L 10 R 2837/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 194/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2837/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.06.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine teilweise Aufhebung der Bewilligung ihrer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Monate Januar 2013 und Juni 2013 wegen Hinzuverdienstes und die Erstattung der in diesen Monaten entstandenen Überzahlung i.H.v. 1.225,69 EUR.

Die am 1963 geborene Klägerin war bei der Universität K. als physikalisch-technische Assistentin im Labor tätig. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Ab August 2005 war die Klägerin auf Grund ihrer Erkrankung an multipler Sklerose und psychischen Beschwerden dauerhaft arbeitsunfähig. Sie erhielt zunächst Lohnfortzahlung von ihrem Arbeitgeber, von Februar 2006 bis Ende Januar 2007 Krankengeld (vgl. Bl. 218 Verwaltungsakte - VA - ) und ab Februar 2007 bis August 2007 Arbeitslosengeld (vgl. Bl. 212 VA).

Nachdem die auf Grund des Rehaantrages vom September 2005 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme erfolglos geblieben war (Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit am konkreten Arbeitsplatz, vgl. Entlassungsbericht der H. I, Abteilung Neurologie, vom 11.05.2006, Bl. 80 ff. VA) bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst für die Zeit vom 01.09.2007 bis 30.04.2009 (Bescheid vom 29.08.2007) und - auf Grund des Widerspruches der Klägerin - mit Bescheid vom 24.01.2008 für die Zeit vom 01.03.2006 bis 28.02.2009 (vgl. Bl. 200 ff. VA). Auf Weiterbewilligungsanträge der Klägerin wurde die volle Erwerbsminderungsrente zunächst bis 31.03.2012 (Bescheid vom 19.06.2009) und anschließend mit Bescheid vom 10.11.2011 auf Dauer in Höhe der bisherigen Zahlbetrages (Bl. 382 Rückseite VA) weitergewährt. Ab Januar 2013 belief sich die volle Erwerbsminderungsrente auf 913,00 EUR brutto (Zahlbetrag 817,13 EUR und ab Juli 2013 auf 915,28 EUR brutto (Zahlbetrag 819,18 EUR, vgl. Bl. 409 VA).

Wegen der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente ruhte das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf Grund tarifvertraglicher Regelungen ab 01.09.2007 (vgl. § 33 Abs. 2 S. 5 und 6 TV-L) und endete mit Ablauf des 31.03.2012 (vgl. § 33 Abs. 2 S. 1 und 3 TV-L). Insoweit wird auf die Schreiben des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV) von November 2013 (Bl. 491 VA) und Juni 2013 (Bl. 419 VA) verwiesen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestand noch ein Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 und 2007 i.H.v. 6.532,71 EUR brutto und für die Jahre 2011 und 2012 i.H.v. 3.266,25 EUR brutto. Auf den Anspruch für die Jahre 2006 und 2007 erfolgte im Dezember 2012 eine Abschlagszahlung in Höhe von 3.000,00 EUR, der Rest wurde im Januar 2013 ausbezahlt. Die Urlaubsabgeltung für die Jahre 2011 und 2012 wurde im Juni 2013 ausbezahlt (vgl. Mitteilungen des LBV vom Januar 2013, Bl. 394 VA, und vom Juli 2013, Bl. 395 VA, sowie Bl. 497 f. VA).

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 06.08.2013 die Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2013 unter Berücksichtigung einer für Januar 2013 angenommen Einmalzahlung i.H.v. 6.532,71 EUR und der im Juni 2013 erfolgten Einmalzahlungen neu und stellte wegen Überschreitens des zulässigen Hinzuverdienstes eine zu erstattende Überzahlung i.H.v. 1.225,69 EUR fest. Wegen des Hinzuverdienstes stehe der Klägerin für Januar 2013 keine Rente und für Juni 2013 Rente nur in Höhe der Hälfte, entsprechend 456,50 EUR brutto (408,57 EUR netto), zu. Den Rentenbescheid vom 24.01.2008 hob die Beklagte hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Monate Januar 2013 und Juni 2013 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte die Erstattung der entstandenen Überzahlung nach § 50 SGB X. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungen wird auf den Bescheid vom 06.08.2013 und dessen Anlagen (Bl. 472 ff. VA) verwiesen. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.12.2013).

Dagegen hat die Klägerin am 15.01.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und - unter Verweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10.07.2012 (B 13 R 85/11 R in SozR 4-2600 § 96a Nr. 14) - geltend gemacht, dass es sich bei der nachträglichen Urlaubsabgeltung nicht um einen rentenschädlichen Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) handele.

