L 10 R 5158/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 982/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5158/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.11.2015 wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höhere Rentenleistungen ab dem 01.04.2015 unter Berücksichtigung von in K. im Zeitraum vom 02.12.1970 bis 20.05.1995 zurückgelegten Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Die am 1951 im Gebiet N. (K. ) geborene Klägerin war in ihrem Geburtsland mit Unterbrechungen vom 02.12.1970 bis 20.05.1995 beschäftigt (vgl. Bl. 37 Verwaltungsakte - VA -). Sie ist mit dem am 03.01.1964 geborenen V. M. verheiratet. Die Klägerin und ihr Ehemann verließen K. am 24.05.1995 und trafen am selben Tag in der Bundesgebiet Deutschland ein, wo sie sich seither aufhalten. Der Ehemann der Klägerin wurde als Spätaussiedler i.S.d. § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) und die Klägerin als Ehegatte eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs. 2 BVG anerkannt (vgl. Bescheinigung Nr. 08315/0755 des Landratsamts B.-H. vom 08.11.1995, Bl. 115 ff. VA). Bis zur Erlangung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit am 11.01.1999 war die Klägerin russische Staatsangehörige (vgl. Bl. 12 SG-Akte). In Deutschland war die Klägerin zunächst arbeitslos und von April 1998 bis November 2014 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 01.04.2015 hat die Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung i.H.v. 115,15 EUR brutto (vgl. Bescheid vom 18.04.2016, unblattierter Teil VA) und ab 01.10.2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. 230,30 EUR brutto (vgl. Bescheid vom 20.04.2016, unblattierter Teil VA) bezogen und seit 01.11.2016 bezieht sie Regelaltersrente i.H.v. 252,69 EUR brutto (vgl. Bescheid 22.08.2016, Bl. 20 LSG-Akte).

Auf ihren Antrag auf Kontenklärung vom August 2012 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.2012 und Widerspruchsbescheid vom 31.01.2013 nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Zeiten bis 31.12.2005 verbindlich fest. Die Vormerkung der Zeit vom 02.12.1970 bis 20.05.1995 wurde abgelehnt, weil die persönlichen Voraussetzungen des § 1 FRG nicht erfüllt seien.

Die Klägerin hat dagegen am 01.03.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben, sich auf ihren Status als Ehefrau eines Spätaussiedlers berufen, die Verfassungswidrigkeit der zum 01.01.1993 geänderten gesetzlichen Regelungen über die Anerkennung von rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG geltend gemacht und einen Antrag auf Aufnahme in das Bundesgebiet nach dem BVFG im November 1991 behauptet.

Während des Klageverfahrens sind die bereits genannten Bewilligungsbescheide auf Rente wegen Erwerbsminderung (Bescheid vom 18.04.2016 und Bescheid vom 20.04.2016) ergangen, die jeweils - entsprechend dem Vormerkungsbescheid - die Zeit vom 02.12.1970 bis 20.05.1995 nicht als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit nach dem FRG berücksichtigen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rentenberechnungen und der zu Grunde liegenden Zeiten wird auf die Bescheide vom 18.04.2016 und vom 20.04.2016 und deren Anlagen (vgl. unblattierter Teil VA) verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.11.2015 abgewiesen und - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26.01.2000, B 13 RJ 39/98 R) - die maßgeblichen Regelungen als verfassungsgemäß erachtet.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 13.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am Montag, den 14.12.2015 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt.

