L 5 KA 14/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 75/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 14/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Neubescheidung seiner Honorarabrechnungen für die Quartale I/2009 bis einschließlich I/2010 sowie III/2010 und IV/2010 unter Zugrundelegung einer von Mengenbegrenzungen ausgenommenen Vergütung von Leistungen im Bereich der Urethrozystoskopie (Harnröhren- und Blasenspiegelung).

Der Kläger ist Facharzt für Urologie und als solcher im Bezirk der Beklagten zur fachärztlichen Versorgung zugelassen. Er rechnete in den streitigen Quartalen jeweils in einer zweistelligen Zahl von Fällen die GOP 26310 EBM – Urethro(-zysto)skopie des Mannes oder bei Personen mit nicht festgelegter Geschlechtszuordnung gemäß Allgemeiner Bestimmung – und einer dreistelligen Zahl von Fällen die GOP 26311 EBM – Urethro( zysto)skopie der Frau – ab. In sämtlichen Honorarabrechnungen wurde wegen Überschreitung des jeweiligen Regelleistungsvolumens (RLV) der Überschreitungsbetrag nur quotiert vergütet. Der Kläger legte gegen jede dieser Honorarabrechnungen Widerspruch ein, im Einzelnen:

Quartal Honorarabrechnung Widerspruch I/2009 27. August 2009 28. September 2009 II/2009 19. November 2009 21. Dezember 2009 III/2009 18. Februar 2010 19. März 2010 IV/2009 19. Mai 2010 9. Juni 2010 I/2010 19. August 2010 6. September 2010 III/2010 3. März 2011 22. März 2011 IV/2010 24. Mai 2011 23. Juni 2011

Er begründete die Widersprüche damit, die Zystoskopien seien auf der Grundlage des Vertrags nach § 115b Abs. 1 SGB V – Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag) außerhalb des RLV und damit ohne Mengenbegrenzung zu vergüten. Dies ergebe sich aus § 115b Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (SGB V). Zugleich dürfe dies die Beklagte allerdings nicht zum Anlass nehmen, auch die RLV rückwirkend zu bereinigen, denn die diesbezüglichen Bescheide seien bindend geworden. Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2012 mit der Begründung zurück, die Honorarabrechnungen und RLV-Zuweisungen hätten geltendem und für die Beklagte verbindlichem Recht entsprochen. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008, wonach die GOP 26310 und 26311 bzw. die in Abschnitt 2 der Anlage 1 zum AOP-Vertrag genannten Leistungen in die RLV fielen und aus der Morbiditätsbedingten Gesamtvergügung (MGV) zu vergüten seien. Hierzu gehörten auch die genannten zystoskopischen Leistungen.

Hiergegen richtet sich die am 2. April 2012 erhobene Klage, mit der der Kläger die Neubescheidung seiner Honorarabrechnungen geltend gemacht hat.

Der Kläger hat ausgeführt, die Klage sei auch angesichts bestandskräftiger Bescheide über die Zuweisung von RLV zulässig, da die fraglichen Leistungen gerade außerhalb des RLV zu vergüten seien. In der Sache werde ihm ab dem 1. Januar 2009 faktisch die Möglichkeit genommen, auf der Grundlage des jeweils geltenden AOP-Vertrages abzurechnen, obwohl er einen Anspruch darauf habe, an den auf diese Weise eingeräumten Abrechnungsmöglichkeiten zu partizipieren. Der Gesetzgeber habe durch Einführung von § 115 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG, vom 21. Dezember 1992, BGBl I, 2266) eine Wettbewerbssituation zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten geschaffen und zur Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen dementsprechend in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V eine einheitliche Vergütung vorgeschrieben. Diese bindende Gesetzesvorgabe habe eine extrabudgetäre und von der Mengensteuerung befreite Vergütung ermöglicht (Hinweis auf BSG, Urteil vom 11. April 2002 – B 3 KR 25/01 R, juris, Rn. 20) und damit ein paralleles Vergütungssystem etabliert. Auch das Bundessozialgericht erachte eine außerbudgetäre Vergütung für geboten (Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 5 KA 21/11 R). Während aber die Krankenhäuser erbrachte Zystoskopieleistungen einzeln und in voller Höhe vergütet erhielten, unterlägen die Vertragsärzte einer wettbewerbsverzerrenden Mengenbegrenzung und müssten ihre Leistungen (teilweise) defizitär erbringen. Auch aus dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (vom 15. Juli 2009 – L 7 B 74/08 KA ER) und dem Urteil des Sozialgerichts Berlin (vom 19. Januar 2011 – S 79 KA 977/06) ergebe sich nichts anderes.

Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 berufen. Weder habe der Erweiterte Bewertungsausschuss entschieden, dass der AOP-Vertrag ab dem 1. Januar 2009 auf vertragsärztlicher Seite praktisch keine Anwendung mehr finde, noch habe der Erweiterte Bewertungsausschuss dergleichen überhaupt beschließen dürfen. Der besagte Ausschluss der Vertragsärzte von der Abrechnung nach dem AOP-Vertrag beruhe einzig darauf, dass die Beklagte diesen Beschluss fehlerhaft gehandhabt und kommuniziert habe. Überdies habe der Erweiterte Bewertungsausschuss auch keine Regelungskompetenz für den Katalog der Leistungen nach § 115b SGB V und deren einheitliche Vergütung. Rechtswidrig seien die angefochtenen Bescheide ab dem Quartal I/2010 auch deswegen, weil die Vergütungsregelung im AOP-Vertrag 2010 zwar Vertragsärzte von der Abrechnung ausgeschlossen habe, jedoch sei die Wirkung dieser Regelung nachfolgendend ausgesetzt worden. Das den Gesamtvertragspartnern in § 87a Abs. 3 Satz 5 SGB V eingeräumte Ermessen sei angesichts bindender gesetzlicher Vorgaben auf null reduziert.

Die Beklagte hat ausgeführt, unter der Prämisse, dass die RLV-Festsetzungen unabänderlich seien, sei die Klage unzulässig, denn diese Bescheide hätten die Vergütung dem Grunde und der Höhe nach abschließend und auch hinsichtlich der Zystoskopieleistungen geregelt. Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet: Der Erweiterte Bewertungsausschuss sei befugt gewesen, die außerhalb der MGV zu vergütenden Leistungen zu bestimmen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 6 KA 28/11 R; BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R). Die Gesamtvertragspartner hätten auch nicht von der Möglichkeit einer Vereinbarung über eine außerbudgetäre Vergütung der fraglichen Leistungen nach § 87a Abs. 3 Satz 5 zweiter Hauptsatz SGB V Gebrauch gemacht. Das den Gesamtvertragspartnern zustehende Ermessen sei auch nicht aufgrund von § 115b SGB V reduziert gewesen. Die Vorschrift garantiere keinen Mindestpunktwert (Hinweis auf BSG, Urteil vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 61/94). Sie sei auch nicht dann verletzt, wenn sich ambulante Operationen für den Vertragsarzt auf der Vergütungsseite geringer auswirkten als für ein Krankenhaus (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2007 – L 11 KA 62/06). Es genüge, wenn die Krankenkassen im Außenverhältnis zu den Leistungserbringern das gleiche Entgelt zu erbringen hätten. In welcher Höhe das Entgelt an den jeweiligen Leistungserbringer auszuzahlen sei, unterliege hingegen den in diesem Verhältnis geltenden Vergütungsregelungen (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2009 – L 7 B 74/08 KA ER). Auch das Bundessozialgericht stelle insoweit nur darauf ab, dass es für die Kostenträger bedeutungslos sein müsse, ob eine bestimmte ambulante Operation durch einen Vertragsarzt oder im Krankenhaus durchgeführt würde (Hinweis auf BSG, Urteil vom 11. April 2002 – B 3 KR 25/01 R).

