsentgelte mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen wäre. Dies sei nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16.12.2015, a.a.O.) aber Voraussetzung für den Erlass eines Schätzbescheids; die Verletzung von Aufzeichnungspflichten für sich allein genüge hierfür nicht. Die Antragsgegnerin hätte die Vergleichslöhne ermitteln können.
Die Antragsgegnerin ist der Berufung entgegengetreten. Die Entstehung des Equal-Pay-Anspruchs hänge von einem Verlangen des Leiharbeitnehmers nicht ab. Stichhaltige Gründe dafür, weshalb die CGZP vor Ergehen des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 (a.a.O.) hätte tariffähig sein sollen, gebe es nicht (vgl. auch BAG, Beschluss vom 22.05.2012, - 1 ABN 27/12 - und Beschlüsse vom 23.05.2012 - 1 AZB 58/11 - und - 1 AZB 67/11 -, alle in juris). Die (von Anfang an bestehende) Tarifunfähigkeit der CGZP sei vom BAG (nur) festgestellt worden. Das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot sei nicht verletzt. Verwirkung sei nicht eingetreten. Aufgrund der am 08.07.2011 aufgenommenen Betriebsprüfung sei die vierjährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) noch nicht verstrichen gewesen. Auf die 30jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) komme es daher nicht an. Sie habe die Arbeitsentgelte der Leiharbeitnehmer nicht nur wegen unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwands, sondern auch deshalb geschätzt, weil die Antragstellerin Unterlagen, wie Arbeitsverträge und Stundenaufzeichnungen, trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt habe. Sie habe die Betriebsprüfung daher nur auf der Grundlage der bei der Abrechnungsstelle der Antragstellerin befindlichen Lohnunterlagen durchführen können. Die Übersendung von Arbeitsverträgen, Stundenaufzeichnungen, Personalakten u.a. habe die Antragstellerin verweigert. Die pauschale Erhöhung der Arbeitsentgelte (in Equal-Pay-Fällen) sei zulässig (zur Zulässigkeit einer Schätzung etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.11.2012, - L 11 R 3954/12 ER-B -, in juris, und vom 22.01.2013, - L 11 R 4869/12 ER-B -, nicht veröffentlicht). Der Erlass eines Schätzbescheids sei bereits bei einem objektiven Verstoß des Arbeitgebers gegen die Pflicht zur Vorlage von Aufzeichnungen zulässig (vgl. § 8 Beitragsverfahrensverordnung, BVV). Die Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG (a.F.) hänge weder von der Kenntnis des Arbeitgebers hinsichtlich der Unwirksamkeit eines von ihm angewandten Tarifvertrags noch von einem Verschulden des Arbeitgebers ab. Die Folgen der Unwirksamkeit des in Rede stehenden Tarifvertrags und der darauf beruhenden Unterlassung von Aufzeichnungen gingen zu Lasten der Antragstellerin. Außerdem wäre die Ermittlung der Arbeitsentgelte, auch wegen des Verhaltens der Antragstellerin, mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen.
Die Antragstellerin hatte zuvor (vergeblich) um vorläufigen Rechtsschutz gegen die mit Bescheid vom 19.06.2012 verfügte Abgabennachforderung nachgesucht (Beschluss des SG vom 19.10.2012, - S 2 R 2711/12 ER -; Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22.01.2013, - L 11 R 4869/12 ER-B -).
Mit Schreiben vom 20.01.2014 leitete die Antragsgegnerin ein weiteres Betriebsprüfungsverfahren für die Zeit ab 01.01.2010 ein. Mit (nach Anhörung ergangenem) Bescheid vom 14.04.2015 gab sie der Antragstellerin auf, für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 Sozialabgaben für die bei ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer i.H.v. 222.029,64 EUR (einschließlich Säumniszuschläge i.H.v. 56.569,50 EUR) nachzuzahlen.
Am 04.05.2015 legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Außerdem suchte sie (erneut) um vorläufigen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 02.06.2015 (- S 17 R 1478/15 ER -) ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Nachforderungsbescheid 14.04.2015 an, soweit er die Nachforderung von Sozialabgaben ab dem 01.05.2011 zum Gegenstand hat. Im Übrigen (Zeitraum vom 01.01.2010 bis 30.04.2011) wies das SG den vorläufigen Rechtsschutzantrag zurück. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin wies das LSG Baden-Württemberg mit Beschluss vom 27.07.2015 (- L 11 R 2772/15 ER-B -) zurück.
Mit Schreiben vom 10.08.2015 legte die Antragstellerin der Antragsgegnerin weitere Unterlagen (u.a. der Arbeitsverträge von Leiharbeitnehmern sowie einer Liste von Entleihunternehmen) vor und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Nachforderungsbescheids vom 14.04.2015 (auch) für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011.
Mit Bescheid vom 11.09.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Aussetzungsantrag ab, worauf die Antragstellerin am 25.09.2015 erneut beim SG um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchte (Verfahren S 17 R 3071/15 ER). Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Der Antragsgegnerin stehe eine Schätzungsbefugnis nicht zu. Der Nachforderungsbetrag könne nunmehr mit Hilfe der (neu) vorgelegten Unterlagen ermittelt werden.
