Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 13 U 184/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 331/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.04.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) im Folgenden: BK 2108.
Der im September 1943 geborene Kläger war von 1966 bis Ende 2003 bei der Firma T Lebensmittel GmbH als LKW Fahrer und Lagerarbeiter und trug Obstkisten, Zwiebel- und Kartoffelsäcke mit einem Gewicht zwischen 7 und 25 Kg. Ab dem 01.07.1988 wurde er als Schichtführer in der Wareneingangskontrolle eingesetzt.
Ausweislich der Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten auf der Grundlage einer Befragung des Klägers am 12.01.2005 im Betrieb war er dabei im Zeitraum vom 01.01.1966 bis 30.06.1988 einer Belastungsdosis von 33,5 MNh und ab 01.07.1988 bis 20.06.2003 im Rahmen der Tätigkeit als Schichtführer einer Belastungsdosis von 5,8 MNh bei Berücksichtigung der Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit unter Anwendung des modifizierten Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) insgesamt einer Gesamtbelastungsdosis von 39,3 MNh ausgesetzt gewesen.
Nach einer BK Anzeige der Krankenkasse leitete die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) ein Feststellungsverfahren zur BK 2108 ein und zog bildgebende Befunde betreffend die LWS und HWS bei.
Mit Bescheid vom 27.04.2004 lehnte die der Beklagten die Anerkennung einer BK 2108 mit der Begründung ab, beim Kläger seien Verschleißerscheinungen auch in anderen Bereichen der Wirbelsäule und an der HWS zu finden, was für eine anlagenbedingte Erkrankung spreche.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er habe infolge der schweren Arbeit bereits 1975 wegen Rückenbeschwerden eine Kurmaßnahme absolviert. Die Beratungsärztin Dr. I kam nach Sichtung der Unterlagen zu dem Ergebnis, beim Kläger sei im Bereich der LWS eine mehrsegmentale Protusion offenkundig, die HWS sei lediglich im Bereich C6/C7 verändert. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter Prof. Dr. X führte in seinem Gutachten vom 20.08.2005 (mit radiologischen Zusatzgutachten Prof. Dr. I1 vom 22.07.2005) aus, die beim Kläger festzustellenden Bandscheibenprotusionen im Bereich der LWS seien auf die langjährige, nicht mehr zumutbare Beanspruchung bei der beruflichen Tätigkeit zurückzuführen, die MdE schätze er auf 20. v. H.
Die Beklagte folgte dieser Einschätzung nicht und wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 den Rechtsbehelf zurück. In der Begründung heißt es, es sei davon auszugehen, dass die Erkrankung bereits 1975 und damit schon nach wenigen Jahren der beruflichen Belastung eingetreten sei; auch sei die Erkrankung fortgeschritten, obwohl der Kläger ab 1988 deutlich geringeren Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Der Verlauf spreche daher gegen einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit.
Hiergegen hat der Kläger am 11.07.2006 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.
Das Sozialgericht (SG) hat von Amts wegen ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. T eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 04.09.2009 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.03.2010 zu dem Ergebnis gelangt: er sehe bezogen auf die Zielaufnahme der LWS von 2001 chondrotische Veränderungen auf allen Etagen, im Bereich L1/2 und L 3/4 Grad I-II grenzwertig, im Bereich L 2/3, am stärksten betroffen: L 4/5 - und L5/S1, zumindest Grad II, jedoch keinen Bandscheibenvorfall. Im Bereich der HWS sei im Wesentlichen C 6/7 betroffen. Insoweit sei von der Konstellation B2/B4 auszugehen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die wesentliche Belastung bis 1988 eingetreten sei, und die Entwicklung sowie der Verlauf mangels aussagekräftiger Befundunterlagen bis dahin aber nicht nachvollzogen werden könne, gehe er nicht von einem belastungskonformen Schadensbild aus, so dass eine BK 2108 nicht anzunehmen sei.
Auf Antrag des Klägers hat das SG den Orthopäden Dr. X1 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehört. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 02.11.2010 i. V. m. einer ergänzenden Stellungnahme vom 31.01.2011 ausgeführt: Es bestehe ein mehrsegmentaler Befund im Bereich der unteren LWS, am stärksten ausgeprägt bei L 4/5 und L 5/S1 ohne Begleitspondylose. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen spreche nicht gegen die Anerkennung einer BK 2108, da der Grundstein für die degenerativen Veränderungen im vorherigen Zeitraum gelegt worden sei, die Senkung der Belastungsdosis habe aller Wahrscheinlichkeit nach nur zu einer Verlangsamung der Progredienz geführt. Im Übrigen sei ein erstes Auftreten von Rückenbeschwerden im Jahr 1975 nicht mit dem Beginn der bandscheibenbedingten Erkrankung gleichzusetzen. Er schätze die MdE mit 10 v. H. ein.
Das SG hat daraufhin von Amts wegen ein weiteres Gutachten eingeholt, nunmehr bei dem Orthopäden Dr. W. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 01.10.2011 ausgeführt: Beim Kläger liege in dem Segment L4/L5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne einer zweitgradigen Osteochondrose vor. Demgegenüber seien die Veränderungen in dem Segment L5/S1 allenfalls grenzwertig im Vergleich zur Altersnorm. Eine Begleitspondylose lasse sich wegen der möglichen konkurrierenden Ursache der ebenfalls bestehenden Skoliose nicht nachweisen. Eine "black disc" an angrenzenden, nicht von den chondrotischen Veränderungen betroffenen Segmenten sei nicht sicher nachzuweisen. Eine Schwerpunktbildung an der LWS erkenne er nicht. Ein beruflicher Zusammenhang sei nur dann als wahrscheinlich ansehen, wenn eines der arbeitstechnischen Zusatzkriterien der Konsensempfehlungen zu B2/B4 erfüllt sei.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 05.03.2012 hat der Präventionsdienst der Beklagten ausgeführt, im Beschäftigungszeitraum 1966 - 2003 sei der Richtwert für die Lebensdosis von 25 MNh in weniger als 10 Jahren nicht erreicht worden, es werde maximal eine Lebensdosis von 15,2 MNh erreicht; auch seien keine Belastungspitzen mit Druckkraftwerten von 6kN oder mehr angefallen.