Auch aus dem AOP-Vertrag 2009 ergebe sich – ungeachtet der Frage, ob sich hieraus überhaupt unmittelbare Ansprüche ableiten ließen – der geltend gemachte Anspruch nicht. Auch aus § 7 Abs. 1 Satz 1 AOP-Vertrag 2010 ergebe sich der Anspruch entgegen dem Wortlaut des Vertrages nicht, denn hierfür sei eine konstitutive Vereinbarung der Gesamtvertragspartner Voraussetzung.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Durch Urteil vom 5. August 2015 (dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 27. August 2015) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Vergütung der Leistungen GOP 26310 EBM und 26311 EBM außerhalb des RLV zu den vollen Gebührenwerten des EBM ohne Quotierung. Die Einbeziehung in das RLV und die nur quotierte Vergütung entsprächen den gesetzlichen Regelungen, den Beschlüssen des Erweiterten Bewertungsausschusses hierzu und der Honorarvereinbarung. Aufgrund Teil B Nr. 1.3 und Teil A Nr. 1.2.4. des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses in der 7. Sitzung vom 27./28. August 2008 seien von der Berücksichtigung in der entrichteten Gesamtvergütung unter anderem Leistungen des Kapitels 31 sowie die Gebührenpositionen 13421 bis 13431 sowie 04514, 04515, 04518 und 04520 EBM ausgenommen worden. Hierbei handelte es sich um Gebührenpositionen, die auch zu den Leistungen nach dem AOP-Vertrag zählten. An einer solchen Ausnahme von der Gesamtvergütung fehle es für die hier streitigen Positionen GOP 26310 und 26311 EBM und die dazugehörigen Leistungen. Auch seien die hier streitigen Positionen nicht bei den freien Leistungen innerhalb der MGV aufgeführt (Teil F Nr. 2.2. des Beschlusses vom 27./28. August 2008 in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 2). Angesichts der eindeutigen Formulierung sei für eine analoge Auslegung dergestalt, dass es der Erweiterte Bewertungsausschuss übersehen habe, auch die Leistungen nach Teil 2 des AOP-Vertrags von der Gesamtvergütung auszunehmen, kein Raum.

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut maßgeblich (Hinweis auf BSG, Urteil vom 15. August 2012 – B 6 KA 34/11 R, juris, Rn. 13 m.w.N.), denn das vertragliche Regelwerk diene dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen, wobei Bestimmungen vertragsärztliche Vergütungsregelungen weder ausdehnend noch analog angewendet werden dürften (vgl. BSG, a.a.O.), was auch für die hier anzuwendenden Beschlüsse des Bewertungsausschusses gelte.

Fehle es also an einer entsprechenden Regelungen in den Beschlüssen des Erweiterten Bewertungsausschusses, seien die Leistungen der MGV zuzuordnen. Etwas anderes ergebe sich für die Kammer auch nicht aus den Vorschriften zum AOP-Vertrag oder aus § 115 b SGB V. Die Kammer schließe sich hier vollen Umfangs den überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts Dortmund (Hinweis auf Urteil vom 22. Oktober 2014 – S 16 KA 175/ 11, insbes. S. 9 – 13) an, das den Beteiligten bekannt sei.

Der Kläger hat am 28. September 2015 – einem Montag – Berufung eingelegt.

Er führt aus, das Sozialgericht habe verkannt, dass eine Budgetierung der Leistungen des ambulanten Operierens der gesetzlichen Verpflichtung der Parteien des AOP-Vertrages zuwiderlaufe, eine einheitliche Vergütung für Krankenhäuser und Vertragsärzte vorzusehen. Es sei bei der Vergütung von Zystoskopien danach zu unterscheiden, ob der Operateur am ambulanten Operieren im Sinne von § 115b SGB V teilnehme und damit auch den Anforderungen aus den einschlägigen Qualitätssicherungsvereinbarungen unterliege. Andernfalls bestehe kein Anreiz, Zystoskopien im Rahmen des ambulanten Operierens zu erbringen, und das Vorhaben des Gesetzgebers, das ambulante Operieren einer Qualitätssicherung zu unterwerfen, werde ad absurdum geführt. § 115b SGB V bedinge – wie der Vergleich mit § 1 Abs. 3 Krankenhausentgeltgesetz zeige – einen eigenständigen Vergütungsanspruch. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesbegründung zum GSG (Hinweis auf BT-Drs. 12/3608 S. 104) in § 115b Abs. 5 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung, a.F.; jetzt Abs. 4 der Vorschrift) ursprünglich ein eigenständiges vertragsärztliches Budget vorgesehen. Er habe den Vertragsparteien auch nicht die Vorgabe gemacht, sich an bestehenden Gebührenordnungen zu orientieren. Dass die Vertragsparteien auf Bekanntes zurückgegriffen hätten, dürfe zu keinem abweichenden Ergebnis führen.

