L 5 EG 3/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 20 EG 11/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 EG 3/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. November 2014 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des für die Zeit vom 1. bis 31. März 2014 und 1. bis 31. Juli 2014 zu zahlenden Elterngeldes nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) streitig. Dabei ist insbesondere streitig, welche Steuerklasse im Rahmen der Ermittlung des Einkommens vor der Geburt des Kindes zu berücksichtigen ist.

Der 1981 geborene Kläger und seine 1984 geborene Ehefrau, C. A., sind Eltern des 2013 geborenen Kindes D. Sie stellten zunächst zu Gunsten der Ehefrau am 13. August 2013 Antrag auf Elterngeld, auf den der Beklagte ihr durch Bescheid vom 28. August 2013 antragsgemäß Elterngeld für die ersten 12 Lebensmonate des Kindes vom xx. xxx 2013 bis xx. xxx 2014 unter Berücksichtigung des bezogenen Mutterschaftsgeldes bewilligte. Sodann stellten sie am 19. Februar 2014 Leistungsantrag auch für den Kläger im Hinblick auf die Partnermonate und bestimmten als Zeiträume den 8. und 12. Lebensmonat des Kindes. Ergänzend legte der Kläger seine Gehaltsabrechnungen für die Monate August 2012 bis Juli 2013 vor. Danach wurden für die Monate August bis Dezember 2012 die Steuerklasse IV, für Januar bis Mai 2013 die Steuerklasse V und für Juni sowie Juli 2013 die Steuerklasse III bei der Berechnung der abzuführenden Einkommensteuer berücksichtigt.

Durch Bescheid vom 12. März 2014 bewilligte der Beklagte auch dem Kläger Elterngeld für die beantragten Lebensmonate und damit für die Zeiträume vom 1. bis 31. März 2014 und 1. bis 31. Juli 2014 in Höhe von jeweils 798,04 EUR. Dabei berücksichtigte der Beklagte als Bemessungszeitraum die Monate August 2012 bis Juli 2013 und führte zur Höhe aus, das dem Kläger zustehende Elterngeld belaufe sich angesichts eines durchschnittlichen monatlichen Nettoerwerbseinkommens im Bemessungszeitraum von 1.455,06 EUR und eines zu berücksichtigenden durchschnittlichen monatlichen Nettoerwerbseinkommens aus Teilzeittätigkeit während der Bezugszeiträume in Höhe von 227,31 EUR auf den Betrag von 798,04 EUR (65 % des Differenzbetrages von 1.227,75 EUR). Bei der Ermittlung des Nettoerwerbseinkommens im Bemessungszeitraum legte der Beklagte die Steuerklasse V zu Grunde. Im Bescheid wies der Beklagte ergänzend darauf hin, dass die Zahlung vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolge. Eine endgültige Feststellung sei erst nach Vorlage der Gehaltsnachweise für die Monate März und Juli 2014 möglich.

Der Kläger erhob Widerspruch am 18. März 2014. Er beanstandete die Berücksichtigung der Steuerklasse V und führte hierzu aus, diese sei angesichts der mehrfachen Änderung der Steuerklasse im Bemessungszeitraum nicht überwiegend zur Anwendung gekommen. Sofern sich die Abzugsmerkmale änderten, seien bei der Berechnung des Elterngeldes diejenigen zu berücksichtigen, die in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hätten. Habe das Merkmal gleich viele Monate gegolten, komme es bei Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit auf die Angaben in der Gehaltsabrechnung an, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum erstellt worden sei. Dies gehe aus den "Informationen zum Elterngeld und Hinweise zum Antrag" des Beklagten hervor. Ausweislich der vorgelegten Gehaltsabrechnungen seien bei ihm im Bemessungszeitraum folgende Steuerklassen maßgeblich gewesen: August bis Dezember 2012 Steuerklasse IV, Januar bis Mai 2013 Steuerklasse V und Juni sowie Juli 2013 Steuerklasse III. Daraus folge, dass im Bemessungszeitraum keine Steuerklasse überwiegend berücksichtigt worden sei, so dass es auf diejenige Steuerklasse ankomme, die zuletzt gegolten habe. Dies sei hier die Steuerklasse III.

Durch Widerspruchsbescheid vom 20. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, nach § 2c Abs. 3 BEEG seien Grundlage der Ermittlung der Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen erstellt worden sei. Im Falle der Änderung eines Abzugsmerkmals komme es auf dasjenige an, das in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten habe. Bestehe hier ein Gleichstand, sei das Abzugsmerkmal (Steuerklasse) anzusetzen, das zuletzt (überwiegend) durch den Arbeitgeber ausgewiesen worden sei. Davon ausgehend sei zu berücksichtigen, dass die Steuerklasse IV für fünf Monate, sodann die Steuerklasse V ebenfalls für fünf Monate und zuletzt die Steuerklasse III für zwei Monate maßgeblich gewesen sei. Zugrunde zu legen sei deshalb die Steuerklasse V.