Während des Berufsverfahrens ist der bereits genannte Regelaltersrentenbescheid vom 22.08.2016 ergangen, der wiederum die Zeit vom 02.12.1970 bis 20.05.1995 nicht als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit nach dem FRG berücksichtigt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rentenberechnung und der zu Grunde liegenden Zeiten wird auf den Bescheid vom 22.08.2016 und dessen Anlagen (vgl. Bl. 20 ff. LSG-Akte) verwiesen.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren erneut die Verfassungswidrigkeit der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen über die Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten in ihrem Herkunftsland geltend gemacht und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 und 3 GG (Schlechterstellung gegenüber ihrem als Spätaussiedler privilegierten Ehemann und Schlechterstellung wegen ihrer Abstammung), gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz von Ehe und Familie), gegen Art. 14 Abs. 1 GG (Eingriff in rentenrechtliche Zeiten als geschützte Rechtsposition) und gegen Art. 20 Abs. 3 GG (Vertrauensschutz) behauptet.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12.11.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 18.04.2016, 20.04.2016 und 22.08.2016 zu verurteilen, ihr ab 01.04.2015 jeweils höhere Rente unter Berücksichtigung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG vom 02.12.1970 bis 20.05.1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückweisen und die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Höhe der ab 01.04.2015 bewilligten Rentenleistungen unter Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG vom 02.12.1970 bis 20.05.1995. Gegenstand des Rechtsstreits sind damit zum einen die während des Klageverfahrens ergangenen Bescheide vom 18.04.2016 und 20.04.2016, mit dem die Beklagte der Klägerin ab dem 01.04.2015 Rente wegen teilweiser und ab 01.10.2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt hat. Darüber hinaus ist Gegenstand des Rechtsstreits der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 22.08.2016, mit dem die Beklagte der Klägerin ab 01.11.2016 Regelaltersrente bewilligt hat, über den der Senat auf Klage entscheidet.

Nicht mehr zulässiger Prüfungsgegenstand ist der Vormerkungsbescheid vom 12.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2013, gegen den sich die Klage ursprünglich gerichtet hat. Ergehen - wie hier - im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens gegen einen Vormerkungsbescheid in Bezug auf die streitbefangenen Zeiten Rentenbescheide, wird der Vormerkungsbescheid mit Erlass dieser Rentenbescheide während des laufenden Klage- bzw. Berufungsverfahrens durch diese Rentenbescheide gemäß § 96 Abs. 1 SGG ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011, B 5 R 36/11 R in SozR 4-2600 § 248 Nr. 1).

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Bescheide vom 18.04.2016, 20.04.2016 und 22.08.2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Rentenleistungen (Erwerbsminderung- und Regelaltersrente) ab dem 01.04.2015 unter Zugrundelegung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach dem FRG vom 02.12.1970 bis 20.05.1995.

Die Höhe der Rente wegen Erwerbsminderung und der Regelaltersrente bestimmt sich nach den Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI) sowie daraus abgeleitete Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten (§ 63 Abs. 3 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfacht werden. Die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich, indem die Summe aller Entgeltpunkte u. a. für Beitragszeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Nach § 55 Abs. 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (Satz 1) oder für die Pflichtbeiträge als gezahlt gelten (Satz 2). Die Zeiten, für die von der Klägerin nach Bundesrecht Beiträge gezahlt wurden, hat die Beklagte berücksichtigt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die von ihr in K. zurückgelegten Zeiten jedoch nicht als Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen zwar Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Gleiches gilt unter bestimmten Umständen für Beschäftigungszeiten im Herkunftsgebiet (§ 16 FRG). Voraussetzung für die Feststellung von Versicherungszeiten nach dem FRG ist jedoch, dass der Betroffene zu dem vom FRG begünstigten Personenkreis gehört. Das FRG findet gemäß § 1 FRG unbeschadet der - hier nicht einschlägigen - § 5 Abs. 4 und § 17 FRG Anwendung auf Vertriebene im Sinne des § 1 BVFG oder Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG, die als solche in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt sind (Buchst. a), auf Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG oder frühere deutsche Staatsangehörige i.S. des Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG, die infolge der Kriegsauswirkungen den für sie zuständigen ausländischen Versicherungsträger nicht in Anspruch nehmen können (Buchst. b) oder die nach dem 08.05.1945 in ein ausländisches Staatsgebiet zur Arbeitsleistung verbracht wurden (Buchst. c), heimatlose Ausländer i.S. des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.04.1951 (BGBl. I, 269), auch wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben oder erwerben (Buchst. d) und schließlich - bezüglich der Gewährung von Leistungen an Hinterbliebene - auf Hinterbliebene der genannten Personen (Buchst. e).