Mit Urteil vom 03.06.2015 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 06.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 aufgehoben und - unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 17.10.2012 - zur Begründung ausgeführt, dass keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X vorliege, weil die Urlaubsabgeltungszahlungen keinen rentenschädlichen Hinzuverdienst in Sinne des § 96a Abs. 1 SGB VI darstellen würden. Berücksichtigungsfähig im Rahmen des § 96a Abs. 1 SGB VI sei ein Hinzuverdienst nur, wenn der Versicherte das Arbeitsentgelt durch Arbeitsleistung aus einer nach Rentenbeginn noch bestehenden Beschäftigung erzielt habe. Arbeitsentgelte, die dem Rentenempfänger nach Aufgabe der Beschäftigung (Unterbrechung oder Beendigung) für Zeiten vor Rentenbeginn auf Grund arbeits- oder tarifvertraglicher Regelungen noch zufließen würden, seien nicht als rentenschädlicher Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 1 SGB VI zu berücksichtigen. Dies gelte nicht nur, wenn - wie in dem der Entscheidung des BSG vom 27.10.2012 zu Grunde liegenden Sachverhalt - das Beschäftigungsverhältnis bereits bei Rentenbeginn geruht habe, sondern auch dann, wenn das Beschäftigungsverhältnis zwar bei Rentenbeginn noch nicht geruht habe, aber das streitige Arbeitsentgelt erst zu einem Zeitpunkt ausgezahlt oder fällig geworden sei, zu dem das Beschäftigungsverhältnis bereits beendet gewesen sei.

Gegen das ihr am 11.06.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.07.2015 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, dass die Anwendung des § 96a SGB VI nicht auf Fallgestaltungen reduziert werden könne, in denen Arbeitsentgelt auf Grund einer tatsächlichen Arbeit im Sinne einer aktiven Tätigkeit erzielt werde. Die Erwerbsminderungsrenten hätten Lohnersatzfunktion, die Hinzuverdienstgrenzen sollten daher eine Übersicherung des Versicherten vermeiden. Es komme daher lediglich darauf an, dass Einkünfte aus einem nach Rentenbeginn noch bestehenden Beschäftigungsverhältnis mit der Rente zusammen treffen würden. Beim Abstellen auf eine tatsächliche Arbeitsleistung komme es zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Versicherten, die ihren Urlaub in Anspruch genommen und hierfür Arbeitsentgelt erhalten hätten, welches als Hinzuverdienst zu berücksichtigen sei. Es erschließe sich auch nicht, warum Arbeitsentgelt für den Zeitraum der Lohnfortzahlung während einer Arbeitsunfähigkeit als Hinzuverdienst zu berücksichtigen sei, obwohl die Beschäftigung unterbrochen und eine Arbeitsleistung nicht erbracht worden, Arbeitsentgelt während des in Anspruch genommenen Urlaubs jedoch trotzdem unstreitig als Hinzuverdienst im Sinne des § 96a SGB VI zu berücksichtigen sei. Im Übrigen ergebe sich aus § 96a Abs. 3 SGB VI, dass auch dem Arbeitsentgelt gleichstehende Leistungen, die nicht auf der Erbringung einer Arbeitsleistung beruhen würden, als Hinzuverdienst zu berücksichtigen seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.06.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetztes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 06.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013, mit dem die Beklagte den die Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligenden Bescheid vom 24.01.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate Januar 2013 und Juni 2013 aufhob, den Rentenzahlbetrag unter Berücksichtigung anzurechnenden Einkommens neu berechnete und die Erstattung der entstandenen Überzahlung verlangte.

Zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid vom 06.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 06.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Voraussetzung für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 24.01.2008 nach § 48 SGB X liegen nicht vor. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend dargelegt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des die Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligenden Bescheides vom 24.01.2008 hinsichtlich der Rentenhöhe ist § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 3 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt hierbei in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Bei Zusammentreffen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Hinzuverdienst ist ergänzend die Regelung in § 100 Abs. 1 S 1 SGB VI zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Änderung der Rentenhöhe anzuwenden ist. Danach wird bei einer für die Rentenhöhe bedeutsamen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Änderung wirksam ist. Bezogen auf die Anrechnung von Hinzuverdienst bedeutet dies gemäß § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X, dass bei einem Überschreiten der monatlichen Hinzuverdienstgrenzen im Laufe eines Kalendermonats die Rente bereits von Beginn des betreffenden Monats an in angepasster Höhe zu leisten ist. Denn § 96a Abs. 1 S 2 SGB VI stellt auf das Arbeitsentgelt "im Monat" ab, um für diesen Monat des Zusammentreffens mit der Rente das Überschreiten der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze festzustellen. Unerheblich ist insoweit, zu welchem Zeitpunkt im Monat (am Anfang, in der Mitte oder am Ende) das Arbeitsentgelt als "rentenschädlicher" Hinzuverdienst erzielt wird. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X stets der Beginn des Anrechnungszeitraums und hier somit der Monatsbeginn (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 23).

