L 13 VG 10/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 15 SF 227/13 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 VG 10/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerbevollmächtigten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 07.01.2016 wird zurückgewiesen. Die von den Erben des Klägers eingelegten Rechtsbehelfe werden verworfen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen der Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung.

Mit der am 05.07.2011 erhobenen Klage (S 15 VG 49/11) hat der Kläger - vertreten durch seine damalige Betreuerin, die Erinnerungsführerin, Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz begehrt. Mit Beschluss vom 09.11.2011 hat das Gericht dem Kläger für die Zeit ab 05.07.2011 Prozesskostenhilfe bewilligt und die Erinnerungsführerin beigeordnet. Am 26.07.2012 ist ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten durchgeführt worden. Am 15.03.2013 teilte die Erinnerungsführerin mit, der Kläger sei verstorben. Das Bürgeramt der Stadt C bestätigte, dass der Kläger am 11.03.2013 verstorben ist. Die Erinnerungsführerin gab an, es gebe keine Rechtsnachfolger, die das Verfahren fortsetzen wollten. Nach ihren Informationen sei das Erbe ausgeschlagen worden. Zu einer Prozessbeendenden Erklärung sehe sie sich als ehemalige Anwaltsbetreuerin nicht in der Lage. Der Beklagte teilte mit, er habe keine Kenntnis von (möglichen) Rechtsnachfolgern des verstorbenen Klägers. Die Streitsache ist im Hinblick auf die Erklärungen der Erinnerungsführerin am 23.09.2013 nach der Aktenordnung ausgetragen worden.

Zuvor hat die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 20.08.2013 beantragt, einen Gebühren- und Auslagenvorschuss im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe gegen die Staatskasse wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr §§ 2, 3, 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 3103 VV RVG 320,00 EUR
Terminsgebühr §§ 2, 3, 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG 380,00 EUR

Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikations- Leistungen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG (80 km) 24,00 EUR
Parkentgelt 2,00 EUR
Abwesenheitspauschale Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 20,00 EUR
Zuzüglich 19% USt Nr. 7008 VV RVG 145,54 EUR
Zusammen 911,54 EUR

Mit Beschluss vom 06.09.2013 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die der Erinnerungsführerin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 703,29 EUR festgesetzt. In dem Beschluss ist ausgeführt, durch den Tod des Antragstellers am 11.03.2013 ende die mit Beschluss vom 09.11.2011 bewilligte Prozesskostenhilfe und das bisherige Bewilligungsverfahren erledige sich. Der Erbe rücke sachlich-rechtlich in die Position des Erblassers ein. ER müsse indessen für seine Person Prozesskostenhilfe neu beantragen. Rechtsnachfolger seien bisher nicht bekannt. Eine Vorschussfestsetzung erübrige sich damit. Für die Bemessung der Höhe der Rahmengebühren könne nur der Zeitpunkt bis zum 11.03.1013 berücksichtigt werden. Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit seien überdurchschnittlich. Unter Berücksichtigung der Bemessungsgrundsätze des § 14 RVG werde eine Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 75% der Höchstgebühr, also in Höhe von 240,00 EUR, als angemessen und ausreichend angesehen. Die angemeldete Höchstgebühr von 320,00 EUR sei unbillig und abzusetzen. Auch die Terminsgebühr seine eine Rahmengebühr, so dass bezüglich der Ermittlung des konkreten Betrages innerhalb des Rahmens (20 EUR bis 380 EUR) die gleichen Erwägungen zu gelten hätten wie bei der Verfahrensgebühr. Maßgeblich seien also insbesondere die Bedeutung der Sache für den Mandanten, dessen wirtschaftliche Verhältnisse, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Länge und Dauer des Gerichtstermins dürften dahinter im Normalfall zurücktreten, wenn der Gerichtstermin sich im Rahmen des Normalen bewege. Am 26.07.2012 sei ein Erörterungstermin mit einer durchschnittlichen Länge von 60 Minuten durchgeführt worden. Daher und aufgrund der obigen Ausführungen zur Verfahrensgebühr werde auch hier eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 75% der Höchstgebühr, also in Höhe von 285,00 EUR, als angemessen und ausreichend angesehen. Die angemeldete Höchstgebühr von 380,00 EUR sei unbillig und abzusetzen. Die Mehrwertsteuer reduziere sich entsprechend.

Am 10.09.2013 hat die Erinnerungsführerin "im eigenen Namen und - soweit legitimiert - namens und als Bevollmächtigte des/der Erben des Klägers gegen die Festsetzungsentscheidung vom 06.09.2013 Beschwerde, sofortige Beschwerde, Erinnerung bzw. sonst zulässiges Rechtsmittel" eingelegt. Sie trägt vor, sowohl bei der Verfahrensgebühr als auch bei der Terminsgebühr sei der Höchstbetrag gerechtfertigt. Die Klageschrift und die folgenden Schriftsätze hätten einen erheblichen Zeiteinsatz gefordert. Es sei eine sehr differenzierte, juristisch tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem OEG erforderlich gewesen. Der Kläger sei menschlich herausfordernd gewesen. Außerdem habe er wegen kognitiver Probleme an der Aufklärung des entscheidenden Sachverhalts kaum adäquat mitwirken können. Die mündliche Verhandlung habe dies ein Stück weit verdeutlicht. Die Angelegenheit sei für den Kläger nicht nur finanziell von großer Bedeutung gewesen (Klageziel in Relation zu seinem kärglichen Einkommen und seiner dürftigen Vermögenssituation). Für den Kläger, der sich durch die Körperverletzung auch seelisch angegriffen gesehen habe, habe das vorliegende Verfahren auch eine Art von Wiedergutmachung bedeutet. Für die Terminsgebühr gelte im Wesentlichen dasselbe. Für den Kläger sei die mündliche Verhandlung ein Stück Aufarbeitung der traumatischen Erlebnisse gewesen und außerdem ein Highlight in seinem tristen Alltag, deshalb ein Stück Lebensgewinn. Auch daher habe diese mündliche Verhandlung für ihn allergrößte Bedeutung gehabt. Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung aus den im Beschluss vom 06.09.2013 genannten Gründen nicht abgeholfen.

Der Erinnerungsgegner trägt vor, mit Beschluss vom 09.11.2011 sei die Erinnerungsführerin beigeordnet worden. Nur diese sei Inhaberin des Vergütungsanspruchs, antragsberechtigt nach § 55 RVG und somit erinnerungsbefugt nach § 56 RVG. Die weiter durch sie eingelegten Erinnerungen seien unzulässig. Auch sei unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 01.07.2009 (B 4 AS 21/09 R) die PKH-Festsetzung nicht zu beanstanden. Die geltend gemachten Gebühren seien unbillig und die festgesetzten Gebühren nicht zu beanstanden.

Das Sozialgericht (SG) hat die Erinnerung mit Beschluss vom 07.01.2016 als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt:

"Gemäß § 56 Abs. 1 RVG entscheidet das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55. Soweit die Erinnerungsführerin namens und als Bevollmächtigte von Erben des Klägers Erinnerung eingelegt hat, ist diese unzulässig. Die im eigenen Namen eingelegte Erinnerung ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 1 RVG erhält die beigeordnete Rechtsanwältin die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. In Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetzt - wie hier - nicht anzuwenden ist, entstehen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Nach der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG ist die Vergütung nach dem zur Zeit der Beiordnung der Erinnerungsführerin geltenden Recht zu berechnen.

Maßgeblich für die Bestimmung der im vorliegenden Fall angefallenen Verfahrensgebühr ist der Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV RVG. Die Gebühr beträgt 20,- EUR bis 320,- EUR. Innerhalb eines Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 u. 3 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers und des Haftungsrisikos, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).