Mit der am 17. April 2014 zum Sozialgericht Darmstadt erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und vertrat unter Beibehaltung der im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Argumente erneut die Auffassung, dass im Rahmen der Ermittlung seines Einkommens im Bemessungszeitraum die Steuerklasse III zugrunde zu legen sei.

Demgegenüber verwies der Beklagte auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und vertrat die Auffassung, die Regelung des § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG beinhalte einen eindeutigen Vorrang der Steuerklassenangabe mit Geltung in der überwiegenden Zahl der Monate mit Einkommen gegenüber der Angabe der zuletzt maßgeblichen Steuerklasse am Ende des Bemessungszeitraumes.

Im Verlauf des Streitverfahrens hat der Beklagte durch Bescheid vom 18. November 2014 das dem Kläger zustehende Elterngeld endgültig festgestellt, wobei sich keine Abweichung gegenüber dem Vorbehaltsbescheid im Hinblick auf die Berechnungsfaktoren und das monatlich zustehende Elterngeld ergab.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 25. November 2014 der Klage stattgegeben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 12. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2014 und des endgültigen Feststellungsbescheides vom 18. November 2014 verurteilt, bei der Berechnung des Einkommens des Klägers die Steuerklasse III zu Grunde zu legen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das im Bemessungszeitraum erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ergebe sich aus dem monatlich durchschnittlich zu berücksichtigenden Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben, wobei Grundlage die erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers seien. Im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben regele § 2c Abs. 3 BEEG, dass es grundsätzlich auf die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung ankomme, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen erstellt worden sei. Im Falle der Änderung eines Abzugsmerkmals sei davon abweichend dasjenige Merkmal maßgeblich, das in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten habe. Vorliegend sei in der letzten Lohn- und Gehaltsabrechnung des Klägers die Steuerklasse III angeführt gewesen, diese habe jedoch nur in den beiden letzten Monaten gegolten. Habe damit eine Änderung der Steuerklasse im Bemessungszeitraum stattgefunden, bestehe im Fall des Klägers die Besonderheit, dass sich die Steuerklasse sogar zweimal geändert habe. Diese Konstellation sei von dem Gesetzgeber so wohl nicht bedacht worden. Ein Abweichen von der Grundregel des § 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG setze jedoch neben einem Steuerklassenwechsel voraus, dass die abweichende Angabe in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten habe. Eine Angabe habe in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten, wenn sie länger gegolten habe als jeweils die anderen Angaben (Hinweis auf die Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend -BMFSFJ - zum BEEG für Geburten ab dem 1. Januar 2013, Ziff. 2c.3.2.2). Hier habe jedoch die Steuerklasse IV genau wie die Steuerklasse V in jeweils fünf Monaten gegolten, so dass sich ein Überwiegen nicht feststellen lasse. Die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung des § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG seien deshalb nicht erfüllt und es bleibe bei der Grundregel des Satzes 1, wonach die Steuerklasse maßgeblich sei, die im letzten Monat des Bemessungszeitraums gegolten habe. Abschließend hat das Sozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung die Berufung zugelassen.

Gegen das dem Beklagten am 29. Dezember 2014 zugestellte Urteil richtet sich seine am 14. Januar 2015 zum Hessischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Er trägt vor, nach den vorgelegten Einkommensunterlagen des Klägers sei nachgewiesen, dass von August bis Dezember 2012 (fünf Monate) die Steuerklasse IV, von Januar bis Mai 2013 (fünf Monate) die Steuerklasse V und von Juni bis Juli 2013 (zwei Monate) die Steuerklasse III gegolten habe. Die günstigste Steuerklasse III habe damit nur in den letzten beiden Monaten vor Geburt des Kindes gegolten und könne deshalb keine Berücksichtigung finden. Soweit die Steuerklassen IV und V jeweils fünf Monate lang Gültigkeit gehabt hätten, komme es auf den letzten der beiden Betrachtungszeiträume an. Danach sei die Steuerklasse V maßgeblich.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 25. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und verteidigt seine Auffassung, dass wegen der genau gleichen Geltungsdauer der Steuerklassen IV und V das Überwiegen einer Steuerklasse nicht feststellbar sei und deshalb die zuletzt maßgebliche Steuerklasse III der Einkommensberechnung zugrunde gelegt werden müsse.