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist nicht eingetreten. Denn die Klägerin erzielte nach Erlass des Bewilligungsbescheides kein Einkommen, das zur Minderung des Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente führte. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Einmalzahlungen des Arbeitgebers für Urlaubsabgeltungen nicht als Hinzuverdienst i.S.d. § 96a SGB VI auf die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit anzurechnen.

Es bedarf vor diesem Hintergrund - Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Einkommensanrechnung überhaupt - keiner weiteren Darlegung, dass auch der Umfang der für Januar 2013 erfolgten Einkommensanrechnung einer Prüfung nicht standhielte. Denn die Klägerin erhielt im Januar 2013 den von der Beklagten der Anrechnung zu Grunde gelegten Betrag von 6.532,71 EUR nicht. Vielmehr wurde die Urlaubsabgeltung in dieser Höhe für die Jahre 2006 und 2007 in Form einer Abschlagszahlung im Dezember 2012 in Höhe von 3.000,00 EUR ausbezahlt und im Januar 2013 lediglich die Restsumme. Soweit die Beklagte in der Berufung ausführt, der Klägerin stehe auch im Monat Juni 2013 die Rente in Höhe der Hälfte zu, allerdings ebenso im Monat Dezember 2012, verkennt sie, dass eine (teilweise) Aufhebung der Feststellung des Rentenzahlbetrages für Dezember 2012 zu keinem Zeitpunkt erfolgte.

Die Anrechnung von Hinzuverdienst richtet sich nach § 96a Abs. 1 SGB VI. Danach wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (Satz 1). Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt (Satz 2). Nach Abs. 2 dieser Vorschrift beträgt die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2013 450,00 EUR (§ 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI in der ab 01.01.2013 geltenden Fassung).

Zwar handelt es sich (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 33) bei der Urlaubsabgeltung um Arbeitsentgelt im Sinne des § 96 a SGB VI in Verbindung mit § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Dieses resultiert jedoch nicht aus einer Beschäftigung im Sinne von § 96a SGB VI. Dies hat das BSG in der bereits vom Sozialgericht angeführten Entscheidung dargelegt. Dem schließt sich der Senat - anders als die Beklagte - an.

Der Begriff der Beschäftigung im Sinne des § 96 a SGB VI entspricht der in § 7 SGB IV definierten Beschäftigung (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, a.a.O., Rdnrn. 39 ff.). Hiernach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB IV). Die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung in der Sozialversicherung hat "funktionsdifferent" zu erfolgen. Der Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne unterscheidet sich von dem Begriff der Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne. Vorliegend ist vom leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung auszugehen, wobei das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen ist, sondern vielmehr bereits dann endet, wenn die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht (mehr) erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat.

Dies ist - so das BSG weiter (a.a.O., Rdnrn. 36 f.) - beispielsweise dann der Fall, wenn mit dem Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit gemäß tarifvertraglicher Reglungen - hier § 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TV-L - das fortbestehende Arbeitsverhältnis zum Ruhen gebracht wird. Dadurch werden die Dienstleistungspflicht des Arbeitnehmers und gleichzeitig die Vergütungspflicht des Arbeitgebers suspendiert. In dieser Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten liegt auf Seiten des Arbeitgebers ein (tarifvertraglich zwingend angeordneter) Verzicht auf sein Direktionsrecht und damit auf seine Verfügungsmacht über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Dies führt aus leistungsrechtlicher Sicht zur Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses.

Ruht das Arbeitsverhältnis auf Grund arbeits- oder tarifvertraglicher Regelungen wegen des Rentenbezuges und fließt nach Rentenbeginn dem Rentenempfänger während dieses ruhenden Arbeitsverhältnisses noch Arbeitsentgelt zu, handelt es sich dabei - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht um einen rentenschädlichen Hinzuverdienst (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, a.a.O., Rdnrn. 45 ff.). Diese Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 96a SGB VI ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit der Einführung der Hinzuverdienstgrenzen zum 01.01.1996 verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, die "Lohnersatzfunktion" der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stärken. Sie sollen verhindern, dass durch den gleichzeitigen Bezug von Erwerbseinkommen und einer als Ersatz für Erwerbseinkommen konzipierten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit möglichweise sogar ein höheres Gesamteinkommen erzielt wird als vor Eintritt der Erwerbsminderung. Dem entspricht, dass der Gesetzgeber durch die Hinzuverdienstgrenzen insbesondere die Möglichkeit des Versicherten einschränken wollte, durch Arbeit neben einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit - "auf Kosten seiner Gesundheit" - unbegrenzt hinzu zu verdienen. Denn mit Blick auf die Zielsetzung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, den durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetretenen Einkommensverlust auszugleichen, sah der Gesetzgeber keine Rechtfertigung dafür, ein Einkommen, das durch Arbeit auf Kosten der Gesundheit erzielt wird, unberücksichtigt zu lassen (BT-Drucksache 13/2590 S. 20). Hieraus erschließt sich insgesamt, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers rentenschädlich grundsätzlich nur ein Hinzuverdienst aus einer "Arbeit" des Versicherten (gleichzeitig) "neben" der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sein soll, also Arbeitsentgelt, das der Versicherte durch Arbeitsleistung aus einer nach Rentenbeginn noch bestehenden Beschäftigung erzielt hat. In einer solchen Konstellation ist trotz des Eintritts des versicherten Risikos der Erwerbsminderung eine finanzielle Kompensation durch die Rente auf Grund des gleichwohl weiter erzielten Arbeitsverdienstes nicht geboten. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass Arbeitsentgelte, die dem Rentenempfänger nach Aufgabe der Beschäftigung (Unterbrechung oder Beendigung) für Zeiten vor Rentenbeginn noch zufließen, nicht als ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 1 SGB VI zu berücksichtigen sind.

Vorliegend ist - wie das Sozialgericht unter Darlegung der im TV-L einschlägigen Regelungen (§ 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TV-L) zutreffend dargelegt hat - durch die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente auf Zeit ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses auf Grund tarifvertraglicher Be-stimmungen ab 01.09.2007 eingetreten. Dies wurde vom Arbeitgeber der Klägerin gegenüber der Beklagten schriftlich bestätigt (Bl. 419 VA). Damit wurde das Beschäftigungsverhältnis unterbrochen. Somit sind die Ausführungen des BSG in der bereits zitierten Entscheidung auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Der im Vordergrund stehende Einwand der Beklagten - die Anwendung des § 96a SGB VI könne nicht auf Fallgestaltungen reduziert werden, in denen Arbeitsentgelt auf Grund einer tatsächlichen Arbeit im Sinne einer aktiven Tätigkeit erzielt werde - ist damit - bei Anwendung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung - der Boden entzogen.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass hier die vom BSG aufgestellten Anforderungen nicht erfüllt seien, da das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Zeitpunkt des Beginns der Erwerbsminderungsrente (01.03.2006) weder nach arbeitsvertraglichen noch tarifvertraglichen Regelungen ruhte, sondern erst mit Ablauf des 31.03.2012 endete, überzeugt dies nicht. Das Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist nicht mit dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen (BSG, a.a.O., Rdnr. 40). Entscheidend ist, dass das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt nicht aus einer während des Rentenbezuges noch bestehenden Beschäftigung stammt. Ob das Arbeitsverhältnis noch fortbesteht, ist gerade nicht maßgeblich.

Auch der Einwand der Beklagte, bei Rentenbeginn habe kein Ende des Beschäftigungsverhältnisses vorgelegen, dieses sei vielmehr erst zum 01.09.2007 eingetreten, weshalb die Entscheidung des BSG keine Anwendung finden könne, überzeugt nicht. Das BSG stellte in seiner Entscheidung nicht maßgeblich darauf ab, ob bei Rentenbeginn das Beschäftigungsverhältnis bereits nicht mehr bestand. Als entscheidend sah es vielmehr an, ob die Einmalzahlung dem Versicherten nach Rentenbeginn bei ruhendem Arbeitsverhältnis und dadurch unterbrochenem Beschäftigungsverhältnis (im leistungsrechtlichen Sinne) zufließt (BSG, a.a.O. Rdnrn. 20, 29). Dies ist auch dann der Fall, wenn - wie hier - auf Grund tarifvertraglicher Regelungen bei rückwirkender Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente das Beschäftigungsverhältnis zwar nicht rückwirkend zum Rentenbeginn (01.03.2006), sondern erst ab dem Folgemonat der Zustellung des Rentenbescheids (01.09.2007, § 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TV-L) ruht, die Einmalzahlung aber allein auf Grund tarifvertraglicher Regelungen - ohne Arbeitsleistung - aus einem zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis zufließt. Denn auch dann beruht die Einmalzahlung nicht auf einer "Arbeit" des Versicherten neben der Erwerbsminderungsrente.

Soweit die Urlaubsabgeltung vom Januar 2013 (auch) Urlaub für die Zeit nach Rentenbeginn (01.03.2006), aber vor dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses (01.09.2007) erfasst, also jedenfalls jene für das Jahr 2006, war das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin für diesen Zeitraum zwar (noch) nicht auf Grund des Ruhens des Arbeitsverhältnisses unterbrochen. Dennoch stellt auch die für diesen Zeitraum gezahlte Urlaubsabgeltung keinen "rentenschädlichen" Hinzuverdienst i.S.d. § 96a SGB VI dar.

Dabei kann offen bleiben, ob es auf Grund der bereits ab August 2005 bestehenden dauerhaften Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nach Rentenbeginn an einer Tätigkeit nach Weisungen und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV fehlt mit der Folge eines faktischen Ruhens des Arbeitsverhältnisses und damit einhergehender Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2015, L 9 R 5132/14; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.01.2016, L 2 R 615/14; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.08.2016, L 14 R 131/15, jeweils in juris). Denn selbst wenn ein Beschäftigungsverhältnis noch bis August 2007, dem Monat vor dem tarifvertraglich festgelegten Ruhen des Arbeitsverhältnisses, angenommen würde, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn bis August 2007 war der Anspruch auf Urlaubsabgeltung weder entstanden noch war eine entsprechende Zahlung erfolgt. Es kann daher ebenfalls dahinstehen, ob für die Frage der Zuordnung der tatsächliche Zufluss der Einmalzahlungen oder der Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem der Anspruch erstmals entstanden war (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.05.2014, L 1 R 419/12, Rdnr. 23, in juris). Denn die Zahlungen sind der Klägerin sowohl nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (Ablauf des 31.08.2007) zugeflossen als auch erst nach Beschäftigungsende gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), der hier über § 26 Abs. 2 TV-L Anwendung findet, entstanden. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht nach dieser Vorschrift, soweit er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann, also erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (hier: 31.03.2012, vgl. insoweit auch die Mitteilung des LBV vom August 2012, Bl. 385 VA, und BAG, Urteil vom 20.09.2011, 9 AZR 416/10, Rdnr. 20, in juris).

Soweit die Beklagte eine daraus resultierende Ungleichbehandlung zur Zahlung von Arbeitsentgelt während des Urlaubs und zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall behauptet, weil diese als Hinzuverdienst i.S.d. § 96a SGB VI zu berücksichtigen seien, obwohl auch während diesen Zeiten keine Arbeitsleistung vorliege, überzeugt dies nicht. Dabei handelt es sich um Unterbrechungen der tatsächlichen Arbeitsleistung "von begrenzter Dauer" bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts, denen für den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beizumessen ist (vgl. BSG, Urteil vom 18.04.1991, 7 Rar 106/90, Rdnr. 25 m.w.N. in SozR 3-4100 § 104 Nr. 6; Seewald in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 7 SGB IV Rdnr. 137).

Soweit die Beklagte auf Zuwendungen wie Weihnachtsgeld abstellt und meint, diese beruhten nicht auf der Arbeitsleistung des Betroffenen, übersieht die Beklagte, dass auch solche Zuwendungen unter den Begriff des Arbeitsentgelts i.S. des § 14 SGB IV fallen, denen kein Anspruch des Arbeitgebers auf Arbeitsleistung gegenübersteht (vgl. Ziegelmeier in KassKomm, Sozialversicherungsrecht, § 14 SGB IV Rdnr. 30) und das BSG die Anrechnung von Einkommen nach § 96a SGB VI nicht generell von einem Äquivalent zu einer Arbeitsleistung abhängig gemacht hat, sondern eine Anrechnung nach § 96a SGB VI nur ausschließt, wenn kein Beschäftigungsverhältnis mehr vorliegt.

Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - aus der Vorschrift des § 96a Abs. 3 SGB VI. Diese enthält eine - für die vorliegende Einmalzahlung von Arbeitsentgelt nicht einschlägige - Sonderreglung für die Feststellung des Hinzuverdienstes bei Bezug von Entgeltersatzleistungen. Der Vergleich der Beklagten geht damit schon im Ansatz fehl.

Da somit die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung der Rentenbewilligung rechtswidrig war, liegen auch die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch gemäß § 50 Abs. 1 SGB X nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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