Die Antragsgegnerin trat dem vorläufigen Rechtsschutzantrag entgegen. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergäben sich keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Die vorgelegten Arbeitsverträge und Listen seien nicht ausreichend, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderungen für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 zu begründen.
Mit Beschluss vom 16.10.2015 wies das SG den vorläufigen Rechtsschutzantrag zurück. Zur Begründung führte es aus, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderung für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 bestünden nicht. Soweit die Antragstellerin (erneut) die Schätzungsbefugnis der Antragsgegnerin mangels Verletzung der Aufzeichnungspflicht in Abrede stelle, werde auf die Beschlüsse des SG vom 02.06.2015 (- S 17 R 1478/15 ER -) und des LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2015 (- L 11 R 2772/15 ER-B -) verwiesen. Auch die neu vorgelegten Unterlagen begründeten keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der (streitigen) Abgabennachforderung. Diese Unterlagen genügten für die Berechnung sämtlicher Sozialabgaben nicht. So sei das Arbeitsentgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer der Entleihunternehmen nach wie vor größtenteils unbekannt. Der Antragsgegnerin sei die Feststellung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts weiterhin nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich. Für die überwiegende Mehrzahl der 104 betroffenen Leiharbeitnehmer lägen keine ausreichenden Informationen vor. Die Antragsgegnerin habe aufgrund der im anhängigen Widerspruchsverfahren neu vorgelegten Unterlagen bei den Entleihunternehmen nachgefragt. Es bleibe abzuwarten, ob dadurch die notwendigen Erkenntnisse gewonnen werden könnten. Derzeit seien die Voraussetzungen einer Schätzung damit (weiterhin) erfüllt (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.06.2015, - L 8 R 999/13 B ER -, in juris).
Gegen den ihr am 21.10.2015 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 13.11.2015 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Die Antragsgegnerin habe einen Schätzbescheid nicht erlassen dürfen. Dafür genüge die Verletzung von Aufzeichnungspflichten für sich allein nicht; sie habe ihre Aufzeichnungspflichten auch nicht verletzt. Für die Zeit bis 29.04.2011 habe ein Equal-Pay-Anspruch nur auf Verlangen des Leiharbeitnehmers entstehen können und auch nur dann seien entsprechende Aufzeichnungen zu führen gewesen. Sie habe der Antragsgegnerin mittlerweile (im August 2015) weitere Unterlagen vorgelegt (alle Arbeitsverträge für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011, eine Liste der Entleihunternehmen, Informationen zu Vergleichslöhnen), so dass die Schätzung nach entsprechenden (ergänzenden) Ermittlungen der Antragsgegnerin ohne unzumutbaren Verwaltungsaufwand aufgelöst werden könnte.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.10.2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Nachforderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 14.04.2015 in der Fassung des Bescheids vom 27.07.2016 (auch) für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie wiederholt und bekräftigt ebenfalls ihr bisheriges Vorbringen. Während der Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013 hätten im Unternehmen der Antragstellerin 287 Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen. Da ausreichende Unterlagen zur Feststellung der Arbeitsentgelte (der Equal-Pay-Ansprüche) nicht vorgelegt worden seien, habe man die Arbeitsentgelte zur Vermeidung unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands geschätzt. Auch die im August 2015 vorgelegten weiteren Unterlagen genügten für die Berechnung der Arbeitsentgelte nicht. Man habe deswegen aber weitere Ermittlungen aufgenommen. Im noch anhängigen Widerspruchsverfahren werde die Berechnung des Nachforderungsbetrags überprüft. Derzeit bestünden an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderung aber keine ernstlichen Zweifel.
Mit Bescheid vom 27.07.2016 hat die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin den Nachforderungsbetrag für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 auf 106.374,55 EUR erniedrigt.