Die vom Sozialgericht vorgenommene Auslegung von § 7 AOP-Vertrag führe zu einer Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte. Aus der Protokollnotiz zu Teil A 1.2 Nr. 4 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 ergebe sich, dass eine "Herausnahme von Leistungen des Vertrages nach § 115b SGB V" beabsichtigt gewesen sei. Auch das Bundessozialgericht habe entschieden, dass ambulante und belegärztliche Operationen nicht dem RLV unterlägen, da der Gesetzgeber sie besonders fördern wolle (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 27/09 R). Der in § 7 AOP-Vertrag enthaltene Verweis auf den EBM, die vertragsärztliche Vergütung und die Abrechnungsvoraussetzungen umfasse bei verfassungskonformer Auslegung nicht auch die Honorarverteilung. Aus einer Zusammenschau des Schiedsspruchs des Erweiterten Bundesschiedsamts vom 24. September 2012 mit dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2011 (Az. S 79 KA 977/06) und dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2009 (Az. L 7 B 74/08 KR ER) ergebe sich, dass das Erweiterte Bundesschiedsamt nicht beabsichtigt habe, den Gesamtvertragspartnern ohne Beteiligung der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Festsetzung des Punktwerts sowie mengenbegrenzender Regelungen zu ermöglichen. Denn im Ergebnis drohe dann ein Zustand, in dem die Krankenkassen eine Patientensteuerung zulasten der Krankenhäuser vornehmen könnten, ohne dass diese sich dagegen wehren könnten.

Das Sozialgericht habe auch Bedeutung und Reichweite des Urteils des Bundessozialgerichts vom 11. April 2002 (Az. B 3 KR 25/01 R) verkannt. Das Bundessozialgericht habe gerade entschieden, dass eine Öffnung der Krankenhäuser für das ambulante Operieren nicht zu einer Benachteiligung niedergelassener Ärzte führen dürfe. Hierbei seien allerdings sämtliche Steuerungsinstrumente der Vergütungsregelung des AOP-Vertrags zu berücksichtigen.

Weiterhin sei eine uneinheitliche Vergütung der gleichen Leistungen auch nicht – wie das Sozialgericht Dortmund ausgeführt habe – systembedingt unvermeidbar. Hierzu sei es erst dadurch gekommen, dass sich die Partner des AOP-Vertrags gegen die Aufnahme einer einheitlichen Vergütung in den Vertrag entschieden hätten. Da § 115b SGB V auch gerade eine Ausweitung des ambulanten Operierens bezwecke (um stationäre Behandlungen zu ersetzen), sei es widersinnig, Leistungen des ambulanten Operierens Regelungen zu unterwerfen, die eine übermäßige Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit bezweckten. Auch sei eine Gleichbehandlung mit nicht am AOP-Vertrag teilnehmenden Urologen nicht geboten, denn diese hätten nicht die dort vorgesehenen Qualitätsanforderungen zu erfüllen und nachzuweisen. Das Bundessozialgericht habe eine Vergütung von Leistungen des ambulanten Operierens außerhalb der MGV gerade für zulässig erachtet (Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R), so dass von systembedingter Unvermeidbarkeit keine Rede sein könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 5. August 2015 sowie die Honorarbescheide der Beklagte vom 27. August 2009, 19. November 2009, 18. Februar 2010, 19. Mai 2010, 19. August 2010, 3. März 2011 und 24. Mai 2011 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2012 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, der Erweiterte Bewertungsausschuss habe (in seinem Beschluss vom 27./28. August 2008) anlässlich der Einführung eines völlig neuen Vergütungssystems zum 1. Januar 2009 enumerativ diejenigen Leistungen aufgeführt, die mit bundesweiter Verbindlichkeit aus der MGV herausgenommen seien. Die Leistungen, deren Vergütung vorliegend im Streit stehe, gehörten nicht dazu. Sie seien auch nicht etwa den freien Leistungen innerhalb der MGV zugeordnet worden. Soweit sich der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. August 2010 (Az. B 6 KA 27/09 R) berufe, sei dies zur im Quartal IV/2005 geltenden Rechtslage und zu einem anderen Gegenstand ergangen.