Die Klägerin gehört keiner dieser Personengruppen an. Die Klägerin ist insbesondere nicht selbst Spätaussiedler i.S. des § 4 BVFG, sondern lediglich Ehegatte eines Spätaussiedlers. Dies steht auf Grund der Bescheinigung Nr. 08315/0755 des Landratsamts B.-H. vom 08.11.1995 fest. Denn diese Bescheinigung ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 BVFG für alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Der Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft kann somit allein durch eine solche, auch den Senat bindende Bescheinigung erbracht werden (BSG, Urteil vom 17.10.2006, 5 RJ 21/05 R in SozR 4-5050 § 15 Nr. 3).

Für die Zugehörigkeit zu einer der übrigen Fallgruppen des § 1 FRG ergeben sich von vornherein keine Anhaltspunkte und werden von der Klägerin auch nicht behauptet. Die Klägerin ist somit - auch nach eigenem Vortrag - nur Ehegatte eines Spätaussiedlers. Dieser Personenkreis wird von § 1 Buchst. a FRG nicht erfasst. Ehegatten von Spätaussiedlern sind durch die mit dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (KfbG) zum 01.01.1993 erfolgten Rechtsänderungen, insbesondere der Einführung des Stichtages 01.01.1993 für die Abgrenzung von Aussiedlern und Spätaussiedlern (s. im Einzelnen BSG, Urteil vom 26.01.2000, B 13 RJ 39/98 R in juris), von den Vergünstigungen des FRG ausgeschlossen, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (s. das soeben erwähnte Urteil des BSG vom 26.01.2000 und Urteil vom 23.06.1999, B 5 RJ 44/98 R in SozR 3-5050 § 1 Nr. 4, auch zum Nachfolgenden).

§ 1 Buchst. a FRG hat seine geltende Fassung durch Art. 12 KfbG vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2094) erhalten. Es wurde damit eine Anpassung an die mit Art. 1 KfbG erfolgte Änderung des BVFG vorgenommen (vgl. BT-Drucks 12/3212 S. 34 zu Art. 12). Das nach Art. 22 Abs. 1 KfbG seit 01.01.1993 geltende Recht unterscheidet bei Personen, die als deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige die ehemalige Sowjetunion nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen verlassen haben, nach dem Zeitpunkt der Ausreise zwischen Vertriebenen und Spätaussiedlern. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG ist Vertriebener, wer als deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vor dem 01.07.1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 01.01.1993 die ehemalige Sowjetunion verlassen hat, es sei denn, dass er ohne aus diesem Gebiet vertrieben und bis zum 31.03.1952 dorthin zurückgekehrt zu sein, nach dem 08.05.1945 seinen Wohnsitz in diesem Gebiet begründet hat (Aussiedler). Für deutsche Volkszugehörige, die - wie der Ehemann der Klägerin - die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31.12.1992 verlassen haben, ist dagegen nach § 4 BVFG der Status als Spätaussiedler vorgesehen. Während der nichtdeutsche Ehegatte eines Aussiedlers nach § 1 Abs. 3 BVFG als Vertriebener gilt, gewährt das Gesetz diesen Status für den nichtdeutschen Ehegatten eines Spätaussiedlers - wie die Klägerin - nur noch übergangsweise, wenn er - was im Falle der Klägerin nicht zutrifft - vor dem 01.01.1993 einen Aufnahmebescheid bzw. vor dem 01.07.1990 eine Übernahmegenehmigung erhalten hat (§ 100 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 und 5 BVFG). Der Ehegatte, der nicht selbst Spätaussiedler ist und nicht unter die Übergangsregelung fällt, wird dem Spätaussiedler nur noch in Bezug auf bestimmte Maßnahmen und insbesondere im Status als Deutscher gleichgestellt (vgl. z.B. § 27 Abs. 2, § 4 Abs. 3 Satz 2, § 7 Abs. 2 i.V.m. §§ 8, 10 und 11, § 15 BVFG). Rentenansprüche richten sich jedoch nach dem FRG (§ 13 BVFG); indem § 1 Buchst. a FRG sich nur auf anerkannte Vertriebene und Spätaussiedler bezieht, wird der Ehegatte eines Spätaussiedlers, der nicht selbst Spätaussiedler ist, nicht mehr erfasst.

Die Klägerin wird durch das KfbG und den damit einhergehenden Ausschluss von Vergünstigungen nach dem FRG, insbesondere im Hinblick auf die hier streitige Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten im Herkunftsland, nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.

Die streitige Rechtsänderung verletzt zunächst nicht durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtspositionen der Klägerin (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 26.01.2000, a.a.O., Rdnr. 25). Anwartschaften und Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung werden durch Art. 14 GG nur insoweit geschützt, als sie einem Betroffenen im Zeitpunkt eines Eingriffes bereits zustehen. Die auf dem FRG beruhenden Rechte können erst mit der Einreise in das Bundesgebiet entstehen (BSG, a.a.O. und Urteil vom 09.09.1998, B 13 RJ 5/98 R, Rdnr. 19 in SozR 3-5050 § 22 Nr. 6). Solange sich die Klägerin noch in K. aufhielt, stellten sich ihre später möglichen Ansprüche nach dem FRG als bloße Hoffnung oder Chance dar. Die Einreise erfolgte bei der Klägerin erst im Mai 1995 und damit lange nach Inkrafttreten des KfbG zum 01.01.1993.

Ferner ist der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz eines Vertrauensschutzes der Klägerin nicht verletzt (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 23.06.1999, B 5 RJ 44/98 R, a.a.O., Rdnrn. 17 ff., m.w.N.). Zwar hat der Gesetzgeber die Rechtslage für aussiedlungswillige Personen wie die Klägerin ab 01.01.1993 verschlechtert. Darin liegt aber weder eine sog. "echte" verfassungsrechtlich nur ausnahmsweise zulässige, noch eine sog. "unechte" unter leichteren Voraussetzungen zulässige Rückwirkung. Der Gesetzgeber hat die Vorteile des alten Rechts den Personen erhalten, die bei Inkrafttreten des KfbG bereits eingereist waren, sowie denjenigen, denen unter Geltung des alten Rechts bereits ein Aufnahmebescheid bzw. eine Übernahmegenehmigung erteilt war (§ 100 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 und 5 BVFG). Dies war bei der Klägerin ausweislich der Bescheinigung Nr. 08315/0755 des Landratsamts B.-H. vom 08.11.1995 nicht der Fall.

Entgegen der Ansicht der Klägerin begründete der Antrag auf Aufnahme vor Inkrafttreten des KfbG, nämlich im November 1991 (vgl. Bl. 18 SG-Akte), noch keine Rechtsposition in diesem Sinne (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 19). Der Antrag verschaffte ihr lediglich eine Aussicht, nach günstigem Abschluss des Aufnahmeverfahrens als Ehefrau eines deutschstämmigen Mannes, der die Voraussetzungen für einen Aussiedlerstatus nach dem BVFG erfüllt, in die Bundesrepublik ausreisen und dort denselben Status erwerben zu können. Irgendwelche gesicherten Dispositionen ließen sich im Hinblick auf diese bloße Aussicht noch nicht treffen. Bei Einreise in die Bundesrepublik mit ihrem deutschstämmigen Ehemann ohne einen Aufnahmebescheid konnte sie nicht mit irgendwelchen Statusanerkennungen oder Eingliederungshilfen nach dem BVFG rechnen. Ein schützenswertes Vertrauen darauf, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Statuserwerb unverändert bleiben würden, bestand daher bei Stellung des Aufnahmeantrags nicht; erst recht konnte die Klägerin nicht auf gleichbleibende Leistungen zu ihrer sozialen und wirtschaftlichen Eingliederung vertrauen, solange sie nicht tatsächlich in die Bundesrepublik aufgenommen war.

Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG vor. Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Klägerin macht bezogen auf die Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten eine Benachteiligung wegen ihrer Abstammung geltend. Die Zulässigkeit einer Differenzierung gegenüber Versicherten, die Beiträge zur deutschen Sozialversicherung geleistet haben, ergibt sich schon daraus, dass der Versichertengemeinschaft auf Grund der Tätigkeit der Klägerin in K. keine Beitragszahlungen zugeflossen sind. Die unterschiedliche Anerkennung von Beitrags- und Beschäftigungszeiten beruht damit nicht auf ihrer Abstammung, sondern auf unterschiedlichen Versicherungsverläufen.

Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Der Klägerin ist zwar im Vergleich zu nichtdeutschen Ehegatten von Aussiedlern, die bereits vor dem 01.01.1993 im Wege des Aufnahmeverfahrens die ehemalige Sowjetunion verlassen bzw. einen Aufnahmebescheid erhalten haben, schlechter gestellt, weil auf diesen Personenkreis das FRG noch Anwendung findet. Dies ist jedoch Folge einer verfassungsrechtlich zulässigen Stichtagsregelung (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 26.01.2000, a.a.O., Rdnr. 28). Diese war nicht sachfremd, sondern erscheint im Hinblick auf die veränderten Verhältnisse sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in den ursprünglichen Vertreibungsgebieten als hinreichend gerechtfertigt. Die Statusänderung nach dem BVFG und damit verbunden auch die Einschränkung von Leistungen nach dem FRG durch das KfbG wurden im Hinblick auf die sozialen und finanziellen Probleme vorgenommen, die nach Änderung der politischen Verhältnisse mit der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung einer Vielzahl aussiedlungswilliger Personen verbunden waren. Die Änderungen sollten eine sozialverträgliche Aufnahme von Aussiedlern gewährleisten, ohne diese zeitlich zu beschneiden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 12/3212 S. 19 f., 22). Die auf den 01.01.1993 bezogene Stichtagsregelung orientiert sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - in sachgerechter Weise an dem Zeitpunkt der Einreise und gewährleistet gemäß § 100 Abs. 4 und 5 BVFG auch einen ausreichenden Vertrauensschutz im Hinblick auf zuvor erteilte Aufnahmebescheide bzw. Übernahmegenehmigungen (BSG, a.a.O., Rdnr. 31). Härten, die jeder Stichtagsregelung innewohnen, müssen dabei hingenommen werden (BVerfG, Beschlüsse vom 27.06.1961, 1 BvL 17/58 und 20/58 in juris und vom 14.10.1970, 1 BvR 753/68 u.a. in SozR Nr. 8 zu Art. 2 GG).

Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung gegenüber ihrem Ehegatten behauptet, folgt auch daraus keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 19.02.1991, 1 BvR 1231/85 in juris). Der die Ungleichbehandlung rechtfertigende Unterschied zwischen der Klägerin und ihrem Ehegatten liegt vorliegend darin, dass ihr Ehegatte als deutscher Volkszugehöriger Spätaussiedler i.S.d. § 4 BVFG ist, damit bereits - im Gegensatz zur Klägerin - bei Einreise als dem maßgeblichen Zeitpunkt einen hinreichenden, vom FRG erfassten Bezug zum deutschen Rentenversicherungssystem aufwies, der eine Besserstellung rechtfertigt. Gerade dieser Status als Spätaussiedler rechtfertigt die unterschiedliche Behandlung zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Klägerin selbst. Die Behauptung der Klägerin, Sinn und Zweck des FRG sei es, die Integration zu verbessern, geht in dieser Verallgemeinerung damit schon im Ansatz fehl.

Soweit die Klägerin behauptet, die Stichtagsregelung gelte für sie nicht, da sie Deutsche sei, überzeugt dies nicht. Maßgeblich sind - wie bereits unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG dargelegt - die tatsächlichen Umstände, die zum Zeitpunkt der Einreise vorgelegen haben (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 16.07.2015, 1 C 29/14, Rdnr. 38 in juris). Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin - als russische Staatsangehörige - nichtdeutsche Ehegattin eines Spätaussiedlers. Eine nachfolgende, im Jahr 1999 erfolgte Einbürgerung hat keinen Einfluss auf ihren damaligen Status.