Mit Schriftsatz vom 11.10.2016 hat die Antragsgegnerin dem Senat mitgeteilt, sie habe die Schätzung nach Abschluss der ergänzenden Ermittlungen nunmehr - so weit möglich - aufgelöst und die Lohnabstände an Hand der von den Entleihunternehmen mitgeteilten Vergleichslöhne festgestellt. Im Hinblick darauf sei der Nachforderungsbetrag für die Zeit bis 30.04.2011 neu berechnet worden. Die auf die streitige Zeit (01.01.2010 bis 30.04.2011) entfallende Abgabennachforderung betrage danach 106.374,55 EUR. Zuvor sei im Wege der Schätzung nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV ein Nachforderungsbetrag von 111.521,58 EUR festgesetzt worden. Sie erkläre sich bereit, dem Begehren der Antragstellerin hinsichtlich des Differenzbetrags von 5.147,03 EUR zu entsprechen. Im Übrigen sei die Beschwerde aber zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat abschließend geltend gemacht, sie könne die Neuberechnung des Nachforderungsbetrags nicht nachvollziehen; deswegen sei der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt. Mit der Auflösung der Schätzung gebe es für den Schätzbescheid vom 14.04.2015 keine Grundlage mehr.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des SG und des Senats bzw. die beigezogen SG- und LSG-Akten (des 11. Senats des LSG Baden-Württemberg) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Vorläufiger Rechtsschutz ist hier gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG statthaft. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG) des von der Antragstellerin gegen den Nachforderungsbescheid vom 14.04.2015 eingelegten Widerspruchs ist hier gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfallen, weil dieser Bescheid die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstige öffentliche Abgaben zum Gegenstand hat. Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt in der Sache voraus, dass das Aufschubinteresse des Betroffenen (Klägers bzw. Antragstellers) das Interesse der Allgemeinheit oder eines Beteiligten an der sofortigen Vollziehung überwiegt. In den Fällen, in denen, wie hier, die aufschiebende Wirkung gesetzlich ausgeschlossen ist (§ 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG), geht der Gesetzgeber vom grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses aus. Soweit es um die Fälle des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, namentlich die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben geht, soll die Aussetzung der Vollziehung - gemäß § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG durch die Verwaltung - daher nur dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Maßstäbe gelten für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Gerichte entsprechend (Meyer/Ladewig, a. a. O.; § 86b Rdnr. 12c). Ernstliche Zweifel i.S.d. § 86a Abs. 3 Satz 2 1. Alt. SGG liegen vor, wenn der Erfolg des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2015, - L 8 R 488/14 ER-B -, in juris). Die Härteklausel des § 86a Abs. 3 Satz 2 2. Alt. SGG stellt auf die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren nicht ab; bei ihr handelt es sich um eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen bzw. grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das Gericht muss im Übrigen immer bedenken, welche nachteiligen Folgen dem Antragsteller aus der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, vor allem für seine grundrechtlich geschützten Rechtspositionen erwachsen und ob bzw. wie diese ggf. rückgängig gemacht werden können. Der Rechtsschutzanspruch (Art. 19 Abs. 4 GG) darf gegenüber dem (auch gesetzlich vorgegebenen) öffentlichen Interesse am Sofortvollzug einer Maßnahme umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2009, - 1 BvR 1876/09 -, in juris).
Danach kann die Beschwerde der Antragstellerin keinen Erfolg haben. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachforderungsbescheids in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 27.07.2016 (hinsichtlich des Zeitraums 01.01.2010 bis 30.04.2011) bestehen nicht. Dass dessen Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Die Abgabennachforderung beruht auf § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, wonach die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der (Betriebs-)Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern erlassen. Es bestehen keine überwiegenden Zweifel daran, dass die Antragstellerin dem Grunde nach verpflichtet ist, für die von ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer - auch für die hier streitige Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 - höhere als die bislang entrichteten Sozialabgaben zu zahlen. Das folgt aus § 10 Abs. 4 AÜG (a.F.) bzw. dem Equal-Pay-Prinzip. Hierüber haben unter den Beteiligten bereits Beschwerdeverfahren beim LSG Baden-Württemberg stattgefunden; auf die (den Beteiligten bekannten) Gründe der in diesen Verfahren ergangenen Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg vom 22.01.2013 (- L 11 KR 4869/12 ER-B -) und vom 27.05.2015 (- L 11 KR 2772/15 ER-B -), die sich der Senat für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu eigen macht, ist zu verweisen.
Die Antragstellerin hat ihr (erneutes) Begehren nach Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (auch) für den Nachforderungszeitraum 01.01.2010 bis 30.04.2011 wesentlich darauf gestützt, dass die Antragsgegnerin die Equal-Pay-Ansprüche der Leiharbeitnehmer an Hand der nunmehr im August 2015 vorgelegten Unterlagen ohne unzumutbaren Verwaltungsaufwand ermitteln könne und deswegen eine Schätzung nach Maßgabe des § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV nicht (mehr) zulässig sei. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen ergänzenden Ermittlungen im anhängigen Widerspruchsverfahren angestellt und mittlerweile auch abgeschlossen. Sie hat, wie im Schriftsatz vom 11.10.2016 mitgeteilt worden ist, die Lohnabstände festgestellt und den auf die streitige Zeit entfallenden Nachforderungsbetrag danach neu berechnet. Das hat ausweislich des Bescheids vom 27.07.2016 zu einer Verminderung des auf der Grundlage einer Schätzung der Arbeitsentgelte nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV festgesetzten Nachforderungsbetrags von 111.521,58 EUR um 5.147,03 EUR auf 106.374,55 EUR geführt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dieser Sachverhalt maßgeblich, so dass dem gegen die Schätzbefugnis der Antragsgegnerin gerichteten Vorbringen der Antragstellerin die tatsächliche Grundlage entzogen ist. Mit dem (pauschalen) Vorbringen, die (konkrete) Berechnung des Nachforderungsbetrags sei nicht nachvollziehbar bzw. zu unbestimmt, sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabennachforderung nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kosten sind der Antragstellerin insgesamt aufzuerlegen, da die Antragsgegnerin den Nachforderungsbetrag nur zu einem geringen Teil reduziert hat.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Maßgeblich ist ein Viertel des Nachforderungsbetrags.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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