Beide Beteiligte haben übereinstimmend erklärt, dass sie mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage durch sein Urteil vom 25. November 2014 zu Recht stattgegeben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2014 und des weiteren Bescheides vom 18. November 2014 verurteilt, bei der Berechnung des Einkommens des Klägers (im Bemessungszeitraum) die Steuerklasse III zu Grunde zu legen (und entsprechend höheres Elterngeld zu bewilligen). Dem Kläger steht ein Anspruch auf höheres Elterngeld für seinen Sohn D. unter Berücksichtigung eines höheren im Bemessungszeitraum erzielten Nettoerwerbseinkommens aufgrund Berücksichtigung der Steuerklasse III zu.

Zunächst ist festzustellen, dass der Beklagte in Anwendung von § 8 Abs. 3 BEEG berechtigt war, das dem Kläger zustehende Elterngeld mit dem Bescheid vom 12. März 2014 lediglich unter Vorbehalt der Vorläufigkeit zu bewilligen. Dieser Bescheid stellt auch einen eigenständigen und damit gesondert anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2013, B 10 EG 2/12 R). Mit der endgültigen Bewilligung durch den weiteren und im Verlauf des Klageverfahrens erteilten Bescheid vom 18. November 2014 ist der Vorbehaltsbescheid vom 12. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2014 jedoch nicht vollständig ersetzt, sondern lediglich der Vorbehalt der Vorläufigkeit aufgehoben und im Übrigen wiederholend der monatliche Leistungsbetrag erneut mit 798,04 EUR bestimmt worden. Gegenstand der Klage des Klägers ist damit neben dem Bescheid vom 18. November 2014 weiterhin auch der ursprüngliche Bescheid vom 12. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2014. Soweit das Bundessozialgericht eine Ersetzung mit der Folge der Unwirksamkeit des ursprünglichen Bescheides angenommen hat (vgl. Urteil vom 21. Februar 2013, B 10 EG 12/12 R), betrifft dies Fälle, in denen mit dem endgültigen Bewilligungsbescheid eine Änderung der Elterngeldhöhe geregelt worden ist, was hier nicht zutrifft.

Nach § 1 Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr. 4). Diese Voraussetzungen sind für die streitgegenständlichen Bezugszeiträume vom 1. bis 31. März 2014 und 1. bis 31. Juli 2014 erfüllt, was sich aus den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren ergibt und auch nicht streitig ist. Streitig ist allein vielmehr die Frage, ob im Rahmen der Berechnung der Höhe des Elterngeldes bzw. der Ermittlung des Nettoerwerbseinkommens des Klägers im Bemessungszeitraum als steuerliches Abzugsmerkmal die Steuerklasse III oder aber die Steuerklasse V zu Grunde zu legen ist. Der Senat tritt der Auffassung des Sozialgerichts bei, wonach es hier auf die Steuerklasse III ankommt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG sinkt in den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200,00 EUR war, der maßgebliche Prozentsatz für die Bemessung des Elterngeldes von 67 % um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.200,00 EUR überschreitet, auf bis zu 65 %. Der Bemessungszeitraum umfasst gemäß § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG die 12 Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes. Schließlich regelt § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG, dass als Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG zu berücksichtigen ist.

Davon ausgehend sind für die Berechnung der Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers die durchschnittlichen Nettoeinnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit im Bemessungszeitraum vom August 2012 bis Juli 2013 maßgeblich. Grundlage für die Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (§ 2c Abs. 2 BEEG). Für die Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben ist grundsätzlich auf die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung abzustellen, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach § 2c Abs. 1 BEEG erstellt worden ist (§ 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG). In Abweichung von diesem Grundsatz regelt § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG, dass, soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraums eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert hat, die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich ist, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat.

Der Wortlaut von § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG ist eindeutig. Danach setzt ein Abweichen von dem Grundsatz des § 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG und der Berücksichtigung der für den letzten Monat im Bemessungszeitraum geltenden Abzugsmerkmale voraus, dass das abweichende Abzugsmerkmale zuvor und überwiegend bezogen auf den Bemessungszeitraum zur Anwendung gekommen ist. Daran fehlt es hier, denn die abweichenden Steuerklassen IV und V haben jeweils fünf Monate gegolten, so dass ein Überwiegen im Sinne der gesetzlichen Vorschrift gerade nicht feststellbar ist. Fehlt es aber an dem entscheidenden Tatbestandsmerkmal der Ausnahmeregelung des § 2c Abs. 3 Satz. 2 BEEG, verbleibt es bei der Grundregel in § 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG mit der Folge, dass auf die Abzugsmerkmale abzustellen ist, die im letzten Monat des Bemessungszeitraums gegolten haben. Dies ist hier der Monat Juli 2013, der nach dem vorliegenden Gehaltsnachweis mit dem steuerlichen Abzugsmerkmal der Steuerklasse III abgerechnet worden ist.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Richtlinien des BMFSFJ zum BEEG für Geburten ab dem 1. Januar 2013 (Ziff. 2c.3.2.2), worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Darin ist ausgeführt, dass eine Angabe in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat, wenn sie länger gegolten hat als jeweils die anderen Angaben. Vorliegend haben die Steuerklassen IV und V jedoch gleich lang gegolten. Ungeachtet der Frage der Verbindlichkeit der Richtlinien ist damit jedenfalls dokumentiert, dass auch das BMFSFJ eine überwiegende Geltung des betreffenden Abzugsmerkmals als Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG ansieht.

Soweit demgegenüber der Beklagte die Steuerklasse III nicht berücksichtigen will vor dem Hintergrund, dass die Steuerklassen IV und V jeweils länger gegolten haben und wegen der gleich langen Geltung dieser beiden Steuerklassen auf diejenige abzustellen sei, die zuletzt gegolten habe, findet diese Handhabung keine Stütze im Gesetz. Ebensowenig lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen, dass mit der gesetzlichen Vorschrift des § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG die vorliegende Fallkonstellation im Sinne der Handhabung des Beklagten geregelt werden sollte.

Der Gesetzgeber hat mit dem zum 18. September 2012 in Kraft getretenen Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10. September 2012 (BGBl. I S. 1878 ff.) u.a. die Neuregelung des § 2c BEEG eingefügt. Ziel des Gesetzes war - wie bereits in dem Namen zum Ausdruck kommt - die Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, insbesondere im Hinblick auf eine aufwändige Einkommensermittlung aufgrund der zuvor geltenden Rechtslage (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrates, Bundestags-Drucksache - BT-Drucks. - 17/1221, Seite 1). Eine erhebliche Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes bzw. Erleichterung der Einkommensermittlung sollte durch Pauschalierung von Steuern und Abgaben erreicht werden (BT-Drucks. a.a.O. Seite 7). Soweit der Entwurf des Bundesrates zu § 2c BEEG keine weitere Begründung enthält, findet sich in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BT-Drucks. 17/9841, Seite 22) zu § 2 c Abs. 3 BEEG lediglich die - im Wesentlichen den Gesetzeswortlaut wiederholende - Angabe, Satz 2 regele Fälle, in denen sich eine Angabe nach Satz 1 innerhalb des Bemessungszeitraums geändert habe. In diesen Fällen sei die abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten habe. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Angabe in der letzten Lohn- und Gehaltsbescheinigung gelte, wenn die abweichende Angabe und die Angabe in der letzten Lohn- und Gehaltsbescheinigung in gleichem Umfang gegolten hätten. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber lediglich den Fall einer einmaligen Änderung von Abzugsmerkmalen in den Blick genommen hat und auf das überwiegende Merkmal abstellen wollte.

Es liegt insoweit keine durch teleologische Auslegung zu füllende Gesetzeslücke vor. Sowohl der genannte Gesetzentwurf als auch die Beschlussempfehlung machen deutlich, dass eine erhebliche Reduzierung des Verwaltungsaufwandes insbesondere durch Pauschalierung von Steuern und Abgaben bei der Einkommensermittlung erreicht werden sollte. Jede Pauschalierung hat jedoch auch zur Folge, dass es in gewissem Umfang auf Einzelfallkonstellationen nicht mehr ankommt. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die vorliegende Konstellation einer zweimaligen Änderung der Steuerklasse während des Bemessungszeitraumes schlicht übersehen hat. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass lediglich mit der tatsächlich umgesetzten Ausnahmevorschrift des § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG eine abweichende Regelung gegenüber dem in § 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG geregelten Grundsatz geschaffen werden sollte. Daran sind sowohl die Gerichte als auch die für den Vollzug des BEEG zuständigen Verwaltungsbehörden gebunden. Hätte für den Fall einer mehrfachen Änderung eines steuerlichen Abzugsmerkmals eine Handhabung entsprechend der Auffassung des Beklagten erfolgen sollen, wäre es dem Gesetzgeber möglich gewesen, dies zu regeln und die Ausnahmevorschrift entsprechend zu ergänzen. Soweit dies nicht erfolgt ist verbleibt es bei Nichterfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 2c Abs. 3 Satz 2 BEEG - bei dem in § 2c Abs. 3 Satz 1 BEEG geregelten Grundsatz.

Letztlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der vorliegend erfolgte mehrfache Wechsel der Steuerklasse in Ansehung der Höhe des Elterngeldes rechtsmissbräuchlich sein könnte (vgl. die zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs divergierenden Auffassungen des BSG, Urteil vom 25. Juni 2009, B 10 EG 3/08 R sowie des BMFSFJ, Richtlinien a.a.O., Ziff. 0.2.2.1). Dies ist von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht worden.

Die Berufung des Beklagten war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war zuzulassen. Insoweit ist grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zu bejahen, da eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der vorliegend entschiedenen Rechtsfrage noch nicht ergangen ist.
Rechtskraft
Aus
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