Schließlich widerspricht der Wegfall von Leistungen nach dem FRG für die - wie die Klägerin bei Einreise nach Deutschland als dem hier maßgeblichen Zeitpunkt - nichtdeutschen Ehegatten von Spätaussiedlern nicht dem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. hierzu und zum Folgenden, BSG, Urteile vom 26.01.2000, a.a.O., Rdnrn. 32 ff. und vom 23.09.1999, Rdnr. 22). Diese Verfassungsnorm begründet für den Staat die Pflicht, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern. Die Leistungen nach dem BVFG für den nichtdeutschen Ehegatten dienen diesem Zweck. Sie helfen die Konfliktlage zwischen Spätaussiedlung und Ehe zu lösen, indem sie einen Anreiz bieten, dem deutschstämmigen Partner zu folgen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Statuserwerb nach § 1 Abs. 3 BVFG nicht vordringlich dem nichtdeutschen Ehegatten dienen sollte, sondern dem deutschen, der sich nicht zwischen Ehe und Aussiedlung sollte entscheiden müssen. Insoweit ist zwar bei Vertriebenen und Spätaussiedlern die Konfliktlage gleich. Allerdings lässt sich aus Art. 6 Abs. 1 GG kein konkreter Anspruch auf bestimmte Leistungen herleiten. Der Gesetzgeber konnte vielmehr im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit entscheiden, in welcher Weise er nichtdeutschen Ehegatten von Vertriebenen zum Zwecke des Eheerhalts weiterhin Eingliederungshilfen gewährt. Dafür sind auch die nach dem BVFG noch gewährten Hilfen geeignet. So werden die nichtdeutschen Ehegatten von Spätaussiedlern im Aufnahmeverfahren, beim Deutschenstatus, im Verteilungsverfahren, bei der Anerkennung von Prüfungen und Befähigungsnachweisen und bei der Ausstellung von Bescheinigungen den Spätaussiedlern gleichgestellt (§ 7 Abs. 2, §§ 8, 10, 15 Abs. 2, § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, Art. 116 Abs. 1 GG). Sie erhalten außerdem, wie diese, bestimmte Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung und Eingliederungshilfen (§ 7 Abs. 2 und § 11 BVFG; § 9 BVFG bzw. § 419 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch [SGB III] in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung, § 418 SGB III in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung, bis 31.12.1997: §§ 62a, 62b Arbeitsförderungsgesetz). Mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des BVFG erwerben sie die Rechtsstellung als Deutsche (§ 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 BVFG), waren auf Antrag nach Maßgabe des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes einzubürgern (§ 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 BVFG in der bis 31.12.1999 geltenden Fassung) bzw. erwerben ab 01.01.2000 mit der Ausstellung der Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 2 BVFG die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 7 Staatsangehörigkeitsgesetz); auf diese Weise haben sie Zugang zu weiteren Sozialleistungen. Wenn damit auch keine Gleichstellung mit den Ehegatten von Vertriebenen hergestellt wird, so sind diese Hilfen insgesamt doch geeignet, den Spätaussiedler unter den gegebenen Umständen davor zu schützen, dass seine Ehe durch die Frage einer Aussiedlung gefährdet wird, und zwar auch in Fällen wie dem vorliegenden, wo die Klägerin als Ehefrau eines Spätaussiedlers in K. einen Teil ihres Erwerbsleben verbrachte. Soweit die Klägerin diese Ausführungen für sich nicht gelten lassen will und meint, sie gälten nicht für deutsche Ehepartner von Spätaussiedlern, verkennt sie, dass sie selbst nichtdeutscher Ehegatte war und erst auf Grund dieser Stellung am 11.01.1999 die deutsche Staatsangehörigkeit erwarb.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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