Mit Urteil vom 18.04.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 14.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.06.2012 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens macht er geltend, der Schwere der langjährigen körperlichen Belastungen werde unter Berücksichtigung des vorliegenden Krankheitsbildes nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch lägen seiner Ansicht nach die arbeitstechnischen Zusatzkriterien der B2-Konstellation bezogen auf den Zeitraum 1966 bis 1988 vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.04.2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen und eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab Oktober 2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
1. hilfsweise zum Beweis für die Behauptung, dass unter Berücksichtigung aller Arbeitsunfähigkeitstage im Beschäftigungszeitraum 01.01.1966 bis 30.06.1988 von einer Lebensdosis von mindestens 25 MNh in weniger als 10 Jahren auszugehen ist, ein ergänzendes arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen,
2. weiter hilfsweise, durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu überprüfen, ob der allgemeine Erfahrungssatz besteht, dass für die bei der Befundkonstellationen B2, 2. Zusatzkriterium erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern das Erreichen der hälftigen MDD Dosis in Höhe von 25 Nh, mithin des Wertes von 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren genügt,
3. weiter hilfsweise, bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" eine schriftliche Stellungnahme zu der Frage einzuholen, ob ein Konsens zur Zusammenhangsbeurteilung auch dann besteht, wenn beim Zusatzkriterium der B2-Konstellation "besonders intensive Belastung" der Richtwert für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren bei Männern auf 12,5 MNh halbiert wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
1. hilfsweise, zu ermitteln, ob der allgemeine Erfahrungssatz besteht, dass für die bei der Befundkonstellationen B 2, 2. Zusatzkriterium erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern das Erreichen der hälftigen MDD Dosis in Höhe von 25 MNh nämlich des Wertes von 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren genügt,
2. hilfsweise, die Mitglieder der Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" zu der Frage zu hören, ob ein Konsens zur Zusammenhangsbeurteilung auch dann noch besteht, wenn beim Zusatzkriterium der B2 Konstellation "besonders intensive Belastung" der Richtwert für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren bei Männern auf 12,5 MNh halbiert wird.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers eine weitere Stellungnahme nach § 109 SGG bei Dr. X1 angefordert, der am 30.04.2013 die Auffassung vertreten hat, die HWS Veränderungen seien im Vergleich zur LWS geringer ausgeprägt, außerdem sei das Zusatzkriterium "Belastungsspitzen" erfüllt. Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten.
Der Senat hat gem. § 106 SGG ein radiologisches Gutachten bei Prof. Dr. B, Universitätsklinikum E, eingeholt. Der Sachverständige ist unter Auswertung der bildgebenden Befunde in seinem Gutachten vom 27.03.2015 zu dem Ergebnis gelangt, es seien Höhenminderungen an mehreren Bandscheiben der Lendenwirbelsäule nachweisbar mit Chondrose der Grad II im Bewegungssegment LWK 4/5 sowie Chondrose Grad I im Bewegungssegment LWK 1/2 - LWK 2/3 - LWK 5/SWK 1 festzustellen. Es sei eine black-disc im Bewegungssegment LWK 4/5 vorhanden, die übrigen Bandscheiben der LWS zeigten ebenfalls einen deutlichen Signalabfall ohne Nachweis von black-discs, wobei auch keine Begleitspondylose vorliege. Zusätzlich fänden sich multisegmentale Bandscheibenvorwölbungen, die als Protusion Grad I/II mit Tendenz zu II gewertet würden, so dass aus seiner Sicht die Konstellation B2, 1. Alt. gegeben sei. Die degenerativen Veränderungen an der HWS seien demgegenüber im Vergleich zur LWS als schwächer ausgeprägt zu bezeichnen. Höhergradige konkurrierende Ursachenfaktoren erkenne er nicht. Er gehe insoweit vom Vorliegen der Konstellation B4 aus.
Die Beklagte ist dem Gutachten entgegen getreten. Die vom Sachverständigen beschriebenen Veränderungen erreichten außer im Segement L4/5 nicht den Chondrosegrad II, so dass von nur einem monosegmentalen Bandscheibenschaden auszugehen sei. Eine black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten sei nicht festgestellt worden, so dass die Konstellation B2 1 Alt. nicht angenommen werden könne.
In einer weiteren arbeitstechnische Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 10.07.2015 wird ausgeführt, dass sich unter Berücksichtigung aller Arbeitsunfähigkeitstage im Beschäftigungszeitraum 01.01.1966 bis 30.06.1988 durchgängig eine Lebensdosis von 14,7 MNh in weniger als 10 Jahren errechne. Im Beschäftigungszeitraum 01.07.1988 bis 20.06.2003 sei durchgängig eine Lebensdosis von 3,1 MNh in weniger als 10 Jahren zu verzeichnen.
Der Senat hat eine weitere ergänzende Stellungnahme des Dr. W vom 21.07.2016 eingeholt, der ausgeführt hat, die Mitglieder der Konsensusgruppe seien bei der Erarbeitung der Konsensempfehlungen vom einem Erfahrungssatz ausgegangen, wonach mit einer "besonders intensiven Belastung" das Erreichen des Richtwertes von 25 MNh (bei Männern) in weniger als 10 Jahren gemeint war. Eine Verdichtung der zwischenzeitlich gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach bereits eine Belastung von 12,5 MNh bezogen auf das Zusatzkriterium B 2 - 2. Alt ausreichend sein solle, könne er nicht erkennen.
Der Kläger ist dieser Stellungnahme entgegengetreten. Er halte diesbezüglich weitere Ermittlungen für geboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Deren wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn dieser Bescheid entspricht der Sach- und Rechtslage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der streitigen BK 2108.
Hinsichtlich der Voraussetzungen der Anerkennung einer BK gemäß § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - 7. das Buch - (SGB VII) dem Grunde nach nimmt der Senat gemäß §153 Abs. 2 SGG zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen, deren Vorliegen nach dem sogenannten Mainz-Dortmunder-Dosis Modell - MDD - (vergleiche BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R) zu ermitteln ist, muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeit aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007, a. a. O.; Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R).
Hinsichtlich der Einwirkungen hat das MDD eine Belastung von 25 MNh (für Männer) als Richtwert angesehen; das BSG hat in seinem Urteil vom 30.10.2007 insoweit eine Modifizierung vorgenommen, als es den Nachweis einer Mindestbelastungsdosis von 5500 Nh pro Tag (Tagesdosis) als obsolet angesehen hat, wodurch nunmehr auch Tagesdosiswerte unterhalb dieses Wertes in die Gesamtberechnung einfließen. Außerdem hat es den unteren Wert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen ist und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also 12,5 MNh herabgesetzt und ein Unterschreiten dieses Wertes somit als "Abschneidekriterium" herangezogen. Der Kläger hat nach den vorliegenden arbeitstechnischen Ermittlungen unstreitig in dem hier allein relevanten Zeitraum von 1966 bis 2003 bei der ausgeübten Beschäftigung diesen (nach der modifizierten Berechnung) ermittelten Orientierungswert mit 39,3 MNh überschritten, sodass es an dieser Stelle keiner näheren Ausführungen zu weiteren Belastungsfaktoren bedarf. Der Kläger war als Lagerarbeiter auch langjährig (mindestens 10 Jahre) und mindestens 60 Schichten pro Jahr regelmäßigen Einwirkungen im Sinne der BK 2108 ausgesetzt.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankungen im Sinne der BK 2108 setzt den bildgebenden Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens im Sinne einer Höhenminderung (Chondrose und/oder einem Bandscheibenvorfall) einerseits und einer korrelierenden klinischen Symptomatik andererseits voraus.
