Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 6 SF 242/15 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 17.11.2015 geändert und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 630,70 EUR festgesetzt. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Festsetzung von aus der Staatskasse zu zahlender Vergütung im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe streitig.
Im Ausgangsverfahren (Az. S 6 AS 1646/14) wandte sich die dortige Klägerin, der Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T beigeordnet wurde, gegen eine Minderung ihres Arbeitslosengeldes II um 30% für drei Monate. Das dortige beklagte Jobcenter hatte ihr die Leistungen entsprechend gekürzt, da die dortige Klägerin keine Bewerbungsbemühungen nachgewiesen hatte. Dies entschuldigte die dortige Klägerin mit gesundheitlichen Problemen. Gute drei Monate nach Klageerhebung erhob die dortige Klägerin zwei weitere Klagen (Az. S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15), mit der es um weitere Sanktionen ging, gegen die die dortige Klägerin sich mit derselben Begründung zu Wehr setzte. In den drei Verfahren führte das Gericht am 30.09.2015 einen Verhandlungstermin durch. Im Verfahren S 6 AS 10/15 gab der dortige Beklagte ein Anerkenntnis ab, in den beiden anderen Verfahren erging jeweils ein klageabweisendes Urteil.
Am 26.10.2015, korrigiert durch Schriftsatz vom 11.11.2015 beantragte der Erinnerungsführer Kostenfestsetzung unter Hinweis auf eine Abtretung der Kostenerstattungsansprüche durch Herrn Rechtsanwalt T an ihn. Er machte dabei folgende Positionen geltend:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 114,00 EUR Endsumme 714,00 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.11.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 511,70 EUR fest. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 200,00 EUR festzusetzen sei. Dies folge aus Synergieeffekten wegen drei paralleler Verfahren. Gleiches gelte für die Terminsgebühr (210,00 EUR), da die Verfahren gemeinsam verhandelt worden seien.
Mit derselben Begründung setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in den Verfahren S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15 entsprechend reduzierte Gebühren an.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.11.2015 hat der Erinnerungsführerin am 24.11.2015 Erinnerung eingelegt.
Der Erinnerungsführer ist der Ansicht, dass die Ansetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von lediglich 210,00 EUR rechtsfehlerhaft sei. Synergieeffekte entstünden, wenn bei einem Verfahren aufgrund der Vorbefassung in einem anderen, nahezu identischen Verfahren die anwaltliche Tätigkeit nach Arbeits- und Zeitaufwand aufgrund der Vorbefassung deutlich verringert sei. Für das arbeitsintensivere Ausgangsverfahren sei notwendig keine Synergie gegeben. Die Synergie in Bezug auf die Verfahrensgebühr in den Verfahren S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15 werde in den dortigen Verfahren berücksichtigt und die entsprechende Kürzung akzeptiert.
Die Erinnerungsführerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Gebühren und Auslagen unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17.11.2015 unter Berücksichtigung der Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,00 EUR festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt schriftsätzlich,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Der Erinnerungsgegner verweist auf die seiner Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet. Die von der Staatskasse gemäß § 55 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind unzutreffend auf lediglich 511,70 EUR festgesetzt worden. Der Erinnerungsführer hat Anspruch auf Festsetzung weiterer 119,00 EUR, da in Bezug auf die Verfahrensgebühr die geltend gemachte Mittelgebühr in Höhe von 300,00 EUR festzusetzen war. Eine Kürzung auf lediglich 210,00 EUR erfolgte rechtsfehlerhaft.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie vorliegend - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei ist auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das ist dann der Fall, wenn die von ihm bestimmte Gebühr um mehr als 20 % von der angemessenen Gebühr abweicht (BSG, Urteil vom 01.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R).
Die von dem Erinnerungsführer getroffene Bestimmung hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr entspricht billigem Ermessen und ist daher verbindlich, da eine Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 EUR angemessen ist.
Der Betragsrahmen für die Verfahrensgebühr ergibt sich vorliegend aus Nr. 3102 VV RVG. Danach beträgt die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) 50,00 bis 550,00 EUR.
Bei der Bestimmung der Gebühr nach § 14 RVG ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen. Die Mittelgebühr ist der nach § 14 RVG angemessene Betrag, wenn als Ergebnis aller nach dieser Vorschrift anzustellenden Erwägungen die Feststellung zu treffen ist, dass es sich um einen Durchschnittsfall handelt (LSG NRW, Urteil vom 30.04.2003, Az. L 4 RJ 94/02). Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn nach den gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien die Streitsache als durchschnittlich zu bewerten ist, es sich um eine Streitsache von durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichem Umfang und durchschnittlichen Vermögensverhältnissen handelt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (LSG NRW, Beschluss vom 11.08.2004, L 4 B 9/04 RJ). Unter Zugrundelegung des in Nr. 3102 VV RVG geregelten Betragsrahmens für die Verfahrensgebühr ergibt sich eine Mittelgebühr in Höhe von 300,00 EUR.