Vereinbarungen nach § 87a Abs. 3 Satz 5 SGB V oder gemäß § 87b Abs. 2 Satz 7 SGB V hätten die Gesamtvertragspartner nicht geschlossen. Sie seien nicht gezwungen gewesen, Zystoskopieleistungen aus der MGV herauszunehmen. Zwar hätte ihnen diese Option offen gestanden, jedoch gebe es keine Pflicht zur "Ausdeckelung" der Leistungen des ambulanten Operierens (Hinweis auf BSG, Urteil vom 21. Februar 2012 – B 6 KA 21/11 R, juris Rn. 27, 29 f.). Zystoskopien seien im Übrigen auch dann nicht zwingend von jeder Steuerung oder Quotierung freizustellen gewesen, wenn sie innerhalb der MGV, aber außerhalb der RLV zu vergüten gewesen seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 45/12 R).

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und halten – soweit sie sich geäußert haben – die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 17. August 2016 hat der Senat die Beteiligten zu der Absicht angehört, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben sich hierzu nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ebenfalls beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die Berufung nach Anhö¬rung der Beteiligten (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG) durch Be¬schluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden und haben nichts vorgebracht, was gegen diese Vorgehensweise spricht.

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

1.) Die mit der Berufung weiterverfolgte Klage ist zulässig. a) Das Vorliegen bestandskräftiger und damit gemäß § 77 SGG bindender RLV-Zuweisungsbescheide hindert den Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht an der Geltendmachung eines Anspruchs, der nach der Rechtsauffassung des Klägers gerade losgelöst vom RLV (sowie von etwaigen Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina) vergütet werden soll. Da der Kläger sein Begehren daher durch Anfechtung der Zuweisungsbescheide nicht hätte erreichen können, steht auch deren Bestandskraft einer Sachentscheidung nicht entgegen (ähnlich bereits Urteil des Senats vom 1. Juni 2016 – L 5 KA 10/15).

b) Der Klage fehlt auch nicht die erforderliche Klagebefugnis. Zwar lassen sich das angefochtene Urteil und die Rechtsauffassung der Beklagten dahingehend verstehen, dass § 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V den Vertragsärzten, die ambulante Operationen vornehmen und abrechnen, keinen eigenen Anspruch auf eine bestimmte Vergütung einräumt, so dass die Vorschrift im Ergebnis so verstanden wird, als habe sie keine schützende Wirkung gegenüber dem Kläger. Dies ändert indes nichts daran, dass nach dem Vorbringen und der (nicht etwa bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung konterkarierten) Rechtsauffassung des Klägers die Möglichkeit besteht, dass er in eigenen Rechten verletzt ist. Dass ihm die geltend gemachte, auf seiner Auslegung von § 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V beruhende Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen könnte (so die Abgrenzungsformel in BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 6 KA 42/08 R, BSGE 105, 10 = juris, Rn. 16), lässt sich nicht feststellen. Eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten ist bereits deshalb möglich, da ihm ein Teil der abgerechneten Leistungen nur quotiert vergütet worden ist. Mehr ist im Rahmen der Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht zu fordern.