Die von der Erinnerungsführerin bestimmte Gebühr ist unbillig. Liegt ein Durchschnittsfall vor, d. h. hebt sich die Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle ab, ist die Mittelgebühr zugrunde zu legen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R). Bei Abweichungen von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des vorgegebenen Rahmens ansetzen. Die angesetzte Gebühr ist erst dann als unbillig - und damit als nicht verbindlich - anzusehen, wenn sie einen Toleranzrahmen von 20% überschreitet (Urteil des Bundessozialgerichts vom 01.07.209 - B 4 AS 21/09 R - sowie u. a. Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18.06.2012 - L 12 AS 2173/11 B -). Im angefochtenen Beschluss vom 06.09.2013 ist unter Berücksichtigung der Bemessungsgrundsätze des § 14 RVG zutreffend eine Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 75% der Höchstgebühr, also in Höhe von 240,00 EUR als angemessen und die angemeldete Höchstgebühr von 320,00 EUR als unbillig angesehen worden.

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist im Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend als überdurchschnittlich bewertet worden. In einer sozialrechtlichen Angelegenheit ist die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit im Vergleich zu sonstigen Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu beurteilen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit etwa dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme,; diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen. Beispielhaft lassen sich für überdurchschnittliche tatsächliche Schwierigkeiten der Umgang mit einem problematischen Mandanten, sprachliche oder akustische Verständigungsprobleme, die eingehende Auseinandersetzung mit medizinischen oder anderen Fachgutachten oder eine umfangreiche Beweiswürdigung nennen (Vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R - mit weiteren Nachweisen). Eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich durch die vorgetragenen tatsächlichen Schwierigkeiten im Umgang mit dem Kläger, die für das Gericht nachvollziehbar sind, und daraus, dass es um den Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne von § 1 OEG ging.

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist im Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend als überdurchschnittlich beurteilt worden. Hierbei ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste.

Die Bedeutung der Angelegenheit ist im Festsetzungsbeschluss vom 06.09.2013 ebenfalls zutreffend als überdurchschnittlich angesehen worden. Im Fall des Klägers ist dabei auch die mit der Erinnerung vorgetragene immaterielle Bedeutung des Verfahrens für den Kläger zu berücksichtigen.

Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist entstanden und zutreffend in Höhe von 75 % der Höchstgebühr, also in Höhe von 285,00 EUR festgesetzt worden. Dabei ist zu Recht auch die überdurchschnittliche Dauer des Erörterungstermins vom 26.07.2012 berücksichtigt worden. Das Vorbringen der Erinnerungsführerin, der Erörterungstermin sei für den Kläger ein Stück Aufarbeitung der traumatischen Erlebnisse gewesen sowie ein Highlight in seinem tristen Alltag, vermag den Ansatz einer höheren Gebühr als 75 % der Höchstgebühr nicht zu rechtfertigen.

Hinzu kommen Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG in Höhe von 24,00 EUR, das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR sowie die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR und das Parkentgelt von 2,00 EUR. Zuzüglich Umsatzsteuer auf die Vergütung nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 19 % (112,29 EUR) ergibt sich der festgesetzte Betrag von 703,29 EUR. Auf die zutreffenden Ausführungen im Festsetzungsbeschluss vom 06.09.2013 wird im Übrigen Bezug genommen."

Dagegen richtet sich die von der Klägerbevollmächtigten in eigenen und im Namen der Erben eingelegte "Beschwerde, hilfsweise sofortige Beschwerde, hilfsweise Erinnerung, hilfsweise sonst zulässiges Rechtsmittel".

Der Bezirksrevisor beantragt,

die im Namen der Frau Rechtsanwältin F eingelegte Beschwerde vom 26.01.2016 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 07.01.2016 aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

Weiterhin beantragt er,

die namens und als Bevollmächtigte des/der Erben des Klägers eingelegte Beschwerde, hilfsweise sofortige Beschwerde, hilfsweise Erinnerung, hilfsweise sonst zulässige Rechtsmittel vom 26.01.2016 als unzulässig zu verwerfen.

II.

Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 S. 1 RVG entscheidet der Einzelrichter in der Sache allein.

Zur Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses sowie auf den Schriftsatz des Bezirksrevisors vom 22.04.2016 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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