Die Mittelgebühr war unter Berücksichtigung der nach § 14 RVG maßgebenden Kriterien entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht zu kürzen. Vorliegend handelt es sich um einen durchschnittlichen Fall.
Bei der Beurteilung der Bedeutung einer Angelegenheit ist auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, die Auswirkungen des Verfahrens auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers oder auf seine Stellung im öffentlichen Leben, sein Ansehen, seinen Namen sowie die rechtliche und tatsächliche Klärung für andere Fälle abzustellen (LSG NRW, Beschluss vom 11.08.2004, L 4 B 9/04 RJ). Dabei wird Streitigkeiten über Leistungen, die das sozio-kulturelle Existenzminimum eines Auftraggebers sichern, wie die Streitigkeiten nach dem SGB II, in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen, unabhängig davon, ob die Leistung dem Grunde nach oder lediglich die Höhe der Leistung umstritten ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R). Die Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin des Ausgangsverfahrens war mithin überdurchschnittlich, da es um die Kürzung der Leistungen nach dem SGB II ging.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisses der Klägerin sind im Vergleich mit denjenigen des Durchschnitts der Bevölkerung zu vergleichen. Da sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse als weit unterdurchschnittlich zu beurteilen.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist als durchschnittlich zu beurteilen.
Bei der Beurteilung der Schwierigkeit anwaltlicher Tätigkeit ist zu berücksichtigen, ob sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf den reinen Sachvortag von Tatsachen sowie die Würdigung von Ermittlungsergebnisse beschränkte oder ob die Auseinandersetzung mit sozialrechtlichen Fragestellungen oder Fragen aus anderen Rechtsgebieten erforderlich war. Vorliegend waren keine Ausführungen zu rechtlich schwierigen Fragestellungen erforderlich. Inhaltlich erfolgte überwiegend reiner Sachvortrag sowie Vortrag zu eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte.
Der Umfang der Tätigkeit ist ebenfalls als durchschnittlich anzusehen. Hinsichtlich des objektiven Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist der Arbeits- und Zeitaufwand, den der Rechtsanwalt auf die Streitsache verwenden musste, zu würdigen. Der Vortrag beschränkte sich vorliegend auf fünf kürzere und mittellange Schriftsätze. Die Verfahrensdauer betrug ein Jahr.
Synergieeffekte sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht zu berücksichtigen. Die Gebühr im führenden Verfahren ist stets so zu bemessen, als ob der Rechtsanwalt nur dieses eine Verfahren betrieben hätte. Für den Fall, dass er weitere gleichgelagerte Klageverfahren geführt hat, ist einzelfallbezogen zu prüfen, in welchem Umfang von einer Arbeitserleichterung auszugehen ist (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 02.12.2011, Az. L 15 SF 28/11 B E). Dies könnte nach Ansicht der Kammer ggf. anders zu beurteilen sein, wenn in ähnlich gelagerten Sachverhalten nahezu zeitgleich Klage mit nahezu identischen Klagebegründungen und im Weiteren nahezu identischen Schriftsätzen erhoben wird. So liegt der Fall hier jedoch jedenfalls nicht. Die wesentliche Arbeit hatte der Erinnerungsführer im Hinblick auf die rechtliche Schwierigkeit und den Umfang der Angelegenheit im "führenden" Verfahren S 6 AS 1646/14 zu leisten. In den beiden weiteren Klageverfahren erfolgte dann identischer Vortrag. Zu Recht erfolgte dann unter Hinweis auf Synergieeffekte eine Kürzung der Gebühren in den beiden anderen ähnlich gelagerten Fällen, was der Erinnerungsführer dort im Ergebnis auch akzeptiert hat.
Bei der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist hingegen die Mittelgebühr aus den im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss genannten Gründen auf 210,00 EUR zu kürzen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) strittig.
Zusätzlich sind Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR und nach Nr. 7008 VV RVG von 100,70 EUR entstanden. Die angemessenen Gebühren betrugen danach insgesamt 630,70 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Festsetzung von aus der Staatskasse zu zahlender Vergütung im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe streitig.