Beim Kläger liegt nach übereinstimmender Auffassung aller mit der Angelegenheit des Klägers befassten Ärzte eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, und zwar zumindest in Form einer Chondrose Grad II im Segment L 4/5, die auch mit einem korrespondierenden klinischen Beschwerdebild und Funktionseinschränkungen einhergeht, wobei hinsichtlich der Betroffenheit der übrigen Bereiche der LWS teilweise unterschiedliche Einschätzungen der Sachverständigen vorliegen.
Das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung und die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des modifizierten MDD kann jedoch allein die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhangs der vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit beruflichen Einwirkungen nicht begründen, da in der medizinischen Wissenschaft anerkannt ist, dass Bandscheibenschäden insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie (vgl. Merkblatt zur BK 2108 (BArbBl 10/2006)-I. Gefahrenquellen-). Da diese Bandscheibenerkrankungen auch in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, hat die medizinische Wissenschaft im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Rahmen der BK 2108 weitere Kriterien erarbeitet, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als sogenannte Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe zusammengestellt wurden (vergl. Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005 Seite 211 ff.). Es ist davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Frage der Verursachung von Erkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vergl. BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 13/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 9; Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R sowie zuletzt: BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 10/14 R Rn. 20ff m. w. N.). Zur Gewährleistung einer gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten im Geltungsbereich des SGB VII erscheint es daher sachgerecht und geboten, dass Gutachter, Sachverständige und Gerichte diese Konsensempfehlungen bei der Kausalitätsbeurteilung anwenden.
Heranzuziehen ist hier die Konstellation B, welche eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich L5/S1 und/oder L4/L5 bei Ausprägung des Bandscheibenschadens als Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall zur Grundvoraussetzung hat.
In der Konstellation B2 ist ein Zusammenhang wahrscheinlich, wenn (bei fehlender Begleitspondylose und nicht erkennbaren wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren) eine altersuntypische Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht - bei monosegmentalen/Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten vorliegen. (1. Zusatzkriterium).
Alternativ genügt für die Erfüllung der Konstellation B2 das Vorliegen einer besonders intensiven Belastung und als Anhaltspunkt das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren (2. Zusatzkriterium).
Schließlich kann die Konstellation B2 auch durch das Vorliegen eines besonderen Gefährdungspotenzials durch hohe Belastungsspitzen und als Anhaltspunkt das Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Männer ab 6 KN) erfüllt werden (3. Zusatzkriterium).
Bei Anwendung dieser Grundsätze sind nach Überzeugung des Senats die Voraussetzungen der Konstellation "B2" nicht erfüllt.
Das 1. Zusatzkriterium kann beim Kläger nicht angenommen werden.
Hinsichtlich der Bewertung der Ausprägung der Schäden an der LWS ist bei korrekter Anwendung der Konsensempfehlungen nach Überzeugung des Senats auch nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B nur von einem monosegmentalten Bandscheibenschaden auszugehen, da nur der Bereich L4/5 eine Chondrose Grad II aufweist, die übrigen LWS-Abschnitte zwar verändert sind (Höhenminderung Grad I bzw. I - II im Bereich LWK 5/S 1). Beim hier unstreitigen Fehlen von Begleitspondylosen und wesentlichen konkurrierenden Ursachen erreichen die Schäden aber noch nicht den geforderten Grad II im Sinne von altersuntypischen Veränderungen. Ebenso liegen noch keine black discs in den an den LWK 4/5 angrenzenden Bereichen vor. Insoweit ist den überzeugenden, sich an den Konsensempfehlungen orientierenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W zu folgen, der davon ausgeht, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung mit altersuntypischen Veränderungen im Segment L4/5 vorliegt und die Veränderungen im Segment L5 /S1 allenfalls als grenzwertig zu anzusehen sind. Prof. Dr. B hat dies als Chondrose Grad II in L 4/5 und Chondrose I - II in L5/S1 bezeichnet. Bandscheibenvorfälle hat auch er nicht benannt. Die von ihm beschriebenen Bandscheibenvorwölbungen (Protusionen) - (nicht: Prolaps) bei den LWK 4/5 und LWK 5/S1 vom Grad I - II reichen für das Zusatzkriterium B 2 1. Alt. nicht aus. Wenn Prof. B hier also von "mehreren Bandscheibensegmenten" spricht, hat er offenbar auch die I. gradigen Veränderungen mit einbezogen, was nicht zutreffend ist. Bei einem monosegmentalen Befall kommt es auf den Meinungsstreit, ob zwei oder mindestens drei Segmente betroffen sein müssen (vgl. Hessisches LSG vom 18.08.2009- L 3 U 202/04 und 27.03.2012 - L 3 U 81/11; LSG NRW vom 21.04.2015 L 15 U 211/13) nicht an.
Das 2. Zusatzkriterium der B 2 Konstellation ist ebenfalls nicht erfüllt. Nach den Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten hat der Kläger im Zeitraum vom 01.01.1966 bis 30.06.1988 als LKW-Fahrer und Lagerarbeiter durchgängig eine Lebensdosis von höchstens 15,2 MNh in weniger als 10 Jahren und während der Tätigkeit als Schichtführer vom 01.07.1988 bis 20.06.2003, bei der er nur noch in geringem Umfang mit Hebe- und Tragearbeiten befasst gewesen ist, durchgängig nur eine Lebensdosis von 3,1 MNh in weniger als 10 Jahren erreicht. Er hat damit jedenfalls nicht den Orientierungswert für Männer in Höhe von 25 MNh in weniger als 10 Jahren erfüllt.
Soweit der Kläger dies nunmehr bestreitet und behauptet, dass er im Zeitraum während seiner Tätigkeit von 1966 bis 1988 bereits 25 MNh in weniger als 10 Jahren erreicht, sieht sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen im Sinne des Hilfsantrages zu 1. veranlasst.
Der Senat hat dabei keine Bedenken, die Berechnungen des Präventionsdienstes seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Den Ausführungen des Präventionsdienstes liegt eine umfassende Arbeitsplatzanalyse zu Grunde, bei der der Kläger selbst befragt worden ist; den Akten lässt sich entnehmen, dass bei der Befragung im Jahre 2005 neben dem Kläger auch der Personalleiter des Beschäftigungsbetriebes, der Betriebsrat sowie der Betriebsarzt Gesprächspartner gewesen sind. Der Kläger hatte die zur Verfügung gestellten Ermittlungsergebnisse mit Änderungen und Ergänzungen unterschrieben und zurückgesandt. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Präventionsdienst von unzutreffenden Lastenmanipulationen oder Hebe- und Tragevorgängen ausgegangen sein könnte. Es leuchtet auch unmittelbar ein, dass die Tätigkeit als Schichtführer in der Wareneingangskontrolle mit einem anderen Belastungsprofil verbunden war. Der Präventionsdienst der Beklagten verfügt über die entsprechende Sachkunde, derartige Arbeitsabläufe zu bewerten und einzuordnen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein ergänzendes arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten bezogen auf die für die Berechnung der Belastungsdosis relevanten Anknüpfungstatsachen hier zu weiteren Erkenntnissen führen könnte.
Eine besonders intensive Belastung im Sinne des 2. Zusatzkriteriums ist aber bei Unterschreiten den der MDD Dosis von 25 MNh nicht gegeben (ebenso LSG Bayern, Urteile vom 31.01.2013 - L 10 U 244/06 - und 22.05. 2014 - L 18 U 384/10; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.01.2012 - L 2 U 24/09 ZVW; LSG NRW, Urteil vom 12.08.2016 - L 4 U 678/15; a. A. LSG Sachsen, Urteil vom 29.01.2014-L 6 U 111/11-).
Ein genereller wissenschaftlicher Erfahrungssatz, dass für die bei der Befundkonstellation B2, 2. Zusatzkriterium erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern das Erreichen einer unter 25 MNh liegenden Dosis, insbesondere schon der hälftigen MDD-Dosis, nämlich ein Wert von 12,5 MNh genügt, lässt sich den Konsensempfehlungen, die weiterhin den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbilden, nicht entnehmen. Wie Dr. W in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.07.2016 überzeugend dargelegt hat, gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Konsensempfehlungen im Jahr 2005 keinen anderen allgemein anerkannten Richtwert für die Lebensdosis als den des MDD mit 25 MNh (bei Männern). Der in den Konsensempfehlungen niedergelegte Konsens zur Konstellation B2 konnte sich daher bezüglich des 2. Zusatzkriteriums naturgemäß nur auf den MDD-Orientierungswert von 25 MNh beziehen (so auch LSG NRW, Urteil vom 12.08.2016 a. a. O.). Soweit sich in späteren Jahren einzelne Autoren der Konsensempfehlungen zu der Frage, ob die vom BSG im Urteil vom 30.10.2007 (a. a. O.) vorgenommenen Modifizierungen der vom MDD vorgegebenen Orientierungswerte auch auf die Interpretation der Zusatzkriterien der B-Konstellationen zu beziehen ist, kontrovers geäußert haben, wird damit der einmal gebildete wissenschaftliche Erkenntnisstand, dass eine besonders intensive Belastung im Sinne des 2. Zusatzkriteriums der Konstellation B2 bei Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis von 25 MNh bei Männern im weniger als 10 Jahren anzunehmen ist, nicht erschüttert. Denn einzelne Gegenstimmen sind nicht geeignet, einen einmal gebildeten und sich in schriftlichen Beurteilungskriterien manifestierenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die daran beteiligten Autoren in ihrer Mehrheit diesen Konsens in wesentlichen Punkten aufkündigen oder eine (zumindest teilweise) personell anders zusammengesetzte große Mehrheit von mit dieser Materie befassten Fachwissenschaftlern diesem Konsens entgegentritt (BSG, Urteile vom 23.04.2015, B 2 U 6/13 R und B 2 U 10/14 R). Davon ist (zumindest bisher) nicht auszugehen. Wie Dr. W, bei dem es sich um einen außerordentlich erfahrenen Sachverständigen handelt, der mit einer Vielzahl von Gutachten bezogen auf die Anerkennung der BK 2108 befasst war und der die wissenschaftliche Diskussion über Jahre mit verfolgt hat, nachvollziehbar ausgeführt hat, ist nicht erkennbar, dass die Gruppe der Sachverständigen und Wissenschaftler, die von einer Erfüllung des Zusatzkriteriums bereits bei Erreichen von 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren ausgehen, größer ist oder dies mit gravierenderen medizinisch wissenschaftlichen Argumenten belegen könnten, als die Gruppe derer, die davon ausgehen, dass bei erheblicher Unterschreitung des Orientierungswertes die medizinischen Kriterien der Konsensempfehlungen nicht unmodifiziert angewendet werden können. Der Senat ist daher auf der Grundlage der Ausführungen des Dr. W davon überzeugt, dass es bislang keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, wonach für die Konstellation B 2 - 2. Zusatzkriterium - die erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern bereits bei Erreichen des hälftigen MDD Wertes von 25 MNh, also bereits bei 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren erfüllt sein könnte.
Der Senat sieht infolgedessen auch keine Notwendigkeit, dem zweiten Hilfsantrag des Klägers nachzugehen, da Dr. W die Fragestellung erschöpfend und überzeugend beantwortet hat. Ebenso wenig ist der Senat gehalten, diesbezüglich die Mitglieder der Konsensusgruppe zu befragen oder gar eine neue wissenschaftliche Meinungsbildung bezogen auf die als gefährdend anzusehenden Belastungsdosen im Kontext des 2. Zusatzkriteriums in Gang zu setzen( 3. Hilfsantrag).
Das 3. Zusatzkriterium der Konstellation B 3 ist ebenfalls nicht erfüllt. Hierfür ist laut Konsensempfehlungen ein Anhaltspunkt das Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosisrichtwertes durch hohe Belastungsspitzen, nämlich bei Männern ab 6KN (6000N). Solche Dosen werden nur bei einer Manipulation ganz erheblicher Lasten erreicht, wie dies etwa beim Heben einer Last von 56 Kg der Fall ist (siehe hierzu MDD Teil 2, Anlage 1: F = 1800 N + 75N /kg x L). Das beidseitige Umsetzen erfordert sogar eine Last von 83 kg (vgl. LSG NRW vom 16.03.2010 - L 15 U 194/06). Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben jeweils Gewichte zwischen 7 und 25 kg getragen. Lastenmanipulationen in dieser Größenordnung können damit die Hälfte des dort genannten Tagesdosis Richtwertes - wie auch der Präventionsdienst der Beklagten zutreffend mitgeteilt hat - nicht erreichen.
Liegt die B2 Konstellation einschließlich der Zusatzkriterien nicht vor, scheiden auch die Konstellationen B4 - B6 aus, so dass sich auch weitere Erwägungen hinsichtlich der Ausprägung der Schäden an der HWS erübrigen.
Somit ist hier allein die Konstellation B3 einschlägig, die auch Dr. W seiner Beurteilung zugrundegelegt hat. Liegt eine Konstellation vor, für die unter den Autoren der Konsensempfehlungen kein Konsens erzielt werden konnte, bedarf es einer individuellen Beurteilung und Würdigung des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 6/13 R). Hier vermag der Senat unter Berücksichtigung der letztlich nur bezogen auf das Segment L 4/5 deutlichen und im Übrigen nur grenzwertigen Veränderungen im Bereich der unteren LWS keine Umstände erkennen, welche die Annahme eines Kausalzusammenhangs gleichwohl rechtfertigen würden. Allgemein anerkannte epidemiologische Untersuchungen, die nachweisen würden, dass bei der Konstellation B 3 ein besonderes Risiko bei beruflich Exponierten im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besteht, liegen - worauf Dr. W hingewiesen hat - nicht vor und sind auch dem Senat nicht bekannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) im Folgenden: BK 2108.
Der im September 1943 geborene Kläger war von 1966 bis Ende 2003 bei der Firma T Lebensmittel GmbH als LKW Fahrer und Lagerarbeiter und trug Obstkisten, Zwiebel- und Kartoffelsäcke mit einem Gewicht zwischen 7 und 25 Kg. Ab dem 01.07.1988 wurde er als Schichtführer in der Wareneingangskontrolle eingesetzt.
Ausweislich der Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten auf der Grundlage einer Befragung des Klägers am 12.01.2005 im Betrieb war er dabei im Zeitraum vom 01.01.1966 bis 30.06.1988 einer Belastungsdosis von 33,5 MNh und ab 01.07.1988 bis 20.06.2003 im Rahmen der Tätigkeit als Schichtführer einer Belastungsdosis von 5,8 MNh bei Berücksichtigung der Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit unter Anwendung des modifizierten Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) insgesamt einer Gesamtbelastungsdosis von 39,3 MNh ausgesetzt gewesen.
Nach einer BK Anzeige der Krankenkasse leitete die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) ein Feststellungsverfahren zur BK 2108 ein und zog bildgebende Befunde betreffend die LWS und HWS bei.
Mit Bescheid vom 27.04.2004 lehnte die der Beklagten die Anerkennung einer BK 2108 mit der Begründung ab, beim Kläger seien Verschleißerscheinungen auch in anderen Bereichen der Wirbelsäule und an der HWS zu finden, was für eine anlagenbedingte Erkrankung spreche.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, er habe infolge der schweren Arbeit bereits 1975 wegen Rückenbeschwerden eine Kurmaßnahme absolviert. Die Beratungsärztin Dr. I kam nach Sichtung der Unterlagen zu dem Ergebnis, beim Kläger sei im Bereich der LWS eine mehrsegmentale Protusion offenkundig, die HWS sei lediglich im Bereich C6/C7 verändert. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter Prof. Dr. X führte in seinem Gutachten vom 20.08.2005 (mit radiologischen Zusatzgutachten Prof. Dr. I1 vom 22.07.2005) aus, die beim Kläger festzustellenden Bandscheibenprotusionen im Bereich der LWS seien auf die langjährige, nicht mehr zumutbare Beanspruchung bei der beruflichen Tätigkeit zurückzuführen, die MdE schätze er auf 20. v. H.
Die Beklagte folgte dieser Einschätzung nicht und wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 den Rechtsbehelf zurück. In der Begründung heißt es, es sei davon auszugehen, dass die Erkrankung bereits 1975 und damit schon nach wenigen Jahren der beruflichen Belastung eingetreten sei; auch sei die Erkrankung fortgeschritten, obwohl der Kläger ab 1988 deutlich geringeren Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Der Verlauf spreche daher gegen einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit.
Hiergegen hat der Kläger am 11.07.2006 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben und sein Begehren weiter verfolgt.
Das Sozialgericht (SG) hat von Amts wegen ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. T eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 04.09.2009 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.03.2010 zu dem Ergebnis gelangt: er sehe bezogen auf die Zielaufnahme der LWS von 2001 chondrotische Veränderungen auf allen Etagen, im Bereich L1/2 und L 3/4 Grad I-II grenzwertig, im Bereich L 2/3, am stärksten betroffen: L 4/5 - und L5/S1, zumindest Grad II, jedoch keinen Bandscheibenvorfall. Im Bereich der HWS sei im Wesentlichen C 6/7 betroffen. Insoweit sei von der Konstellation B2/B4 auszugehen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die wesentliche Belastung bis 1988 eingetreten sei, und die Entwicklung sowie der Verlauf mangels aussagekräftiger Befundunterlagen bis dahin aber nicht nachvollzogen werden könne, gehe er nicht von einem belastungskonformen Schadensbild aus, so dass eine BK 2108 nicht anzunehmen sei.
Auf Antrag des Klägers hat das SG den Orthopäden Dr. X1 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehört. Dieser Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 02.11.2010 i. V. m. einer ergänzenden Stellungnahme vom 31.01.2011 ausgeführt: Es bestehe ein mehrsegmentaler Befund im Bereich der unteren LWS, am stärksten ausgeprägt bei L 4/5 und L 5/S1 ohne Begleitspondylose. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen spreche nicht gegen die Anerkennung einer BK 2108, da der Grundstein für die degenerativen Veränderungen im vorherigen Zeitraum gelegt worden sei, die Senkung der Belastungsdosis habe aller Wahrscheinlichkeit nach nur zu einer Verlangsamung der Progredienz geführt. Im Übrigen sei ein erstes Auftreten von Rückenbeschwerden im Jahr 1975 nicht mit dem Beginn der bandscheibenbedingten Erkrankung gleichzusetzen. Er schätze die MdE mit 10 v. H. ein.
Das SG hat daraufhin von Amts wegen ein weiteres Gutachten eingeholt, nunmehr bei dem Orthopäden Dr. W. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 01.10.2011 ausgeführt: Beim Kläger liege in dem Segment L4/L5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne einer zweitgradigen Osteochondrose vor. Demgegenüber seien die Veränderungen in dem Segment L5/S1 allenfalls grenzwertig im Vergleich zur Altersnorm. Eine Begleitspondylose lasse sich wegen der möglichen konkurrierenden Ursache der ebenfalls bestehenden Skoliose nicht nachweisen. Eine "black disc" an angrenzenden, nicht von den chondrotischen Veränderungen betroffenen Segmenten sei nicht sicher nachzuweisen. Eine Schwerpunktbildung an der LWS erkenne er nicht. Ein beruflicher Zusammenhang sei nur dann als wahrscheinlich ansehen, wenn eines der arbeitstechnischen Zusatzkriterien der Konsensempfehlungen zu B2/B4 erfüllt sei.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 05.03.2012 hat der Präventionsdienst der Beklagten ausgeführt, im Beschäftigungszeitraum 1966 - 2003 sei der Richtwert für die Lebensdosis von 25 MNh in weniger als 10 Jahren nicht erreicht worden, es werde maximal eine Lebensdosis von 15,2 MNh erreicht; auch seien keine Belastungspitzen mit Druckkraftwerten von 6kN oder mehr angefallen.
Mit Urteil vom 18.04.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 14.05.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.06.2012 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens macht er geltend, der Schwere der langjährigen körperlichen Belastungen werde unter Berücksichtigung des vorliegenden Krankheitsbildes nicht ausreichend Rechnung getragen. Auch lägen seiner Ansicht nach die arbeitstechnischen Zusatzkriterien der B2-Konstellation bezogen auf den Zeitraum 1966 bis 1988 vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.04.2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen und eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab Oktober 2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,
1. hilfsweise zum Beweis für die Behauptung, dass unter Berücksichtigung aller Arbeitsunfähigkeitstage im Beschäftigungszeitraum 01.01.1966 bis 30.06.1988 von einer Lebensdosis von mindestens 25 MNh in weniger als 10 Jahren auszugehen ist, ein ergänzendes arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen,
2. weiter hilfsweise, durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu überprüfen, ob der allgemeine Erfahrungssatz besteht, dass für die bei der Befundkonstellationen B2, 2. Zusatzkriterium erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern das Erreichen der hälftigen MDD Dosis in Höhe von 25 Nh, mithin des Wertes von 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren genügt,
3. weiter hilfsweise, bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" eine schriftliche Stellungnahme zu der Frage einzuholen, ob ein Konsens zur Zusammenhangsbeurteilung auch dann besteht, wenn beim Zusatzkriterium der B2-Konstellation "besonders intensive Belastung" der Richtwert für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren bei Männern auf 12,5 MNh halbiert wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
1. hilfsweise, zu ermitteln, ob der allgemeine Erfahrungssatz besteht, dass für die bei der Befundkonstellationen B 2, 2. Zusatzkriterium erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern das Erreichen der hälftigen MDD Dosis in Höhe von 25 MNh nämlich des Wertes von 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren genügt,
2. hilfsweise, die Mitglieder der Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" zu der Frage zu hören, ob ein Konsens zur Zusammenhangsbeurteilung auch dann noch besteht, wenn beim Zusatzkriterium der B2 Konstellation "besonders intensive Belastung" der Richtwert für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren bei Männern auf 12,5 MNh halbiert wird.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers eine weitere Stellungnahme nach § 109 SGG bei Dr. X1 angefordert, der am 30.04.2013 die Auffassung vertreten hat, die HWS Veränderungen seien im Vergleich zur LWS geringer ausgeprägt, außerdem sei das Zusatzkriterium "Belastungsspitzen" erfüllt. Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten.
