L 7 SO 4222/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SO 2869/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 4222/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. Oktober 2016 (Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die unter der Beachtung der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristge-recht eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

Gegenstand des am 13. September 2016 vom Antragsteller beim SG anhängig gemachten Eilverfahren (S 14 SO 2869/16 ER) war die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab dem 5. März 2015. Nachdem der Antragsteller vom SG darauf hingewiesen worden war, dass anstelle der beantragten Leistungen nach dem SGB XII ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Betracht kommen dürfte und eine entsprechende Antragstellung angeraten hatte, teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 15. September 2016 (Bl. 16 Rückseite der SG-Akten) mit, eine Umdeutung seines Antrags "nach SGB II" komme" aufgrund Verstoßes gegen Grundrechte, sowie nach dem Zitiergebot Artikel 19 Abs. 1" Satz 2 Grundgesetz (GG) nicht in Frage.

Nach Beiladung des Jobcenter Landkreis H. hat das SG den Antrag mit Beschluss vom 27. Oktober 2016 abgelehnt mit der Begründung, der Antragsteller gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis für Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII. Einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II habe der Antragsteller ausdrücklich nicht gestellt. Darüber hinaus liege auch keine besondere Eilbedürftigkeit vor, da der Antragsteller die Bearbeitung seiner Anträge monatelang durch mangelnde Mitwirkung verzögert und auch nach Abgabe des Vorgangs an das beigeladene Jobcenter jegliche Mitwirkung vermissen lasse.

Gegen den am 4. November 2016 an den Antragsteller zugestellten Beschluss hat dieser am 10. November 2016 Beschwerde eingelegt und auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, es würden auch Ansprüche gegen den Beigeladenen geltend gemacht.

II.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt und zwar für An-fechtungssachen in dessen Abs. 1, für Vornahmesachen in dessen Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Wider-spruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 4 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Vorliegend kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt - neben der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs - das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrunds voraus (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 - L 7 AS 41/16 ER-B - (juris Rdnr. 11) und 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - (juris Rdnr. 7)). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). In den Fällen, in denen die einstweilige Anordnung die Hauptsache vorwegnimmt, ist der Anordnungsanspruch besonders eingehend zu prüfen, denn es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 2. August 2016 - L 7 SO 2159/16 ER-B - (www.sozialgerichtsbarkeit.de); Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 2015 - L 19 AS 2347/14 B ER - (juris Rdnr. 24); Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 3, jeweils m.w.N.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der des Senats (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 2. August 2016, a.a.O., 26. Januar 2016 a.a.O. und 17. August 2005 a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe besteht kein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Soweit der Antragsteller Leistungen für die Zeit vor Anbringung seines Eilantrags am 13. September 2016 begehrt, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG bedarf eines Gegenwartsbezugs im Sinne einer aktuellen Notlage, also einer besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine derartige Entscheidung bleibt vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Das gilt namentlich für Leistungen, die für einen Zeitraum vor dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt werden (vgl. hierzu nur Keller, a.a.O., u. a. Rdnr. 35a m.w.N.). Denn die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dient der Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 26. Januar 2016 a.a.O. (juris Rdnr. 12) und vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - (juris Rdnr. 3)). Aus dem Gegenwartsbezug der einstweiligen Anordnung folgt, dass dieser vorläufige Rechtsbehelf für bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung zurückliegende Zeiträume nur ausnahmsweise in Betracht kommt; es muss durch die Nichtleistung in der Vergangenheit eine Notlage entstanden sein, die bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht. Einen derartigen Nachholbedarf für die Zeit ab dem 5. März 2015 (Eingang des Leistungsantrags beim Antragsgegner) hat der Antragsteller nicht dargetan und erst recht nicht glaubhaft gemacht.

Auch für die Zeit seit Anhängigkeit des Eilantrags (13. September 2016) ist der erforderliche Anordnungsgrund zur Überzeugung des Senats (§§ 128 Abs. 1 Satz 1, 142 Abs. 1 SGG) nicht glaubhaft gemacht. Der Senat kann offen lassen, ob Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch ein Anspruch gegen den Beigeladenen ist, nachdem der Antragsteller zunächst im Antragsverfahren erklärt hatte, eine "Umdeutung nach SGB II" komme nicht in Frage, im Beschwerdeverfahren dann jedoch vorgetragen hat, auch Ansprüche gegen den Beigeladenen geltend zu machen. Denn jedenfalls fehlt es insoweit an der Eilbedürftigkeit und damit an einem Anordnungsgrund, nachdem sich der Beigeladene - nach Erklärung des Antragstellers, auch gegen diesen Ansprüche geltend zu machen - unverzüglich bereit erklärt hat, nach Vorlage der erforderlichen Antragsunterlagen über den Anspruch zu entscheiden. Insoweit ist es dem Antragsteller zumutbar, bei der Sachverhaltsermittlung durch den Beigeladenen mitzuwirken und ggf. dessen Entscheidung abzuwarten.

Ein Anspruch gegen den Antragsgegner besteht nicht. Hierzu wird auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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