Im Ausgangsverfahren (Az. S 6 AS 1646/14) wandte sich die dortige Klägerin, der Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T beigeordnet wurde, gegen eine Minderung ihres Arbeitslosengeldes II um 30% für drei Monate. Das dortige beklagte Jobcenter hatte ihr die Leistungen entsprechend gekürzt, da die dortige Klägerin keine Bewerbungsbemühungen nachgewiesen hatte. Dies entschuldigte die dortige Klägerin mit gesundheitlichen Problemen. Gute drei Monate nach Klageerhebung erhob die dortige Klägerin zwei weitere Klagen (Az. S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15), mit der es um weitere Sanktionen ging, gegen die die dortige Klägerin sich mit derselben Begründung zu Wehr setzte. In den drei Verfahren führte das Gericht am 30.09.2015 einen Verhandlungstermin durch. Im Verfahren S 6 AS 10/15 gab der dortige Beklagte ein Anerkenntnis ab, in den beiden anderen Verfahren erging jeweils ein klageabweisendes Urteil.
Am 26.10.2015, korrigiert durch Schriftsatz vom 11.11.2015 beantragte der Erinnerungsführer Kostenfestsetzung unter Hinweis auf eine Abtretung der Kostenerstattungsansprüche durch Herrn Rechtsanwalt T an ihn. Er machte dabei folgende Positionen geltend:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 280,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 114,00 EUR Endsumme 714,00 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.11.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 511,70 EUR fest. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 200,00 EUR festzusetzen sei. Dies folge aus Synergieeffekten wegen drei paralleler Verfahren. Gleiches gelte für die Terminsgebühr (210,00 EUR), da die Verfahren gemeinsam verhandelt worden seien.
Mit derselben Begründung setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in den Verfahren S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15 entsprechend reduzierte Gebühren an.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.11.2015 hat der Erinnerungsführerin am 24.11.2015 Erinnerung eingelegt.
Der Erinnerungsführer ist der Ansicht, dass die Ansetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von lediglich 210,00 EUR rechtsfehlerhaft sei. Synergieeffekte entstünden, wenn bei einem Verfahren aufgrund der Vorbefassung in einem anderen, nahezu identischen Verfahren die anwaltliche Tätigkeit nach Arbeits- und Zeitaufwand aufgrund der Vorbefassung deutlich verringert sei. Für das arbeitsintensivere Ausgangsverfahren sei notwendig keine Synergie gegeben. Die Synergie in Bezug auf die Verfahrensgebühr in den Verfahren S 6 AS 10/15 und S 6 AS 11/15 werde in den dortigen Verfahren berücksichtigt und die entsprechende Kürzung akzeptiert.
Die Erinnerungsführerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Gebühren und Auslagen unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17.11.2015 unter Berücksichtigung der Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,00 EUR festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt schriftsätzlich,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Der Erinnerungsgegner verweist auf die seiner Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet. Die von der Staatskasse gemäß § 55 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu erstattenden Gebühren und Auslagen sind unzutreffend auf lediglich 511,70 EUR festgesetzt worden. Der Erinnerungsführer hat Anspruch auf Festsetzung weiterer 119,00 EUR, da in Bezug auf die Verfahrensgebühr die geltend gemachte Mittelgebühr in Höhe von 300,00 EUR festzusetzen war. Eine Kürzung auf lediglich 210,00 EUR erfolgte rechtsfehlerhaft.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie vorliegend - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei ist auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das ist dann der Fall, wenn die von ihm bestimmte Gebühr um mehr als 20 % von der angemessenen Gebühr abweicht (BSG, Urteil vom 01.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R).
Die von dem Erinnerungsführer getroffene Bestimmung hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr entspricht billigem Ermessen und ist daher verbindlich, da eine Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 EUR angemessen ist.
Der Betragsrahmen für die Verfahrensgebühr ergibt sich vorliegend aus Nr. 3102 VV RVG. Danach beträgt die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) 50,00 bis 550,00 EUR.
Bei der Bestimmung der Gebühr nach § 14 RVG ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen. Die Mittelgebühr ist der nach § 14 RVG angemessene Betrag, wenn als Ergebnis aller nach dieser Vorschrift anzustellenden Erwägungen die Feststellung zu treffen ist, dass es sich um einen Durchschnittsfall handelt (LSG NRW, Urteil vom 30.04.2003, Az. L 4 RJ 94/02). Ein Durchschnittsfall liegt vor, wenn nach den gemäß § 14 RVG maßgebenden Kriterien die Streitsache als durchschnittlich zu bewerten ist, es sich um eine Streitsache von durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichem Umfang und durchschnittlichen Vermögensverhältnissen handelt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (LSG NRW, Beschluss vom 11.08.2004, L 4 B 9/04 RJ). Unter Zugrundelegung des in Nr. 3102 VV RVG geregelten Betragsrahmens für die Verfahrensgebühr ergibt sich eine Mittelgebühr in Höhe von 300,00 EUR.