Der Senat hat gem. § 106 SGG ein radiologisches Gutachten bei Prof. Dr. B, Universitätsklinikum E, eingeholt. Der Sachverständige ist unter Auswertung der bildgebenden Befunde in seinem Gutachten vom 27.03.2015 zu dem Ergebnis gelangt, es seien Höhenminderungen an mehreren Bandscheiben der Lendenwirbelsäule nachweisbar mit Chondrose der Grad II im Bewegungssegment LWK 4/5 sowie Chondrose Grad I im Bewegungssegment LWK 1/2 - LWK 2/3 - LWK 5/SWK 1 festzustellen. Es sei eine black-disc im Bewegungssegment LWK 4/5 vorhanden, die übrigen Bandscheiben der LWS zeigten ebenfalls einen deutlichen Signalabfall ohne Nachweis von black-discs, wobei auch keine Begleitspondylose vorliege. Zusätzlich fänden sich multisegmentale Bandscheibenvorwölbungen, die als Protusion Grad I/II mit Tendenz zu II gewertet würden, so dass aus seiner Sicht die Konstellation B2, 1. Alt. gegeben sei. Die degenerativen Veränderungen an der HWS seien demgegenüber im Vergleich zur LWS als schwächer ausgeprägt zu bezeichnen. Höhergradige konkurrierende Ursachenfaktoren erkenne er nicht. Er gehe insoweit vom Vorliegen der Konstellation B4 aus.
Die Beklagte ist dem Gutachten entgegen getreten. Die vom Sachverständigen beschriebenen Veränderungen erreichten außer im Segement L4/5 nicht den Chondrosegrad II, so dass von nur einem monosegmentalen Bandscheibenschaden auszugehen sei. Eine black disc in mindestens zwei angrenzenden Segmenten sei nicht festgestellt worden, so dass die Konstellation B2 1 Alt. nicht angenommen werden könne.
In einer weiteren arbeitstechnische Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 10.07.2015 wird ausgeführt, dass sich unter Berücksichtigung aller Arbeitsunfähigkeitstage im Beschäftigungszeitraum 01.01.1966 bis 30.06.1988 durchgängig eine Lebensdosis von 14,7 MNh in weniger als 10 Jahren errechne. Im Beschäftigungszeitraum 01.07.1988 bis 20.06.2003 sei durchgängig eine Lebensdosis von 3,1 MNh in weniger als 10 Jahren zu verzeichnen.
Der Senat hat eine weitere ergänzende Stellungnahme des Dr. W vom 21.07.2016 eingeholt, der ausgeführt hat, die Mitglieder der Konsensusgruppe seien bei der Erarbeitung der Konsensempfehlungen vom einem Erfahrungssatz ausgegangen, wonach mit einer "besonders intensiven Belastung" das Erreichen des Richtwertes von 25 MNh (bei Männern) in weniger als 10 Jahren gemeint war. Eine Verdichtung der zwischenzeitlich gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach bereits eine Belastung von 12,5 MNh bezogen auf das Zusatzkriterium B 2 - 2. Alt ausreichend sein solle, könne er nicht erkennen.
Der Kläger ist dieser Stellungnahme entgegengetreten. Er halte diesbezüglich weitere Ermittlungen für geboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Deren wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 27.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn dieser Bescheid entspricht der Sach- und Rechtslage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der streitigen BK 2108.
Hinsichtlich der Voraussetzungen der Anerkennung einer BK gemäß § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - 7. das Buch - (SGB VII) dem Grunde nach nimmt der Senat gemäß §153 Abs. 2 SGG zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Nach dem Tatbestand der BK 2108 muss der Versicherte aufgrund einer versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben und getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Durch die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen, deren Vorliegen nach dem sogenannten Mainz-Dortmunder-Dosis Modell - MDD - (vergleiche BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R) zu ermitteln ist, muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule entstanden sein und noch bestehen. Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeit aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen liegt eine BK 2108 nicht vor (BSG, Urteil vom 30.10.2007, a. a. O.; Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R).
Hinsichtlich der Einwirkungen hat das MDD eine Belastung von 25 MNh (für Männer) als Richtwert angesehen; das BSG hat in seinem Urteil vom 30.10.2007 insoweit eine Modifizierung vorgenommen, als es den Nachweis einer Mindestbelastungsdosis von 5500 Nh pro Tag (Tagesdosis) als obsolet angesehen hat, wodurch nunmehr auch Tagesdosiswerte unterhalb dieses Wertes in die Gesamtberechnung einfließen. Außerdem hat es den unteren Wert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen ist und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, auf die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh, also 12,5 MNh herabgesetzt und ein Unterschreiten dieses Wertes somit als "Abschneidekriterium" herangezogen. Der Kläger hat nach den vorliegenden arbeitstechnischen Ermittlungen unstreitig in dem hier allein relevanten Zeitraum von 1966 bis 2003 bei der ausgeübten Beschäftigung diesen (nach der modifizierten Berechnung) ermittelten Orientierungswert mit 39,3 MNh überschritten, sodass es an dieser Stelle keiner näheren Ausführungen zu weiteren Belastungsfaktoren bedarf. Der Kläger war als Lagerarbeiter auch langjährig (mindestens 10 Jahre) und mindestens 60 Schichten pro Jahr regelmäßigen Einwirkungen im Sinne der BK 2108 ausgesetzt.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankungen im Sinne der BK 2108 setzt den bildgebenden Nachweis eines altersuntypischen Bandscheibenschadens im Sinne einer Höhenminderung (Chondrose und/oder einem Bandscheibenvorfall) einerseits und einer korrelierenden klinischen Symptomatik andererseits voraus.
Beim Kläger liegt nach übereinstimmender Auffassung aller mit der Angelegenheit des Klägers befassten Ärzte eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor, und zwar zumindest in Form einer Chondrose Grad II im Segment L 4/5, die auch mit einem korrespondierenden klinischen Beschwerdebild und Funktionseinschränkungen einhergeht, wobei hinsichtlich der Betroffenheit der übrigen Bereiche der LWS teilweise unterschiedliche Einschätzungen der Sachverständigen vorliegen.
Das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung und die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des modifizierten MDD kann jedoch allein die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhangs der vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit beruflichen Einwirkungen nicht begründen, da in der medizinischen Wissenschaft anerkannt ist, dass Bandscheibenschäden insbesondere der unteren LWS in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie (vgl. Merkblatt zur BK 2108 (BArbBl 10/2006)-I. Gefahrenquellen-). Da diese Bandscheibenerkrankungen auch in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, hat die medizinische Wissenschaft im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Rahmen der BK 2108 weitere Kriterien erarbeitet, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS, die als sogenannte Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe zusammengestellt wurden (vergl. Trauma und Berufskrankheit, Heft 3/2005 Seite 211 ff.). Es ist davon auszugehen, dass diese nach wie vor den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zur Frage der Verursachung von Erkrankungen der LWS durch körperliche berufliche Belastungen darstellen (vergl. BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 13/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 9; Urteil vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R sowie zuletzt: BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 10/14 R Rn. 20ff m. w. N.). Zur Gewährleistung einer gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten im Geltungsbereich des SGB VII erscheint es daher sachgerecht und geboten, dass Gutachter, Sachverständige und Gerichte diese Konsensempfehlungen bei der Kausalitätsbeurteilung anwenden.
Heranzuziehen ist hier die Konstellation B, welche eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich L5/S1 und/oder L4/L5 bei Ausprägung des Bandscheibenschadens als Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall zur Grundvoraussetzung hat.
In der Konstellation B2 ist ein Zusammenhang wahrscheinlich, wenn (bei fehlender Begleitspondylose und nicht erkennbaren wesentlichen konkurrierenden Ursachenfaktoren) eine altersuntypische Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht - bei monosegmentalen/Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten vorliegen. (1. Zusatzkriterium).
Alternativ genügt für die Erfüllung der Konstellation B2 das Vorliegen einer besonders intensiven Belastung und als Anhaltspunkt das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren (2. Zusatzkriterium).
Schließlich kann die Konstellation B2 auch durch das Vorliegen eines besonderen Gefährdungspotenzials durch hohe Belastungsspitzen und als Anhaltspunkt das Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosis-Richtwertes durch hohe Belastungsspitzen (Männer ab 6 KN) erfüllt werden (3. Zusatzkriterium).
Bei Anwendung dieser Grundsätze sind nach Überzeugung des Senats die Voraussetzungen der Konstellation "B2" nicht erfüllt.
Das 1. Zusatzkriterium kann beim Kläger nicht angenommen werden.
Hinsichtlich der Bewertung der Ausprägung der Schäden an der LWS ist bei korrekter Anwendung der Konsensempfehlungen nach Überzeugung des Senats auch nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B nur von einem monosegmentalten Bandscheibenschaden auszugehen, da nur der Bereich L4/5 eine Chondrose Grad II aufweist, die übrigen LWS-Abschnitte zwar verändert sind (Höhenminderung Grad I bzw. I - II im Bereich LWK 5/S 1). Beim hier unstreitigen Fehlen von Begleitspondylosen und wesentlichen konkurrierenden Ursachen erreichen die Schäden aber noch nicht den geforderten Grad II im Sinne von altersuntypischen Veränderungen. Ebenso liegen noch keine black discs in den an den LWK 4/5 angrenzenden Bereichen vor. Insoweit ist den überzeugenden, sich an den Konsensempfehlungen orientierenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. W zu folgen, der davon ausgeht, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung mit altersuntypischen Veränderungen im Segment L4/5 vorliegt und die Veränderungen im Segment L5 /S1 allenfalls als grenzwertig zu anzusehen sind. Prof. Dr. B hat dies als Chondrose Grad II in L 4/5 und Chondrose I - II in L5/S1 bezeichnet. Bandscheibenvorfälle hat auch er nicht benannt. Die von ihm beschriebenen Bandscheibenvorwölbungen (Protusionen) - (nicht: Prolaps) bei den LWK 4/5 und LWK 5/S1 vom Grad I - II reichen für das Zusatzkriterium B 2 1. Alt. nicht aus. Wenn Prof. B hier also von "mehreren Bandscheibensegmenten" spricht, hat er offenbar auch die I. gradigen Veränderungen mit einbezogen, was nicht zutreffend ist. Bei einem monosegmentalen Befall kommt es auf den Meinungsstreit, ob zwei oder mindestens drei Segmente betroffen sein müssen (vgl. Hessisches LSG vom 18.08.2009- L 3 U 202/04 und 27.03.2012 - L 3 U 81/11; LSG NRW vom 21.04.2015 L 15 U 211/13) nicht an.
Das 2. Zusatzkriterium der B 2 Konstellation ist ebenfalls nicht erfüllt. Nach den Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten hat der Kläger im Zeitraum vom 01.01.1966 bis 30.06.1988 als LKW-Fahrer und Lagerarbeiter durchgängig eine Lebensdosis von höchstens 15,2 MNh in weniger als 10 Jahren und während der Tätigkeit als Schichtführer vom 01.07.1988 bis 20.06.2003, bei der er nur noch in geringem Umfang mit Hebe- und Tragearbeiten befasst gewesen ist, durchgängig nur eine Lebensdosis von 3,1 MNh in weniger als 10 Jahren erreicht. Er hat damit jedenfalls nicht den Orientierungswert für Männer in Höhe von 25 MNh in weniger als 10 Jahren erfüllt.
Soweit der Kläger dies nunmehr bestreitet und behauptet, dass er im Zeitraum während seiner Tätigkeit von 1966 bis 1988 bereits 25 MNh in weniger als 10 Jahren erreicht, sieht sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen im Sinne des Hilfsantrages zu 1. veranlasst.
Der Senat hat dabei keine Bedenken, die Berechnungen des Präventionsdienstes seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Den Ausführungen des Präventionsdienstes liegt eine umfassende Arbeitsplatzanalyse zu Grunde, bei der der Kläger selbst befragt worden ist; den Akten lässt sich entnehmen, dass bei der Befragung im Jahre 2005 neben dem Kläger auch der Personalleiter des Beschäftigungsbetriebes, der Betriebsrat sowie der Betriebsarzt Gesprächspartner gewesen sind. Der Kläger hatte die zur Verfügung gestellten Ermittlungsergebnisse mit Änderungen und Ergänzungen unterschrieben und zurückgesandt. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Präventionsdienst von unzutreffenden Lastenmanipulationen oder Hebe- und Tragevorgängen ausgegangen sein könnte. Es leuchtet auch unmittelbar ein, dass die Tätigkeit als Schichtführer in der Wareneingangskontrolle mit einem anderen Belastungsprofil verbunden war. Der Präventionsdienst der Beklagten verfügt über die entsprechende Sachkunde, derartige Arbeitsabläufe zu bewerten und einzuordnen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein ergänzendes arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten bezogen auf die für die Berechnung der Belastungsdosis relevanten Anknüpfungstatsachen hier zu weiteren Erkenntnissen führen könnte.
Eine besonders intensive Belastung im Sinne des 2. Zusatzkriteriums ist aber bei Unterschreiten den der MDD Dosis von 25 MNh nicht gegeben (ebenso LSG Bayern, Urteile vom 31.01.2013 - L 10 U 244/06 - und 22.05. 2014 - L 18 U 384/10; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.01.2012 - L 2 U 24/09 ZVW; LSG NRW, Urteil vom 12.08.2016 - L 4 U 678/15; a. A. LSG Sachsen, Urteil vom 29.01.2014-L 6 U 111/11-).
Ein genereller wissenschaftlicher Erfahrungssatz, dass für die bei der Befundkonstellation B2, 2. Zusatzkriterium erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern das Erreichen einer unter 25 MNh liegenden Dosis, insbesondere schon der hälftigen MDD-Dosis, nämlich ein Wert von 12,5 MNh genügt, lässt sich den Konsensempfehlungen, die weiterhin den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbilden, nicht entnehmen. Wie Dr. W in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.07.2016 überzeugend dargelegt hat, gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Konsensempfehlungen im Jahr 2005 keinen anderen allgemein anerkannten Richtwert für die Lebensdosis als den des MDD mit 25 MNh (bei Männern). Der in den Konsensempfehlungen niedergelegte Konsens zur Konstellation B2 konnte sich daher bezüglich des 2. Zusatzkriteriums naturgemäß nur auf den MDD-Orientierungswert von 25 MNh beziehen (so auch LSG NRW, Urteil vom 12.08.2016 a. a. O.). Soweit sich in späteren Jahren einzelne Autoren der Konsensempfehlungen zu der Frage, ob die vom BSG im Urteil vom 30.10.2007 (a. a. O.) vorgenommenen Modifizierungen der vom MDD vorgegebenen Orientierungswerte auch auf die Interpretation der Zusatzkriterien der B-Konstellationen zu beziehen ist, kontrovers geäußert haben, wird damit der einmal gebildete wissenschaftliche Erkenntnisstand, dass eine besonders intensive Belastung im Sinne des 2. Zusatzkriteriums der Konstellation B2 bei Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis von 25 MNh bei Männern im weniger als 10 Jahren anzunehmen ist, nicht erschüttert. Denn einzelne Gegenstimmen sind nicht geeignet, einen einmal gebildeten und sich in schriftlichen Beurteilungskriterien manifestierenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die daran beteiligten Autoren in ihrer Mehrheit diesen Konsens in wesentlichen Punkten aufkündigen oder eine (zumindest teilweise) personell anders zusammengesetzte große Mehrheit von mit dieser Materie befassten Fachwissenschaftlern diesem Konsens entgegentritt (BSG, Urteile vom 23.04.2015, B 2 U 6/13 R und B 2 U 10/14 R). Davon ist (zumindest bisher) nicht auszugehen. Wie Dr. W, bei dem es sich um einen außerordentlich erfahrenen Sachverständigen handelt, der mit einer Vielzahl von Gutachten bezogen auf die Anerkennung der BK 2108 befasst war und der die wissenschaftliche Diskussion über Jahre mit verfolgt hat, nachvollziehbar ausgeführt hat, ist nicht erkennbar, dass die Gruppe der Sachverständigen und Wissenschaftler, die von einer Erfüllung des Zusatzkriteriums bereits bei Erreichen von 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren ausgehen, größer ist oder dies mit gravierenderen medizinisch wissenschaftlichen Argumenten belegen könnten, als die Gruppe derer, die davon ausgehen, dass bei erheblicher Unterschreitung des Orientierungswertes die medizinischen Kriterien der Konsensempfehlungen nicht unmodifiziert angewendet werden können. Der Senat ist daher auf der Grundlage der Ausführungen des Dr. W davon überzeugt, dass es bislang keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, wonach für die Konstellation B 2 - 2. Zusatzkriterium - die erforderliche besonders intensive Belastung bei Männern bereits bei Erreichen des hälftigen MDD Wertes von 25 MNh, also bereits bei 12,5 MNh in weniger als 10 Jahren erfüllt sein könnte.
Der Senat sieht infolgedessen auch keine Notwendigkeit, dem zweiten Hilfsantrag des Klägers nachzugehen, da Dr. W die Fragestellung erschöpfend und überzeugend beantwortet hat. Ebenso wenig ist der Senat gehalten, diesbezüglich die Mitglieder der Konsensusgruppe zu befragen oder gar eine neue wissenschaftliche Meinungsbildung bezogen auf die als gefährdend anzusehenden Belastungsdosen im Kontext des 2. Zusatzkriteriums in Gang zu setzen( 3. Hilfsantrag).
Das 3. Zusatzkriterium der Konstellation B 3 ist ebenfalls nicht erfüllt. Hierfür ist laut Konsensempfehlungen ein Anhaltspunkt das Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosisrichtwertes durch hohe Belastungsspitzen, nämlich bei Männern ab 6KN (6000N). Solche Dosen werden nur bei einer Manipulation ganz erheblicher Lasten erreicht, wie dies etwa beim Heben einer Last von 56 Kg der Fall ist (siehe hierzu MDD Teil 2, Anlage 1: F = 1800 N + 75N /kg x L). Das beidseitige Umsetzen erfordert sogar eine Last von 83 kg (vgl. LSG NRW vom 16.03.2010 - L 15 U 194/06). Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben jeweils Gewichte zwischen 7 und 25 kg getragen. Lastenmanipulationen in dieser Größenordnung können damit die Hälfte des dort genannten Tagesdosis Richtwertes - wie auch der Präventionsdienst der Beklagten zutreffend mitgeteilt hat - nicht erreichen.
Liegt die B2 Konstellation einschließlich der Zusatzkriterien nicht vor, scheiden auch die Konstellationen B4 - B6 aus, so dass sich auch weitere Erwägungen hinsichtlich der Ausprägung der Schäden an der HWS erübrigen.
Somit ist hier allein die Konstellation B3 einschlägig, die auch Dr. W seiner Beurteilung zugrundegelegt hat. Liegt eine Konstellation vor, für die unter den Autoren der Konsensempfehlungen kein Konsens erzielt werden konnte, bedarf es einer individuellen Beurteilung und Würdigung des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 6/13 R). Hier vermag der Senat unter Berücksichtigung der letztlich nur bezogen auf das Segment L 4/5 deutlichen und im Übrigen nur grenzwertigen Veränderungen im Bereich der unteren LWS keine Umstände erkennen, welche die Annahme eines Kausalzusammenhangs gleichwohl rechtfertigen würden. Allgemein anerkannte epidemiologische Untersuchungen, die nachweisen würden, dass bei der Konstellation B 3 ein besonderes Risiko bei beruflich Exponierten im Vergleich zur übrigen Bevölkerung besteht, liegen - worauf Dr. W hingewiesen hat - nicht vor und sind auch dem Senat nicht bekannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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