2.) Die mit der Berufung weiterverfolgte Klage ist indes unbegründet. Das Sozialgericht hat – aus Gründen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt – zu Recht darauf abgestellt, dass die Leistungen, um deren Abrechnung es geht, den mengensteuernden Abrechnungsvorschriften unterlegen haben. Die in der Berufungsbegründung hiergegen vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

a) Zunächst zwingt § 115b Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen neben einem Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe (Nr. 1 der Vorschrift) auch einheitliche Vergütungen "für Krankenhäuser und Vertragsärzte" vereinbaren (Nr. 2 der Vorschrift), nicht zu einer Sichtweise, wonach die Vergütung für ambulante Operationen durch Vertragsärzte von den allgemeinen Regeln über RLV und quotierte Vergütung auszunehmen wäre. Hierbei ist dem Kläger zuzugeben, dass der Wortlaut der Vorschrift diesen Schluss nahelegt oder doch zumindest zulässt. Allerdings sprechen die Systematik, die Entstehungsgesichte und vor allem der Zweck der Regelung dagegen.

In systematischer Hinsicht spricht der Regelungsgehalt von § 115b Abs. 4 SGB V (dem ehemaligen Absatz 5 der Vorschrift) gegen die Sichtweise des Klägers. Diese Vorschrift, wonach in der Vereinbarung nach § 115b Abs. 1 SGB V auch Regelungen über ein gemeinsames, aus Mitteln der Gesamtvergütung und den Budgets der zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäuser gespeistes Budget zur Vergütung der ambulanten Operationsleistungen der Krankenhäuser und der Vertragsärzte getroffen werden können, erlaubt die Schaffung von Sonderregelungen mit dem Ziel einer gesonderten Vergütung für Vertragsärzte, die ambulant operieren, zulasten der Gesamtvergütung, schreibt sie indes gerade nicht zwingend vor. Der Gesetzgeber hat diese Vereinbarung eines gemeinsamen Budgets ausweislich der Begründung zum GSG in die Hand der Selbstverwaltung gelegt und dabei darauf hingewiesen, sie lägen im Interesse der Krankenhausträger und der Vertragsärzte, da auf diese Weise die Kapazitäten der Krankenhäuser gleichrangig genutzt werden könnten (BT-Drs. 12/3608, S. 104; nach dem Befund von Steege in Hauck/Noftz, SGB, 03/09, § 115b SGB V Rn. 24, sind entsprechende Übereinkünfte aufgrund von Befürchtungen der Krankenhausseite gescheitert, bei der Bildung eines gemeinsamen Honorartopfes finanzielle Nachteile zu erleiden). Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass § 115b SGB V nicht etwa einen allgemeinen Auslegungsgrundsatz enthält, der auch entgegen dem Willen der Selbstverwaltungsträger Geltung beanspruchen kann.

Die historische und teleologische Auslegung von § 115b SGB V steht unter der Prämisse, dass die Vorschrift "im Interesse der Patienten und der Wirtschaftlichkeit" durch das GSG eingeführt worden ist (BT-Drs. 12/3608, S. 103; zu den Hintergründen Steege, a.a.O., Rn. 3). Der Vorgabe aus § 115b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V liegt die gesetzgeberische Zielsetzung zugrunde, gleiche Wettbewerbsbedingungen bei ambulanten Operationen zu schaffen, damit es für die die Kostenträger ohne Bedeutung ist, ob eine bestimmte ambulante Operation in der Arztpraxis oder im Krankenhaus durchgeführt wird, und kein Anreiz besteht, direkt oder indirekt auf die freie Arztwahl des Versicherten Einfluss zu nehmen (BSG, Urteil vom 11. April 2002 – B 3 KR 25/01 R, SozR 3-2500 § 115b Nr. 2). Schutzwirkung im Sinne der Begründung eines subjektiv-öffentlichen Rechts entfaltet § 115b SGB V somit für die Krankenkassen und deren Versicherte. Auch wenn die Vorschrift eine Möglichkeit zur Ausdeckelung der vertragsärztlichen Vergütungen einräumt (BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 21/11 R, BSGE 110, 258), wirkt sie doch im Verhältnis jedenfalls zu den am ambulanten Operieren teilnehmenden Vertragsärzten rein objektiv. Ein subjektives Recht des Vertragsarztes auf honorarmäßige Förderung des ambulanten Operierens oder auf eine Vergütung in bestimmter Höhe ergibt sich hieraus nicht (dazu BSG, Urteile vom 7. Februar 1996 – 6 RKa 61/94, BSGE 77, 279 = juris, Rn. 18 ff und 24; 6 RKa 42/95, SozR 3-2500 § 85 Nr. 12; aus neuerer Zeit BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – B 6 KA 50/08 B, juris, Rn. 12). Er kann beanspruchen, angemessen an der Honorarverteilung beteiligt zu werden, sich indes nicht unter Hinweis auf § 115b SGB V auf eine Ungleichbehandlung gegenüber den Krankenhäusern berufen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2007 – L 11 KA 62/06, juris, Rn. 18).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in einem Rechtsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. April 2002 (Az. B 3 KR 25/01 R, SozR 3-2500 § 115b Nr. 2 = juris, Rn. 20), wonach Abweichungen infolge unterschiedlicher Punktbewertungen bei fester Punktzahl im Krankenhausbereich und schwankendem Punktwert im vertragsärztlichen Bereich hinzunehmen sind, soweit sie systembedingt unvermeidbar sind. Der für das Krankenversicherungsrecht zuständige 3. Senat des Bundessozialgerichts hat damit nicht etwa die vertragsärztlichen Honorarverteilungsvorschriften einem strengen Unvermeidbarkeitsvorbehalt zugunsten des ambulanten Operierens unterstellt, auf den sich der hieran teilnehmende Vertragsarzt gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung berufen könnte. Das Bundessozialgericht hat vielmehr im Rechtsverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse die "Reibungsverluste" für hinnehmbar erklärt, die (nur) daraus entstehen, dass das SGB V zwei grundlegend unterschiedliche Systeme der Vergütung von Krankenbehandlung statuiert.

b) Soweit der Kläger sich der Sache nach gegen eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen, nicht an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten wendet, gibt es keinen rechtlichen Anhaltspunkte für eine Sichtweise, wonach wegen der mit der Teilnahme an der ambulanten Versorgung verbundenen Qualitätsanforderungen eine Herausnahme der Leistungen aus der gebotenen Mengensteuerung geboten wäre.

c) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Sozialgericht habe die Reichweite der Verweisung auf den EBM, die vertragsärztliche Vergütung und die Abrechnungsvoraussetzungen in § 7 AOP-Vertrag verkannt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, zum Verständnis der Vorschrift sei zu berücksichtigen, dass sie mangels einer Beteiligung der Deutschen Krankenhausgesellschaft für die Krankenhäuser nicht verbindlich sei, überzeugt dies nicht. § 7 AOP-Vertrag beruht auf dem Schiedsspruch des Erweiterten Bundesschiedsamts vom 25. Oktober 2012, der wiederum das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2011 (Az. S 79 KA 977/06, juris) umgesetzt hat, wonach eine Vergütung ambulant durchführbarer Operationen und stationsersetzender Eingriffe nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten und pauschalierten Gesamtvergütung ohne Mengenbegrenzung gegen die auch im Rahmen von Schiedssprüchen zu beachtende Vorschrift in § 85 Abs. 2 Satz 7 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes vom 19. Dezember 1998, BGBl. I, S. 3853) verstößt. Dem Erweiterten Bundesschiedsamt gehören indes – wie sich unmittelbar aus § 115b Abs. 3 Satz 2 SGB V ergibt – Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft in der gleichen Zahl an, wie sie jeweils für die Vertreter der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vorgesehen ist.

Soweit sich der Kläger auf die Protokollnotiz zu Teil A 1.2 Nr. 4 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 beruft, bleibt es bei der vom Sozialgericht getroffenen rechtlichen Würdigung, wonach der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28. August 2008 einer historisch-teleologischen Auslegung nicht zugänglich ist.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie den §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

4.) Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 153 Abs. 4 Satz 3, 158 Satz 3 SGG angesichts einer Vielzahl noch vorgerichtlicher Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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