Die Mittelgebühr war unter Berücksichtigung der nach § 14 RVG maßgebenden Kriterien entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht zu kürzen. Vorliegend handelt es sich um einen durchschnittlichen Fall.
Bei der Beurteilung der Bedeutung einer Angelegenheit ist auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, die Auswirkungen des Verfahrens auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers oder auf seine Stellung im öffentlichen Leben, sein Ansehen, seinen Namen sowie die rechtliche und tatsächliche Klärung für andere Fälle abzustellen (LSG NRW, Beschluss vom 11.08.2004, L 4 B 9/04 RJ). Dabei wird Streitigkeiten über Leistungen, die das sozio-kulturelle Existenzminimum eines Auftraggebers sichern, wie die Streitigkeiten nach dem SGB II, in der Regel überdurchschnittliche Bedeutung beigemessen, unabhängig davon, ob die Leistung dem Grunde nach oder lediglich die Höhe der Leistung umstritten ist (BSG, Urteil vom 01.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R). Die Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin des Ausgangsverfahrens war mithin überdurchschnittlich, da es um die Kürzung der Leistungen nach dem SGB II ging.
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisses der Klägerin sind im Vergleich mit denjenigen des Durchschnitts der Bevölkerung zu vergleichen. Da sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse als weit unterdurchschnittlich zu beurteilen.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist als durchschnittlich zu beurteilen.
Bei der Beurteilung der Schwierigkeit anwaltlicher Tätigkeit ist zu berücksichtigen, ob sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf den reinen Sachvortag von Tatsachen sowie die Würdigung von Ermittlungsergebnisse beschränkte oder ob die Auseinandersetzung mit sozialrechtlichen Fragestellungen oder Fragen aus anderen Rechtsgebieten erforderlich war. Vorliegend waren keine Ausführungen zu rechtlich schwierigen Fragestellungen erforderlich. Inhaltlich erfolgte überwiegend reiner Sachvortrag sowie Vortrag zu eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte.
Der Umfang der Tätigkeit ist ebenfalls als durchschnittlich anzusehen. Hinsichtlich des objektiven Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist der Arbeits- und Zeitaufwand, den der Rechtsanwalt auf die Streitsache verwenden musste, zu würdigen. Der Vortrag beschränkte sich vorliegend auf fünf kürzere und mittellange Schriftsätze. Die Verfahrensdauer betrug ein Jahr.
Synergieeffekte sind nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht zu berücksichtigen. Die Gebühr im führenden Verfahren ist stets so zu bemessen, als ob der Rechtsanwalt nur dieses eine Verfahren betrieben hätte. Für den Fall, dass er weitere gleichgelagerte Klageverfahren geführt hat, ist einzelfallbezogen zu prüfen, in welchem Umfang von einer Arbeitserleichterung auszugehen ist (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 02.12.2011, Az. L 15 SF 28/11 B E). Dies könnte nach Ansicht der Kammer ggf. anders zu beurteilen sein, wenn in ähnlich gelagerten Sachverhalten nahezu zeitgleich Klage mit nahezu identischen Klagebegründungen und im Weiteren nahezu identischen Schriftsätzen erhoben wird. So liegt der Fall hier jedoch jedenfalls nicht. Die wesentliche Arbeit hatte der Erinnerungsführer im Hinblick auf die rechtliche Schwierigkeit und den Umfang der Angelegenheit im "führenden" Verfahren S 6 AS 1646/14 zu leisten. In den beiden weiteren Klageverfahren erfolgte dann identischer Vortrag. Zu Recht erfolgte dann unter Hinweis auf Synergieeffekte eine Kürzung der Gebühren in den beiden anderen ähnlich gelagerten Fällen, was der Erinnerungsführer dort im Ergebnis auch akzeptiert hat.
Bei der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist hingegen die Mittelgebühr aus den im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss genannten Gründen auf 210,00 EUR zu kürzen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) strittig.
Zusätzlich sind Auslagen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR und nach Nr. 7008 VV RVG von 100,70 EUR entstanden. Die angemessenen Gebühren betrugen danach insgesamt 630,70 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved